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Buch 0: "Grundsätzliches", Kapitel 3: "direkte Spielhilfen"

Buch 0: "Grundsätzliches", Kapitel 3: "direkte Spielhilfen"

LINK: The Other Game Company: http://www.theothergamecompany.com/

 

Einleitung

Herzlich Willkommen bei einem weiteren Weisen Rat. Beim letzten Mal haben wir uns angesehen, was ein Spielleiter vor dem eigentlichen Spieltermin schon tun kann, um das Gelingen des Spiels zu sichern. Dieses Mal gehen wir in medias res, in den direkten Spielablauf.

 

Erinnerung: Das oberste Ziel

Beim letzten Mal hatten wir festgelegt, dass es für einen Spielleiter unerlässlich ist, das Spiel weiterlaufen zu lassen. Dies wird auch heute wieder unsere Maxime sein.

 

Initiativekarten

Eine der chaotischsten und zeitaufwändigsten Sachen in einem D&D-Spiel ist der Kampf. Besonders auf hohen Stufen kann sich ein Kampf schon mehrere Stunden hinziehen. Zudem sind die Spieler bei einem Kampf immer nacheinander an der Reihe. Deshalb ist ein langer Kampf eine der größten Faktoren, dass die Aufmerksamkeit eines oder mehrere Spieler nachlässt. Es ist daher extrem wichtig, vor allem Kämpfe so flüssig und schnell wie möglich ablaufen zu lassen.

Hilfreich ist es, wenn man Initiativekarten verwendet. Kurz gesagt sind dies etwa skatblatttgroße Karten, auf denen eine Kurzinfo zu den SC und NSC steht. Diese Karten sortiert man in der Reihenfolge des Initiativewurfes, und kann nun einfach durchblättern. So gerät man in der Reihenfolge nicht durcheinander und hat evtl. die wichtigsten Daten auch noch auf der Karte. Ich persönlich schreibe auf die Karten Initiative-Modifikator, Trefferpunkte, Namen des Wesen, etwaige Resistenzen o.ä. (Reichweite, Immunitäten, Sonderregeln), und den Herausforderungsgrad – wenn das Wesen besiegt wird, kann ich es auf einen Stapel legen und weiß dann sofort, wieviel EP die Spieler kriegen.

Gute Initiativekarten wie auch viele andere Hilfen bekommt man bei „The Other Game Company“ (siehe Link), sowohl kostenlose Formulare als auch kostenpflichtige, aber schon ausgefüllte Exemplare.

Mit den Initiativekarten verwandt sind auch Zauberkarten, auf denen alle Details eines Zaubers stehen (ebenfalls bei TOGC oder auch hier im Gate von Xantos), oder auch Ausrüstungskarten, auf denen man wichtige Ausrüstrungsgegenstände vermerkt. So gibt es nie die Frage, wer den Stab der Heilung jetzt gerade hat – genau der, welcher auch die Karte dafür hat.

 

Improvisation und mehr: Die SL-Checkliste

Auch dieses Mal habe ich wieder eine Datei eingepackt, die man sich ausdrucken und vor Augen führen kann. Dieses Mal ist es meine „SL-Checkliste“, eine Abfolge von hilfreichen Maximen, die ich im Spiel benutzen kann. Dabei haben die meisten zumindest teilweise mit Improvisation zu tun, bevor am Ende der Vorgang der Improvisation genau besprochen wird. Wir gehen die Punkte jetzt Stück für Stück durch.

 

Was wäre das Unterhaltsamste, was jetzt möglicherweise passieren könnte?

Diese Maxime ist fett gedruckt, weil ich sie ständig im Spiel vor Augen haben möchte. Wenn das Spiel einmal einen ruhigen oder gar toten Punkt erreicht, oder wenn die Spieler nicht wissen, was sie tun sollen, dann greife ich auf diesen Tipp zurück. Dabei ist es nicht wichtig, wie logisch oder wahrscheinlich etwas ist. In diesem Moment zählt nur, die Spieler bei der Stange zu halten und das Abenteuer wieder in Schwung zu bringen. Kneipenschlägereien, verrückte Erfinder, Verfolgungsjagden, oder ein Spottgesang auf den König – alles ist möglich. Und dadurch, dass ich meine Phantasie nicht einschränke, sondern nur in eine bestimmte Richtung leite – Unterhaltung – komme ich auch recht schnell auf etwas.

 

Ich mache es besser, als ich glaube!

