Links zur Rezension Talbot Uskevren will nur seine Freiheit, Freiheit im geliebten Theater, Freiheit, sein eigenes Leben zu gestalten … Doch wie soll er sich diese bewahren, wenn neben seiner strengen Familie nun auch noch zwei Religionen um ihn ringen?
Vorbemerkung:
Bei diesem Buch handelt es sich um Band 4 einer insgesamt siebenteiligen Reihe, die Geschichten rund um die Familie Uskevren* im vom Handel beherrschten Land Sembia*, an der Inneren See gelegen, beleuchten. Konzeptionell soll diese Reihe als „Tor zu den vergessenen Reichen“ dienen und die Vielfältigkeit dieser Kampagnen- und Romanwelt beleuchten. In der Bewertung werde ich daher Wert darauf legen, wie dieser selbst gesetzte Anspruch umgesetzt wird.
Aufmachung:
Mir liegt ein einfaches Paperback zur Rezension vor. Da es sich um die Neuveröffentlichung der Sembia-Reihe handelt und nicht um das Original, besticht das Buch vor allem durch sein neues, dynamischeres Cover von Raymond Swanland, das einen Kampf zwischen Talbot Uskevren und dem Malar*-Priester Rusk darstellt. Das frühere Cover, noch in folgendem Link zu sehen, wirkt dagegen wesentlich statischer, ermöglichte dafür aber einen besseren Blick auf den Hauptprotagonisten. Wie bei nahezu allen Wizards-of-the-Coast-Büchern muss ich die zu dünn geratene Leimung bemängeln, auch das Papier scheint bereits vom Ansehen zu vergilben. Dafür ist der empfohlene Verkaufspreis von 6,99 US-Dollar relativ günstig. Die Schrift ist angenehm und nicht zu klein, nutzt aber die vorhandenen 311 Seiten gut aus, ohne den Leser zu überfordern. Im Inneren findet man erfreulicherweise nur eine Seite Werbung für weitere WotC-Produkte und außerdem eine Karte des ehemaligen Anwesens der konkurrierenden Familie Malveen* sowie ein weiteres Charakterportrait von Talbot Uskevren, gezeichnet von T. Nielsen.
Inhalt:
Wieder einmal zieht es den geneigten Leser nach Sembia in die Metropole Selgaunt, wo er ein weiteres Mal Einblick in die Geschicke der Familie Uskevren erhält. Die Geschehnisse finden statt in der Zeit von Hammer 1371 bis Tarsakh 1372, spannen sich also über einen Zeitraum von einem Jahr und vier Monaten.
(Spoilerwarnung: Ich gebe wesentliche Details der Geschichte wieder, wer nicht zu viel erfahren möchte, sollte nur das unten stehende Fazit lesen)
Gleich zu Beginn der Handlung wird ein zweiter Hauptcharakter eingeführt, aus dessen Blickwinkel im Folgenden immer wieder die Geschehnisse dargestellt werden. Darrow, als Wache bei der Familie der Malveens angestellt, bewacht das ehemalige Anwesen dieser in Ungnade gefallenen Familie, nichtsahnend, dass zwei der Malveen-Brüder, Stannis und Radu, in diesem Anwesen die dunklen Geschäfte der Malveens heimlich weiterführen.
Rusk, ein Malar*-Priester, dem Talbot Uskevren (in „Halls of Stormweather“, Band 1) zuvor einen Arm abgeschlagen hat, will Rache nehmen und Talbot für sein Rudel gewinnen, denn Talbot ist seit einem „Jagdunfall“ mit Lykanthropie infiziert und folglich – wie Rusk auch – ein Werwolf. Rusk sucht nun die alte, mit den Uskevren verfeindete Familie der Malveens auf und nutzt Darrow, um sich Zutritt zu deren Anwesen zu verschaffen. Er geht eine unheilige Allianz mit Radu und Stannis Malveen ein, wobei dem Leser schnell deutlich wird, dass es sich bei Stannis um einen Vampir handelt, der sich mehrere Diener erschaffen hat und im Keller des Anwesens ein Gefängnis und eine Arena unterhält. Darrow wird bei diesem Zusammentreffen in den Dienst Stannis’ gezwungen und wird zum unterwürfigen Diener, der die Gefangenen betreut. Eine der Gefangenen ist die Tochter von Talbots Diener Eckert, der ihn deshalb später hintergehen wird.
Zwischenzeitlich wird Talbot von den Selûne*-Priesterinnen Maleva und deren Tochter Feena aufgesucht, die versuchen, Talbot wegen seiner Lykanthropie zum Beitritt zur Kirche zu bewegen. Talbot lehnt dies als freiheitsliebender Mensch jedoch ab und versucht, seine Krankheit auf eigene Faust in den Griff zu bekommen, indem er sich von seinem Freund Chaney und seinem Diener Eckert bei bevorstehenden Vollmondnächten in einen Käfig sperren lässt. Als die Priesterinnen gehen, belauscht er die beiden und erfährt von einer umstrittenen Prophezeiung des „Schwarzen Wolfes“ und fängt an, nach seiner Konfrontation mit den unterschiedlichen Glaubensdienern sich in die Religion von Malar und Selûne , in die Theamtik Lykanthropie und Mond, einzulesen, um herauszufinden, was es mit dem „Schwarzen Wolf“ auf sich hat. Schließlich lässt er es doch zu, dass Feena ihm in den kommenden Monaten beibringt, die Verwandlungen zu kontrollieren. Er geht jedoch seiner eigenen Familie immer mehr aus dem Weg und bewohnt nur noch sein Stadthaus.
