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| Bewertung: (4.5)Von: Ralf Schemmann Alias: Uthoroc Am: 24.05.2006 |
Autor: | Marco Maggi, Francesco Nepitello, Roberto Di Meglio | Typ: | | System: | Brettspiel | Setting: | Mittelerde / Herr der Ringe | Verlag | Phalanx Games | ISBN/ASIN: | | Inhalt: | Spielplan, 204 Spielfiguren, Würfel, Karten, Spielmarken | Sprache: | Deutsch |
Übersicht
„Der Ringkrieg“ ist ein moderat komplexes Strategiespiel für zwei Personen oder Parteien, in dem man die sicherlich den allermeisten bekannte Geschichte aus dem Herrn der Ringe verfolgt: Vom Aufbruch der Ringgemeinschaft aus Bruchtal bis zur Vernichtung des Ringes in den Schicksalsklüften – oder hier eben bis zum endgültigen Sieg des Dunklen Herrschers Sauron über die Freien Völker.
Die großformatige, verdammt schwere Schachtel verspricht schon Einiges, wenn man sie in den Händen hält, und nach dem Öffnen wird man nicht enttäuscht. Der sehr große Spielplan ist von John Howe wunderschön gestaltet (manchen gefällt der etwas düstere Braunton nicht so gut, ich finde ihn aber gelungen). Überhaupt sind alle Illustrationen und Grafiken von John Howe, dem neben Alan Lee sicherlich bekanntesten Tolkien-Künstler, und verleihen dem ganzen Spiel ein ausgesprochen stilvolles Grafikdesign. Das geht manchmal ein wenig zu Lasten der leichten Unterscheidbarkeit verschiedener Spielmarken, aber ich habe mich schnell daran gewöhnt.
Die über 200 Spielfiguren sind aus Plastik und stellen einzelne Charaktere (z.B. Gandalf, Den Hexenkönig, Frodo & Sam), Anführer der verschiedenen Armeen (Nazgul, generische Elbenanführer) und die eigentlichen Truppen (Orks, Wolfsreiter, Mumakil, Gondorianer, Rohirrim, usw.) dar. Sie sind zum allergrößten Teil wunderschön modelliert, kommen aber leider nur in vier unterschiedlichen Farben: Silber für die Charaktere, grau für alle Anführer, blau für alle „guten“ Truppen und rot für „bösen“ Einheiten. Meistens ist das kein Problem, aber ein paar Einheiten kann man schon einmal verwechseln. Insgesamt laden die detailliert gestalteten Figuren zum Bemalen ein, je nach Geschmack in großer Detailfülle oder in einfachen Farbschemata zur besseren Unterscheidung.
- Figur unbemalt
- Figur bemalt
Das Spiel enthält außerdem mehr als hundert Spielkarten aus festem und strapazierfähigem Karton, die jedoch einen großen Nachteil haben: Sie enthalten teilweise sehr viel Text in unglaublich kleiner Schriftgröße. Personen mit schlechten Augen können manche davon einfach überhaupt nicht lesen und werden damit praktisch vom Spiel ausgeschlossen. Sehr schade, aber ich weiß auch keine praktische Lösung für dieses Problem, denn die Texte in das Regelbuch zum Nachschlagen zu packen, wäre während des Spiels mehr als unpraktisch.
Dann gibt es noch einige Spielmarken aus Pappe (alle im schönen John Howe Design) und drei Satz Würfel. Der eine besteht aus völlig „normalen“ Sechsseitern, aber die anderen beiden sind speziell für dieses Spiel gestaltete Würfen, ebenfalls in sehr ansprechendem Design. Zu ihrer Funktion später mehr.
Zum Schluss noch ein paar Worte zur Regel. Phalanx Games, der Produzent der deutschen Version des Spiels, hat einen eher schlechten Ruf was die Verständlichkeit von Regelbüchern angeht. Zwar ist dies eine Übersetzung und daher von der Grundstruktur durchaus verständlich (allerdings fast ohne Beispiele); es haben sich aber eine ganze Reihe Übersetzungsfehler und -unklarheiten eingeschlichen, die eine Lektüre des entsprechenden FAQs unbedingt notwendig machen. Leider sind einige dieser Fehler auch auf den Karten verewigt. Ein deutliches Minus für die Bewertung der deutschen Auflage.
Die ebenfalls enthaltene Kurz- oder Einführungsregel sollte am Besten direkt in den Papierkorb wandern. Sie verwirrt eher, als dass sie langsam in die Regeln einführt, und hat keinen großen eigenen Spaßfaktor.
- Würfel
Ich werde hier nicht auf die Regeln im Einzelnen eingehen, denn das würde zu weit führen. Stattdessen will ich einen Eindruck vom groben Ablauf und den Ideen des Spiels geben.
„Der Ringkrieg“ ist ein Spiel für zwei Personen. Der eine übernimmt die „Freien Völker“ der andere den „Schatten“. Es gibt zwar Regeln für drei oder vier Spieler, aber dann bilden jeweils zwei eine Partei und wetteifern gemeinsam gegen die andere Partei bzw. den anderen Spieler und gewinnen oder verlieren zusammen. Ich habe das Spiel selber nur mit zwei Spielern gespielt und kann deshalb nicht viel die Mehrspielervarianten sagen, habe aber auch Gutes darüber gehört.
