Im Dezember 2002 eröffnete das Ordensbuch der Michaeliten die Reihe der Ordensbücher für das Rollenspiel „Die Chroniken der Engel“, das von Oliver Hoffmann, Oliver Graute und Kai Meyer entwickelt wurde und bei Feder und Schwert verlegt wird. Die Michaeliten, „Die Sind wie Gott“, sind die Führer der Engelsscharen und auch ihr Orden unter der Führung des weisen Ab Vermonte Brindisi gilt als der Mächtigste unter den Orden, trotz oder gerade wegen dessen Standort in Roma Æterna und der Nähe zum Pontifex Maximus Petrus Secundus und zum Konsistorium. Das Ordensbuch soll nun ein wenig hinter die Kulissen blicken und sowohl eine Beschreibung des Ordens selbst, seiner Ziele, Dogmatik und Machtstrukturen, als auch eine genauere Beschreibung des Herrschaftsgebiets (also Michaelslands, was etwa dem heutigen Italien entspricht) geben, wie sie im Grundregelwerk (GRW) nicht möglich war.
Wie bei so ziemlich allen Engel-Publikationen gilt auch hier: Wer Engel als Spieler erleben möchte, sollte hier nicht weiterlesen, genauso wie er das Buch selbst nicht lesen sollte. Engel lebt von den Mysterien der Welt und als Spieler nimmt man sich einen Teil des Spielspaßes, wenn man Texte liest, die diese Mysterien ein Stück weit lüften, was eingeschränkt auch für diese Rezension gilt.
Erster Eindruck und Gestaltung: Beim Ordensbuch der Michaeliten handelt es sich um ein 96 Seiten starkes Softcover. Die Umschlaggestaltung ist wie gewohnt edel in den Farben Schwarz, Weiß und Gold gehalten und fügt sich nahtlos in die Reihe ein. Das Coverbild von Dieter Jüdt zeigt – natürlich – einen Michaeliten, denn von diesen handelt ja das Buch schließlich. Das Bild selbst hat mir persönlich nicht wirklich gefallen, der Zeichenstil ist irgendwie „kantig“ und „verwaschen“, der für Engel so typische Stil ist zwar erkennbar, doch im Vergleich mit den hervorragenden Zeichnungen aus dem GRW2.0 muss dieses Bild doch klar zurückstehen (fairerweise muss man aber sagen, dass das GRW2.0 als Überarbeitung des alten GRW1 erst 2005 erschien). Es kann aber auch sein, dass ich einfach durch die grandiosen Zeichnungen von Eva Widermann nur ein wenig verwöhnt bin. Im Inneren setzt sich die gewohnte Gestaltung fort: Die Überschriften sind in der eigens für Engel entworfenen Schriftart gehalten, „Seitenbalken“ erscheinen in der Form von Dokumenten aus den Bibliotheken der Ramieliten und im Seitenhintergrund findet man überall dezent die für Engel typischen Symbole und Buchstaben. Auch die vielen Zeichnungen und Karten, die allesamt von Tobias Mannewitz stammen, tragen viel zur Atmosphäre bei, die einen sofort in die Welt von Engel katapultiert, auch wenn der Stil der Zeichnungen – mit ein paar wenigen Ausnahmen – mir auch im Inneren nicht wirklich zusagt, was daran liegen mag, dass auch diese Zeichnungen dasselbe Problem aufweisen wie die Zeichnungen aus dem GRW1: Die Engel wirken zu erwachsen, dafür dass sie laut dem GRW doch „nur“ Kinder sind. Als besonderes Extra findet man eine große Faltkarte des Himmels der Michaeliten dem Buch beigelegt. Zwar sind die Zeichnungen der einzelnen Sektionen auch schon im Inneren zu finden, doch direkt aneinandergereiht und mit Maßstab versehen macht diese Karte schon deutlich mehr Eindruck. Zumal sie mit einer leicht bräunlichen, blassen Tinte auf pergamentartiges Papier gedruckt ist und sich dementsprechend auch hervorragend als Hand-out für die Spieler macht.
