Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Reiche des Glaubens
Bewertung:
(4.5)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 05.06.2008
Autor:Eric Cagle, David Chart, Andrew Kenrick, Andy Law und Robert J. Schwalb
Übersetzer:Alexander von Peschke-Pigulla und Oliver Hofmann
Typ:Quellenband
System:Warhammer Fantasy-Rollenspiel
Setting:Warhammer
VerlagFeder und Schwert
ISBN/ASIN:978-3-86762-023-9
Inhalt:256 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

Reiche des Glaubens

Das Imperium ist eine gefährliche Welt, in der ruchlose Rattenmenschen Ränke schmieden und die Horden des Chaos allerorten lauern. Der eigene Nachbar könnte ein schrecklicher Mutant sein, und Hexenjäger streifen umher, um jeden zu töten und verbrennen, den sie des Paktes mit den Mächten der Verderbnis verdächtigen. Angesichts solcher Schrecken haben Sterbliche nur eine Zuflucht - die Götter. Trotz ihrer Macht sind jedoch selbst sie keine hehren Beschützer der Sterblichen. Sie sind oft unberechenbar und gefährlich, wie die Mächte, vor denen die Sterblichen Schutz suchen. Man muss sie besänftigen, beschwichtigen und verehren, will man ihrem furchtbaren Zorn entgehen.

Der nunmehr erschienene Quellenband „Reiche des Glaubens“ soll insbesondere dem SL dabei helfen, die Religionen der alten Welt besser zu verstehen und ihre Funktion innerhalb der manchmal komplizierten Gesellschaftsstruktur des Imperiums zu erfassen.

 

Es ist nicht nur dieser Klappentext, der neugierig auf den Inhalt gemacht hat, alleine die Umschlaggestaltung von Ralph Horsley lässt ahnen, wie sehr man sich vom Klischee des pazifistischen Priesters in einer dunklen Welt voll grimmer Abenteuer verabschieden muss.

 

Erneut zeichnet sich Autor Robert J. Schwalb für den Entwurf und die komplette Entwicklung von 256 Seiten Hintergrundwissen über die Geschichte der Religionen im Imperium, der fast vollständigen Beschreibung aller Götter und zahlreicher weiterer Details verantwortlich, die im Mannheimer „Feder und Schwert“-Verlag erschienen ist. Nach „Reiche der Magie“ und „Reiche des Chaos“ scheint der nunmehr dritte Band dieser „Reihe“ die letzten offenen metaphysischen Fragen des Imperiums beantworten zu wollen.

 

Der äußere Eindruck

Die deutsche Ausgabe erscheint wie gewohnt als stabiles Hardcover, in der Übersetzung von Oliver Hoffmann und Alexander Peschke-Pigulla, die beide zugleich auch das Lektorat übernahmen. Mit seinen nur 256 Seiten ist der vorliegende Band leider nicht so umfangreich wie „Reiche des Chaos“ mit seinen rund 320 Seiten. Hier hätte ich mir vielleicht, trotz der damit verbundenen Autoren- und Druckkosten, noch das eine oder andere Kapitel gewünscht. Die zum Teil ganzseitig verwendeten Illustrationen folgen der bisherigen Produktlinie, so wie man auch sonst dem gewohnt zweispaltigen Layout treu geblieben ist. Eine Vielzahl von Textkästen und Erläuterungen umfängt auch diesmal den Leser und macht manchmal den eigentlichen Text etwas unübersichtlich, wobei der Inhalt mit seinen Ergänzungen allerdings dieses Übel durchaus zu korrigieren weiß und mit einigen interessanten Inhalten aufwarten kann. Ein Index am Ende des Buches mit wichtigen Begriffen erleichtert dem eiligen Leser die schnelle Suche.

 

In insgesamt 10 Kapiteln werden die Kräfte des Glaubens und deren Wirken in der Warhammer-Welt sowie einige interessante Hintergrundgeschichten erzählt, von denen ich hier nur einige wenige kurz erwähnen möchte:

 

Kapitel 1 - Eine kurze Geschichte der Kulte des Imperiums

An den erzählerischen Text einer „Einleitung“ fügt sich nahtlos die aus der Feder des ehrenwerten Hieronymus von Nuln verfasste Historie rund um die Geschichte der Kulte des Imperiums an. Vom Anbeginn der Zeit, über die frühen Chroniken der Zwerge und den Wurzeln des alten Glaubens bemüht sich Hieronymus, aus all den großen Werken der Philosophen, Historiker und Theisten eine umfassende Geschichte der Kulte des Imperiums zu kompilieren - was ihm auch eindrucksvoll gelingt. Glücklicherweise sind auch die Hintergründe zum alten Glauben in diese Abhandlung mit eingeflossen, die bedauerlicherweise ihren Weg von der ersten zur zweiten Edition nicht gefunden haben.

