Links zur Rezension ShelleyDer Roman von André Wiesler zeichnet sich einerseits durch sein besonderes Szenario, andererseits durch die individuellen Charaktere aus. Gepaart mit einer gut lesbaren und gleichzeitig facettenreichen Sprache entsteht ein ShadowRun Roman der Sonderklasse.
Die Hauptcharaktere sind der Ork Simmons und Ex-Soldat Walker. Zwei Charaktere, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Simmons lebt in den Tag hinein, genießt das Leben und liebt seine Pornosammlung, aber man sollte ihn nicht unterschätzen, denn ist er kein typischer Klischee-Ork. Er leistet gute Detektivarbeit und erwirbt somit den Respekt des Ex-Soldaten. Walker hingegen erwartet von sich selbst eine hohe Selbstkontrolle, ist organisiert, zuverlässig und äußerst höflich. Dennoch trügt der Schein, denn der Ex-Soldat hat schon an mehreren ‚Runs’ teilgenommen, verleumdet diese jedoch vor sich selbst. Auch scheint er unter einer leichten, bis stärkeren Paranoia zu leiden, da er befürchtet seine Seele würde sich von seinem vercyberten Körper entfremden.
Die Geschichte beginnt mit dem Auftrag eines ‚Norms’, herauszufinden, wer seine Verlobte Shelley auf brutale Weise getötet und danach ihre Leiche gefleddert hat. Ihr wurde das Herz gestohlen und das nicht in metaphorischer Hinsicht. Schon nach kurzer Zeit stellen die Ermittler fest, dass es sich hier nicht um einen gewöhnlichen Raubmord handelt, wie ‚LoneStar’ behaupten, der Fall entwickelt sich langsam immer mehr zu einem ‚ShadowRun’...
Das Glossar zeichnet sich durch eine raffinierte Methode aus, fachspezifische ‚ShadowRun’-Begriffe, auf eine witzige Weise zu präsentieren. Sie werden jeweils von Walker und Simmons erklärt. Somit muss man sich nicht mit langweiligen Definitionen herumschlagen, sondern hat sogar Spaß beim Lesen.
Der Roman ist offensichtlich nach diesem Buch abgeschlossen, eine weitere Begegnung mit Simmons und Walker sind scheinbar nicht geplant.
Fazit: Schon nach einigen Seiten stellt man fest, dass es sich hier nicht um einen Roman handelt, der die typische Klischee-Story aufwärmt und anders serviert, vielmehr wurde etwas Individuelles mit Wiedererkennungswert geschaffen.
Gerade das vorherrschende Szenario, dass es sich hier nicht um einen illegalen Run, sondern um Detektivarbeit handelt, führt zu interessanten Szenen. Aufgrund der fortschreitenden Erkenntnisse der Ermittler kann der Autor immer wieder kleinere Spannungsbögen einbauen. Daneben sprechen die zwei Hauptcharaktere, die keine starren Subjekte darstellen, sondern individuelle Charakterzüge besitzen, eine unverkennbare Sprache. Der Leser lernt immer wieder neue Seiten, Ecken und Kanten der Protagonisten kennen.
Davon abgesehen, dass der Roman wirklich angenehm zu lesen ist, besitzt er auch einen extrem hohen Wert als Abenteuer-Material. Besonders, da es sich hier nicht um den typischen Konflikt zwischen zwei Konzernen handelt, sondern um ein Detektivabenteuer, bei dem dennoch die Action nicht zu kurz kommt. Nicht nur ‚ShadowRun-Spieler’ könnten sich dieses gut durchdachte Material zunutze machen, sondern auch Spieler anderer Systeme finden, natürlich mit der ein oder anderen Modifizierung, gute Abenteuerideen.
Trotz des sehr guten Potentials und der Begeisterung, die dieser Roman bei mir ausgelöst hat, gibt es einige Punktabzüge. Einerseits stört es mich, dass Wiesler durch sehr viele Wiederholungen versucht, die Charakterzüge der Personen zum Ausdruck zu bringen (Andeutungen hätten meiner Meinung nach vollkommen gereicht). Andererseits ist dieser Roman, mit seinen gut 300 Seiten und der relativ großen Schrift sehr teuer, was leider typisch für ‚ShadowRun-Romane’ ist, allerdings nicht im Entscheidungsbereich des Autors liegt. Aufgrund dieser Vorgaben kann nur ein sehr kurzer Abschnitt des Lebens der Charaktere betrachtet werden.
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