Das Spiel auf dem Brett trennt sich in zwei unterschiedliche, aber interessant verwobene Bereiche. Im militärischen Teil bewegen die beiden Spieler Armeen auf dem Brett und versuchen strategisch wichtige Punkte zu erobern bzw. zu verteidigen, die eine Anzahl Siegpunkte wert sind. Gleichzeitig versucht der „Spieler der Freien Völker“ die Gemeinschaft des Ringes nach Mordor zu bringen, während der „Spieler des Schatten“ versucht deren Vorankommen zu verlangsamen und sich so Zeit für einen militärischen Sieg zu verschaffen, oder sogar den Ringträger so weit zu korrumpieren, dass dieser der Versuchung des Ringes erliegt. Der Mechanismus wie die Gemeinschaft geheim bewegt wird, und doch mit dem Spielplan interagiert ist brillant und genial einfach. Über die Spielkarten werden Ereignisse, Personen und Handlungen aus den Büchern simuliert und bringen sehr viel Atmosphäre im Spiel.
Für alle diese Dinge benötigen die beiden Spieler bestimmte Aktionen, die sie zu Beginn einer Spielrunde mit den Spezialwürfeln „erwürfeln“. Beide beginnen mit einer bestimmten Anzahl dieser Würfel (und können sie im Verlauf des Spiels durch das Erscheinen verschiedener Personen erhöhen), aber immer hat der Schattenspieler ein paar dieser Würfel mehr zur Verfügung, was sehr gut die bedrohliche Überlegenheit des Bösen aus den Büchern simuliert.
Die wahrscheinlich genialste Idee des Spiels ist, das jede Seite zwei verschiedene Siegbedingungen besitzt, die unabhängig voneinander erreicht werden können. Die Freien Völker gewinnen durch die Zerstörung des Ringes, wenn der Ringträger die Schicksalsklüfte erreicht, der Schatten wenn dieser vorher der Versuchung des Ringes erliegt. Andererseits siegt die böse Seite auch, wenn sie zehn Siegpunkte auf dem Spielplan erobert (was etwa fünf Festungen wie Minas Tirith, Helms Klamm oder Bruchtal entspricht). Aber auch die Freien Völker können militärisch siegen, indem sie zwei Festungen des Schatten erobern (Bz. Orthanc und Minas Morgul). Das ist zwar sehr schwer, weil der Schatten militärisch sehr überlegen ist, aber immer eine Option.
Durch diese zwei verschiedenen Möglichkeiten geschieht es häufig (meistens sogar), dass beide Parteien am Ende des Spiels knapp vor dem Sieg stehen. Frodo und Sam kämpfen sich durch Mordor in Richtung Schicksalsberg, während die Truppen Saurons Minas Tirith belagern, die letzte Festung, die ihm zum Sieg fehlen. Die Endphase des Spiels wird dadurch ungeheuer spannend.
Die großartige Leistung des Spiels besteht darin, dass es ungeheuer gut die Atmosphäre der Buchvorlage trifft. Die Guten mühen sich in fürchterlicher Unterzahl und mit geringen Ressourcen ab, solange gegen das übermächtige Böse zu bestehen, bis eine kleine Gruppe standhafter Hobbits auf geheimen Pfaden das Herz des bösen Reiches erreichen kann. Auf der Schattenseite stehen ungeheure Scharen williger Kreaturen wie Orks und Wolfsreiter, während bei den Freien Völker einzelne Helden und Heldentaten eine größere Rolle spielen. Für mich ich Ringkrieg dasjenige Brettspiel, dass die Stimmung des Herr der Ringe mit Abstand am Besten wiedergibt.
Bei zwei so sehr unterschiedlichen Ausgangslagen ist es natürlich schwierig, eine perfekte Spielbalance zu erreichen. Tatsächlich hat sich nach längerer Zeit herausgestellt, dass der Schattenspieler eine gewisse Überlegenheit besitzt. Wie groß diese Überlegenheit ist, darüber streiten sich die Geister noch.
Im Prinzip tut dies dem Spielspaß aber keinen Abbruch, denn trotzdem bleiben die Partien spannend, ein Sieg der Freien Völker ist umso zufriedenstellender, und es gibt zahlreiche Vorschläge für kleine Regeländerungen, die die Balance zu Gunsten der Guten beeinflussen. Mit dem Austüfteln all der Feinheiten und dem Ausprobieren verschiedener Strategien ist man sowieso viele Partien lang beschäftigt.
Spieldauer
Der Ringkrieg ist kein kurzes Spiel (und das würde wohl auch niemand erwarten). Die ersten zwei bis drei Partien können leicht über drei, vier oder mehr Stunden dauern, während man noch mit dem Erlernen der Regeln beschäftigt ist. Wenn beide Spieler wissen was sie tun, ist man aber kaum länger als drei Stunden beschäftigt. Die letzten beiden Spiele, die ich gespielt habe, dauerten nur wenig länger als zwei Stunden.
Fazit:
Der Ringkrieg ist ein tolles, ein großartiges Spiel. Ja, es gibt ein paar Wermutstropfen, wie die kleinen Kartentexte und die Fehler in der Übersetzung der Regeln, aber schon lange habe ich kein so stimmungsvolles, detailgetreues und trotzdem spielbares und spannendes Spiel erlebt. Man kann Strategien ausprobieren, wird aber nicht von der Fülle an Möglichkeiten erschlagen und muss immer auf Zufälle und die Handlungen des anderen Spielers reagieren. Es bleibt über die gesamte Spieldauer kurzweilig und spannend, und erreicht meistens am Ende den perfekten Höhepunkt.
Man sollte natürlich längere und etwas komplexere Spiele mögen und vor allen Dingen einen geeigneten Spielpartner haben, denn das Spiel entfaltet seine vollen Möglichkeiten erst nach ein paar Partien.
Das Spiel ist inzwischen ab etwa 40 Euro erhältlich, ein absolut angemessener Preis für soviel Material und Spielspaß.
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