Sharner Kobold Sharner Kobold

 

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Der lange WegDer lange Weg

Oder: Wenn einer eine Reise macht, dann sollte man das auch erzählen.

„Eure Reit- und Packtiere voll beladen mit Proviant und den Dingen, die Ihr auf der langen Reise benötigen werdet, macht Ihr Euch am nächsten Morgen auf den Weg nach Kar-Delain, der Perle des Ostens und Sitz des Ehernen Kaisers.

Euer Weg führt Euch vorbei an den Bergketten der Drachenberge, entlang der unwirtlichen Finstersümpfe und durch den undurchdringlichen Hochwald. Durch drei Länder und über die Totenhügel.

So...Ihr seid da...“

 

Wer kennt es nicht? Der DM hat eine Kampagne vorbereitet, in deren Verlauf die SCs reisen müssen. Aber sie müssen nicht nur von Dorf A zum Nachbardorf B, sondern einen weiten, weiten Weg gehen (oder reiten oder fliegen). Eine Reise, die vielleicht einen oder mehrere Monate dauert. Und dann wird dies mit dem Satz beschrieben „Nach einem Monat kommt ihr erschöpft aber glücklich ans Ziel...“

Nichts bleibt von den Strapazen, von den Gefahren, von den Erfahrungen, von den Landschaften, von den Wesen, die die SC erlebt, gemeistert, gemacht, gesehen, erschlagen haben. Besser gesagt: Nichts von dem wird den SCs vor's Auge geführt, verinnerlicht. Ein strapazen- und gar gefahrenreicher Weg wird zum Halbsatz und somit zu einer Banalität.

Natürlich sollen die SCs auf einem solchen Weg nicht umkommen und somit das eigentliche Abenteuer und den Hauptteil verpassen. Aber muss es denn gleich so sein, als wenn man bei google-earth einen exotischen Ort eingibt und einen Atemzug später dort ist?

 

Nein... und Ja...!

Die Antwort wäre sicherlich „Ja“, wenn für das Spiel sonst keine Zeit bliebe und der Hintergrund, die Kontinuität und somit die Glaubwürdigkeit der Welt keinen allzu großen Wert einnehmen (z.B. bei Einzel-Abenteuern).

„Nein“ sollte die Antwort lauten, wenn eine Kampagne gespielt wird und der DM und die Spieler eben auf die gerade angesprochenen Punkte der Glaubwürdigkeit einer (Spiel-)Welt Wert legen. Selbst im meines Erachtens besten Fantasyfilm aller Zeiten, basierend auf Erzählungen eines Herrn Tolkien, werden ausgiebig Szenen darauf verwendet, die Weite und Länge der Reise zu verdeutlichen. Die Spieler sollten das Gefühl haben, auch mit einer solchen Reise etwas geschafft zu haben. Die Welt, in der die SCs leben, würde glaubhafter, die SCs stärker in diese eingebunden und mit dieser verbunden. Und wie soll dies erreicht werden? Damit beschäftigt sich dieser Artikel im Folgenden:

 

Meiner Meinung nach ist die beste Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, eine bildreiche Erzählung unter Einbeziehung der SCs und die ‚Würzung’ durch einige Begegnungen. Das bedeutet für den DM natürlich einiges an zusätzlicher Vorbereitung, aber es wird sicherlich von den Spielern gedankt und kann sogar zur Ein-/Fortführung eines Roten Fadens führen: Wenn bspw. durch den DM Begegnungen oder Geschehnisse eingebaut werden, die unmittelbar Einfluss auf das Abenteuer haben können. Und für die SCs/Spieler hätte dies ggf. noch den Vorteil, dass sich die Erfahrungen der Reise auch in Erfahrungspunkten widerspiegeln könnten :-)

Welche Techniken nutzt man dazu?

Der DM ist hier genauso gefragt wie bei einem Abenteuer, indem er sich einige Fragen stellt und sich auf verschiedene Möglichkeiten vorbereitet. Er sollte auf jeden Fall ungefähr wissen, welchen Weg die SCs gehen wollen oder sollen und auf welche Art und Weise sie reisen. Demnach ändert sich nämlich im wahrsten Sinne des Wortes die Sicht auf die Welt und somit auch die Beschreibung der Reise. So ist der Blick auf eine große Stadt doch ein ganz anderer Eindruck als der Moment, in dem die SCs vor deren großen Stadtmauer stehen. Auf diesen Unterschied des Blickwinkels zwischen quasi horizontal und vertikal sollte der DM unbedingt eingehen. Hindernisse sind ggf. nicht mehr hinderlich, sondern nur noch ein dekorativer Anblick (z.B. ein Fluss oder eine Schlucht) und die Begegnungen mit Kreaturen oder andere Ereignissen müssen dementsprechend gestaltet werden. Da die meisten SCs aber noch die guten Wanderstiefel oder Reittiere nutzen werden, werde ich mein Augenmerk hierauf richten.

