Links zur Rezension The Ruins of Castle Greyhawk...Mit dem Tod eines legendären Helden sieht der finstere Halbgott Iuz seine Chance gekommen, es den verhassten Helden der Stadt Greyhawk heimzuzahlen. Es liegt an einer neuen Generation von Abenteurern, ihm die Stirn zu bieten…
„Expedition to the Ruins of Castle Greyhawk (im Folgenden „ERCG“) ist ein D&D-Abenteuer für Charaktere der achten Stufe. Im Laufe des Moduls sollten die Helden Stufe 13 erreichen. Hintergrund ist die Stadt Greyhawk in der gleichnamigen Kampagnenwelt. Im Gegensatz zu den Vorgängern in der „Expedition to…“ - Reihe ist ERCG nicht ohne weiteres in andere Kampagnenwelten konvertierbar.
Die Autoren sind als Greyhawk-Koryphäen bekannt. Insbesondere Erik Mona ist Mitbegründer der „Living Greyhawk“-Kampagne. Alle drei Autoren haben auch am „Age of Worms“-Abenteuerpfad mitgewirkt, der ebenfalls zum Teil in Greyhawk spielt.
ERCG ist ein 224-seitiges Hardcover im etablierten Look der Reihe. Das Cover ist von Michael Komarck und zeigt den Magier Mordenkainen - ich halte es für sehr gelungen. Im Inneren variiert die Qualität des Artworks: die Portraits der Nichtspielercharaktere sind stellenweise etwas hässlich geworden. Die sonstigen Bilder hingegen wissen zu überzeugen, selbiges gilt für die Karten. Eine komplette Galerie sowie weitere Auszüge gibt es hier. Für die Begegnungen wurde das mittlerweile hinlänglich bekannte Tactical Encounter Format verwendet.
Das Modul nimmt lose Bezug auf die diversen Quellen zum Thema Castle Greyhawk, die in früheren Editionen erschienen sind. Im Gegensatz zu anderen Bänden, etwa „Expedition to Castle Ravenloft“, ist es kein Remake, sondern spinnt die Geschichte von Greyhawk auf Basis der alten Geschichten weiter.
Introduction Auf den ersten Seiten des Buches werden die Hintergrundgeschichte und die grobe Struktur des Moduls vorgestellt. Und bereits hier überrascht ERCG: eine komplexere Story habe ich in einem WotC-Modul selten gesehen!
Grob zusammengefasst: Riggby, ein alter Kampfgefährte von Mordenkainen und Robilar, ist verstorben und soll in Greyhawk beigesetzt werden. Iuz, der finstere Halbgott, der mit den Helden von Greyhawk noch eine Rechnung offen hat, will über die Ruinen von Castle Greyhawk eine Armee in die Stadt führen, um die Heimat seiner Feinde mit Tod und Verderben zu überziehen. Hierzu hat er den Magier Vayne entsandt, um einen Stützpunkt in den ausufernden Gewölben unter Schloss Graufalk zu errichten. Dieser wiederum hat ein Simulacrum der mächtigen Magierin Iggwilv erschaffen, um sich gegenüber Iuz abzusichern. Diese hat jedoch ihre eigenen Pläne: Sie will eine eigene Seele, um genau so mächtig zu werden wie die echte Iggwilv. Dazu wiederum muss sie die Götterfalle reaktivieren, die der Erzmagier Zagig einst benutzte, um neun Götter einzufangen. Währenddessen haben Mordenkainen sowie die Diebesgilde von Greyhawk ebenfalls ganz eigene Pläne. Außerdem kommen vor: der Halbgott Zuoken, der legendäre Held/Verräter Lord Robilar, einige Bekannte aus der Age-of-Worms-Kampagne, die legendäre „Company of Seven“ und, und, und…
Wenn man die erstaunliche, aber nie überwältigende Fülle an Background erst mal verdaut hat, kann man sich dann dem ersten Kapitel zuwenden.
