Links zur Rezension Complete Scoundrel wird als „Player’s Guide to Trickery and Ingenuity““ angepriesen. Das Cover zeigt einen elfischen „scoundrel“, der Karten in der Hand hält. Die Illustrationen von Complete Scoundrel sind im Stil der bisherigen Complete-Reihe. Viele Bilder zeigen den Einsatz von Talenten oder Zaubern. Im Gegensatz zu Complete Mage gibt es sogar wieder eine ganzseitige Illustration. Einen Link zur Art Gallery findet ihr rechts in der Rezensionsdatenbox. Wie in letzter Zeit üblich geworden, sind die letzten drei der insgesamt 160 Seiten mit Werbung gefüllt.
Einleitung Die Einleitung beschreibt alle Kapitel des Buches in ein paar Sätzen. Zudem finden sich hier die üblichen Hinweise, welche Bücher man benötigt, um Complete Scoundrel zu nutzen. Neben den Grundregeln wird noch Complete Adventurer empfohlen, da einige der Prestigeklassen auf Scout bzw. Ninja Bezug nehmen. Alle nötigen Regeln sind aber im Buch selber erklärt. Auch auf Complete Warrior, DMG 2, Expanded Psionics Handbook (es gibt eine Psi-PK) und PHB 2 wird verwiesen, aber auch hier wird eigentlich alles im Buch selber erläutert, was man wissen muss.
Zusätzlich findet man in der Einleitung eine Erläuterung des Begriffs „Scoundrel“ (bedeutet so viel wie Schuft oder Schurke). Als Beispiele für „Scoundrels“ werden bekannte reale und fiktive Figuren aus Legenden, der Geschichte, Büchern, Comics, Fernsehen, Computerspielen und Filmen genannt. Hier werden klassische „Scoundrels“ genannt, wie etwa Robin Hood oder d’Artagnan von den drei Musketieren. Bei den historischen Figuren beziehen sich die Autoren auf einige Generäle, insbesondere den „Wüstenfuchs“ Erwin Rommel, den ich kaum als „Scoundrel“ bezeichnen würde. Zudem schreiben die Autoren, dass Rommel starb, weil er versuchte, Hitler zu ermorden, was schlichtweg falsch ist (Rommel war lediglich Mitwisser, lehnte aber den Staatsstreich des 20. Juli 1944 ab). Wenn man schon Bezug auf historische Personen nimmt, dann sollte man doch besser ordentlich recherchieren.
Kapitel 1 – Scoundrels of All Types Wie im Falle von Complete Mage richtet sich das erste Kapitel primär an Anfänger. Erläutert wird hier, was einen „Scoundrel“ ausmacht. Anhand von Beispielen versuchen die Autoren aufzuzeigen, wie es „Scoundrels“ jeglicher Gesinnung geben kann und beziehen sich hier wieder auf bekannte „Scoundrels“ wie z.B. Han Solo aus Star Wars als Beispiel für einen neutralen „Scoundrel“. Selbst aktuelle Serien werden einbezogen, so z.B. der Charakter Sawyer aus der Serie Lost als Beispiel für einen neutral bösen „Scoundrel“: Während ich nicht unbedingt immer mit den Autoren übereinstimmen würde (Indiana Jones als rechtschaffen guter Scoundrel?) ist es sicherlich ganz interessant, diesen Abschnitt zu lesen. Das Kapitel schließt ab mit der Beschreibung einiger „Scoundrel-Archetypen“ und mit konkreten Vorschlägen, wie man diese umsetzen kann. So gibt es konkrete Talente, Zauber und Klassenvorschläge, etwa für einen „Arkanen Scoundrel“.
Bereits im ersten Kapitel findet man die im ganzen Buch verteilten Kurzgeschichten/Briefe/Beschreibungen, die es auch schon vereinzelt in Complete Mage gab. In wenigen Zeilen wird in einer Sidebar eine kurze Geschichte zum Thema „Scoundrel“ erläutert. Diese dienen als Backgroundidee & Anregung und sind größtenteils nett zu lesen.
Kapitel 2 – Prestigeklassen Prestigeklassen sind natürlich das Herz der Complete-Reihe. Complete Scoundrel wartet mit 13 Prestigeklassen auf (Complete Mage hatte nur 11), die alle im gewohnten langen „Indepth-Format“ erläutert werden.
Avenging Executioner Eine fünfstufige PK, die das Konzept eines tragischen, furchteinflössenden Rächers verkörpern soll. Die PK gibt die „Sudden Strike“-Fähigkeit des Ninjas aus Complete Adventurer (Sudden Strike wird im Buch erläutert). Insgesamt ein interessantes Konzept.
