Ein Schuss hallte durch die Luft, und der Kutscher fiel von seinem Kutschbock in den Sand. Wiehernd gingen die Pferde durch, und mit einem Ruck nahm das Gefährt Tempo auf. Von beiden Seiten des Canyons galoppierten nun wild schießende Cowboys herab. In der Kutsche saßen Jane und Tom ziemlich verdattert, während das Ehepaar Jenkins sich ängstlich aneinander klammerte. Nach einem Moment der Überraschung nahm Tom seine treue Flinte hervor. „Übernimm die Zügel“, sagte er zu Jane, dann beugte er sich aus dem Fenster und nahm Maß...
Vorwort Verfolgungsjagden sind ein klassisches Element in jeder Abenteuergeschichte; egal, zu welcher Zeit sie spielt. In D&D und seinen vielen Varianten kommen diese rasanten Ereignisse aber nur selten bis gar nicht vor. Spycraft hatte Regeln für solche Verfolgungen, die jedoch durch über Kreuz zu lesende Tabellen verkompliziert wurden. Grim Tales hatte einen Ansatz solcher Mechanismen. Diesen Ansatz hat sich Corey Reid vorgenommen, und daraus seine Regeln gestrickt, die in Hot Pursuit ihren Niederschlag finden. Fragt sich nur, ob er bald von Bewunderern oder einem wütenden Mob verfolgt wird...
Erster Eindruck Hot Pursuit ist eine PDF-Datei von 42 Seiten; darauf entfallen die letzten drei Seiten auf die OGL und Werbung. Die Datei hat rote Ränder und ein in Rot gehaltenes Cover, ist ansonsten aber schwarzweiß. Die Bilder sind thematisch passend und mehr oder weniger gelungen; sie scheinen einer Vielzahl von offenen Quellen zu entstammen. Die Schrift ist gut lesbar, mit vielleicht etwas zu viel Freiräumen. Der Stil ist angenehm und persönlich; ab und zu gibt es auch ironische Anmerkungen des Autors. Die Datei kostet 6,50 Dollar.
ACHTUNG: Diese Rezension bezieht sich auf die erste Version! Ein Update der fehlerhaften Stellen ist in Arbeit.
Details Die Regeln, nach denen Verfolgungen funktionieren, sind denkbar einfach. Es wird nach Initiativereihenolge vorgegangen, und jeder Beteiligte kann jede Runde ein Manöver ausführen. Je nachdem, ob der Charakter Fahrer oder Passagier ist, und ob ein Hindernis im Weg ist, stehen verschiedene Manöver zu Verfügung. Die Proben für die Manöver sind Fertigkeitsproben gegen einen festen Schwierigkeitsgrad, oder gehen die gegnerischen Verfolger. Entfernung zwischen den einzelnen Verfolgern sowie Geschwindigkeiten werden in abstrakten Kategorien gemessen. Das erleichtert die Buchführung. Schnellere Teilnehmer bekommen einfach einen Bonus auf ihre Würfe. Die Beschaffenheit des Geländes macht ebenfalls einen Unterschied: Einerseits kann das Gelände weiträumig oder beengt sein, andererseits aber auch uneben, kurvig oder sumpfig. Dadurch wird sowohl beeinflusst, wie oft Hindernisse auftauchen und wie schwierig es ist, zu manövrieren, aber auch die maximale Geschwindigkeit wird beeinflusst. Für langsame Verfolgte könnte es sich z.B. anbieten, in einen Morast zu fliehen, da dort auch Pferde nicht mehr besonders schnell sind. Die Manöver lassen eigentlich wenig Fragen offen. Das einzige Manöver, das mir fehlt, ist eines, mit dem man sich selbst zum Hindernis machen kann. Tatsächlich ist die Möglichkeit, den Verfolgten zu überholen, nicht im Buch vorgesehen. Auch das Head’Em-Off-Manöver, sozusagen eine Abkürzung, gefällt mir nicht so sehr, da die anschließende Probe sehr schwierig ist und wahrscheinlich dem Verfolger wenig bringt. Ich habe allerdings schon eine Hausregel im Kopf. Ansonsten sind die Manöver sehr frei formuliert. Überhaupt beruhen die Regeln zwar auf d20 Modern, sind aber für eigentlich alle d20-Systeme anwendbar. So kann man je nach Art der Verfolgungsjagd und der Umgebung die Manöver unterschiedlich interpretieren. Hindernisse kommen zufällig vor, können aber auch vom Spielleiter festgelegt werden. S kann man z.B. notieren, dass in Runde 5 die Teilnehmer an eine sich öffnende Brücke kommen, und nun über den Spalt springen müssen. Die Schäden, die von Hindernissen verursacht werden, sind enorm. Ich weiß nicht, ob es nicht zu viel Schaden ist – in Hinblick auf Fantasy-Verfolgungen -, da weder Pferde noch Menschen die Härte eines Autos haben. Aber wenn man mit einem Pferd in ein Haus kracht, tut das schon weh. Hot Pursuit liefert Tabellen mit den üblichen Vehikeln (sowohl Reittiere – auch ein Triceratops ist darunter – als auch Kutschen, Streitwagen, aber natürlich ebenfalls Autos, Hubschrauber, u.