„Drei Ringe den Elbenkönigen hoch im Licht, Sieben den Zwergenherrschern in Ihren Hallen aus Stein, Den Sterblichen, ewig dem Tode verfallen, neun, Einer dem Dunklen Herrn auf dunklem Thron Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn. Ein Ring, sie zu knechten, sie alle zu finden. Ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden Im Lande Mordor, wo die Schatten drohn.“
- J.R.R. Tolkien: „Der Herr Der Ringe, Die Gefährten“ Vorbemerkung:Mit diesem Gedicht beginnt das wohl bekannteste Werk von J.R.R. Tolkien: „Der Herr Der Ringe“. Leider hat es dieses Gedicht nicht in die Verfilmung des Buches von Peter Jackson geschafft. Für mich hat dieses Gedicht immer schon einen großen Reiz gehabt und in wenigen Zeilen die Stimmung und die Atmosphäre geschaffen, auf denen das ganze Werk aufbaut. Lange hat man auf eine vollständige Lesung von Tolkiens Meisterwerk warten müssen.
Es gibt zwar ein nett gemachtes Hörspiel und seit einigen Jahren auch eine opulente Verfilmung, aber eine vollständige Lesung des ganzen Buches gab es - zumindest in deutscher Sprache - bisher nicht.
Nun erfreuen sich aber in letzter Zeit das gesprochene Wort und damit auch Hörbücher einer immer größer werdenden Beliebtheit. Wie die erfolgreiche Zusammenarbeit von Rufus Beck und dem dhv („Der Hörverlag“) mit den Hörbüchern zur „Harry Potter“-Reihe gezeigt hat, ist ein großer Markt für gut gemachte Hörbücher vorhanden. Ich bin der Meinung, dass es, um ein Hörbuch zum Leben zu erwecken, neben einem guten Buch, hauptsächlich einen guten Vorleser braucht. Dieser Vorleser muss zwei besondere Eigenschaften mitbringen. Erstens: Er braucht eine angenehme Stimme, der man lange und ausdauernd zuhören mag. Zweitens: Der Vorleser muss sich darauf verstehen, seine Stimme gekonnt einzusetzen. Denn mit seiner Stimme erzählt er ja die Geschichte. Vorlesen alleine reicht da eben nicht aus, weil die Stimme dem Text das Leben, die Farbe und die Tiefe einhaucht, die die Geschichte im Kopf entstehen lässt. Er muss gut betonen und akzentuieren können, und es damit möglich machen, die einzelnen Figuren mit unterschiedlichem Charakter zu versehen. Dies muss nicht immer so geschehen, wie es Rufus Beck mit den verschiedenen Stimmen für jede Figur macht, es ist aber ein gutes Beispiel.
Im Herbst 2006 wagte sich der dhv schließlich an die Aufgabe, den kompletten Roman „Der Herr Der Ringe“ als Hörbuch auf den Markt zu bringen.
Für dieses Projekt konnte der Hörverlag als Erzähler keinen geringeren als Joachim „Achim“ Höppner gewinnen.
Höppner las „Die Gefährten“ mit viel Charakter und gekonnter Betonung, gab aber nicht jeder Figur eine eigene Stimme. Dennoch war stets klar, wer gerade sprach.
Nach dem Tode von Joachim Höppner dauerte es verständlicherweise etwas, ehe der Hörverlag das Projekt der vollständigen Lesung des großen Tolkien’schen Epos wieder aufnahm.
Die Neubesetzung des Sprecherpostens war wahrscheinlich die größte Herausforderung, der sich der Hörverlag bei der Erstellung der vollständigen Lesung des zweiten Teils, „Die Zwei Türme“, gegenüber sah. Man musste einen Sprecher für die Aufgabe gewinnen, der stimmlich in der Lage sein würde, so zu glänzen, wie es Höppner (der Synchron-Stimme Gandalfs aus den „Der Herr Der Ringe“ -Kinofilmen) gelungen war, und ähnlich zu sprechen wie sein Vorgänger, ohne ihn einfach nur nachzuahmen - in Intonation und Artikulation.
Die Wahl fiel auf den 1944 geborenen Gerd Heidenreich. Seine Stimme ist in den Medien auch durch verschiedene Sprecher-Rollen bekannt. Beruflich ist Heidenreich nicht nur Sprecher, sondern auch Autor. Zusätzlich war Heidenreich mit Höppner befreundet und führt nun das Projekt seines Freundes fort. So schließt sich der Kreis.
Auch der zweite Teil der vollständigen Lesung beginnt mit dem Gedicht um den Einen Ring...
Anmerkung: Dieses Hörbuch hat der Hörverlag dem verstorbenen Achim Höppner gewidmet. Der Herr Der Ringe:Professor Tolkien wollte seinerzeit seinen Verleger dazu animieren, sein Buch „The Lord Of The Rings“ in einer grossen Gesamtausgabe zu veröffentlichen. Diesem Wunsch wurde aber von Verlagsseite her, vermutlich aus Kostengründen, nicht entsprochen.
