Links zur Rezension Expedition to the Demonweb Pits„Expedition to the Demonweb Pits“ (im Folgenden EttDP genannt) ist ein D&D-Abenteuer, in dessen Verlauf vier bis sechs Charaktere der neunten Stufe in die Intrigen von Göttinnen und Dämonenfürsten verwickelt werden.
EttDP ist ein 224-seitiges Hardcover im Stil von „Expedition to Castle Ravenloft“. Das Titelbild von David Hudnut zeigt einen Aspekt der Spinnenkönigin Lolth, der in düsterer Umgebung einen Abenteurer einspinnt. Mir persönlich gefällt es sehr gut.
Im Inneren des Buches erfreut farbiges, an die Regelwerke angelehntes Layout das Auge. Auch das inzwischen gängige „Tactical Encounter Format“ ist wieder vertreten. Das Artwork in EttDP weiß überwiegend zu gefallen.
Die Autoren von EttDP sind bekannt: Wolfgang Baur war jahrelang Chefredakteur des Dragon Magazine, Gwendolyn F.M. Kestrel lieferte erst kürzlich mit „Scourge of the Howling Horde“ einen wenig überzeugenden Arbeitsnachweis ab.
EttDP spielt in keiner bestimmten Kampagnenwelt. Gewisse Aspekte und Motive des Abenteuers sind an den Klassiker „Queen of the Spiders“ angelehnt, der ja in der Welt Greyhawk spielte. So wird z.B. die Hohepriesterin Eclavdra erwähnt. Auch die Portale in andere, von den Drow eroberte Welten gibt es noch. Aber auch jüngere Produkte werden einbezogen: So werden auch einige Ereignisse aus „Shackled City“ erwähnt. Umsetzungshilfen für die gängigen Kampagnenwelten sucht man vergebens.
Auf der Website von Wizards of the Coast finden sich reichlich Probehäppchen und Auszüge zu diesem Modul. Der Link befindet sich rechterhand.
SPOILER: Wer noch als Spieler an diesem Abenteuer teilnehmen will, sollte spätestens hier aufhören zu lesen.
In „Expedition to the Demonweb Pits“ werden die Charaktere zu Schachfiguren in einer Intrige des Dämonenfürsten Graz´zt. Graz´zt will einen Pakt zwischen den verschiedenen Dämonenfürsten bewirken, welcher ihnen im Blutkrieg langfristig einen erheblichen Vorteil bringen würde. Zu diesem Zweck soll eine Gruppe von ahnungslosen Sterblichen dazu manipuliert werden, Aufruhr im Netz der Göttin Lolth zu stiften. Vor diesem Hintergrund, so der Plan, sollte es Graz´zt viel leichter fallen, die chaotischen Dämonenfürsten zur Kooperation zu bewegen…
In Kapitel 1: The Demonweb Campaign wird diese Hintergrundstory (die jetzt von mir grob vereinfacht dargestellt wurde) vorgestellt, zusammen mit ein paar Adventure Hooks, die im Wesentlichen auf ungewöhnlich häufigen Überfällen aufgestachelter Dunkelelfen beruhen.
In jedem Falle werden die Spielercharaktere von fanatischen Drow angegriffen und finden bei ihnen Hinweise, dass die Drow zu diesen Taten ermutigt werden (selbstverständlich steckt Graz´zt dahinter). Durch ein Portal führt die Spur dann zu…
Kapitel 2: Sigil, City of Doors, wo für Fans des alten Planescape-Settings Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen dürften. Die Stadt mit all ihren Eigenarten wird hier knapp, aber ausreichend dargestellt, bis hin zu den Dabus, die immer noch in Bilderrätseln statt in Worten sprechen. Es gibt ein paar Begegnungen, die eher dem Flair der Stadt dienen dürften; am Wichtigsten ist jedoch das Treffen mit Rule-of-Three, einem exzentrischen Githzerai, der die Charaktere als Rat- und Auftraggeber durch den Löwenanteil des Abenteuers lotst.