Doch nun zum Inhalt:
Kapitel 1: Urbs et Orbis oder wie sich das Mutterland der Angelitischen Kirche im 27.Jahrhundert darstellt Wie schon beim GRW wird jedes Kapitel von einer mehr oder minder passenden, doppelseitigen Kurzgeschichte eingeleitet. Doch Kapitel 1 macht hier eine Ausnahme: Hier wird nämlich das Rad der Zeit etwas weitergedreht und in Form eines Briefes von Konsistorialkardinal Johannes zu Gemmingen die Ergebnisse des zweijährigen Europa-Konzils, welches nach der Zeitskala aus dem GRW gerade einmal einberufen worden war, präsentiert: Die Britannischen Inseln sollen unter der Führung des Gabrielis-Ordens erobert werden und der Orden der Sarieliten soll – stark verkleinert – sich anderen Aufgaben widmen. Doch nun beginnt die Beschreibung der Michaelslande, des Italiens des 27. Jahrhundert. Den Anfang macht eine Beschreibung der 12 Provinzen Michaelslands, 12 deshalb, weil der Pontifex Maximus Petrus Secundus bei der Neuordnung der italienischen Lande im 22. Jahrhundert die 12 als heilige Zahl ansah. Auf insgesamt 10 Seiten erfährt man alles Wissenswerte über die Provinzen: Landschaft, Flora und Fauna, das politische System, Land und Leute, Wirtschaft, dies alles wird zumeist recht kurz angerissen. Die restlichen 16 Seiten des Kapitels widmen sich dann aber der Stadt, die wie keine andere die Macht der Angelitischen Kirche repräsentiert: Roma Æterna, nach Nürnberg in Gabrielsland die zweitgrößte, doch deutlich mächtigere Stadt der bekannten Welt. Doch mit dem Rom unserer Zeit hat diese Stadt nur noch den Namen gemeinsam, da sie aufgrund des ansteigenden Meeres weit ins Landesinnere verschoben und von Grund auf neu geplant werden musste. Den Anfang der Beschreibung der ewigen Stadt macht ein kurzer chronologischer Abriss der Geschichte der Stadt seit den ersten Überschwemmungen im 21. Jahrhundert. Weiter geht es mit einer detaillierteren Beschreibung der Bevölkerung und den Ständen Roms: Was bedeutet es für die Menschen, ein Einwohner Roms zu sein? Was macht für einen Kleriker diese Stadt aus? Diese Fragen werden ebenso beleuchtet wie das komplizierte System von herrschenden Mächten, ist doch Rom Heimat des Himmels der Michaeliten ebenso wie des Konsistoriums, des wohl mächtigsten Gremiums der Angelitischen Kirche. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Beschreibung der wichtigsten Örtlichkeiten Roma Æternas. Das sind nicht nur der Himmel der Michaeliten (dem das ganze folgende Kapitel gewidmet ist) und der Vatikan auf der Nova Insula, sondern auch die Gallerie Angelitica, ein öffentlich nicht zugängliches Museum, in dem die heiligen Artefakte der Angelitischen Kirche (unter anderem das Buch, auf dem die gesamte Dogmatik der Kirche aufbaut, die Angelitica) ausgestellt werden, oder der Palazzo Farnes, die Hauptkaserne der Michaelis-Templer. Besondere Beachtung finden auch der Campus Sarielitorum, die „Zentrale“ der Sarieliten, die als einziger Orden keinen eigenen Himmel besitzen, und die Arx, die letzte Trutzburg und Zuflucht der Ragueliten, des Ordens der Bewahrer der Technik, der nach dem Pandoramicum vom Konsistorium aufgelöst wurde.