Dieser Punkt steht an Nummer zwei, um mir in Momenten des Zweifels Kraft zu geben. Ich bin jemand, der eher überkritisch ist, vor allem sich selbst gegenüber, daher kann ich die Stütze gut gebrauchen.

 

Es ist besser, die Story oder das Abenteuer zu ändern, als die Gruppe zu enttäuschen.

Ganz wichtig. Vor allem bei veröffentlichten Abenteuern, aber auch bei eigenen Kreationen ist es wichtig, sich diese Maxime immer vor Augen zu halten. Der Autor des Abenteuers wird unsere Werktreue nicht überprüfen. Wir wollen die Geschichte nicht veröffentlichen. Aber wir wollen die Spieler unterhalten. Deshalb kann es angebracht sein, auch kurzfristig das Abenteuer zu ändern, und z.B. statt des Großwesirs doch den König zum Bösewicht zu machen.

 

Ein starkes Bild ist besser als fünf.

Dieser Hinweis bezieht sich sowohl auf die Erschaffung von NSC, wie ich schon in einem anderen Artikel geschrieben habe, als auch auf die Beschreibung von Orten und Gegenständen. Wenn man sich auf ein oder zwei Sachen konzentriert, wirkt die Beschreibung lebhafter als eine ellenlange Liste von Eindrücken. Eine Kanalisation kann dunkel sein, stinken, feucht sein, kühl, und vom Echo ferner Fußtritte erfüllt. Oder sie kann bestialisch stinken. Das Letztere ist meistens besser, da dann die Spieler auch darauf reagieren, beim ersteren aber nur die Beschreibung aufnehmen und weiter machen. Vor allem, wenn man für eine Sache nur halb so viel Platz verwendet wie man für die Beschreibung von fünfen gebraucht hätte.

 

Zuhören, Nachdenken, Entscheiden.

Dieser Ratschlag bezieht sich auf Regelfragen und Diskussionen. Wann immer Unklarheit besteht, sollte man sich als Spielleiter die Seite der Spieler anhören. Dann denkt man kurz darüber nach, und trifft schließlich eine Entscheidung, die diese Bedenken berücksichtigt. Wenn es immer noch Unstimmigkeiten gibt, müssen diese dann nach dem Spiel geklärt werden – das Spiel muss weitergehen.

 

Was muss der NSC gerade tun, außer dem SC zuzuhören?

Dies ist ein Kurztipp, um NSC-Gespräche aufzupeppen. Die wenigsten NSC warten darauf, angesprochen und ausgefragt zu werden. Indem ich mir diese Frage stelle, kann ich dem NSC Leben einhauchen und das Gespräch interessanter gestalten.

 

Man verliert mehr Zeit durch Ablenkung, als später anzufangen.

Dieser Tipp hat sich schon mehrfach als richtig erwiesen. Vor dem Spielbeginn sollte man ruhig eine halbe Stunde o.ä. nur zusammensitzen und erzählen. Es ist besser, man wird die Gespräche, die nichts mit dem Spiel zu tun haben, schnell los, als dass sie während des Spieles immer wieder aufkommen. Dann können sich die Spieler auch besser auf das Spiel konzentrieren.

 

Füge einer Kampfszene ein ungewöhnliches Element hinzu.

Dies ist ein Hinweis, der sich natürlich eher auf die Vorbereitung bezieht, aber dennoch auch im Spiel nützlich sein kann. Es gibt viele einfache Kampfszenen, in denen nur aufeinander eingedroschen wird. Das kann schnell langweilig werden. Indem man ein ungeöhnliches Element hinzufügt, kann man dem Ganzen neuen Pepp verleihen. Beispiele wären ein beweglicher Boden, ein Zeitlimit, der Kampf auf einer Brücke oder ein Kampf unter Wasser. Vielleicht auch der Kampf in einem Feld voller Geysire, die alle 1w6 Runden heißes Wasser (2w6 SP) speien?

 

Schreibe eine oder zwei Zeilen Dialog für wichtige NSC.

Dies ist ganz klar ein Tipp zur Vorbereitung. Wenn man einen NSC erschafft, hilft es ungemein, ihm ein oder zwei Sätze aufzuschreiben, die er sagen könnte. So hat man einen direkten Anhaltspunkt für den Charakter des NSC, seine Sprechweise, sein Vokabular, etc. Mir hilft es ungemein.

 

Selbst wenn die Spieler etwas nicht aufhalten können, sollten sie zumindest die Schwere des Ereignisses beeinflussen.