Rule-of-Three ist ein sehr gelungener NSC, dessen schräge Art, sich auszudrücken (er ist besessen von Aufzählungen, die aus drei Punkten bestehen) mir bereits beim Lesen große Freude bereitet hat. Er ist außerdem das größte Problem von „Expedition to the Demonweb Pits“. Denn in Wirklichkeit ist der Gute kein Githzerai, sondern ein Cambion und Sohn des Graz´zt, der die Charaktere in seinem Sinne manipulieren will. Zunächst erteilt er ihnen kleinere Aufträge, für die er den Charakteren unter anderem den Weg in ihre Heimatebene zeigen will. Hier sind bereits die Probleme zu finden: Eine findige Gruppe könnte gar nicht darauf angewiesen sein, über ein Portal nach Hause zu gelangen. Auch sonst gäbe es reichlich Gründe, Rule-of-Three nicht zu vertrauen. Seine Verkleidung besteht lediglich aus einem Hat of Disguise und die Autoren haben ihm nicht mal einen einzigen Rang auf Bluffen gegönnt.
Fairerweise muss man sagen, dass EttDP auf diese Problematik mit einem eigenen Textkasten eingeht, aber die hier aufgezeigten Lösungsmöglichkeiten sind, wie auch die von Rule-of-Three für misstrauische Charaktere angebotenen Belohnungen, meines Erachtens und je nach Gruppe nicht ausreichend, um das Abenteuer wie geplant fortsetzen zu können. Also Vorsicht!
Formal gefällt mir nicht, dass alle Treffen mit Rule-of-Three in diesem Kapitel angesiedelt sind, also auch die, die chronologisch in späteren Kapiteln stattfinden. Dadurch liest sich der Rest des Buches nicht sehr stringent, da die Überleitungen zwischen den Kapiteln fehlen.
Spätestens in diesem Kapitel stechen zwei Dinge ins Auge, die EttDP auszeichnen: Zum einen sind einige der Begegnungsbeschreibungen, die wieder separat im Tactical Encounter Format zu finden sind, auf einer Seite untergebracht statt auf zweien. Somit verbrauchen sie deutlich weniger Platz als etwa in „Expedition to Castle Ravenloft“. Andererseits wird das Format selten so kreativ genutzt wie etwa in „Cormyr: The Tearing of the Weave“. Zudem sind auch kampflose Begegnungen in dieses Format gepresst, was meiner Ansicht nach herzlich wenig Sinn ergibt.
Zweitens ist positiv festzuhalten, dass EttDP ein Modul ist, welches Interaktion, Diplomatie und Tricks belohnt. Für viele Begegnungen ist Gewalt nicht die einzige Lösung und die Autoren geben sich alle Mühe, auf gewaltfreie Lösungswege einzugehen. In Anbetracht der Gefährlichkeit einiger Gegner (in Kapitel 3 kann man einem CR 20 Monster begegnen) sicherlich keine schlechte Sache und eine willkommene Abwechslung zu Schlachtplatten á la „The Shattered Gates of Slaughtergarde“.
Der erste Auftrag für Rule-of-Three ist in Sigil selbst zu erledigen: Die Gruppe muss sich bei einem celestischen Orakel eine Prophezeiung abholen, die den weiteren Weg weist. Der zweite Auftrag nimmt ein eigenes Kapitel ein:
Kapitel 3: Yggdrasil and Beyond führt die Charaktere auf den legendären Weltenbaum, der die Ebenen von Ysgard miteinander verbindet. In diesem faszinierenden Ambiente suchen die Charaktere dann ein Portal zu den Beastlands, wo sie wiederum den legendären Langbogen „Thaas“ finden können. Außerdem können die Ratatosks, die eichhörnchenartigen Bewohner des Weltenbaums, den Charakteren einen Hinweis geben, der sie in die Iron Wastes führt, wo sie ein paar Frostriesen ein mächtiges Schwert abnehmen können.