Währenddessen ist Rusk, begleitet von Radu und Darrow, zurück in den Bogenwald zu seinem Rudel gekehrt, nachdem er von den Malveens die „Schriftrollen des Schwarzen Wolfs“ erhalten hat, aus denen er den Zeitpunkt errechnet, wann dieser zu Tage tritt. Radu lässt Darrow zurück, damit dieser zur rituellen Beute bei einer Hohen Jagd* des Malar wird. Er wird jedoch von Rusk verschont und mutiert ebenfalls zum Werwolf und lebt mit dem Rudel, dessen Respekt er jedoch nie gewinnt. Rusk wird Darrow später als Lockvogel einsetzen.
In der Folgezeit wird der Wolf in Talbot immer stärker und so passiert es, dass er sich durch einzelne Lykanthropen aus Rusks Rudel, die in die Stadt gezogen sind, um bei der bevorstehenden Nacht des „Schwarzen Wolfes“ Talbot zu konfrontieren, so sehr reizen lässt, dass er schließlich verhaftet wird. Und das in einer Vollmondnacht. In einem verzweifelten Ausbruch, assistiert von Feena, die – wie sich herausstellt – ebenfalls ein Werwolf ist, gelingt ihm die Flucht. Beide erkennen in Rusk nun den Feind, der unterstützt von den Malveens dafür gesorgt hat, dass Talbot von seinem Diener verraten wurde und der Feenas Mutter erschlagen hat, als diese Rusks Rudel hindern wollte, nach Selgaunt zu gelangen.
Er weiß nun, dass Rusk in ihm den „Schwarzen Wolf“ aus der Legende sieht und ahnt, dass Rusk ihm seinen Geist aufzwingen möchte, da dieser selbst durch den verlorenen Arm nicht mehr in der Gunst Malars steht. In einer Nacht, in der eine Mondfinsternis bevorsteht, kommt es zur entscheidenden Konfrontation für Talbot und selbst wenn er diese überleben sollte, bleibt da noch das Problem mit den Malveens …
Fazit: Für die Aufmachung gibt es nur Kritik an Leimung und Papierqualität, da aber ansonsten ein solides Paperback mit leserfreundlichem Layout vorliegt, gibt es nur einen geringen Punktabzug.
Die Handlung des Buches ist vielschichtig und leidet leider an den viel zu häufigen Sprüngen zwischen den Protagonisten. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet und kommen realistisch und plastisch rüber, ohne Klischees zu bedienen. Wenn Charaktere aus anderen Teilen der Sembia-Reihe auftauchen, behandelt Gross sie mit dem gebührenden Respekt und man hat nicht den Anschein, als würde er seinen Co-Autoren dabei ins Handwerk pfuschen.
Die Kampfsequenzen sind gut ausformuliert, lediglich im Mittelteil, wenn einige Fechtszenen beschrieben werden, hat man den Anschein, dass hier eine Kürzung durchaus Sinn ergeben hätte. Erstaunlich gut dürfte dieser Band aber auch als Stand-Alone funktionieren, denn er greift nur die Geschehnisse aus dem ersten Band, der Kurzgeschichtensammlung „Halls of Stormweather“, auf, ohne die weiteren Romane zu berühren. An einigen Stellen wirkt das Buch auch sehr humorig, insbesondere dann, wenn Talbot mal ungeachtet seines Geheimnisses ungezwungen mit seinen Freunden und Theaterleuten agieren kann. Dies lässt seinen Charakter umso liebenswerter erscheinen.
Was den Aspekt angeht, „Tor zu den Vergessenen Reichen“ zu sein, wird dieser Band der Sembia-Reihe diesem sehr gerecht. Man erfährt über Religion einiges, insbesondere über die Rivalität zwischen Selûne und Malar, die jedoch keine offene Feindschaft ist und durchaus einander Respekt zollt. Man erfährt, dass auch die „wilden“ und augenscheinlich bösen Götter, hier Malar, einen festen Platz in der Religion der wildnisnahen Bewohner der Talländer einnimmt und dass das Werwolf-Rudel in strengen Wintern durchaus die Menschen mit Wildbret versorgt. Man erfährt über das Leben in der Großstadt und man erfährt von den klassischen Dark-Fantasy-Motiven, die ihren Weg auch in die Reiche gefunden haben: Vampire und Werwölfe.
Leider ist mir das Grundthema der Sembia-Reihe etwas zu monoton. Jedes, aber auch wirklich jedes beleuchtete Familienmitglied hat gegenüber den anderen ein Geheimnis und führt ein Doppelleben, was meiner Meinung nach auf eine nicht ganz optimale Absprache zwischen den einzelnen Autoren zurückzuführen ist.
Insgesamt ein empfehlenswertes Buch, das jedoch aufgrund der speziellen Thematik und der etwas hin- und herspringenden Erzählweise nicht für jeden Phantastik-Freund geeignet ist. Realms-Fans können aber hier beherzt zugreifen und sich an einem gelungenen Stück Realmslore erfreuen.
Anmerkungen:
*Uskevren: Handelsfamilie, irgendwie hat jedes Mitglied ein Geheimnis *Sembia: Nation an der Inneren See, von Geld und Handel getrieben *Malar: Gott der bösen Lykanthropen, der Jagd und der Raubtiere *Malveen: konkurrierende Handelsfamilie, in Ungnade gefallen, macht die Uskevren für den eigenen Fall verantwortlich *Selûne: Göttin des Mondes, der Sterne, der Navigation, der Suchenden, der Wanderer und der guten Lykanthropen *Hohe Jagd: Ritual des Malar, bei dem eine Beute festgelegt wird, die innerhalb einer Nacht zur Strecke gebracht werden muss, gelingt ihr die Flucht, schuldet Malar ihr einen Gefallen
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