Battle Trickster, Magical Trickster und Uncanny Trickster Diese drei Prestigeklassen ähneln sich alle. Sie basieren auf dem neuen Prinzip der Skill Tricks (vgl nächstes Kapitel) und umfassen nur drei Stufen. Sie geben zusätzliche Skill Tricks und ein Bonus-Feat. Mehr bieten die drei Prestigeklassen nicht. Sicherlich mögen Spieler, die jeweils ein paar mehr Tricks beherrschen wollen, diese Prestigeklassen gut finden, aber diese drei sind ein gutes Beispiel dafür, dass das „Indepth-Format“ hier unangebracht ist. Der Background ist viel zu lang und größtenteils nur schwammiges Gelaber.
Cloaked Dancer Eine fünfstufige PK, die auf einem bezaubernden Tanz basiert, mit dem man seine Gegner bzw. das Publikum ablenken kann. Eine nette Idee und die Fähigkeiten sind interessant. Die PK eignet sich gut für Barden oder Schurken/arkane Zauberwirker.
Combat Trapsmith Das Konzept dieser PK ist es, im Kampf Fallen zu legen, in die dann die Gegner laufen. Ein sehr interessantes Konzept, welches sicherlich einige Spieler reizen wird. Da die PK nur fünf Stufen umfasst, kann man sie auch gut nebenher nehmen.
Fortune’s Friend Die Fünf-Stufen-PK basiert auf den neuen „Luck“-Talenten (vgl. nächstes Kapitel). Die Idee ist im Prinzip die Umsetzung eines Glückskindes. Da auch die Zauberfähigkeit um zwei Stufen steigt, eignet die PK sich auch gut für Zauberwirker (etwa Tymora-Kleriker).
Gray Guard Die erste zehnstufige PK. Hierbei handelt es sich um eine Paladin-Prestigeklasse. Die Idee ist, eine Klasse zu schaffen, die es erlaubt, den Paladin-Kodex für das „größere“ Gute zu brechen (Jack Bauer aus 24 würde als gutes Beispiel dienen). Die PK ermöglicht, dass man nicht seine Klassenfähigkeiten verliert, wenn man Taten begeht, die gegen den Kodex verstoßen.
Malconvoker Diese PK ähnelt dem Gray Guard, denn sie erlaubt es, Dämonen und Teufel zu beschwören und sie für gute Taten einzusetzen, ohne dass man hierdurch „böse“ wird. Das Beschwören solcher Wesen, etwa mit Monster beschwören, ist eigentlich eine „böse“ Tat und „gute“ Kleriker können solche Zauber nicht anwenden. Die PK erlaubt, dies zu umgehen und verbessert entsprechend die Beschwörungsfähigkeiten. Sowohl von der Idee als auch den Fähigkeiten eine interessante PK.
Master of Masks Diese PK erlaubt es, magische Masken zu erschaffen. Diese Masken gewähren dem Erschaffer bestimmte Fähigkeiten, die zu der jeweiligen Maske passen. Trägt man z.B. die Maske des Assassinen, erhält man die „Sneak Attack“-Fähigkeit, trägt man die Maske Erzmagier, so erhält man Zauberfähigkeiten usw. Die PK ermöglicht daher das Wechseln der Fähigkeiten und ist sehr flexibel. Die Anwendung der Masken wird je nach Stufe in der PK erleichtert und die Effekte stärker. Auch eine sehr interessante PK, die viele Spieler ansprechen wird.
Mountebank Der Mountebank ist ein Meister der Flucht und erhält magische Fähigkeiten (In Form von Dimensionstor usw.), um eigentlich jeder Situation entkommen zu können. Auch erlaubt die PK, Alter Egos anzulegen, so dass man seine wahre Identität kaum verraten wird.
Psibond Agent Die einzige Psi-PK ist gut gelungen. Sie steigert zwar nicht das Manifester-Level, erlaubt aber, ein „Psibond“ zu einem Ziel herzustellen. Dieses Ziel kann man dann beeinflussen und am Ende der PK sogar vollständig dominieren. Die PK gibt zudem volle „Sneak Progression.“
Spellwarp Sniper Eine fünfstufige Prestigeklasse, die aber wohl vielen Spielern gefallen wird. Wer wollte nicht schon immer einen Meister der Strahlen spielen. Die PK erlaubt es sogar, Zauber, die keine Strahlen sind, zu solchen umzuformen. So kann man z.B. aus einem Feuerball einen Strahlenzauber ohne Rettungswurf machen. Eine gut gelungene und sicherlich auch starke PK.
Kapitel 3 – Feats and Skill Tricks Talente sind das zweite Herzstück eines Complete-Buches. Complete Scoundrel bietet dem Käufer satte 56 neue Talente. Das Buch stellt drei neue Talentarten vor, nämlich Ambush, Bardic Music und Luck Feats.
