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Second Darkness 1 - A Shadow in the Sky
Bewertung:
(4.0)
Von: Stefan Koller
Am: 25.09.2008
Autor:Greg Vaughan
Typ:Abenteuer
System:d20 3.5 (OGL)
Setting:Pathfinder / Golarion
VerlagPaizo Publishing
ISBN/ASIN:978-1-60125-115-2
Inhalt:96 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

A Shadow in the Sky

Das kürzlich erschienene Abenteuer Shadow in the Sky ist der Auftakt des mittlerweile sechsten Adventure Paths, der bei Paizo verlegt wird, und der dritte, der auf Paizos hauseigener Kampagnenwelt Golarion spielt. Unter einem "Adventure Path" (dt. Abenteuerpfad) versteht man eine Kampagne aus mehreren, in ihrer Handlung eng verknüpften Abenteuern, die die Spieler von Stufe 1 bis 16 begleitet. Ich werde Shadow in the Sky deshalb unter folgenden Gesichtspunkten beurteilen: Tauglichkeit als Abenteuer außerhalb und innerhalb des neuen Abenteuerpfades, Spielbarkeit innerhalb und außerhalb der Kampagnenwelt Golarion. Etwaige Spieler des Abenteuers sollten wegen Spoilergefahr sofort zum Fazit übergehen und auch keinen allzu genauen Blick auf das daneben abgebildete Titelbild riskieren. Wie der Herausgeber selbst zugibt, enthüllt das Bild für den nicht eingeweihten Spieler fast zu viel.

 

Einleitung

Shadow in the Sky stammt von Greg Vaughan. Vaughans bisher bekanntestes Werk ist eine Abenteuertrilogie im Dungeon-Magazin (Ausg. 117-119), die um Istivin kreist, einen Ort, der unter D&D-Spielern als Angelpunkt des Vorzeige-Abenteuerpfades Queen of the Spiders (1984) einigen Ruhm genießt. Das erwähne ich deshalb, weil der neue (mit Shadow in the Sky beginnende) Abenteuerpfad, A Second Darkness, sich offensichtlich als Hommage an Queen of the Spiders versteht. In beiden Abenteuerpfaden geht es darum, dass das unterirdisch lebende Volk der Dunkelelfen ("Drow") seine destruktiven Stratageme auf die Erdoberfläche ausweitet, durch Unruhen im Vorfeld jedoch den Argwohn der Helden-SC erregt. Diese Unruhe kündigt sich in Queen of the Spiders an, als die Stadt Istivin von den Drow in Finsternis gehüllt wird. In Shadow in the Sky finden sich die SC ebenfalls an einem Ort, dessen Himmel (zumindest teilweise) verdunkelt ist – was, wie sich herausstellt, das Machwerk der Drow ist, da diese, wie schon in Istivin, einen Anschlag vor Ort planen.

 

Darauf spielt eigentlich schon der Titel des jetzigen Abenteuerpfades an, werden die SC doch in den Strudel der Zweiten Verfinsterung gezogen. Aber die Parallelen hören bei Titel, Leitmotiv und Kampagnenthema nicht auf, sondern finden sich liebevoll verpackt an einigen Ecken und Enden wieder (wie der Namensgebung und Ausrüstung einzelner NSC), ohne jemals müder Abklatsch von Altbekanntem zu sein. Während dies neueren Spielern egal sein kann, dürfte diese gekonnt verpackte Nostalgie bei Fans des alten Klassikers für Mehrwert sorgen. Wie wir sehen werden, verspielt Shadow in the Sky leider viel von diesem Potential. Damit zum Produkt.

 

Das Produkt

Shadow in the Sky kommt im mittlerweile bekannten Format der Paizo-Adventure-Path-Module daher. 92 Seiten Abenteuermaterial (gefolgt von 4 Seiten Werbung) verteilen sich wie folgt. Nach Inhaltsangabe und einem zweiseitigen Editorial folgt das eigentliche Abenteuer auf 42 Seiten. Dann folgen: eingehende Beschreibungen von Rahmenort und Hauptgebäude der Abenteuerhandlung, ein Kurzabenteuer, ein Tagebuchauszug eines "Pathfinders", abschließend eingehende Beschreibungen der im Abenteuer vorkommenden bzw. verwendbaren Monster. Bis auf den Tagebuchauszug (6 Seiten) nehmen diese Rubriken jeweils 8 Seiten ein.

Auf die Stadt- und Monsterbeschreibung gehe ich nicht näher ein; ich halte beide für inhaltlich gelungen und umfangreich genug für das Erstellen eigener Kampagnen rund um Rätselhafen. Da der Ort aber in den restlichen fünf Folgen des AP nicht mehr als Hauptort vorkommt (ein gravierender Unterschied zu den vorigen zwei APs), ist dieses Material genau genommen nur für Shadow in the Sky wichtig. Damit näher zum restlichen Inhalt.