Fazit für dieses Kapitel: Insgesamt gesehen ein sehr interessanter Überblick über das Italien des 27. Jahrhunderts. Es wird wirklich so ziemlich jedes denkbare Kapitel angeschnitten, allerdings wird meist nur etwas an der Oberfläche gekratzt, die Beschreibungen sind meistens nicht wirklich tiefgehend und detailliert, was aber durchaus positiv ist: Lange, ausgreifende Beschreibungen über die Tierwelt eines bestimmten Landstriches sind meist genauso langweilig wie unnötig. Sehr gelungen finde ich auch die beiden ganzseitigen Karten (einmal von ganz Michaelsland, einmal von Roma Æterna) von Tobias Mannewitz. Note für dieses Kapitel: 4.3 (Seitenzahl: 26)
Kapitel 2: Castra Michaelitorum oder vom Aufbau des Himmels der Michaeliten und seinen Besonderheiten Kapitel 2 widmet sich in aller Ausführlichkeit dem wohl bemerkenswertesten Gebäude in Rom: Dem über 1,5 Kilometer hohen und an der Basis fast ebenso breiten Himmel der Michaeliten. Die Engelsburg, Wohnsitz und Operationsbasis gleichermaßen, bildet mit seiner Vielzahl an schmückenden, gotisch anmutenden Elementen und Anbauten einen verspielten und gewaltigen Kontrast zu den eher strengen Bauten der Metropole am Fuße des Himmels. Die Beschreibung beginnt mit einem kurzen Abriss über die grobe Struktur des Baus, der Außenwände, etc. und die „Wunder“ des Himmels: Licht in allen Räumen auch ohne Fenster, Himmelsleitern, Plattformen, die Hunderte von Metern scheinbar mühelos überwinden können, Wasser, das aus Hähnen in der Wand kommt, selbst in den obersten Stockwerken ... Sodann schließt sich eine Art Rundgang durch den Himmel an: Beginnend bei den 6 gewaltigen Eingangsportalen, die jeweils einem anderen „Zweck“ dienen (so ist das Tor der Erkenntnis, interessanterweise der einzige direkt der Stadt zugewandte Eingang, den Sündern vorbehalten, wohingegen durch das Tor der Freude Menschenmassen zu hohen Festgottesdiensten in die Magna Basilica, noch vor dem Petrusdom die größte Kirche Roms, einziehen), gelangt man an die Basis des Turmes, wo sich Bedienstetenquartiere, Templerkasernen, aber auch die Kapelle aller Heiligen und die Magna Basilica befinden. Fast unmerklich betritt man durch das Gewirr an kleinen Gässchen den eigentlichen Turm, wo man dann in der zentralen Herzleitung über unzählige Treppen und Himmelsleitern nach oben gelangt. Zuerst zu den Quartieren der Beginen und Monachen, dann zu Stockwerken, die für jedermann außer den Täufern tabu sind: Die Halle der Taufe, wo die neuen Engel nach ihrer Ankunft auf der Erde erwachen. Darüber befinden sich die Quartiere der Engelsscharen, die im Himmel stationiert sind. An den Himmel geschmiegt findet man, je höher man kommt, immer mehr Flugplattformen, deren größte in einer Höhe von 1300 Metern den nominellen Abschluss des Himmels bildet. In dieser Höhe kann man bequem über die Mitteleuropa fast ständig bedeckende, dichte Wolkendecke blicken, muss sich aber vor den scharfen Winden in Acht nehmen. Über der großen Flugplattforum erhebt sich nur noch der Palas genannte Teil des Himmels. Hier befindet sich der Große Saal, die hauptsächlich der Repräsentation dienende 150 Meter hohe und 80 Meter breite Halle, in der die Engelsscharen ihre Befehle empfangen. Darüber liegen nur noch die Gemächer des Abs und des Erzengels Michael, die aber nie ein Sterblicher (außer den direkten Bediensteten des Abs), im Falle des Erzengels noch nicht einmal die Engel, zu sehen bekommt. Die Spitze des Turmes befindet sich auf genau 1567 Meter Höhe und überragt damit alle anderen Engelsburgen, was die Vormachtstellung der Michaeliten nur noch einmal unterstreicht.