„Thaas“ ist übrigens einer von zwei Gegenständen, die nach dem „Weapons of Legacy“-Prinzip funktionieren (der andere ist „Spidersilk“, eine Drow-Rüstung). Ob der Aufwand, einen solchen Gegenstand an sich zu binden, den Nutzen wert ist, mag jeder für sich selbst entscheiden.
Wenn die Gruppe mit den erbeuteten Schätzen zu Rule-of-Three zurückkehrt, ist er überzeugt davon, dass die Charaktere stark genug sind, Aufruhr im Demonweb zu veranstalten. Also schickt er sie dorthin, um eine Informantin zu treffen.
Kapitel 4: The Demonweb führt die Spieler also endlich in Lolths klebriges Reich. In den gesponnenen Tunneln und vernetzten Kammern des Dämonennetzes warten einige Begegnungen mit Drow und Dämonen, die grundsätzlich gegenüber Nicht-Drow sehr angriffslustig eingestellt sind. Die Architektur des „Dungeons“ ist recht interessant, zudem gibt es Teleportschlüssel zu finden, mit deren Hilfe man sich schnell und gezielt bewegen kann. Besonders blutrünstige Gruppen können sich mit einer ganzen Zitadelle von Drow messen – wer hier entgegen aller Erwartungen überlebt, findet einen Platinschlüssel, der als alternativer Lösungsweg für das Abenteuer taugt.
Spätestens am Schwarzen Tor, welches den Weg zu den Demonweb Pits, den tiefsten Niederungen von Lolths Reich, versperrt, ist jedoch fürs Erste Schluss. Das Ziel in diesem Kapitel ist lediglich, die Informantin zu treffen und ein paar Dämonen umzunieten. Sollte die Gruppe das Demonweb nicht freiwillig verlassen wollen, so sieht EttDP die Ankunft der Göttin persönlich vor, um die Charaktere auf dramatische Art und Weise zur Abreise zu bewegen.
Nachdem man den dritten und letzten Auftrag für Rule-of-Three erfüllt hat, kommt dieser zur Sache. Bis dahin haben die Charaktere bereits vom geplanten Treffen der Dämonenfürsten erfahren, und Rule-of-Three will sie dazu ermutigen, es zu stoppen…zumindest sollen die Charaktere das denken. In Wirklichkeit will Graz´zt nur, dass die Charaktere tiefer ins Demonweb vordringen (um Lolth schlecht aussehen zu lassen) und dann sterben.
Jedenfalls soll die Gruppe nach Zelatar, der Hauptstadt von Graz´zts Reich, um dort einen Botschafter des Orcus zu treffen. Dieser soll der Gruppe eine Möglichkeit verschaffen, in die Demonweb Pits vorzudringen.
In Kapitel 5: Zelatar, City of Demons, wird zunächst die namensgebende Stadt vorgestellt. Hier gibt es diverse Begegnungen mit Dämonen aller Art, manche friedlich, manche weniger. EttDP bietet hier, wie auch schon in den vorhergehenden Kapiteln, eine Fülle an kleinen Ideen und Anregungen für Nebenquests aller Art – löblich. Ist der Botschafter dann gefunden, lotst das Modul die Charaktere wieder mit sanftem Druck aus der Stadt und direkt in…
Kapitel 6: The Demon Council, in dem die Helden dann endlich ins Herz der Finsternis vordringen. In den Demonweb Pits gibt es ein paar nebensächliche Begegnungen und natürlich den Höhepunkt des Abenteuers, das Ratstreffen der Dämonenfürsten.
In dieser überaus komplexen Begegnung müssen die Charaktere einen Raum mit Persönlichkeiten wie Graz´zt, Demogorgon oder Baphomet teilen, ohne dabei umgebracht oder ausgetrickst zu werden. Zudem darf der Ratsbeschluss über die Allianz der Dämonenfürsten nicht verlesen werden, denn hierdurch würde er bindend und hätte schwerwiegende Konsequenzen für das Gleichgewicht der Kräfte im Multiversum.