Das Werk erschien aufgespalten in drei einzelne Bücher. Diese firmierten unter den Titeln „The Fellowship of the Ring“ (zu deutsch „Die Gefährten”), „The Two Towers“ (dt. „Die Zwei Türme”) und „The Return of the King“ (dt. „Die Rückkehr des Königs“). In sich ist jeder dieser drei Bände nochmals in einzelne Bücher unterteilt.
Allgemein hat sich bis heute die Aufteilung des Werkes in diese drei Bände etabliert, obgleich das Buch heute auch als Gesamtausgabe zu haben ist.
Die meisten Veröffentlichungen, seien es nun Verfilmungen oder eben Hörbücher, folgen in ihrer Benennung dieser oben erläuterten Dreiteilung des Werkes.
Anmerkung: Wie auch bei der vorangegangenen Rezension zur Lesung von „Die Gefährten“ beschäftigt sich auch diese Rezension nicht im Detail mit dem zweiten Band von Tolkiens Trilogie; vielmehr wird auf die Bearbeitung sowie die Umsetzung als Hörbuch, die Ausstattung und etwaige Besonderheiten eingegangen. Inhalt, Aufmachung, Verarbeitung und Übersetzung:Die Gestaltung der Schachtel, welche die 15 CDs enthält, orientiert sich eins zu eins an der gelungenen Box von Teil Eins. Die Pappbox, wird den CDs guten Schutz bieten.
Vorne findet sich das gleichsam gelungene wie schlichte Cover von Teil Eins, das den Einen Ring in den Mittelpunkt stellt wieder, zudem natürlich der Titel und der Name des Sprechers. Einzig die Farbwahl wurde geändert: War das Motiv um den einen Ring und das Auge Saurons bei der ersten Box noch in Blau gehalten, so ist der Hintergrund um das Auge jetzt in genau dem Grünton, den die Taschenbuchausgabe aus dem Klett-Cotta Verlag hat.
Öffnet man die Box, so findet man zuerst 15 CDs, die alle einzeln in Pappschachteln verpackt sind. Auf jeder dieser Hüllen findet sich vorne das Titelbild. Dazu die durchlaufende Nummerierung von CD1 bis CD 15. Auf der Rückseite sind jeweils die Tracks und die enthaltenen Kapitel aus dem Buch abgedruckt. Das macht eine Orientierung angenehm leicht.
Weiterhin befindet sich in der Schachtel ein ordentlich verarbeitetes Booklet in den Farbtönen der zweiten Box. In diesem findet man die Kapiteleinteilungen, Autoren-Informationen, eine Zusammenfassung der Geschichte bisher, einige Anhänge sowie die Widmung der zweiten Lesung durch den Hörverlag an Achim Höppner. Das Heftchen wurde wieder von der deutschen Tolkiengesellschaft zusammengestellt.
Auf der Rückseite ist das Booklet mit dem Ring-Gedicht versehen. Alles sehr stilvoll.
Die Verarbeitung ist durchweg hochwertig, die Bearbeitung und Ausstattung liebevoll.
Da es an dieser Stelle oftmals Nachlässigkeiten bei anderen Produkten dieser Art gibt, fällt dies positiv auf. Denn beim dhv bekommt man einen ansprechenden Gegenwert für sein Geld.
Von der Aufmachung und der Darstellung verdienen sich beide Boxen bisher in ihrer schlichten, funktionalen Art Höchstnoten.
Von der Textmenge ist der zweite Teil des tolkien’schen Werkes etwas kürzer als der erste. Er füllt demnach auch zwei CDs weniger. Damit bringen es die 15 CDs auf eine Gesamtlaufzeit von ca. 1128 Minuten.
Die größte Frage vor dem Hören der ersten CD war es, ob Gert Heidenreich, seines Zeichens ohne Frage ein guter Sprecher, dem „Erbe“ Höppners gerecht werden würde.
Die erste CD beginnt exakt so wie die erste CD mit Höppner: mit dem Ring-Gedicht. Das Gedicht erneut an den Anfang zu stellen gefällt. Es wirkt stilvoll und wahrt die Kontinuität.
Heidenreich liest in meinen Augen jedoch etwas zu schnell, aber gut betont. Er nimmt die Eigenarten Höppners, etwa das rollende „R“ (wie bei „Mordor“) mit in seine Sprache auf. Dies wirkt respektvoll und sauber, keinesfalls kopiert.
Auch bleibt er im folgenden Text bei der englischen Aussprache des „Th“, zum Beispiel in elbischen Redewendungen oder Namen.