Fazit für dieses Kapitel: Der Rundgang durch den Himmel ist sehr gut gelungen. Man erfährt eine Menge sowohl über den Aufbau des Himmels als auch über die verschiedenen Funktionen, die seine Bewohner ausfüllen. Zwar wird auch hier vieles nur angedeutet und im Dunklen gelassen (das meiste kann man aber durchaus erraten, etwa die Wunder des Lichts), aber eine detaillierte Darstellung ist bei solch einem Gebäude eh nicht möglich. Teilnote für dieses Kapitel: 4.2 (Seitenzahl: 10)
Kapitel 3: Machinationes Michaelitorum oder wie die Führer der Scharen die Welt beeinflussen und von ihr beeinflusst werden Das dritte Kapitel beschäftigt sich vor allem mit der Dogmatik des Ordens und bildet damit sozusagen einen Schwerpunkt des Buches. Gleich der erste Abschnitt beschäftigt sich mit den Grundsätzen der michaelitischen Lehre und dessen Verantwortung für Europa. Der zweite Abschnitt dann hat die Ausbildung der michaelitischen Engel zum Thema: Sehr ausführlich wird hier auf die gesamte Ausbildung der Engel eingegangen, angefangen beim ersten Erwachen in der Halle der Taufe, bei dem die Engel, nackt und gänzlich ohne Haare, zum ersten Mal ihre Umgebung wahrnehmen. Dann über die ersten Unterrichtsstunden bei ihren Nonni oder Nonnae bis zum Claustrum Primum, dem ersten der drei eigentlichen Ausbildungsabschnitte der jungen Engel. Hier müssen die Engel Aufgaben zu den drei Komplexen Körper, Geist und Seele bestreiten, allerdings immer als Gruppe. Wenn einer aus der Gruppe eine Aufgabe nicht schafft, gilt sie für alle aus der Gruppe als nicht bestanden. Das Claustrum Secundum widmet sich nun einerseits den musischen Tätigkeiten, die jungen Engel sind angehalten, zu malen, Bildhauerei zu betreiben oder zu musizieren, andererseits stehen aber auch taktische Schulungen im Vordergrund, um die jungen Engel auf ihre Aufgabe als Führer der Scharen vorzubereiten. Einen großen Teil der Ausbildung nimmt auch das Meditationstraining ein, denn Engel schlafen bekanntermaßen nicht, sondern meditieren, und die Michaeliten haben es in dieser Disziplin fast bis zur Perfektion geschafft. Der dritte Abschnitt, das Claustrum Tertium, ist der längste, aber auch praxisbezogenste Teil der Ausbildung. Hier wird in täglichen Rollenspielen das zuvor Gelernte praktisch angewendet, allerdings nicht mehr in der Gruppe sondern einzeln. Dazu erhalten die jungen Engel Flugunterricht bei erfahrenen Engeln sowie Kampftraining mit den Waffen, die der Orden als gottgefällig betrachtet. Nach der abschließenden Prüfungsreihe, der Firmo, werden die jungen Engel ihre Weihen erhalten und der irdischen Welt überantwortet. Dabei werden Problemlösungsstrategien, Taktik und historisches Wissen geprüft, aber auch in Rollenspielsituationen Szenen aus dem Alltagsleben dargestellt, die ein Engel meistern muss. Besteht der Engel alle diese Prüfungen, darf er zur Engelsweihe nach Roma Æterna, dem wohl größten und wichtigsten Ereignis im irdischen Leben eines Engels. Sämtliche Ausbildungsstufen sind hierbei ausführlichst beschrieben, so dass man als Erzähler keine Probleme mehr haben sollte, mit einem Michaelis-Engel seine Ausbildung durchzuspielen (eine Vorgehensweise, die viele Engel-Erzähler bevorzugen, da man so im Zusammenspiel mit dem Spieler die Charakterzüge und Fähigkeiten des Engels sozusagen im Spiel direkt festlegen kann). Es folgt ein Abschnitt zur konkreten Aufgabe der Michaeliten, die als Führer der Scharen den meisten Kontakt mit der einfachen Bevölkerung haben. Des Weiteren werden ein paar Untergruppierungen und Fraktionen des Ordens vorgestellt, etwa die Artifici, die sich voll und ganz der Bildenden Kunst verschrieben haben und fast schon eifersüchtig über ihre Kunstwerke wachen. Der nächste Abschnitt bietet die einzigen wirklich „neuen“ Regeln des Buches an, es werden nämlich ein paar neue Mächte vorgestellt, die aber alle