Auch hier decken die Autoren alle Eventualitäten ab – von geschickten Unterhändlern bis zu großschwertschwingenden Metzgern werden alle Arten von Gruppen hier die Möglichkeit haben, etwas zu bewegen. Charaktere, die kämpfen möchten, haben allerdings einen harten Arbeitstag vor sich, um es milde zu formulieren.
Netterweise hat der Spielleiter es selbst in der Hand, zu entscheiden, wann der Rat sich auflöst. Ein netter SL begnügt sich mit einem Sieg der Gruppe über Graz´zt (bzw. seinen Aspekt), ein harter SL wird auch auf einen Sieg gegen Lolths Aspekt bestehen. An dieser Stelle möchte ich anmerken, dass die Verwendung von Aspekten (Herausforderungsgrad 10-12, also schwächer als viele gewöhnliche Dämonen) in diesem Kontext (mitten im Abyss) herzlich wenig Sinn ergibt, aber auf diesen Stufen geht´s halt nicht anders. In jedem Fall findet das Abenteuer hier sein Ende.
Appendix: Hier findet sich einiges an Bonusmaterial. An neuen Prestigeklassen gäbe es hier den Demonwrecker, einen göttlichen Zauberwirker, der Dämonen jagt. Auch eine arkane Variante dieser recht lohnenden PrC ist im Angebot. Dann gäbe es noch den Jaunter, der über die Ebenen reisen kann, ohne Zauberwirker sein zu müssen. Eine Handvoll neuer Zauber und zwei Items of Legacy (Thaas und Spidersilk) sind auch im Angebot.
Hauptsächlich gibt´s hier aber Monster. Neben den im Modul auftauchenden Aspekten diverser Dämonenfürsten, die überwiegend schon aus anderen Werken bekannt sind (und sowieso mit kompletten Werten in den Begegnungsbeschreibungen stehen), gibt es noch ein gutes Dutzend anderer Viecher, überwiegend Dämonen. Auch hier wenig wirklich Neues, aber das schadet ja nicht. Ohnehin nutzt EttDP reichlich Monster aus Drittwerken; die Werte sind, sofern es keinen „echten“ Monster-Eintrag gibt, aber immer abgedruckt. Dafür vermisst man gelegentlich eine ordentliche Beschreibung.
Für einiges Aufsehen haben die Attributsmodifikatoren für den Cambion gesorgt. Die sind nämlich ungerade, was es in sieben Jahren D&D 3.X noch nicht gab. Richard Baker hat auf Anfrage unseres Redaktionsmitglieds Zanan eingeräumt, dass es sich hier wohl um einen Fehler handelt (Dank an Zanan für diesen und andere Hinweise!). Dasselbe dürfte wohl für die bevorzugte Klasse des Cambion (Assassin, also eine Prestigeklasse) gelten. Den heftigen Charisma-Abzug kann ich ebenfalls kaum nachvollziehen.
Einige Handouts am Ende des Buches runden die Sache ab.
Fazit: „Expedition to the Demonweb Pits“ ist ein überraschend vielseitiges und flexibles Modul, das jedem gefallen sollte, der a) Drow, b) Dämonen oder c) Planescape mag. Aber auch die ca. 3% der D&D-Spieler, die nicht in eine der obigen Kategorien fallen, können hier ein sehr gelungenes Abenteuer erleben, in dem Diplomatie und Tricks eine genauso große Rolle spielen wie spannende Kämpfe.
Gelegentlich stellt sich das Modul durch seine mitunter verworrene Struktur und Präsentation und den überaus verwickelten Plot selbst ein Bein (siehe Rule-of-Three), aber alles in allem ist es gerade durch diese Dinge deutlich interessanter als „Generischer Dungeon Nr. 749“. Ich kann es trotz der hier aufgezeigten Mängel guten Gewissens empfehlen. |
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