Chapter 1: Welcome to Greyhawk Hier wird zunächst die erste Begegnung abgehakt: eine Karawane wird Opfer eines Orküberfalls. Die Charaktere haben die Gelegenheit, hier helfend einzugreifen. Bald stellt sich heraus, dass sich derartige Überfälle häufen und alle Spuren nach Norden führen – zu den Ruinen des Schlosses von Graufalk…
Danach wird die Stadt Greyhawk auf über zwanzig Seiten vorgestellt. Jedes einzelne Viertel wird kurz angerissen; ein eigener Abschnitt wird dem „Green Dragon Inn“ gewidmet, welcher als Operationsbasis für die Gruppe dienen kann. Tatsächlich ist dies meines Wissens die ausführlichste Abhandlung über Greyhawk seit Einführung der 3E – für Spielleiter, die etwa „Age of Worms“ leiten (mich z.B.), ein längst überfälliger Service.
Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf den zahlreich vorhandenen „Side Quests“, die sich durch das ganze Buch ziehen. Diese sind kurz und prägnant und lassen sich bestens in das bestehende Abenteuer einbauen. Viele sind spezifisch darauf ausgelegt, im Laufe des Moduls an Relevanz zu gewinnen. So sucht eine Frau ihren Mann, der vor Jahren in die Gewölbe unter Castle Greyhawk aufbrach. Viel später im Verlauf des Abenteuers findet die Gruppe dies dann heraus. Diese kleinen Nebenaufgaben lassen ERCG lebendiger und konsistenter wirken.
Chapter 1: Castle and Dungeons In diesem Kapitel wird zunächst die Geschichte der Burg rekapituliert. Der exzentrische Magier Zagig Yragerne (= Ernest Gary Gygax. Schlimm, oder?) erbaute die Burg und die Gewölbe darunter, um seine Studien ungestört betreiben zu können. Schließlich schuf er eine mächtige Falle, in der er neun Götter band, um mit ihrer Energie seine eigene Gottwerdung zu betreiben – ein Plan, der aufging.
Heute treiben sich in den Gewölben unter den drei Türmen der Burg Unmengen von Monstern herum. Hinzu kommen zahlreiche Fallen und sonstige Vorrichtungen, die dem exzentrischen Wesen von Zagig gerecht werden.
Im Anschluss werden die einzelnen Ebenen unter der Burg kurz vorgestellt – alle vierundzwanzig. Ganz recht, Castle Greyhawk ist ein Riesendungeon, welches mit Undermountain oder Rappan Athuk in einer Liga spielt und somit in einem Produkt dieser Größe unmöglich komplett zu erfassen ist. Eine kurze Abhandlung namens „The Illusion of Detail“, die bereits aus „Expedition to Undermountain“ bekannt ist, gibt dem Spielleiter Tipps, wie er die Spieler dazu bewegen kann, sich nur in den Gegenden herumzutreiben, die für die Story von Belang sind. Bereits hier kann man sagen, dass ERCG diesen Drahtseilakt deutlich eleganter löst als das hoffnungslos zerfahrene „Expedition to Undermountain“. Die Charaktere kriegen immer ein Motiv und einen Weg aufgezeigt, sich dahin zu bewegen, wo die Story sie haben will. „Railroading“ ist hier weder evident noch nötig.
Für die Forschernaturen präsentiert ERCG aber immerhin mehrere „Random Maps“, die kleine Gewölbeabschnitte darstellen und vom Spielleiter nach Belieben eingesetzt werden können – eine unspektakuläre, aber nützliche Hilfestellung. Ein paar Tabellen für Zufallsbegegnungen gibt es auch, sortiert nach Ebenen.
Abschließend werden noch ein paar Begegnungen vorgestellt, die nicht an spezifische Örtlichkeiten gebunden sind – ein rivalisierender Abenteurer, ein ruheloser Geist und dergleichen.
Hier taucht zum ersten Mal der Fehlerteufel auf: der Geist wird abwechselnd als Elf oder als Mensch vorgestellt – dem Artwork zufolge ist er eindeutig menschlich. Ansonsten sind mir nicht viele Fehler aufgefallen: ein Schreibfehler hier, ein Waldläufer ohne Angabe des Erzfeindes da. Im Vergleich zu etwa „Shadowdale“ scheint das Lektorat hier sorgfältiger gearbeitet zu haben.
