Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Faun - Totem
Bewertung:
(3.6)
Von: Björn Arnold
Alias: Wormys_Queue
Am: 27.02.2007
Autor:Interpret: Faun
Typ:Musik-CD (mittelalterliche Musik)
System:---
Setting:---
VerlagCurzweyhl
ISBN/ASIN:ASIN: B000MNP2LM
Inhalt:10 Titel
Sprache:Deutsch

Allgemeines:

Faun ist eine fünfköpfige Band aus München, die traditionelle mittelalterliche (auch orientalische) Instrumente mit elektronischen, computererzeugten Klängen vermischen und, verbunden mit dem Einsatz teilweise mehrstimmiger Gesänge, ein Klangbild erzeugen, wie es im Bereich mittelalterlicher Musik wohl eher ungewöhnlich ist. Die Musiker sind:

Oliver S. Tyr – Gesang, keltische Harfe, Gitarre, verschiedene Lauten u.a., Percussion

Elisabeth Pawelke – Gesang, verschiedene Drehleiern

Fiona Rüggeberg – Gesang, Dudelsack, verschiedene orientalische und Rhythmusinstrumente

Rüdiger Maul – diverse Rhythmusinstrumente, Percussion

Niel Mitra – Computer, Sampler, Synthesizer

 

Das Album „Totem“ enthält 10 Stücke (darunter ein Instrumentalstück) und hat eine Gesamtlänge von etwas mehr als 45 Minuten. Wie schon an der Gestaltung der Titelliste auf dem schönen, gerade durch seine sehr reduzierte Ästhetik glänzenden, Cover zu erkennen ist, sind die Lieder in grob gesagt drei thematischen und stilistischen Blöcken zusammengefasst. Dabei umfassen zwei eher modern arrangierte einen mittleren, sehr traditionell mittelalterlich gestalteten Liedblock. Diese Blöcke sind übergreifend durch immer wieder eingespielte Vogellaute (den Schrei eines Falken konnte ich erkennen, ob es sich bei den anderen Lauten ebenfalls um Falken handelt, entzieht sich meiner Kenntnis) miteinander verbunden, und auch die sanften Übergänge zwischen den einzelnen Liedern verhindern eine zu starke Trennung der Blöcke, so dass dennoch der Eindruck eines organischen Ganzen entsteht.

Die Texte sind zumeist selbst geschrieben. Wie in der Instrumentierung drücken sich auch in ihnen die Gefühle von Melancholie, Traurigkeit und Verlust aus. Wenn man die Wortschöpfungen manch anderer Mittelalterband gewohnt ist, wird man von der doch recht hohen Qualität der Lyrics auf „Totem“ wohl sehr überrascht sein, diese sind jedenfalls ein ganz klarer Pluspunkt für die fünf Faune.

 

Playlist Time
Rad 03:57
2 Falken 04:59
Sieben 04:13
November 04:51
Tinta 04:54
Unicorne 04:22
Karuna 03:21
Gaia 06:21
Zeit nach dem Sturm 06:00
Der stille Grund 03:07

In den beiden folgenden Abschnitten werde ich mich mit den einzelnen Liedern befassen, einmal mit dem allgemeinen musikalischen Eindruck, den das jeweilige Stück auf mich hinterließ, dann aber auch mit den damit verbundenen Einsatzmöglichkeiten im Rollenspiel. Wen das eine oder das andere wenig interessiert, der kann den jeweiligen Abschnitt also getrost ignorieren.

 

Musik zum Hören:

Faun selbst nennen ihren Stil Medieval Pagan Folk, schon das erste Lied, „Rad“, deutet aber die von ihren Wurzeln fortführende Weiterentwicklung der Band an. Ohne Angst vor dem Einsatz elektronischer Klänge und Effekte erzeugen die Musiker einen auch mit traditionellen Musikinstrumenten modern klingenden, magischen Klangteppich, auf dem die Stimme Oliver S. Tyrs nahezu zu schweben scheint. Diese Modernisierung ihrer Musik findet in „Zwei Falken“ ihren Höhepunkt, in dem Niel Mitra alle Register zieht. Passend dazu der Gesang Elisabeth Pawelkes, der man die klassische Gesangsausbildung zwar deutlich anhört, der es aber gelingt, ihre Stimme soweit zurückzunehmen, dass sie sich nahtlos in die Instrumentierung einfügt.