Ambush Feats erlauben dem Anwender, Schadenswürfel vom Hinterhältigen Angriff abzuziehen und dafür einen Zusatzeffekt zu verursachen. Mit dem Talent Head Shot kann man z.B. 5d6 vom „Sneak Attack damage“ abziehen und das Ziel wird dann dafür für eine Runde „confused“. Ähnliche Talente gab es bereits in Complete Warrior. Complete Scoundrel bietet aber zehn Stück, alle mit unterschiedlichen und neuen Effekten. Diese Talente werden allen Klassen mit Sneak-, Skirmish- und Sudden-Strike-Schaden gefallen.
Die Bardic Music Feats erlauben es einem Barden, Anwendungen seiner Bardenlieder gegen Spezialeffekte einzutauschen. Z.B. das Talent Warning Shout gibt einem Verbündeten +5 auf seinen Reflex-Rettungswurf und die Fähigkeit Evasion. Sie kostet aber auch zwei Anwendungen für die Aktivierung. Die Talente wirken recht gut und dürften die Bardenspieler erfreuen.
Luck Feats sind ein ganz neuer Mechanismus. Diese Talente erlauben es, Würfelwürfe zu modifizieren oder erneut zu würfeln, ähnlich wie bei der Klerikerdomäne des Glücks. Das Gute an diesen Talenten ist, dass sie aufeinander aufbauen. Jedes gewählte Luck Feat gibt mindestens einen solchen erneuten Würfelwurf. Die Wahl der Talente bestimmt aber, wofür man diese einsetzen kann. Wählt man z.B. „Lucky Start“, kann man einen Initiativewurf wiederholen und bekommt einen „luck reroll“. Hat man also nur dieses Talent, kann man auch nur den Ini-Wurf wiederholen. Nimmt man jetzt ein zweites Luck Feat wie z.B. „Make Your Own Luck“, welches erlaubt, einen Skill-Check erneut zu würfeln, bekommt man ebenfalls einen weiteren „luck reroll“ und hat somit insgesamt zwei erneute Würfelversuche. Die kann man entweder jeweils für „Lucky Start“ einsetzen oder auch für „Make Your Own Luck“ oder halt auch einmal für „Lucky Start“ und einmal für „Make Your Own Luck“. Zunächst mag man denken, dass diese Talente nicht sonderlich effizient sind, aber mit der Anzahl der gesammelten Luck Feats und „luck rerolls“ werden sie immer besser. So kann man mit einem Talent sogar eine gewürfelte 1 in eine gewürfelte 20 umwandeln.
Last but not least gibt es noch eine ganze Reihe normaler Talente. Hervorzuheben sind hier vor allem Talente, die Multiclass-Charakteren helfen. So gibt es z.B. das Talent Ascetic Stalker, welches erlaubt, Ninja- und Monk-Level für bestimmte Fähigkeiten der jeweiligen Klassen zu addieren. So werden alle Ninja- und Monk-Level zusammengezählt, um den Schaden des Unbewaffneten Angriffs vom Mönch zu bestimmen.
Ebenfalls völlig neu sind die Skill Tricks. Für zwei Fertigkeitspunkte kann man einen Skill Trick erwerben. Ein Skill Trick erlaubt ein bestimmtes Manöver, welches in der Regel eine Fertigkeitsprobe erfordert. Diesen Trick kann man normalerweise nur einmal pro Begegnung einsetzen. So kann man z.B. mit dem Skill Trick „Group Fake Out“ mehrere Gegner in Reichweite mit einer Finte bluffen oder mit „Whip Climber“ kann man wie Indiana Jones seine Peitsche als Kletterhaken nutzen und so leichter klettern. Die Skill Tricks sind unterschiedlich nützlich, haben aber auch unterschiedliche Anforderungen. Einige kann man erst auf hohen Stufen wählen (verlangen z.B. 12 Ränge in einer Fertigkeit). Da die Anwendung auf ein Mal pro Begegnung begrenzt ist, ist die Macht der Skill Tricks zwischen Talenten und normaler Fertigkeitsanwendung anzusiedeln. Auf jeden Fall bieten die Skill Tricks ein System, die Fertigkeiten insgesamt interessanter zu machen. Ebenso zeigen sie gut auf, was Spieler alles mit Fertigkeiten machen können. Der Preis von zwei Fertigkeitspunkten ist auf jeden Fall angemessen.