 

Hat sich die Gruppe entschieden, so sollte der DM sich einige Stichpunkte über Reisevorbereitungen, Ausrüstung und Fähigkeiten/Fertigkeiten der Gruppe machen, um sich Anhaltspunkte für Schwierigkeiten der Reise zu suchen - desweiteren von Besonderheiten, die diese Reise mit sich bringen wird. Hierbei handelt es sich sowohl um die offensichtlichen, geographischen Besonderheiten und Hindernisse, aber genauso um die Probleme, die durch Begegnungen, welche in einem Bereich der Reiseroute vorherrschen oder auftauchen können. Solche Dinge und die Schwierigkeiten, die ggf. auftreten können, sollten vom DM vorbereitet werden, so z.B. der Schwierigkeitsgrad zur Erklimmung eines Hanges, zur Entdeckung eines Fehlers in einer Hängebrückenkonstruktion oder die (durch Diplomatie, Bluff oder Einschüchterung veränderbare) Einstellung von Kreaturen und/oder NPCs, auf die die SCs treffen (sollen). Hierbei würde die Einführung einer Begegnung, die (un-)mittelbare Auswirkungen auf das spätere Abenteuer haben könnte, den SCs einen noch stärkeren Bezug zu der Reise, der Welt und der Kampagne geben.

Nicht zu verachten ist ebenfalls eine kurze, eingehende Beschreibung von Orten und Örtlichkeiten, die die SCs passieren oder lediglich für ein Nachtlager aufsuchen. Dies unterstreicht die Wirklichkeit ihrer Umgebung. Insbesondere NSC-Beschreibungen (der einäugige Wirt, der Satyr am Waldesrandnachtlager o.Ä.) sind hier eingängige Mittel. Dabei sollten diese Beschreibungen, wie ich finde, generell kurz gehalten werden, um nicht den Eindruck zu erwecken, dass es sich auf jeden Fall um eine wichtige Begegnung handele.

 

Weitere, andersartige Zufallsbegegnungen können dem Ganzen zusätzliche Glaubwürdigkeit und Spielspaß geben. So sind je nach Umgebung in der Welt die Sichtung von typischen Bedrohungen ein gutes Mittel, die SCs auf der Hut zu halten oder diese gar dazu zu zwingen, sich einmal mit den Regeln für Schlaf und Erschöpfung zu beschäftigen (weh’ dem Zauberwirker, der nicht zur Ruhe kommen kann). Diese können mobil gehalten werden (z.B. Steppenbarbaren auf Beutesuche oder eine Wolfsmeute) oder stationär (der Hügel, auf dem die SCs lagern wollen, ist eine ehemalige Totenstätte und die „Bewohner“ sind „not amused“, dass sich die Lebenden dort niederlassen).

 

Fast schon selbstverständlich ist, dass sich der DM mit den natürlichen, geographischen Besonderheiten der Reisegebiete auseinandersetzt. So sind tiefer Wald, eine Wüste, Eisberge usw. eine gute Möglichkeit, sich mit den Regeln auseinanderzusetzen, die sonst wohl nur bei der Erstlektüre des DMGuide zur Kenntnis genommen wurden (Verirren, Verdursten, Hitzschlag, Gefrierbrand). Und dies ist gleichzeitig auch eine Herausforderung an die Gruppe und ihre Vorbereitung.

 

 

So entsteht eine Reise, die zur Weltbeschaffenheit und zur Nachhaltigkeit der Eindrücke von dieser bei den Spielern beiträgt und keine öde, schnell vergessene Bewegung von A nach B - letztlich Spielspaß für alle!

 

Im Übrigen ist dies auch ein Artikel, der denjenigen Spielern, die sich für naturverbundene Klassen (Waldläufer, Druiden o.Ä.) entschieden haben, eine Möglichkeit gibt, endlich einmal ihre Fähigkeiten voll und ganz ausspielen zu können. Wehe der Gruppe, die ohne Waldläufer oder Ortskundigen in einen tiefen Wald oder in der Wüste reist!

 

 

Gruß und Ruf nach Kommentaren, Anregungen ...

 

Euer DonDiego

 

 

© Diego Molinero