Cantus Buranus IIInhaltDie zweite Ausgabe des Cantus Buranus haben Corvus Corax diesmal in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg, dem Passionata-Chor und den beiden Solisten Lothar Peters (Tenor) und Ingeborg Schöpf (Sopran; wirkte schon beim Cantus Buranus I mit) aufgenommen. 12 Stücke haben ihren Eingang auf die schlichte und dennoch schön gestaltete CD gefunden. Dabei handelt es sich um bis zu über 8 Minuten lange, komplett neuarrangierte Vertonungen ausgewählter Textsstücke aus der zugrundeliegenden mittelalterlichen Handschrift, den Carmina Burana, die schon Carl Orff für die Klassik neu interpretierte und damit eines der gewaltigsten Opera des 20. Jahrhunderts schuf (spätestens jetzt sollte jeder gemerkt haben, dass der Rezensent eine sehr große Vorliebe für die Carmina Burana hat.) Dazu kommt noch eine Orchestrierung des Corvus Corax-Liedes „Chou Chou Cheng“, das als Bonus Track enthalten ist.
Das Listing (in Klammern die Nummern aus der Handschrift: [01]Veritas Simplex (CB 189 und 55) 8:33 [02] Miser (CB 39 a) 5:22 [03] Custodes sunt raptores (CB 39) 6:10 [04] De Mundi statu (CB 226) 5:00 [05] Ordu languet (CB 5) 5:57 [06] Vitium in Opere (CB 42) 6:18 [07]Quid Agam (CB Nachträge 16*) 5:49 [08]Causa Ludi (CB 195-11) 4:39 [09]Ingordin et Ingordan (CB 54) 6:18 [10]Magnum Detrimentum (CB 9*) 4:54 [11]In orbem universum (CB 219) 5:31 [12]O varium Fortune (CB 14) 5:55 [13]Chou Chou Sheng – Preces Imperatorem (CB 191a) 7:01
Insgesamt macht das also über 77 Minuten Klanggenuss, was inzwischen mehr als anständig ist - weil so selten geworden.
KritikAls Fan der Carmina Burana habe ich mich bereits geoutet, also will ich auch gleich noch nachschieben, ein großer Fan der Kombo Corvus Corax zu sein, die sich über die Jahre hinweg musikalisch immer wieder weiterentwickelt und inzwischen ein musikalisches Können erreicht hat, dass sie zu Recht zu den „Königen der Spielleute“ hat werden lassen. Und dennoch übertrifft der Cantus Buranus II tatsächlich meine kühnsten Hoffnungen. Im Unterschied zum ersten Cantus hat die Band inzwischen nämlich gelernt, sich in das größere Ganze einzufügen und damit die neuen Vertonungen zu einem Gesamtkunstwerk zu machen, in dem die Gruppe zwar noch deutlich erkennbar ist, dass den anderen Künstlern aber einen gleichberechtigten Platz einräumt und mehr als einmal diesen sogar den Vortritt überlässt. Großartig das Intro von Lothar Peters, genau so großartig an späteren Stellen die glockenhelle Stimme von Ingeborg Schöpf, die mir eine Gänsehaut nach der anderen über den Rücken laufen lässt. Genial, wie harmonisch die typisch corax'schen treibenden Dudelsack- und Trommelklänge sich mit den klassischen Instrumenten des Filmorchesters verbinden. Der Gesang der Raben ist oft wohltuend zurückhaltend, ohne dabei seine urwüchsige Kraft zu verlieren. Und hervorragend der würdige Abschluss mit „O varium Fortune“, in dem alle Beteiligten nochmals zu Höchstform auflaufen, bevor der Bonustrack nochmals eindeutig klar macht, wer hier der Musikwelt wieder seinen Stempel aufgedrückt hat. Teilweise erinnert die Musik an einen Filmsoundtrack (De Mundi Statu, Quid Agam), dann wiederum hört man urplötzlich keltische Kriegsbarden ihre Trommeln schlagen und trotzdem kommt man nie auf die Idee, es hier mit einem Konglomerat von Musikern zu tun zu haben, die aus den verschiedensten Richtungen stammen. Sicher ein Verdienst des Dirigenten Bernard Fabuljan, sicher aber auch ein Verdienst der Mannen von Corvus Corax, die für dieses Werk eigens neue Dudelsäcke entwickelten, die sich klanglich besser in die klassischen Töne des Filmorchesters integrieren ließen.