Kapitel 4 – New Spells Zauber dürfen in keinem Complete-Buch fehlen. Allerdings sind es in Complete Scoundrel natürlich nicht so viele Zauber wie in Complete Mage. Die meisten neuen Zauber sind eher Low-Level und passen natürlich zu „scoundrels“. So gibt es recht viele Zauber für Barden und Assassinen. Aber auch Hexblades, Druiden und natürlich Sorcerer/Wizards kommen nicht zu kurz. Viele der Zauber machen einen guten Eindruck. Ein Zauber wie „Scry Location“, der es erlaubt, einen Ort und keine Person auszuspähen, hat schon immer gefehlt. Der Zauber Spell Theft dürfte zudem sehr stark sein. Ein verbessertes Magie Bannen, das die Zauber des Gegners klauen kann. Sehr nett sind auch zwei Zauber der neuen „Polymorph“-Schule des Druiden im ersten Grad. Der eine erlaubt es, sich in einen kleinen Vogel und der andere, in einen kleinen Fisch zu verwandeln.
Kapitel 5 – Scoundrel Equipment Das fünfte Kapitel bietet dem Käufer neue magische Gegenstände, mundane „Scoundrel“-Ausrüstung wie z.B. versteckte Waffen, alchemistische Gegenstände und zuletzt neue Gifte. Hier ist nichts außerordentlich Aufregendes zu finden, aber sicherlich die eine oder andere gute Idee. Neu sind so genannte lebende Gegenstände, die auf lebenden Kreaturen beruhen und ideal für „scoundrels“ sind. Interessant sind z.B. die „Gut Mites“. Kleine Insekten, die, wenn man von einem riesigen Monster verschluckt wird (Swallow Whole), aus ihrem Behälter befreit werden und den Magen des Wesens so reizen, dass man ausgekotzt wird.
Kapitel 6 – Scoundrel Adventures Das letzte Kapitel ist das „fluff“-Kapitel. Hier findet man Kampagnenideen, SL-Tipps, kleine Adventure Locations, Organisationen, die für „scoundrels“ interessant sind (nach dem neuen DMG-2-System), und „Contacts“, ebenfalls aus dem DMG 2 und sicherlich Shadowrun entlehnt.
Fazit: Complete Scoundrel wird seinem Namen gerecht und ist ein klassisches Complete-Buch. Man wird also mit neuem Regelmaterial überhäuft. Wer dieses mittlerweile satt hat, der sollte natürlich um das Buch einen Bogen machen. Wer allerdings neue Prestigeklassen, Talente und neue Regeln sucht, der wird in Complete Scoundrel wieder eine Menge gutes Material finden.
Mit der Ausnahme der drei „Trickster“-Prestigeklassen sind diese alle gut gelungen und haben mir sehr gefallen. Vor allem der Master of Masks, Combat Trapsmith, Mountebank und Psibond Agent haben mir sehr gut vom Regeltechnischen als auch vom Background gefallen. Aber bereits wie in Complete Mage überzeugt das „Indepth“-Format in diesem Fall nicht. Die meisten PK aus Complete Scoundrel sind nun einmal solche, für die es keinen umfangreichen Background braucht. Sie sind vielmehr sehr generisch und überall integrierbar. Anders als bei Prestigeklassen in Kampagnenbüchern macht dieses vertiefende Format in den Complete-Büchern kaum Sinn. Vielmehr liest man sehr viel „Background-Gelaber“.
Highlight des Buches sind sicherlich auch die Talente. Die neuen Talentarten sind alle gut gelungen und sehr interessant. Vor allem die Luck Feats sind sicherlich mal eine Abwechslung und werden so manchen Spieler ansprechen. Allerdings sind sie auch eher eine Spielerei mit einem unberechenbaren Vorteil und werden daher die Spieler, die lieber taktieren und optimieren, statt zu würfeln, nicht so sehr ansprechen. Auch das System der Skill Tricks gefällt mir. Hier wären aber eventuell noch mehr Tricks besser gewesen. Man kann nur hoffen, dass WotC dieses System beibehält.
Magische Gegenstände, Zauber und Ausrüstung sind im Prinzip Standard und nicht wirklich außergewöhnlich. Auch der „fluff“ ist das Übliche. Die Einleitung und das erste Kapitel haben mir aber wie bei Complete Mage gut gefallen. Der Schreibstil ist hier gut und für Anfänger auf alle Fälle hilfreich, aber selbst erfahrene Spieler werden hier noch die eine oder andere Idee finden. Die im ganzen Buch verteilten Geschichten und Story-Hooks runden das insgesamt gute Buch ab. Complete Scoundrel braucht sich nicht hinter Complete Adventurer zu verstecken. Es handelt sich nicht um ein 08/15-Crunch-Buch ohne neue Ideen. Man kann WotC alles Mögliche vorwerfen, aber ihre Complete-Bücher sind inhaltlich und regeltechnisch gut gelungen.
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