nur relativ mächtige Michaeliten der Signums-Stufe erlernen können, wenn überhaupt, denn diese neuen Mächte gehören zu den am besten gehütetsten Geheimnissen des Ordens, etwa das Machtwort, ein einziges, geflüstertes Wort, mit dem ein Michaelit einen anderen Engel quasi ins Koma versetzen kann, oder die Seele der Welt, eine Macht ähnlich der Seele der Schar, mit der der Michaelit telepathischen Kontakt nicht nur zu seiner eigenen Schar, sondern zu allen Engeln im Umkreis von mehreren Kilometern aufnehmen kann. Alle diese Mächte sind sehr mächtig und sollten wirklich nur mit viel Fingerspitzengefühl eingesetzt oder überhaupt ins Spiel integriert werden. Den Abschluss des Kapitels macht eine Reihe von Beispiel-Engeln, die jeweils bestimmte, für Michaeliten typische Aspekte symbolisieren. Da gibt es den strahlenden Helden, den pflichtbewussten Fanatiker, den Unscheinbaren unter Vielen, den eitlen Mitläufer und den abtrünnigen Zweifler. Allen Engeln gemein ist eine tiefgreifende detaillierte Darstellung: Zu jedem Engel findet man neben einer allgemeinen Beschreibung der Fähigkeiten und des Wesens die Werte einmal im Arkana-System und einmal im d20-System, zusätzlich wurde jedem Engel eine recht schöne, ganzseitige Zeichnung spendiert. Spielern diese Beispiel-Charaktere als „Inspiration“ vorzulegen, würde ich aber nicht empfehlen, da dort doch manche Dinge angesprochen werden, die man seinen Spielern besser verschweigen sollte ...
Fazit für dieses Kapitel: Die Beschreibung der Ziele, Lehren und Fraktionen des Ordens hat mir gut gefallen. Besonders der lange Abschnitt zur Ausbildung der Michaelis-Engel ist sehr informativ und nützlich, prägt er doch die jungen Engel für ihr ganzes irdisches Leben. Auch die Beispiel-Charaktere sind sehr schön ausgearbeitet und präsentiert. Teilnote für dieses Kapitel: 4.4 (Seitenzahl: 24)
Kapitel 4: Michaeliti Extra Fines oder von den Außenposten des Ordens und seiner Stellung in Europa Das folgende, recht kurz gehaltene Kapitel befasst sich vorrangig mit den Außenposten der Michaeliten. Diese befinden sich zwar größtenteils an den Grenzen Europas, doch man kann eigentlich sicher sein, in jeder größeren Ansiedlung in ganz Europa zumindest einen oder zwei Michaeliten anzutreffen, die meist von der lokalen Bevölkerung in Rechtsfragen vor der lokalen Administration bevorzugt werden. Zu den größeren Außenposten der Michaeliten gehören das Kloster des Heiligen Johannes Chrisosthomos auf Jalta, das aufgrund seiner Nähe zum osteuropäischen Brandland zur Zentrale der „Mission Brandland“ wurde, die sich zum Ziel gesetzt hat, das östliche Brandland irgendwie zu durchqueren, um auf die riesigen, ungenutzten Flächen dahinter zugreifen zu können. Dann gibt es noch den Michaeliten-Stützpunkt auf der Insel Dover, die seit der Abspaltung Britanniens im 23. Jahrhundert die Britannischen Inseln als Spione und Infiltratorn überwachen. Der letzte vorgestellte Außenposten, in der ehemaligen jordanischen Hauptstadt Amman, ist wohl der symbolträchtigste und trauerbehaftetste Ort in ganz Europa. Hier wachen die Monachen und Beginen des dortigen Stifts Tag und Nacht über das Schlachtfeld der Schlacht von Jerusalem, der größten Schlacht aller Zeiten zwischen den Heerscharen der Kirche und der Traumsaat, in der die Traumsaat Jerusalem unter schweren Verlusten vernichten konnte. Der Rest des Kapitels widmet sich nun den Beziehungen des Michaelis-Ordens zu den anderen Orden innerhalb der Kirche, aber auch zu den weltlichen Herrschern, den Diadochen. Während die Gabrieliten langsam aber sicher versuchen, den Michaeliten in der Gunst des Konsistoriums den Rang abzulaufen, stehen die Raphaeliten ihren leuchtenden Vorbildern treu und loyal zur Seite. Die Urieliten und die Ramieliten berufen sich hingegen darauf, dass jeder Orden seinen Platz hat, den er bestmöglich ausfüllen sollte.