Hervorragend auch die Auswahl der Texte, die trotz ihres Alters teils höchst aktuell wirken. Die Kritik an den Mächtigen (Veritas Simplex; Custodes sunt raptores) gilt heute wie schon im 11./12. Jahrhundert. Auch die Mahnung in „De Mundi Statu“, die Welt nicht an ihrer Oberflächlichkeit zu Grunde gehen zu lassen, gilt damals wie heute. Ordu Languet liest sich gar wie eine Kapitalismuskritik par Excellence. Viel Kritisches also, aber nicht einfach willkürlich aneinandergeklebt. Man merkt die Sorgfalt, mit der die Texte ausgewählt wurden, die so ein auch inhaltlich harmonisierendes Gesamtwerk ergeben.
Gibt es negative Kritik? Ich hab ein echtes Problem, ich finde nämlich keine. Sicher, man muss klassische Musik wie auch den sehr speziellen Ton von Corvus Corax mögen, um mit der Scheibe etwas anfangen zu können, aber selbst wenn das nicht der Fall ist, wird man den beteiligten Künstlern kaum die Meisterschaft absprechen können, die in jedem Ton zum Ausdruck kommt. Es ist etwas sehr seltenes geworden, das Künstler populärerer Musikrichtungen sich mit klassischen Tönen auseinandersetzen können, ohne dass furchtbarer Kitsch herauskommt. Hier ist es gelungen, und so bleibt dem Rezensenten tatsächlich nur sprachlose Bewunderung. Manchmal ist die Veritas wirklich simplex: Mit Cantus Buranus II ist Corvus Corax ein Meilenstein gelungen.
Eignung fürs RollenspielUms kurz zu machen: hervorragend. Natürlich wird man sich manche Stücke alleine schon ihrer Länge wegen zurechtschneiden müssen, dafür wird man aber mit einigen filmmusikreifen Musiksequenzen belohnt, die in den verschiedensten Situationen einsetzbar sind; ruhigere, träumerische und fast magische Momente sind ebenso zu finden wie Stücke, bei denen der Kampfeslärm fast schon hörbar untermalt wird. Auch hier gilt meine Empfehlung vor allem meinen heimlichen Favoriten, „Veritas Simplex“, „De Mundi Statu“ und „O varium fortune“, was aber nicht heißen soll, dass sich die Fundgrube „Cantus Buranus II“ damit schon erschöpft hätte.
Fazit:Tja, was soll ich sagen, manchmal muss man seine eigenen Worte fressen. Habe ich bisher gedacht, nie in die Situation kommen zu können, über die Höchstnote auch nur nachdenken zu müssen, bleibt mir angesichts meiner bisherigen Benotungen eigentlich gar nichts anderes übrig, als genau diese hier zu vergeben. Und um ehrlich zu sein, tue ich das umso lieber, als ich wirklich bis zu den Meistern der klassischen Musik zurückgehen muss, um Werke zu finden, die genauso nahe an musikalischer Perfektion sind, wie ich es beim Hören des Cantus Buranus II empfinde. Ich sags nochmal, wer weder klassischer Musik noch den typischen Corvus Corax-Klängen etwas abgewinnen kann, der wird mit der Scheibe möglicherweise seine Probleme haben. Allen anderen gebe ich den dringenden Rat, sich die Scheibe zuzulegen, die meiner Meinung nach in jeder gut sortierten Musiksammlung einen Ehrenplatz erhalten sollte. Eigentlich gibt es an dieser CD nur zwei Wermutstropfen: ich schätze mal, es wird lange dauern, bis mich ein musikalisches Werk wieder so beeindrucken wird. Und ich könnte heulen, dass ich es nicht zum 1. August zum Wacken-Festival schaffe, um bei der Uraufführung auf der Black Stage (einer der beiden Hauptbühnen) dabei sein zu können.
Der erste August ist auch der Tag ab dem die CD im Handel zu erwerben sein wird. Ums in typisch mittelalterlicher Sprache auszudrücken: Jubel!
|
||||||||||||||||