ä.), ebenso Übersichtstabellen zum Ausdruck mit den Manövern und eine Verfolgungs-Tabelle, auf der man die wichtigsten Daten festhalten kann. Letztlich bekommen wir noch ein paar Beispiele für Szenarien und Hindernisse. Leider sind einige Fehler im Text, vor allem in den Beispielen. Das verwirrt natürlich besonders; Adamant wird aber in Kürze eine neue Version des Buches freigeben, worin die gefundenen Fehler beseitigt werden – die Vorteile der PDF, wo man Errata gleich einarbeiten kann. Womöglich ist zum Zeitpunkt, wenn diese Rezi erscheint, die neue Version schon online. Ich kann jedoch nicht umhin, das größte Manko zu verschweigen. Hot Pursuit richtet sich an Verfolgungsjagden mit Gefährt, sei es nun Reittier oder Vehikel. Der Autor empfiehlt, Verfolgungsjagden zu Fuß mit Stärkeproben abzuhandeln. Diese kurze Einlassung reicht jedoch nicht. Einerseits ist der Schaden durch Hindernisse recht hoch, andererseits sind Proben nur mit Stärke wesentlich schwieriger zu bestehen als Fertigkeitsproben. Deshalb könnten manche Schwierigkeitsgrade etwas zu hoch sein. Auch kann man nicht die Kontrolle über sich selbst verlieren (während man nach einem Zusammenstoß durchaus die Kontrolle über ein Fahrzeug verlieren kann). Zwar sind diese Fragen relativ leicht behoben – aber man bleibt sicher nicht ohne Arbeit. Ebenso verhäkt es sich, wenn man diese Regeln für ein Wettrennen adaptieren will; dann muss man den Verfolgten wechseln lassen (je nachdem, wer gerade führt), was die Sache evl. etwas komplexer macht. Der Autor hat jedoch schon zugestanden, sich primär auf Fahrzeugjagden konzentriert zu haben, und Nachfolgewerke in Aussicht gestellt. Zu den positiven Seiten muss ich sagen, dass die Regeln sehr verständlich und einfach sind. Es ist ebenfalls sehr leicht, etwas anzupassen oder zu ändern (ich habe schon zwei Hausregeln und ein neues Manöver). Das kommt auch im Text deutlich hervor. Ziel des Autors ist es primär, die Basis für eine spannende und rasante Verfolgung zu bieten, und er lässt alle Freiheiten, die diesem Ziel zuarbeiten. So ändert er in einem Beispiel die Hindernisregeln selbst, indem Obststände – jede Verfolgungsjagd braucht einen Obststand als Hindernis – nur halben Schaden verursachen und einen Bonus auf den Wurf gegen Kontrollverlust geben, damit man auch ja volle Kanne durchbrausen kann. (Auch weist er auf die niemals versiegenden Vorteile von explodierenden Fahrzeugen hin, um dann auszuführen, dass Rettiere natürlich nicht mit solch dramatischen Methoden aus dem Rennen scheiden – auch wenn das auf eine ziemlich grausame Art ziemlich cool wäre.)
Fazit: Hot Pursuit bietet ein solides und nicht zu aufwändiges Regelwerk für Verfolgungsjagden im Rollenspiel, das ich beim ersten Lesen schon verstanden zu haben glaube. Mit den hier angegebenen Mitteln kann man meines Erachtens sehr einfach schnelle und spannende Verfolgungen inszenieren – solange man sich mit einem Gefährt fortbewegt. Für Fußjagden muss man als Spielleiter etwas Arbeit investieren (ebenso wahrscheinlich für Luftverfolgungen oder gar Raumjagden). Trotzdem passen die Regeln und Manöver auch für diese Situationen, sodass ein Großteil der Arbeit schon getan wurde. Die Fehler in den Beispielen sind ärgerlich, werden aber durch die neue Version abgedeckt. Letztendlich profitiert Hot Pursuit auch von der Tatsache, dass der Autor ganz klar den Spaß vor den Realismus stellt. Wem das System in Grim Tales gefallen hat, oder wer generell nach Regeln für Verfolgungen sucht, sollte auf jeden Fall einen Blick riskieren. Wem allerdings die Regeln von Spycraft nicht zu kompliziert sind, der kann, muss aber nicht zu Hot Pursuit greifen.
|
||||||||||||||||||||