Nach diesem Motto geht es auch in „Sieben“ und „November“ weiter, die beide allerdings deutlich langsamer daherkommen und in denen die musikalische Untermalung zugunsten der Stimmen deutlich zurückgenommen wird.

Mit „Tinta“ wird es nun deutlich traditioneller, und zum ersten Mal kommt mittelalterliches Feeling auf, wenn Elisabeth und Fiona den Zuhörer ins alte Spanien entführen. Weiter geht's auf Altfranzösisch. Das sehr ruhige, traurige „Unicorne“ ist für Elisabeth Pawelke die perfekte Möglichkeit, ihre ausdrucksstarke Stimme zum Tragen zu bringen.

„Karuna“ ist das einzige reine Instrumentalstück auf „Totem“ und wohl das, was sich der Zuhörer am ehesten unter mittelalterlicher Musik vorstellt. Nach den vorhergegangen, eher melancholischen Liedern, wirkt es nahezu wie ein lustiges Tänzchen, obwohl es tatsächlich für sich genommen auch eher eine sanfte, fast traurige Weise darstellt.

Zu guter Letzt entführt „Gaia“ uns nun ins alte Griechenland. Man kann sich sehr gut vorstellen, wie der chorartige Gesang die Gunst der Götter zu beschwören scheint.

Mit den beiden letzten Liedern wird es dann wieder moderner. „Die Zeit nach dem Sturm“ ist wohl leider das schwächste Lied auf der CD, das gerade an seinem Versuch, den Refrain kraftvoll und etwas härter zu gestalten, scheitert. Dafür wird der Hörer zum Abschluss mit dem a-capella von Elisabeth und Fiona gesungenen „Der stille Grund“ verwöhnt, das einen würdigen Abschluss von „Totem“ darstellt.

 

Musik im Spiel:

Ich finde es immer recht schwierig, Vokalstücke für einen Rollenspielabend zu verwenden, was insbesondere auch für deutschsprachige Lieder gilt. In diesem besonderen Falle fällt es besonders schwer, da „Totem“ insgesamt einen sehr einheitlichen Stil vertritt, was die Möglichkeiten, einzelne Stücke einzusetzen, weiter einschränkt.

Andererseits aber muss man den Liedern zugute halten, dass der Gesang nie versucht, die Musik zu dominieren, wodurch einzelne Stimmen eher den Charakter eines zusätzlichen Musikinstruments gewinnen. Es fällt daher einigermaßen leicht, die (sehr interessanten und tiefgründigen) Texte zu ignorieren, wodurch der mögliche Störfaktor „Text“ beim Einsatz am Spieltisch nicht so sehr zum Tragen kommt.

Nach diesem Vorwort wenig verwunderlich ist für mich das Instrumentalstück „Karuna“ das am universellsten und einfachsten einsetzbare Lied auf „Totem“. Spielleute auf dem Markt, ein Barde in einer Taverne, das sind ganz klassische Rollenspielsituationen, für die dieses Stück perfekt geeignet ist.

Bei einigen der anderen Lieder denkt man unwillkürlich an magische Beschwörungen, was diese natürlich zu Kandidaten für den Einsatz in entsprechenden Spielsituationen macht. Am deutlichsten wird das bei „Gaia“, das sicherlich sehr gut zu einer schamanistischen Beschwörung durch ein Naturvolk oder eine Zeremonie eines Druidenzirkels passt. Aber auch „Rad“ und „Sieben“ eignen sich diesbezüglich, wobei man bei ihnen eher an die Beschwörung eines einzelnen Magiers denkt.

