Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Cthulhu - Spielerhandbuch - Zweite Edition
Bewertung:
(4.0)
Von: Ralf Schemmann
Alias: Uthoroc
Am: 29.03.2007
Autor:Sandy Petersen, Lynn Willis, Frank Heller, Marcus Johanus, u.a.
Übersetzer:Heinrich Glumpler
Typ:Regelwerk (Spieler)
System:Call of Cthulhu (BRP)
Setting:Cthulhu 1890, Cthulhu 1920, Cthulhu Now
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:978-3-937826-94-3
Inhalt:248 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

„Call of Cthulhu“ ist ein echter Rollenspielklassiker und erfreut sich auch in Deutschland seit vielen Jahren einer großen Fangemeinde. Die Übersetzung erscheint bei Pegasus Spiele unter dem einfachen Namen „Cthulhu“. Im Gegensatz zu den meisten anderen amerikanischen Rollenspielsystemen macht die deutsche Redaktion aber weit mehr als reine Übersetzungsarbeit. Bestehende Ausgaben werden erweitert und angepasst und komplett neue Publikationen produziert. In Qualität und Sorgfalt stehen sie den Originalen in nichts nach – im Gegenteil, häufig übertreffen sie diese.

 

Mir liegt nun die zweite Auflage des deutschen Spielerhandbuchs für „Cthulhu“ vor und als langjähriger Cthulhu-Spieler, der sich bisher allerdings hauptsächlich auf die englischen Publikationen gestützt hatte, war ich sehr gespannt.

Der äußere Eindruck

Dem Stil der Cover von Pegasus-Produkten stehe ich immer mit gemischten Gefühlen gegenüber. Handwerklich sind sie sehr gut gemacht, aber sie wollen mir einfach nicht gefallen. Das Spielerhandbuch ist keine Ausnahme. H. P. Lovecraft selbst prangt auf dem Cover, umgeben von einem Gewirr aus altertümlichen Texten, okkulten Grafiken und Tentakeln. Es mag zwar eine dem Hintergrund entsprechende Collage sein, aber mir ist es zu durcheinander und wirr. Der Titel geht darin ziemlich unter.

 

Dafür liegt das Buch unheimlich gut in den Händen. 248 Seiten schweres Papier, ein sehr stabiler Einband und das integrierte Lesezeichen machen einiges her. Schlägt man das Buch auf, verblasst die Qualität des Einbands noch gegen das tolle Layout und die grafische Aufmachung des Inhalts. Unzählige zeitgenössische schwarz-weiß-Fotografien und viele kleine stimmungsvolle Illustrationen schmücken den Text. Käfer scheinen über die Seiten zu krabbeln, Büroklammern an den Seiten zu klemmen. Schwarz abgesetzt, sind die eigentlichen Seiten auf altes, brüchiges Papier getrimmt. Das große Kunststück dabei ist, dass trotz allem die Übersichtlichkeit und Lesbarkeit kein bisschen verloren geht. Meine Augen gleiten mühelos über den Text und es kommen keine Irritationen auf.

 

Was Satz und Layout angeht, ist das Buch eines der Besten, das mir in den letzten Jahren durch meine Hände gegangen ist.

Der Inhalt

Aber was bei einem Rollenspielbuch letztendlich zählt, ist der Inhalt, nicht wahr? Erwähnen sollte man vielleicht, dass es die Trennung zwischen Spieler- und Spielleiterhandbuch so im Original von Chaosium nicht gibt. Schon daran kann man erkennen, dass das Buch keine einfache Übersetzung ist.

 

Im Prinzip hat Pegasus die „geheimen“ Hintergrundinformationen wie Monster, Zaubersprüche und Mythos-Bücher von den „öffentlichen“ Regeln getrennt und mit jeweils Spieler- bzw. Spielleiter-spezifischen Texten in zwei Bücher geteilt. Ob das spieltechnisch viel Sinn macht sei dahin gestellt, aber zumindest können sich Spieler so einen großen Anteil des Spielsystems zu Gemüte führen, ohne sich ein gesamtes Buch anschaffen zu müssen oder Gefahr zu laufen, sich den Spaß durch „Spoiler“ zu verderben.

 

Freundlicherweise (insbesondere für den Rezensenten) werden direkt nach der Einleitung die Änderungen zur ersten Auflage aufgelistet. Natürlich sind alle Errata eingeflossen, es gibt ein erweitertes Kapitel zur deutschen Cthulhu-Szene und das enthaltene Solo-Abenteuer wurde durch ein neues, bisher unveröffentlichtes ersetzt. Das heißt natürlich, dass das Buch für Besitzer der Erstauflage nicht so interessant ist. Andererseits ist es aber auch eine erfreuliche Absage an ständige Regeländerungen, die einen zwingen, jede Neuauflage eines Regelbuchs zu kaufen, wenn man auf dem neuesten Stand bleiben will.

 

Dann beginnt das eigentliche Buch mit einem groben Überblick über das Genre, das Spielsystem und den Hintergrund. Gerade der Überblick über die 1920er-Jahre ist recht knapp, aber vielleicht gerade noch ausreichend.