Chapter 3: The Tower of War Den Hinweisen über die Überfälle folgend, begibt sich die Gruppe zu den Ruinen von Schloss Graufalk. Hier bekommt sie es zunächst mit korrupten Zwergen zu tun, die den Eingang bewachen. Ist das Gewölbe betreten, geht es flugs hinunter in die vierte Ebene, wo Begegnungen mit den niederen Chargen in Iuz Streitmacht auf dem Plan stehen. Außerdem kann die Gruppe einen Kleriker des Boccob befreien, der ihnen wichtige Hinweise über den weiteren Weg gibt. Wagemutige Abenteurer können sogar darauf hinarbeiten, den Segen des Totengottes Nerull zu empfangen. Dieser ist nicht erfreut darüber, dass die Schergen des Iuz seine Kleriker abgeschlachtet haben…
Auf einer tieferen Ebene können sich die Charaktere dann dem Anführer der hier stationierten Truppen, General At-Ur Rehmat, zum Kampf stellen. Erfolgreiche Gruppen können bereits einen ersten Kontakt zu Vayne, dem Anführer der Iuziten, herstellen.
Alles in allem ist dieser Teil von ERCG ein solider Dungeon Crawl mit vielen netten Ideen.
Chapter 4: City of Thieves Um den Turm der Magie zu betreten, in dem sich Vayne aufhält, müssen die Helden einen Schlüssel finden, der sich in den Händen der Magiergilde befindet. Diese ist jedoch nicht gewillt, ihn herauszurücken. Eine Agentin der Diebesgilde tritt auf den Plan und unterbreitet den Charakteren ein Angebot: Hilfe bei der Erbeutung des Schlüssels für ein bestimmtes Schmuckstück aus Zagigs Schatzkammer.
Abgesehen von der spannenden Frage, ob der Diebesgilde zu trauen ist, präsentiert dieser Teil des Abenteuers ein ganz eigenes Problem. Das Modul fordert von den Charakteren, in eine Magiergilde einzudringen und einen Gegenstand zu stehlen. Rechtschaffene Charaktere könnten hiermit ein Problem haben. Leider versäumt es ERCG, auf diese Problematik einzugehen oder alternative Lösungsansätze vorzustellen, was ich als ärgerlich empfinde.
Die „Operation Magiergilde“ an sich ist spannend und einfallsreich gelöst – sie mündet in eine Begegnung mit keinem geringeren als Mordenkainen selbst. Aber ich will ja nicht alles verraten.
Im weiteren Verlauf des Kapitels finden sich zusätzliche Begegnungen und Handlungsstränge: Ein Anschlag der Iuziten, ein Spukhaus, die Jagd auf einen Dieb und eine sportliche Herausforderung durch Anhänger des Zuoken. Alles in allem ein sehr gelungenes und abwechslungsreiches Kapitel, zumal all diese Nebenpfade (mit Ausnahme des Spukhauses) in die größere Rahmenhandlung eingebettet sind.
Chapter 5: Wrath of Iuz Die Gruppe dringt in die Gewölbe unter dem Turm der Magie ein und prügelt sich durch diverse Gewölbe mit Dienern des Iuz. In diesem Teil des Abenteuers gibt es nur eine Gelegenheit zur friedlichen Interaktion – und hier waren die Designer sich nicht zu schade, die uralte „gefangener Succubus will Gruppe manipulieren“ - Kamelle zu reanimieren.
Dafür kommen die Helden hier hinter die Pläne der Iuziten und haben die Gelegenheit, der durch das Unterreich anrückenden Invasionsarmee den Weg abzuschneiden. Im Anschluss gilt es, Vayne das Handwerk zu legen.
Ist das jedoch gelungen, taucht Iuz persönlich auf und demonstriert seine Macht, indem er der Gruppe nach Belieben den Hintern versohlt – die Designer haben sich gar nicht erst die Mühe gemacht, ihn mit Spielwerten zu versehen. Seine Freude währt jedoch nicht lange: Vor den Augen der Spielercharaktere wird Iuz ein zweites Mal zum Opfer von Zagigs Götterfalle, diesmal durch die Hand der falschen Iggwilv.