Schon im Laufe der ersten CDs wird klar, dass Heidenreich ein würdiger Nachfolger werden kann. Er betont ordentlich, liest aber etwas zu schnell und trifft hin und wieder bei Gesprächen zwischen den Figuren nicht sofort den richtigen, angemessenen Tonfall. Der Stil erinnert an Höppner, ist aber doch der Eigene von Heidenreich.
In meinen Augen ist die Sprecher-Neuauswahl gelungen.
Ein steter Kritikpunkt bleibt jedoch die Wahl des Quellentextes. Hierfür kann man weder Heidenreich noch seinem Vorgänger Vorwürfe machen, die den Text vorlesen müssen, den sie bekommen.
Zwar hat man mit der Beibehaltung der Übersetzung Wolfgang Kreges auf Verlagsseite Konsequenz bewiesen, dennoch jagt die unpassenden Wortwahl Kreges, zu der er im Rahmen seiner vermeintlich modernisierenden Übersetzung greift, dem Zuhörer wieder Schauer über den Rücken.
„Der Herr Der Ringe“ ist eine Geschichte, die in einer altertümlichen Welt spielt. Voller althergebrachter Traditionen, langer Erblinien, versunkener Königreichen und unsterblicher Elben.
Wenn in dieser altertümlichen Welt, in der vergessene Zeitalter, lange Traditionen und Ehrerweisungen zentrale Aspekte des Lebens sind, ein Master Frodo des englischen Textes zu „der Chef“ von Sam Gamdschee wird, oder aber die Weiße Hand zum „Logo“ der Uruk-Hai, von Saruman und seiner „Firma“ gesprochen wird, so hat das mit einer angemessenen, vermeintlich modernisierenden Übersetzung nichts mehr zu tun.
Aufgabe eines Übersetzers ist es, ein Werk aus der Ursprache in eine andere Sprache zu übertragen und dabei den Stil und den Charakter des Originals zu erhalten. „Modernisieren“ oder Anpassen an einen veränderten Sprachgebrauch gehören nicht zu seinen Aufgaben. Schon gar nicht bei einem Buch wie „Der Herr Der Ringe“, welches von seiner alten Sprache lebt und von einem Professor für mittelalterliche englische Literatur verfasst wurde. Zumal Krege selber nicht in der Lage ist, konsequent „modern“ zu übertragen. Denn bei seiner Übersetzung stehen manche (übersehene?) alte Formulierungen direkt neben sprachlichen Schöpfungen der letzten Jahrzehnte. Eine stringente Umsetzung scheint sich Krege nicht (zu-)getraut oder aber bei seinem Lektor – zu Recht - nicht durchgesetzt bekommen zu haben.
Neben dieser produktionsbedingten Kritik ist die innere Aufteilung des Buches für den Leser sperriger als nötig. Denn in „Die Zwei Türme“ trennte Tolkien die Handlung in zwei separate Stränge auf und erzählt diese jeweils am Stück, statt sie, wie es wohl heute geschehen würde, durch hin- und herspringen zwischen den beiden Handlungssträngen zu verknüpfen. So hätte der Leser gleichzeitig durch beide Aspekte der Geschichte, die lange Wanderung Frodos und Sams und die Anstrengungen der restlichen Gefährten um Legolas, Aragorn und Gimli geleitet werden können. Eine Durchbrechung der strikten Trennung macht das Lesen des Buches an dieser Stelle schwer und den Aufbau eines Spannungsbogens nicht leichter. Doch Tolkien, der Professor für mittelalterliche englische Literatur, hat sich seinerzeit mit seinen Wünschen durchsetzen können und sich nicht vermeintlich moderneren Formen des Schreibens bedient. Das ist zu akzeptieren. Ein wenig überrascht es, dass Krege nicht versucht hat, auch hier zu „modernisieren“ und das Werk im Rahmen seiner „Übersetzung“ neueren schriftstellerischen Standards anzupassen. Fazit:„Die Zwei Türme“, vollständig gelesen von Gert Heidenreich, glänzen als vollständige Lesung, soweit dies der von Wolfgang Krege übertragene und veränderte Übersetzungstext hergibt. Heidenreich kann als Vorleser den verstorbenen Vorgänger Achim Höppner zufriedenstellend beerben und das Epos ohne Qualitätsverlust weiter vortragen. Die Ausstattung des Hörbuches ist äußerst liebevoll, das ganze Produkt überzeugend. Wer den ersten Teil „Die Gefährten“ bereits besitzt und sich daran erfreut, sollte auch hier zugreifen. Es lohnt sich.
Auf der Homepage des dhv sind für Unentschlossene Hörproben von Heidenreichs Lesung zu finden (Siehe Links zur Rezi).
Ich bewerte den zweiten Teil der vollständigen Lesung des „Der Herr Der Ringe“ mit 4,4 Punkten. |
||||||||||||||||||||||