Dies ist eine Sache der Fairness und bezieht sich hauptsächlich auf die Gestaltung eines Abenteuers. Es gibt immer wieder Dinge, die man als Spielleiter in Bewegung setzen will, und die eigentlich nicht aufzuhalten sind. Die Armee der Untoten wird bis zur Hauptstadt vordringen, denn dort ist die Endschlacht geplant. Aber die Spieler sollten immer die Möglichkeit haben, diese unabänderlichen Ereignisse zumindest in der Schwere zu beeinflussen. Vielleicht können sie eine wichtige Truppe der Untoten ablenken, oder mit einer List dafür sorgen, dass sich die Truppe teilt. Vielleicht schaffen sie es auch nicht – aber die Möglichkeit muss da sein, um den Spielern die Illusion von Interaktivität zu vermitteln.

 

Ein Abenteuer muss nicht kompliziert sein. Das kommt von alleine.

Die größte Wahrheit im Rollenspiel. Ihr könnt ein Abenteuer entwerfen, bei dem die Spieler Zeuge sind, wie der Hofnarr den könig erwürgt – sie werden die Königin als Täterin im Auge haben. Viele Spielleiter begehen den Fehler, zu komplexe und komplizierte Abenteuer zu schreiben. Das führt dann meistens dazu, dass die Spieler nicht mehr durchblicken und völlig den Faden verlieren. Man sollte lieber etwas einfacher bleiben, denn die Spieler werden schon dafür sorgen, dass es viel komplizierter wird, als es eigentlich ist.

 

Wisse, und sage deutlich, was die Aufgabe der SC ist.

Viele Abenteuer kranken daran, dass die Spieler nicht genau wissen, was ihre Charaktere tun sollen. Sollen Sie den Drachen töten, ein Schwert aus seinem Schatz holen oder einfach nur die Gegend durchreisen und sichern? Wenn du den Spielercharakteren eine Aufgabe gibst, musst du sicherstellen, dass du ihnen diese Aufgabe klar und deutlich mitteilst. Dazu gehört natürlich auch, dass du selbst diese Aufgabe kennst – dann kannst du auch das Abenteuer entsprechend auslegen.

 

Improvisation

Die Königsdisziplin. Wenn Vorbereitung das A und O eines gelungenen Spielabends ist, dann ist Improvisation fast jeder Buchstabe dazwischen. Fakt ist, dass die Spieler niemals nur das tun, was im Abenteuer vorgesehen ist. Fakt ist, dass sie immer wieder verrückte Ideen haben. Fakt ist, dass diese Unberechenbarkeit und diese verrückten Ideen ein großer Reiz des Rollenspiels sind.

 

Es gibt während des Spiels eigentlich nur zwei Dinge, die den Spielablauf gefährden. Dies sind Dikussionen (die man mit „Zuhören, Nachdenken, Entscheiden“ behandelt) und Improvisation. Selbst bei einem Kaufabenteuer muss man ständig improvisieren: Bei NSC-Gesprächen, in Kämpfen (was tun die 3 Orks, wenn die anderen 7 getötet wurden). Selbst Diskussionen führen ja dazu, dass man eine Entscheidung über die Regeln treffen muss, ohne lange nachzusehen. Also in gewissem Sinne auch eine Improvisation. Alle anderen Störquellen sind außerhalb des Spielgeschehens zu finden; damit beschäftigen wir uns ein anderes Mal.

 

Wie aber improvisiert man „richtig“? Nun, zunächst einmal ist es wichtig anzumerken, dass es sicherlich Spielleiter gibt, die besser oder schlechter improvisieren können. Einige wenige improvisieren sogar das ganze Abenteuer. Aber Improvisation kann man lernen. Im Folgenden findet ihr eine Liste von 8 Schritten zur erfolgreichen Improvisation. Diese Liste ist nur eine Hilfe – natürlich geht man im Spiel nicht ruhig nach einer Liste vor. Aber sie hilft trotzdem. Diese Liste stammt, wie einige andere Tipps, als Robin D. Laws „Laws of Good Game Mastering“, dass ich jeden ans Herz lege und auch schon fürs Gate rezensiert habe.

1. Ganz ruhig.

Der wichtigste Tipp. Die Spieler tun etwas unerwartetes, und jetzt darfst du nicht hektisch werden. Tchaka – du schaffst es! Beispiel: Der SC will Kontakkt mit der Diebesgilde aufnehmen, um in den Palast zu kommen.

2. Was wäre das offensichtliche/logische Ergebnis?

Dies ist der erste Schritt in den Überlegungen. War würde aller Wahrscheinlichkeit nach passieren? In unserem Beispiel würde der SC wahrscheinlich einfach versagen, die Diebesgilde findet man nicht so leicht.