 

Dafür ist das Kapitel über die Charaktererschaffung um so länger; mit 76 Seiten ist es das längste des Buchs. Frühere (englische) Ausgaben der Regeln hatten immer nur eine recht kleine Auswahl an „Berufen“ für Cthulhu-Charaktere. Hier gibt es so ziemlich alles, vom Rabbi über die Krankenschwester bis hin zum Bauern. Da bei Cthulhu ein Beruf eigentlich nur eine Auswahl von ca. 6-10 Fertigkeiten bedeutet, auf die man Punkte während der Charaktererschaffung verteilen darf, fragt man sich, ob eine solche Bandbreite wirklich nötig ist. Ein eigenes Berufsprofil hat man in ein bis zwei Minuten erstellt. Ganz hilfreich ist aber, dass jeder Eintrag auch ein paar Sätze zur Rolle des jeweiligen Berufes in den verschiedenen vorgeschlagenen Spiel-Epochen (1890er, 1920er und Gegenwart) enthält.

 

Aber das Beste an dem Kapitel sind die eingestreuten Kurzbiografien von historischen Persönlichkeiten. Sie verbreiten mehr Atmosphäre und geben mehr Ideen für Charaktere als alle Berufsprofile zusammen.

 

Wenn mich am Spielerhandbuch etwas richtig stört, dann ist es ein seltsamer Besserwisser-Ton, der in den Abschnitten zum Charakterhintergrund (und auch schon vorher gelegentlich) immer wieder auftaucht. Man hat das Gefühl, gesagt zu bekommen, wie man „richtig“ rollenspielt. Der oder die Autoren der entsprechenden Abschnitte scheinen eine sehr genaue Vorstellung davon zu haben, wie ein Cthulhu-Rollenspiel abzulaufen hat. Sätze wie (beliebig herausgegriffen) „Jeder besitzt etwas, dass er besonders fürchtet, das ihn quält und das in seinen Träumen oft wiederkehrt“ sind nicht nur falsch, sie suggerieren mir, dass ich meinen Charakter in einer bestimmen Weise erschaffen muss, damit er „richtig“ ist. Leider begegne ich dieser Art, vom Rollenspiel zu schreiben, in der deutschen Szene relativ häufig. Bei Spielen aus dem anglo-amerikanischen Raum fällt mir das so nicht auf.

 

Zum Regelkapitel ist nicht allzu viel zu sagen, nur soviel, dass, wie immer schon bei Cthulhu, die Dinge eher einfach gehalten sind. Komplexe taktische Kämpfe stehen hier nicht auf dem Programm.

 

Wichtig hingegen ist das nächste Kapitel über Wahnsinn und seine Auswirkungen und Darstellung im Spiel. Allerdings ist es nur ein kurzer Anriss für die Spieler, der größere Anteil wird sich im Spielleiterhandbuch finden.

 

Nach einem knappen Spielbeispiel findet sich ein relativ umfangreiches Solo-Abenteuer (26 Seiten). Das Abenteuer in der ersten Auflage scheint etwas schlechte Kritiken bekommen haben, vielleicht der Grund für diese neue Version. Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, denn dieses ist ein echter kleiner Leckerbissen. Ich habe es zusammen mit jemand anderem gespielt und den Text dabei laut vorgelesen. Es kam eine richtig gute Gruselstimmung auf.

 

Nach dem eingangs erwähnten Überblick über die deutsche Cthulhu-Szene gibt es noch eine Reihe von Anhängen zu Reisen und zur Ausrüstung in den verschiedenen Epochen. Gerade der Ausrüstungsteil ist sehr gut gelungen, mit vielen Fotos und einigen zeitgenössischen Werbeanzeigen.

Fazit

Das Spielerhandbuch ist auf jeden Fall ein sehr gutes Produkt. Mit nur 20 Euro ist es für ein Buch seiner Qualität und Aufmachung ziemlich günstig und es beinhaltet alles, was man als Spieler bei Cthulhu wissen „darf“. Wenn der Spielleiter der Runde schon die erste Ausgabe besitzt, ist eine Anschaffung der zweiten Edition sicherlich nicht notwendig, aber für Sammler und interessierte Spieler ist es sicherlich eine Überlegung wert. Und für Neueinsteiger in Sachen Cthulhu ist das Buch eine runde Sache.

 

Persönlich habe ich ein paar Probleme mit dem Stil an einigen Stellen. Er ist mir zu festgelegt auf eine bestimmte Art des Rollenspiels. Ich denke nicht, dass das von den Autoren beabsichtigt ist, ich glaube eher, dass sich eine Sichtweise eingeschlichen hat, wie Cthulhu „zu sein hat“. Das ist allerdings ein sehr persönlicher Kritikpunkt, den andere Leser sicherlich anders sehen werden.

 

Insgesamt bekommt das Cthulhu-Spielerhandbuch von mir eine solide 4.0, für ein sehr gutes, nützliches Regelbuch. Mehr vergebe ich wegen meiner persönlichen Schwierigkeiten mit dem Stil nicht.