Chapter 6: In Zagig´s Shadow Die Gefahr durch Iuz und seine Armee ist abgewendet, aber die Gefahr durch das Simulacrum von Iggwilv hat sich gerade erst offenbart. Die Spielercharaktere gewinnen weitere Informationen durch eine Eladrin, die ihre eigenen Gründe hat, Iggwilv zu suchen.
Die Gruppe muss in die Gewölbe unter Zagigs Turm und sich dort zunächst mit verbliebenen Fallen und Wächtern, einem Arenameister im Exil (Loris Raknian, bekannt aus „Age of Worms“) und einem Leichnam, der eine Vorliebe für tödliche Illusionen pflegt, auseinandersetzen.
Danach folgt der Pfad durch die Hallen der Erinnerung. Hier finden sich die Tore zu drei Taschendimensionen, in denen sich drei Teile eines Schlüssels befinden, der nötig ist, um die Götterfalle zu deaktivieren.
Spätestens hier bricht sich der typische Gygax-Stil Bahn. Unter anderem muss die Gruppe auf einer Tropeninsel gegen Riesenaffen und Dinosaurier kämpfen. Das ist ja noch diskutabel (ich find es sogar super) – aber spätestens, wenn die Gruppe im „Dungeonland“ gegen die Schergen der dortigen Königin, die allesamt aussehen wie menschliche Spielkarten (ganz recht, wie bei „Alice im Wunderland“) und Lyndurm, den bösen Doppelgänger des legendären Myrlund, der mit einer .357er Magnum bewaffnet ist, die er aus einer anderen Welt mitgebracht hat, kämpfen müssen, trennt sich die Spreu vom Weizen. Mancher findet es witzig, ich zum Beispiel finde es furchtbar.
In jedem Falle folgt dann der finale Showdown gegen die falsche Iggwilv in der Götterfalle – ein Kampf, der auf dem Papier geradezu aberwitzig schwer wirkt. Iggwilv ist selbst schon sehr mächtig, hat zahlreiche Unterstützung und nutzt die Eigenschaften der Götterfalle zu ihrem Vorteil aus. Ich rate Spielleitern, die ihre Gruppe nicht auslöschen wollen, dringend zur Vorsicht.
Ist auch das geschafft, haben die Helden am Ende des Tages nicht nur zwei große Bedrohungen für die Stadt Greyhawk abgewendet, sondern auch zwei Götter befreit und die Seele eines der größten Helden, den die Welt je gesehen hat, gerettet. Keine schlechte Bilanz.
Fazit: „Expedition to the Ruins of Castle Greyhawk“ ist gleichzeitig ein großer Dungeon Crawl und eines der komplexesten und vielschichtigsten Module, das ich je gesehen habe. Auch diese Rezension deckt bei weitem nicht alle Besonderheiten und Handlungsstränge ab, die ERCG zu bieten hat. Das an sich ist schon eine bemerkenswerte Leistung.
Weiterhin ist die Präsentation sauber und technisch tadellos. Einige Kritikpunkte habe ich oben schon angemerkt: Der Einbruch in die Magiergilde ist nicht mit allen Gruppen machbar und der spezielle Gygax´sche Humor mag vor 30 Jahren originell gewesen sein; heute wirken diese Dinge jedoch teilweise nur noch peinlich.
Wie viel Spaß man mit ERCG hat, hängt auch entscheidend davon ab, wie sehr man mit dem Setting vertraut ist. Im Gegensatz etwa zu „Expedition to Undermountain“ macht ERCG da keine „Wir halten es generisch“ - Kompromisse: Man spielt dieses Abenteuer in Greyhawk oder man lässt es bleiben.
Greyhawk-Veteranen, die Bigby von Riggby unterscheiden können und die Stadtteile von Graufalk im Schlaf beherrschen, können sofort zugreifen. Auf sie wartet ein wahres Fest, bei dem sie viele alte Bekannte wieder sehen.
Alle anderen können ein komplexes und forderndes Abenteuer mit vielen Stärken und ein paar Schwächen für sich entdecken.
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