„Tinta“ und Unicorne“ eignen sich wohl am ehesten zur Untermalung eines Spielorts mit mediterranem/orientalischen Charakter. Da es entsprechende Lokalitäten eigentlich in jedem größeren Kampagnensetting gibt, sollte sich auch für sie durchaus eine Einsatzmöglichkeit finden lassen.

Bei den anderen Liedern wird es wohl eher schwierig, sie passend in eine Kampagne einzusetzen. Der Refrain von „Zwei Falken“ könnte möglicherweise in einer wichtigen Enthüllungsszene zum Einsatz kommen, „November“ kommt vielleicht als Abschluss einer Spielrunde, in der die SC einige Schicksalsschläge erlitten, in Frage. Und wer einen ruhigen, nicht unbedingt spielbezogenen, Ausklang eines Abends liebt, findet in „Der stille Grund“ ein sehr passendes Stück.

 

Fazit:

„Totem“ ist trotz seiner eindeutigen Orientierung auf eine melancholische, sehnsuchtsgeprägte Atmosphäre ein überraschend vielseitiges Album geworden. Man sollte sich die Zeit nehmen und die einzelnen Lieder genau (und vielleicht mehrfach) anhören, da dem Hörer sonst schnell entgehen kann, wieviel Mühe sich die Musiker mit den einzelnen Kompositionen gemacht haben. Auf verschiedenartigste Weise und von hohem Detailreichtum geprägt wird trotzdem ein sehr kohärentes Werk geschaffen. Wie schon erwähnt, ist die musikalische Grundlage viel mehr als nur einfache Untermalung für die Stimmen der drei Sänger. Vielmehr verbinden sich Musik und Gesang zu einem sehr organisch wirkenden Gesamtwerk, was ich deswegen so bemerkenswert finde, weil dazu auch der Mut des Sängers (speziell der hervorragenden Elisabeth Pawelke) gehört, sich der Musik anzupassen und gegebenenfalls auch einmal unterzuordnen. Auf alle Fälle ist „Totem“ ein Album, das auch nach mehrfachem Anhören nie langweilig wird und an dem sich immer wieder neue Facetten entdecken lassen.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber auch, und auch dieser hängt mit den Stimmen, in diesem Fall der von Oliver S. Tyr, zusammen. Sicherlich ist da auch viel persönlicher Geschmack im Spiel, aber ich mag gerne kraftvolle Männerstimmen, und diese Eigenschaft kann der Sänger über das ganze Album hinweg nicht nachweisen. Zugegebenermaßen ist das im Allgemeinen auch nicht weiter tragisch, denn zu den meisten von ihm (mit-)gesungenen Lieder passt seine Stimme hervorragend, so dass diese Schwäche nicht weiter auffällt. Aber in dem von mir schon oben kurz angesprochenen wohl schlechtesten Lied auf „Totem“, „Die Zeit nach dem Sturm“, fällt diese Schwäche umso mehr ins Gewicht, als das Lied selbst von der Instrumentierung her gerade nach einer kraftvollen Stimme zu rufen scheint. Ein Manko, das ich nicht allzu stark bewerten will, aber dennoch einen kleinen Störfaktor in einer ansonsten rundum gelungenen Scheibe darstellt.

Sicherlich ist die Scheibe nicht für jedermann geeignet. Wer lieber härtere, actionreichere Musik hört, wird an „Totem“ wohl ebensowenig Gefallen finden wie derjenige, der actionreiches, kampflastiges Rollenspiel bevorzugt. Liebhaber atmosphärischer, gut komponierter Musik (sei es nun zum reinen Hörgenuss oder auch des Einsatzes im Spiels wegen) dürfen sich aber gerne dem Experiment Faun aussetzen. Es lohnt sich.

„Totem“ erscheint am 2.3.2007 inklusive 6-seitigem Digipack und einem 32-seitigen Booklet. Außerdem wird zum selben Datum eine auf 1500 Stück limitierte Auflage mit einem Bonustrack und extra aufwändigem Digipack erscheinen. Wer auf dem Laufenden bleiben will, kann sich auf http:\\www.faune.de unter anderem über die geplanten Konzerttermine im Jahr 2007 informieren.