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Jonathan Strange & Mr. Norrell
Bewertung:
(4.1)
Von: Patrick Pricken
Am: 07.12.2005
Autor:Susanne Clarke
Typ:
System:Roman
VerlagBloomsbury Berlin
ISBN/ASIN:3-8270-0522-1
Inhalt:1021 Seiten gebunden
Sprache:Deutsch

Childermass bat Dr. Foxcastle abermals um Verzeihung; er befürchte, dass Dr. Foxcastle ihn missverstanden habe. Mr. Norrell würde gewiss zaubern, und zwar in Hurtfew Abbey, und die Ergebnisse würden in York zu sehen sein. »Gentlemen«, sagte er zu Dr. Foxcastle, »verlassen nicht gern ihren gemütlichen Kamin, wenn es nicht sein muss.«

 

Einst lebten in England die „Goldenen Zauberer“, die Aureaten, mächtige Zauberer mit großer Macht. Doch sie verschwanden, und mit ihnen die mächtigste Magie. Nach ihnen kamen die Silbernen, oder Argentischen Zauberer, deren Macht jedoch zusehends schwächer wurde. Und nun, im Jahre 1806, gibt es nur mehr theoretische Zauberer – immer noch eine ehrenhafte Beschäftigung für einen Gentleman, natürlich, aber doch von wenig praktischem Nutzen.

 

Da tritt ein mysteriöser Mann an die Öffentlichkeit. Mr. Norrell hat Jahre damit verbracht, Zauberbücher – nicht nur Bücher über Zauberei, sondern richtige Zauberbücher – zu studieren, und tatsächlich kann er zaubern. Bald ist er in London der gefragteste Mann, und selbst die Regierung bittet ihn um Hilfe. Dann taucht eines Tages Jonathan Strange auf der Bildfläche auf, ein zweiter Zauberer, der prompt in den Krieg gegen Napoleon berufen wird. Strange und Norrell sind verschieden, und doch als die einzigen praktischen Zauberer auch seelenverwandt.

 

Gleichzeitig aber treibt ein Elf sein Unwesen – eines jener magiebegabten aber ebenso wilden wie bösartigen Geschöpfe aus Anderland -, dessen Zauberei zu viel Übel führt. Und dann ist da noch diese Prophezeihung, die von der Rückkehr des größten und düstersten Zauberer Englands, dem Rabenkönig kündet: „Zwei Zauberer werden in England erscheinen. Der Eine wird mich fürchten, der Andere wird mich herbeisehnen.“

 

Susanna Clarke beschreibt in ihrem Erstlingsroman ein England, wie es so nie gab – oder? Tatsächlich sind die Ereignisse, die Details und Charaktere so glaubhaft, dass man bald an die lange englische Tradition der Zauberei zu glauben beginnt. Clarke verwendet viele Fußnoten, in denen sie auf andere Werke zu diesem Thema (allesamt fiktiv?) verweist, z.B. eine 1820 erschiene Biografie von Jonathan Strange.

 

Der Stil passt sich dieser Idee an; das Buch liest sich beinahe wie ein Roman aus dem frühen neunzehnten Jahrhundert. Die Wortwahl, aber vor allem die Genauigkeit, mit der die Welt und die Charaktere dieser von „englischen Gentlemen“ beherrschten Zeit geschildert wird, ist beeindruckend. Der Stil ist bei allem Schmuck immer gut lesbar und oft leicht ironisch, was die Lektüre sehr amüsant gestaltet.

 

Die Charaktere sind glaubwürdig, die Ereignisse reichen von grausam bis lustig, und stets scheint sich Düsteres anzubahnen. Wenn man einen Vorwurf machen kann, dann den, dass keine Hochspannung aufkommt. Durch den gemächlichen Erzählfluss und die wortreiche Sprache verliert man manchmal die bedrohlicheren Aspekte aus den Augen. Ansonsten hat mir das Lesen sehr viel Spaß bereitet, und das Ende, ohne besonders glücklich zu sein, war in meinen Augen ein passendes und richtiges Ende.

 

Fazit:

Wer einmal nicht von Orks und Elfen lesen möchte und nicht unbedingt zittrige Spannung erwartet, dem wird mit Jonathan Strange & Mr. Norrell ein großes Lesevergnügen beschienen. Noch dazu beleuchtet das Buch eine Zeit, die seltener von fantastischer (in beiden Sinnen) Literatur beachtet wird, aber in Cthulhu, Vampire: Victorian Era, Mystery 1880 u.ä. Rollenspielen durchaus bespielt wird. Ich kann das Buch nur empfehlen, auch wenn der Preis von 29,80 Euro im Vergleich zu üblichen Taschenbüchern hoch erscheinen sollte. Es macht übrigens keinen Unterschied, ob das Buch einen weißen (s. Bild) oder schwarzen Umschlag hat.