Fazit für dieses Kapitel: Die Beschreibung der Außenposten ist schön kurz und kompakt: Man erhält einen guten Eindruck von den Besonderheiten des jeweiligen Ortes, so dass man direkt ein paar Ideen bekommt, wie man diese Orte in sein Spiel einbauen kann. Teilnote für dieses Kapitel: 4.2 (Seitenzahl: 8)
Kapitel 5: Dramatis Personæ oder von denen, die das Schicksal der Erde formen Wie der Titel schon sagt, werden in diesem Kapitel ein paar wichtige Personen beschrieben. Allen voran der Pontifex Maximus Petrus Secundus, dessen kurze Beschreibung aus dem GRW hier auf über eine Seite ausgeweitet wird (inklusive eines Seitenbalkens zu den Seraphim, seiner Engel-Leibgarde). Des Weiteren werden ein paar der Konsistorialkardinäle, die die wahre Macht hinter der Angelitischen Kirche darstellen, vorgestellt: Einmal Hanne von Eisenberg, die den Innovatores zugetane, reformationsfreudige Verwalterin von Roma Æterna, deren Stuhl zurzeit sehr wackelt, dann Rufus Kant, der für die Außenpolitik zuständige Kardinal, und Cenaius der Jüngere, der oberste Inquisitor der Kirche und ein mächtiger Gegenspieler von Ab Brindisi. Die restlichen 9 Kardinäle sind nur kurz in einem Satz mit ihrem Aufgabengebiet und den markantesten Wesenszügen vorgestellt. Man merkt hier aber, dass das Ordensbuch vor der Neuauflage des Grundregelwerks erschienen war, denn bei der Beschreibung des Konsistorialkardinals Johannes zu Gemmingen wird auf dessen Beschreibung im Grundregelwerk verwiesen, die jedoch im GRW2.0 rausgekürzt wurde. Das ist sehr schade, fehlt doch nun mit dem Peritus zu Gemmingen der wohl mächtigste Mann (neben dem Pontifex Maximus) der Kirche. Aber das ist kein Manko des Ordensbuchs, sondern eher des GRW. Was mich persönlich aber an diesem Kapitel etwas gestört hat, war, dass der Michaelis-Orden bei den Personenbeschreibungen etwas zu kurz kam: Nur der Ab des Ordens, Vermonte Brindisi, ein weiser und rhetorisch und diplomatisch sehr kundiger Mann, der Prior Gianfranco di Spetia, ein unheimlicher, ehrgeiziger, wenn auch effizienter Verwalter mit dunklen Geheimnissen, und Giancarlo Armato Campo, der kampferprobte Tempelherr der Michaeliten und Anführer aller Michaelis-Templer, werden beschrieben. Ich hätte mir gewünscht, vielleicht auch ein paar niedere Kleriker und Mitglieder des Ordens vorgestellt zu bekommen, etwa Monachen, Beginen oder auch einen Templer. Die vorgestellten wird man im wirklichen Spiel bis auf den Prior und den Ab (die ja den Engelsscharen des Himmels ihre Aufträge geben) eher selten bis gar nicht einsetzen können, so dass der größte Nutzen dieses Kapitels eher darin besteht, mal etwas über die Leute hinter der Kirche zu erfahren und weniger konkrete Spielansätze und -ideen zu geben. Obwohl die Beschreibungen durchaus ein paar Möglichkeiten bieten, als Spielleiter einzuhaken und eine Art „Meta-Plot“ zu formulieren, der parallel zu den eigentlichen Abenteuern der Engelsschar abläuft (wobei man dann aber darauf achten sollte, nicht zu tief einzugreifen – wer weiß, was die Macher von Engel mit dem eigentlichen Meta-Plot der Engel-Welt vorhaben ...). Zu allen vorgestellten Personen (mit Ausnahme des Pontifex Maximus) findet man neben der eigentlichen Beschreibung (und den kurzen Absätzen zu Aussehen und Wesen, also dem Charakter) auch einen kurzen (wirklich kurzen) d20-Statblock mit den wichtigsten Angaben (obwohl ich bezweifle, dass man einen Großteil dieser Angaben jemals brauchen wird).