 

Kapitel 2 - Kulte der alten Welt

Die Geschichte des Imperiums gründet sich nicht nur auf dem gemeinsamen Kampf gegen die Mächte des Chaos, sondern ist auch eng verknüpft mit den zum Teil blutigen Auseinandersetzungen und fortwährenden Ränken zwischen den unterschiedlichen Religionen. Was läge also näher, als die bereits im GRW beschriebenen Kulte eingehender darzustellen und mehr über deren Hintergründe zu erfahren. In diesem Kapitel lernt der Leser die neun der bedeutendsten Kulte des Imperiums und ihre zehn Gottheiten, als da wären Manann, Morr, Myrmidia, Ranald, Shallya, Sigmar, Taal und Rhya, Ulric sowie Verena kennen und erhält etliche Hintergrundinformationen.

 

Jeder einzelne Kult wird mit seinen Glaubensgrundsätzen, der Initiation seiner Jünger und Priesterschaft vorgestellt. Darüber hinaus werden die die Strukturen und Gruppierungen innerhalb des jeweiligen Kultes eingehend beleuchtet. Zahlreiche Anmerkungen zu besonderen Fertigkeiten oder Talenten sowie die Vorstellung bekannter oder auch berühmter Vertreter des Kultes runden den jeweiligen Abschnitt ab. Hier dürften sich dem aufmerksamen Leser mehr als genügend Ideen für eigene Abenteuer im Schatten der Tempel und Altäre erschließen.

 

Kapitel 3 - Volksglaube

Neben den „großen“ Kulten der Alten Welt existiert noch ein weites Spektrum geringerer Götter, von denen einige nur in bestimmten Gebieten verehrt werden und deren Einfluss und Bekanntheit meist kaum wenige Meilen weit reicht. Die meisten dieser Götter sind Lokalgottheiten, die mit Flüssen, Wäldern oder natürlichen Orten verbunden sind und mit einer Fülle von Brauchtum und Verehrung aufwarten können. Das Kapitel „Volksglaube“ verschafft einen Überblick über die geringeren Götter des Imperiums und gibt hierfür zahlreiche Beispiele und Hintergrundinformationen. Natürlich kommen auch Bereiche wie Aberglaube und abstruse Volksbräuche nicht zu kurz.

 

Wie man seinen Glauben im Alltag lebt, sei es mit Gebeten oder frommen Redewendungen, erfährt der Leser ebenfalls. Heilige Zeichen und die Gesten der großen Kulte werden ebenso detailliert erläutert, wie das Tragen von ritueller Kleidung oder eines Talismans.

 

Doch sind es nicht nur Götter, denen man in der Alten Welt Verherrlichung entgegen bringt: Menschen, denen es vergönnt war andere durch ihre unvergleichliche Frömmigkeit, Glaubensfestigkeit oder Willensstärke ein Beispiel zu geben, werden im Imperium als verehrte Seelen gehuldigt. Beispiele für solche verehrten Seelen, die zumeist Schutzpatron irgendeiner Tat oder Situation sind, erhält man ebenfalls.

 

Kapitel 4 - Religiöser Extremismus

Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit den Gründen für religiösen Extremismus als auch mit den Motiven hierfür. Neben Einblicken in die Psyche von wahren Gläubigen und der Weltanschauung von religiösen Fanatikern, gewährt dieses Kapitel aber auch eine Übersicht über die Gruppierungen von Extremisten der einzelnen Kulte und beschreibt diese ausführlich.

Akte des Glaubens, sei es nun Buße oder Strafe, kommen in ihrer Beschreibung ebenso wenig zu kurz, wie Abstinenz, Kasteiung oder Selbstverstümmelung - schließlich handelt es sich hier um die Warhammer-Welt, in der selbst Kämpfer für das Gute manchmal überaus abstoßende Wege beschreiten müssen.

 

Kapitel 5 - Andere Götter

Der Quellenband “Reiche des Glaubens” setzt sich vornehmlich mit den Gottheiten des Imperiums auseinander, doch bleiben die Götter der Zwerge, Halblinge und Elfen nicht unerwähnt, ebenso wie die finsteren Chaoskulte um Khorne, Nurgle, Slaanesh und Tzeentch.