3. Was wäre das anspruchsvollste/gefährliche Ergebnis?

Man könnte sich auch fragen, was das spannendste Ergebnis wäre. Jedenfalls geht es hier darum, die Möglichkeit des Scheiterns einzubauen. Beispiel: Die Diebesgilde überfällt den SC.

4. Was wäre das überraschendste Ergebnis?

Dieses Ergebnis ist eines, mit dem der Spieler nicht gerechnet hat. Beispiel: Ein befreundeter NSC gibt sich als Anführer der Gilde zu erkennen.

5. Was wäre das für den Spieler befriedigendste Ergebnis?

Was bezweckt der Spieler mit seiner Aktion? Will er nur Informationen (vielleicht kommt die Gruppe nicht weiter), oder will er Mitglied in der Gilde werden? Dieser Punkt ist besonders wichtig, weil man eventuell den Spieler vor den Kopf stoßen kann, wenn man falsch improvisiert. Wenn der Spieler einen Rat für die Lösung des Abenteuers sucht, wird ein Kampf ihn nur weiter verärgern, weil er Zeit kostet und die Gruppe nicht weiter bringt. Beispiel: Die Diebesgilde verschafft ihm einen Zugang zum Palast.

6. Entscheide dich für ein Ergebnis.

Jetzt musst du dich entscheiden. Es kann übrigens durchaus vorkommen, dass mehrere Punkte dasselbe Ergebnis haben. Wenn der Spieler z.B. den Anführer der Gilde vor Gericht bringen will, könnte das gefährlichste Ergebnis auch das befriedigendste sein. Die Entscheidung liegt jedenfalls ganz bei dir. Beispiel: Da das Abenteuer nicht davon abhängt, wie die Spieler in den Palast gelangen, und sie anscheinend auf keine andere Möglichkeit kommen, entscheidest du dich, die Gilde helfen zu lassen.

7. Welche Konsequenzen ergeben sich daraus?

Das ist jetzt wichtig. Wenn du dioch entschieden hast, musst du überlegen, was aus dieser Regelung passiert. Umgehen die Spieler ein wichtiges Ereignis? Machen Sie es sich zu leicht? Oder muss die Regelung, die du getroffen hast, vielleicht als Hausregel eingeführt werden (es kann ja auch um nicht von den Regeln abgedeckte Aktionen gehen). Beispiel: Wenn die Gilde den SC hilft, müssen sie sich nicht an den Torwachen vorbeischleichen. Sie bekommen also auch nicht mit, wie der Bruder eines Fürsten abgewiesen wird – die Information ist später wichtig. Du musst sie also anders übermitteln. Außerdem könnte es langweilig sein, wenn die Spieler einen Geheimweg ins Schloss kennen – die Gilde wird die Spieler also einschleusen, aber ihnen nicht den Weg verraten.

8. Wende es an.

Das ist der letzte Schritt. Du übernimmst deine Entscheidung samt Konsequenzen ins Spiel. Beispiel: Du sagst dem Spieler, für 5w10 Goldmünzen führt man die Gruppe mit verbundenen Augen ins Innere des Schlosses. Dort belauschen sie ein Gespräch, dass der Bruder eines Fürsten die Königin beleidigt habe und nicht mehr in die Burg darf.

Das hört sich jetzt recht kompliziert an, ist es aber nur, weil alles so aufgeschlüsselt ist. Wichtig ist, dass man nicht immer für jede Möglichkeit auch ein Ergebnis finden muss (was ist die logische Konsequenz, wenn jemand einen Feuerball in einem Vakuum wirken will?), und manchmal Ergebnisse auch mehrere Punkte betreffen können. Auch werdet ihr feststellen, dass diese Reihenfolge bald unbewusst in eurem Kopf passiert; euch fallen drei oder vier Möglichkeiten ein, was passieren könnte, und ihr wählt eines aus. Dass ihr dabei evtl. das gefährliche oder das logische Ergebnis gewählt habt, merkt ihr dann nur noch, wenn ihr drüber nachdenkt.

Wenn ihr doch mal festhängt, geht zurück auf den ersten Punkt der Liste: Was wäre das Unterhaltsamste, was passieren könnte? Im Zweifel liegt da die richtige Antwort. Und vergesst nicht: Ihr macht das besser, als ihr denkt. In diesem Sinne

 

Game on!

 

Anlagen:

 

 

© Patrick Pricken (Berandor)