Fazit für dieses Kapitel: Schöne Beschreibungen der wichtigen Personen der Angelitischen Kirche und der wichtigsten des Michaelis-Ordens. Leider im wirklichen Spiel zum größten Teil nicht einsetzbar, aber nichtsdestotrotz sehr gelungen. Mir persönlich fehlen aber ein paar „niedere“ Monachen, Beginen, Templer, etc. Teilnote für dieses Kapitel: 4.0 (Seitenzahl: 12)
Appendix: Der Anhang des Buches ist relativ kurz: Er besteht nämlich nur aus zwei neuen Waffen, einmal die Michaelislanze, ein heiliges Artefakt der Michaeliten, das nur der beste Engel einer Generation führen darf, und einmal das Lange Messer, ein einhändiges, meisterhaft gearbeitetes Schwert aus den Nürnberger Waffenschmieden, das von vielen Templern des Michaelis-Ordens als Zweitwaffe getragen wird. Dazu findet man jeweils die Werte im d20-System.
Fazit: Insgesamt gesehen hat Feder und Schwert mit dem Ordensbuch der Michaeliten einen hervorragenden Ergänzungsband zum Engel-Rollenspiel abgeliefert. Das Buch ist vollgepackt mit Informationen über den Orden der Führer der Scharen und es wird wirklich jedes denkbare Thema angesprochen. Das kann aber auch teilweise ein Problem sein: Dadurch, dass in der Breite viele Informationen und Themen vorliegen, leidet stellenweise die Tiefe etwas. Aber das nur an wenigen Stellen, insgesamt haben die Autoren hier einen guten Mittelweg gefunden. Aus der Erzähler-Sicht kann das Buch aber etwas enttäuschend sein: Wer erwartet hatte, hier ein paar Geheimnisse gelüftet zu bekommen, der wird enttäuscht sein, das Ordensbuch der Michaeliten dreht nur das Rad der Zeit etwas weiter (Europakonzil) und gibt ansonsten nur weitere Andeutungen auf tieferliegende Mysterien (etwa die schwarzen Engelsscharen, die nachts vom Himmel aus abtrünnige Engel aufspüren und töten sollen – wie man munkelt). Dennoch sollte ein Erzähler seinen Spielern die Informationen aus dem Buch nur gefiltert zukommen lassen.
Über die Gestaltung des Buches an sich braucht man eigentlich kein Wort verlieren, denn genau dieses edle, neo-mittelalterlich anmutende Design ist ja etwas, was das Engel-Setting ausmacht. Auch die Kurzgeschichten, die jeweils vor den einzelnen Kapiteln stehen, fangen hervorragend das besondere Flair des Settings ein und sind sehr gut geschrieben, da ist man von den einleitenden 08/15-Geschichtchen aus beispielsweise manchen D&D-Büchern weitaus Schlechteres gewohnt.
Die Gesamtnote, die das Ordensbuch der Michaeliten von mir erhält, ist das gewichtete Mittel der Teilnoten der einzelnen Kapitel, Gewichtungsfaktor ist dabei die Länge des jeweiligen Teilkapitels.
Insgesamt also eine sehr gute 4.3, das Buch ist seinen Preis (17,95 €) also auf jeden Fall wert.
Nachtrag: Das Ordensbuch: Michaeliten in der hier rezensierten Form ist seit einiger Zeit vergriffen und nur noch schwer zu bekommen. Eine Nachfrage bei Oliver Hoffmann von Feder und Schwert ergab, dass eine Neuauflage in dieser Form auch nicht geplant ist. Allerdings wird demnächst das „Liber Ordinorum“ erscheinen, das alle 5 erschienenen Ordensbücher in einem großen Hardcover vereinigt – ob allerdings in der Originalform oder aktualisiert und auf den neuesten Stand gebracht oder gar gekürzt, konnte ich noch nicht in Erfahrung bringen. |
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