Für die Erschaffung neuer Kulte werden beispielhaft Gunndred, der Gott der Räuber und Erpresser, einigen vielleicht aus „Sigmars Erben“ bereits bekannt, sowie Handrich, eine Gottheit der Händler und Kaufleute, vorgestellt. Hier ergeben sich einige überaus interessante Aspekte nicht nur für den SL, der seine eigene Kampagne etwas interessanter gestalten will und abseits der üblichen Gottheiten nach Inspiration sucht. Aber auch monströse Gottheiten, wie sie von Chaoszwergen, Ogern und Skaven angebetet werden wird ebenfalls Platz eingeräumt, wie der allgemein im Imperium verbotenen Chaosgottheit Khaine.

 

Kapitel 6 - Festtage, Feiertage und Übergangsriten

Wie die Überschrift dieses Kapitels schon andeutet, dreht sich hier alles um Feiertage des Imperiums sowie die zahlreichen lokalen Feste, wie sie der Wechsel der Jahreszeiten im Imperium vorsieht. Neben einem detaillierten imperialen Kalender findet man hier zahlreiche Anregungen für Festivitäten und lokale Folklore, die sich problemlos in ein Abenteuer integrieren lassen, aber auch besondere Riten anlässlich von Schwangerschaft, Geburt oder Hochzeit finden sich hier.

 

Kapitel 7 - Eine heile Welt

Überall im Imperium trifft man auf Schreine, Tempel und heilige Orte, die das Land in großer Dichte überziehen. Um diese Stätten der Verehrung dreht sich alles in diesem Kapitel, wobei der Abschnitt „Das Kloster der Dunklen Jungfrau“ besonders gelungen ist und das erste und größte myrmidianische Kloster im Imperium nicht nur beschreibt sondern auch mit Karten und Vorschlägen zur Nutzung durch den SL aufwarten kann.

 

Die generellen Besonderheiten einiger der den verschiedenen Göttern des Imperiums zugeordneten heiligen Stätten werden mit zusätzlichen Beschreibungen plastisch dargestellt, sei es nun der Skaranorak-Tempel des Sigmar oder der Tempel der Roten Koralle, der Manaan geweiht ist.

 

Wer seinen Glauben lebt, begibt sich als Pilger auch auf Wallfahrt. Einige der berühmten Wallfahrten, wie die „Sigmars Exodus“ oder aber auch die Wallfahrt zum Tempel der Shallya in Couronne geben ein recht eindrucksvolles Bild von den Pilgerwegen mit all ihren Gefahren, aber auch der Gläubigkeit der Menschen des Imperiums. Zwar an besondere Bedingungen geknüpft, gibt es zugleich auch die neue Karriere des „Pilgers“.

 

Kapitel 8 - Das Leben eines Priesters

Ähnlich wie bereits in “Reiche der Magie” das Leben eines Zauberlehrlings beschrieben wurde, lernt man in “Reiche des Glaubens” den langen und oftmals beschwerlichen Pfad eines Priesters kennen. Von der Ausbildung, der Initiation bis hin zum täglichen Leben eines Priesters wird hier anschaulich dargestellt, wie sich die einzelnen Kulte zum Teil nicht unerheblich voneinander unterscheiden.

 

Lesenswert ist auch der kurze erzählerische Text „Ein Tag im Lebens eines Priesters“, der sicherlich einige bislang im Spiel vorhandene Klischees beenden und neue Perspektiven für Sigmar-Priester öffnen wird. Neue Karrieren wie der Abt oder der Klosterbruder (beide als weiterführende Karriere) finden sich ebenso in diesem Kapitel, wie die Gruppe der Laien, ungeweihten Mitgliedern des Kultes, die für die alltäglichen Abläufe in einem Tempel oder Kloster unverzichtbar sind oder aber auch der Tempelwächter.

 

Kapitel 9 - Gotteskrieger

Die Kreuzzüge nach Arabia stehen exemplarisch im Vordergrund dieses Kapitels und beleuchten die historischen Geschehnisse im Kampf der Alten Welt gegen den Herrscher Arabias, Sultan Jaffar unter der Führung von bretonischen Rittern und einer Armee der Kurfürsten des Imperiums. Die zahlreichen Ursachen für Glaubenskriege und ihre Auswirkungen werden eingehend dargestellt und bieten ein wahres Füllhorn an Ideen für groß angelegte Kampagnen mit religiösem Hintergrund.

In diesem Kapitel werden unter anderem aber auch die Templerorden, wie z.B. die Ritter des Weißen Wolfs, die Ritter des Ewigen Lichts oder aber die Ritter des Sonnenordens beschrieben, sowie die entsprechenden neuen Karrieren (Kreuzritter und Templer) und einige neue Waffen vorgestellt.

 

Kapitel 10 - Wunder

„Reiche des Glaubens“ präsentiert in diesem Kapitel eine Auswahl neuer Zauber der geringfügigen und der minderen Magie sowie der Göttlichen Lehren. Alle entsprechenden Zauber aus dem GRW wurden ebenfalls übernommen und zum Teil überarbeitet.

