Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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2006: Der Kleine Hobbit
Bewertung:
(0.5)
Von: Patrick „Berandor“ Pricken
Am: 01.04.2006
Autor:J.R.R. Tolkien
Typ:
System:n/a
Setting:n/a
VerlagDeutscher Taschenbuch Verlag (dtv)
ISBN/ASIN:3-42320-277-7
Inhalt:331 Seiten
Sprache:Deutsch

Achtung: Diese Kritik enthält SPOILER

 

Bilbo Beutlin ist ein kleiner Hobbit. Eigentlich lebt er gemütlich in seinem Heim, aber eines Tages kommt der Zauberer Gandelf natürlich unangemeldet und eröffnet ihm Neuigkeiten: Eine Gruppe Zwerge hat einen der ihren vergessen und läuft nun Gefahr, keine gerade Anzahl mehr zu bilden. Bilbo soll also für den vierzehnten Zwerg einspringen, wenn die Zwerge auf die Suche nach dem Gold ihrer Väter gehen. Aber die Reise wird nicht ungefährlich...

 

Der Kleine Hobbit spielt vor dem Herrn der Ringe; Bilbo ist also noch lange nicht so alt wie Ian Holm, sondern noch jugendlich. Wieder geht es auf eine lange Reise, und wieder geht es auch um den Einen Ring, den Bilbo hier einem Geschöpf namens Gollum abknöpft, das allerdings mit dem gleichnamigen Wesen aus den Filmen nicht sehr viel gemein hat: Dieser Gollum haust in einer dunklen Höhle und mag Rätsel; allenfalls ihre Vorliebe für Fisch haben sie gemein. Da hätte der Autor sicherlich noch weitere Parallelen aufzeigen können, oder zumindest einen anderen Namen wählen sollen.

 

Überhaupt die Namen: Man ist im Fantasybereich ja einiges gewohnt, aber eine derart faule und dahin geschluderte Namensgebung ist mir selten unter die Augen gekommen. Gandelf und Bilbo sind ja noch aus dem ersten Teil bekannt. Die neuen Zwerge aber wurden in wahrscheinlich weniger als einer Minute erfunden. Die Namen gleichen sich bis auf einen Buchstaben, was wohl den Anschein von Komplexität erzeugen soll. Da gibt es Gloin und Doin, Killi und Filli, Dwalin und Balin usw. Auf einen Auftritt des schon im ersten Teil zu kurz gekommen und doch ans Herz gewachsenen Gimlis wartet man allerdings ebenso vergebens wie auf Legolas oder Eragon. Nicht einmal Frodo wird erwähnt, was Fans des Films sicher enttäuschen wird.

 

Auch tat sich der Autor, ein gewisser J.R.R.Tolkien (wahrscheinlich ein Künstlername in Anlehnung an George R.R. Martin), sichtlich schwer, die Ereignisse der Filme zu toppen. Hier geht es denn auch nicht um das Ende der Welt, sondern darum, Ogern zu entkommen oder einen harmlosen Höhlenbewohner auszutricksen. Dabei sind diese möglicherweise spannenden Konflikte enttäuschend umgesetzt. Wer sich an den Kampf gegen den Höhlentroll oder gar die Schlacht von Pelnors Feldern erinnert, als die Rothaner in die Orks ritten, erwartet zumindest ansatzweise Vergleichbares. Anstatt aber dreizehn Zwerge gegen die drei Oger zu stellen und eine erinnerungswürdige Schlacht zu inszenieren, die durchaus auch mit dem Tod eines der verwechselbaren Zwerge enden könnte, fallen alle den Ogern zum Opfer und müssen von Gandelf mit einem billigen Trick gerettet werden. Auch hier wartet der Leser vergebens auf Zauberei; stattdessen verstrickt Gandelf die Oger in einen Streit und lässt sie so die Zeit vergessen. Das könnte auch Michel Friedman.

 

Der Kampf gegen Gollum findet ebenfalls nicht statt. Bilbo betrügt Gollum im Rätselraten und stiehlt ihm den Einen Ring. Nicht nur, dass dieser Betrug absolut langweilig und unspannend ist – wie soll man denn jetzt noch mit Bilbo sympathisieren? Einem armseligen Geschöpf, das in einer dunklen Höhle haust, seinen einzigen Schatz zu stehlen, und dann noch durch Regelbruch und nicht vielleicht ein rechtmäßig gewonnenes Rätselduell. Bah!

 

Tja, eine Hoffnung hatte ich noch: Schon im Klappentext wurde von einem Drachen gesprochen, und die Zwerge wollen diesen Drachen denn auch übertrumpfen. Und was passiert? Alles formiert sich zur entscheidenden Schlacht, und ich hoffte, wenigstens jetzt für meine Engelsgeduld entschädigt zu werden. Aber ich habe die Klasse des Autoren immer noch überschätzt. Bilbo zieht sich den Ring an, wird unsichtbar, und stiehlt dem Drachen seinen Schatz. Nur eines ist langweiliger als ständig von einem Zauberer ohne Zauberei gerettet zu werden: das. An dieser Stelle hätte ich das Lesen abgebrochen, aber da war das Buch schon aus.

 

Der Kleine Hobbit, der ohne den Erfolg der Filmreihe wahrscheinlich nicht existieren würde, ist insgesamt ein enttäuschendes Werk. Nicht nur, dass die Kämpfe keinesfalls an das Original herankommen, sondern der Autor erfindet dreizehn Zwergencharakte und hat dann keine Ahnung, was er mit ihnen tun soll. Die Zwerge bleiben allesamt völlig nutzlos. Nicht einmal ein paar Scherze wie z.B. der betrunkene Gimli im Original fallen Tolkien ein. Zwar liefern sich die Zwerge einen Kampf gegen Orks, um Bilbo zu retten, aber dieser Kampf besteht auf einer halben Seite, wo wir immer noch zehnminmütige Schlachtszenen vor unserem Auge haben.

 

Und bislang habe ich noch nichts zur Sprache gesagt. Tolkiens "Prosa" ist gähnend langweilig und ebenso langatmig. Ich nehme an, damit wollte er Peter Jacksons epischen Stil nachahmen, aber in Buchform ist ein "Extended Cut" einfach nur langweilig. Da gibt es ganze Lieder am Stück, die sich nur mit Mühe reimen. Von der eigentümlichen und völlig unzeitgemäßen Wortwahl ganz zu schweigen:

 

"Die Büsche und Spitzgräser zwischen den Felsbrocken, die von Kaninchen abgefressenen Rasenfleckchen mit Thymian, Salbei und Majoran und den gelben Ziströschen verschwanden ebenfalls."

 

Mal ehrlich, wer liest – nein, wer schreibt so etwas heutzutage?

 

Fazit:

Im Internet gibt es Gerüchte, Der Kleine Hobbit solle als sogenanntes "Prequel" verfilmt werden. Ich kann nur hoffen, dass dieses Gerücht einzig deshalb existiert, um den Verkauf dieses Schnellschusses anzukurbeln. Ich hatte gehofft, dort auf Boromir, Saruman oder König Theodred von Rothan – oder meinetwegen sogar auf diesen verkrüppelten Orkanführer – zu treffen. Nichts da. Stattdessen haben wir völlig veraltete Prosa, sprunghaft gelöste Konflikte, die faulste Namensgebung seit den Panzerknackern, ... Der Kleine Hobbit taugt höchstens noch als Kinderbuch, aber nur für Kinder, die noch nie etwas von Fernsehen oder Film gehört haben.