Die erweiterten Göttlichen Lehren bestehen nun aus je drei Zauberlisten, bei denen sich der SC im Verlauf des Spieles für eine göttliche Lehre entscheiden muss. So hat man beispielsweise bei den Zauberlisten der Lehre des Sigmar die Auswahl zwischen „Sigmar, der Amboß“, „Sigmar, der Hammer“ und „Sigmar, der Läuterer“. Einmal gewählt, gibt es kein zurück!

Diese neue Gestaltung hebt sich positiv von den bisherigen Regelungen des GRW ab, erlaubt sie dem Spieler eine wesentlich größere Breite an Möglichkeiten, seinem Charakter mehr Persönlichkeit und Tiefgang zu verleihen.

 

Für Priester, die die Gebote ihres Gottes nicht einhalten, gibt es nunmehr Punkte der „Ungnade“. Wann immer ein SC zaubert, müssen diese Punkte berücksichtigt werden. Wird nämlich dank der Ungnade ein Pasch gewürfelt, muss der Priester den Zorn seines Gottes und entsprechende göttliche Strafen fürchten. Wobei man allerdings diese Punkte im Laufe des Spiels auch durch Buße wieder wettmachen kann.

 

Wundertätige Reliquien und heilige Artefakte sowie alle Arten von Glücksbringern, Talismanen und Amuletten nebst deren Segen und anderen Auswirkungen runden das Kapitel ab.

 

Fazit

Waren die Quellenbände „Reiche des Chaos“ sowie „Reiche der Magie“ bereits mit ihren unverzichtbaren Informationen für die Darstellung der Mächte und des Einfluss des Chaos sowie der Magie in der Alten Welt, so liegt nunmehr mit „Reiche des Glaubens“ die passende Ergänzung vor, die den mildtätigen Priester aber auch den religiösen Extremisten mit zahlreichen Informationen und Hintergrundwissen versorgt.

 

Als wissbegieriger Leser und SL erhält man mehr als nur ein gutes Verständnis für das tägliche religiöse Leben, sondern einen wahrhaftig riesigen Fundus von Information. Eins steht für mich auf jeden Fall schon fest: Je mehr man sich in diesen Quellenband vertieft, um so besser versteht man die Dynamik der unterschiedlichen Kulte und Religionen in ihrem Kampf gegen die Mächte des Chaos als auch ihr wirken im täglichen Leben und in der Politik des Imperiums. Selbst wer nichts oder nicht viel mit Religion in seiner Runde anfangen kann, findet in diesem Quellenband eine Fülle von Anregungen und Ideen.

 

Vor dem Erscheinen von „Reiche des Glaubens“ drehte sich vornehmlich alles um die Mächte des Chaos in der Alten Welt. Diese verheerenden Kräfte nebst deren Anhängern waren in zahllosen Veröffentlichungen wesentlich umfangreicher und detaillierter dargestellt, als die anderen Gottheiten der Alten Welt, mit Ausnahme vielleicht der Kulte um Sigmar und Ulric. Aber letztlich hatten sowohl Spieler als auch Spielleiter nicht sonderlich viel Material an der Hand, um religiös orientierte Charaktere sinnvoll auszugestalten ohne sich selbst Gedanken um die Hintergründe zu machen. Das vorliegende Buch schließt nunmehr endlich diese Kluft und öffnet eine ganze Bandbreite von neuen Möglichkeiten, insbesondere im Bereich der Magie, die sich weitestgehend harmonisch in das bestehende Regelwerk einpassen.

 

Natürlich gibt es auch einige Kritikpunkte, die insgesamt aber kaum ins Gewicht fallen. So sind beispielsweise die unterschiedlichen neuen Karrieren über den gesamten Quellenband verteilt und man muss sie bei Bedarf erst mühsam suchen. Auch die Änderung der Schriftgröße mitten im ersten Kapitel fällt auf. Man merkt dem Band die Zusammenarbeit unterschiedlicher Autoren zum Teil deutlich an, da manche Kapitel mit Themen aufwarten, die man eigentlich in anderen Bereichen erwartet hätte.

Doch insgesamt sind die zahlreichen Themen und Bereiche die dieser Quellenband untersucht, erforscht oder aber auch erstmalig entwickelt, sicherlich ein enormer Gewinn für die Warhammer-Welt und für mich persönlich einfach nur beeindruckend. Wer also sein Spiel noch intensiver und atmosphärischer gestalten möchte oder einfach nur ein wenig „Inspiration“ im Kampf gegen die Mächte des Chaos sucht, dem sei an dieser Stelle dringend zum Kauf geraten!