 

Kapitel 1 enthält das Abenteuer und beginnt mit dem Kampagnenhintergrund. Dieser ist sehr vertrackt und reicht in die Urgeschichte Golarions hinein (so wird u. a. zum ersten mal der Untergang Thassilons, der Zivilisation der Runenherrscher, erklärt). Um es kurz zu machen. Die Drow Golarions wollen sich eine uralte Technologie zunutze machen, mit der man Sterne vom Himmel holt. Mit Meteoriten wollen sie die Elfenstädte an der Erdoberfläche (wortwörtlich) zerschlagen. Als Experimentiergebiet dient den Drow die kleine Menschenstadt Rätselhafen, in der unsere Kampagne ihren Ausgang nimmt. Während die Spieler im vorliegenden Abenteuer mitbekommen werden, wie Rätselhafen beinahe vernichtet wird, dient dies nur als Auftakt für ein größer angelegtes Disaster. Die SC werden in der Folge in die Rassenkriege der Elfen hineingezogen, und finden sich letztlich von beiden Lagern mal benutzt, dann ausgegrenzt, um am Ende jemandem gegenüberzustehen, der ein gar nicht so unähnliches Schicksal mit ihnen teilt. Von diesem gigantischen Epos – einer (bei Paizo: gewohnt) extrem anspruchsvollen Kampagnenhandlung – werden jedoch die Ereignisse im vorliegenden Abenteuer (bis auf eine ominöse Bewölkung am Himmel) kaum überschattet. Die SC werden von einem Betreiber eines Spielsalons in Rätselhafen angeworben, zuerst als Leibwächter, später als Geschäftspartner. Im Verlauf des Abenteuers werden sie jedoch in den Augen ihres Geschäftspartners zu mächtig: Er lässt Beziehungen aus seiner kriminalistischen Vergangenheit spielen, um die SC außerhalb der Stadt von Mittelsmännern auszulöschen. Es kommt, wie es kommen muss, und die SC drehen den Spieß um: Sie bringen die Mittelsmänner um. Konfrontieren sie daraufhin ihren ehemaligen Geschäftspartner, finden sie heraus, dass dieser von einer Drow finanziert wird, die mit Rätselhafen (wie schon beschrieben) Übles plant. Zwar können die SC mit gut Glück die Drow vernichten, aber für das Abwenden des eigentlichen Unglücks ist es zu spät. Als fulminanten Abschluss erleben die Spieler, wie am Horizont ein Meteorit einschlägt und der darauffolgende Tsunami Rätselhafen fast auslöscht. Dies ist ein gelungener "Cliffhanger" für das Folgeabenteuer, in dem es gilt, dem eingeschlagenen Stern auf den Grund zu gehen.

 

So weit zur vorgegebenen Abenteuerhandlung, jetzt ein paar Anmerkungen zur Umsetzung derselben im Spielgeschehen. Diese ist mit einem Wort grandios und setzt selbst für Paizo-Produkte neue Maßstäbe. Aus einer Hülle an Material greife ich paradigmatisch den zentralen Ort des Geschehens heraus, den Spielsalon. Dieser ist in einem eigenen Kapitel eingehend beschrieben, was neben viel Flair in stimmungsvollen Texten auch völlig neuartige Glücksspiele im d20-Format beinhaltet, die den Spielsalon wortwörtlich an den eigenen Spieltisch bringen. Der mitgelieferte Gebäudeplan ist aber nicht nur Zierde, schließlich dient der Spielsalon im Laufe des Abenteuers gleich dreimal als Ort für (sehr verschieden gestaltete) Kampfbegegnungen. Zu Beginn sind die Spieler Kunden im Spielsalon und werden Zeugen bzw. Opfer eines rigoros abgewickelten Überfalls durch ein Liebespaar, das sich als Mitspieler tarnt (grandiose Eröffnungsszene á la Pulp Fiction). Dies findet noch auf (für die SC) unvertrautem Terrain statt. Nach mehreren Aufgaben in und um Rätselhafen müssen die Spieler als Geschäftspartner just selbiges Areal gegen einen Angriff rivalisierender Krimineller verteidigen. Als Abschluss müssen sie aber ihren ehemaligen Geschäftspartner stellen, der sich mit neuen Mitstreitern im Spielsalon verschanzt hat, die Fenster verbarrikadiert hat etc. Jetzt brauchen die SC all ihr taktisches Wissen über das große Gebäude, das sie sich im Abenteuer bisher erarbeitet haben, um den Anschlag auf das eigene Kasino rigoros geplant durchzuziehen – Oceans 13 lässt grüßen.

 

Hier hätte der Vorhang fallen sollen. Stattdessen lauert im Keller unter dem Kasino noch der Metaplot, der jetzt gefunden und erschlagen sein will. Dafür müssen die SC in einen Schlauchgang im Untergeschoss: zwölf Räume ohne Verzweigungen, einer langweiliger als der nächste, am Ende eine Drow in Badesandalen (!). Irgendwie soll die Drow den SC auch noch (mit Badesandalen durch den Schlauchgang) davonlaufen und dann vom Wahrzeichen Rätselhafens, einer leuchtenden Runenbrücke, auf ein in zwei Minuten (!) nahendes Schiff springen. Ich lasse mal dahingestellt, wie viele Kampfrunden eine einzelne Stufe-5-Kämpferin mit Will Save +0 gegen vier SC der Stufe 3 besteht. Denn unabhängig davon fällt jetzt der Meteorit. Vom darauffolgenden Tsunami gibt es weder eine Beschreibung noch ein Bild für die Spieler und das Ganze endet so verwurstet, wie es sich liest. Dieser Schlussteil ist grottenschlecht und sollte übersprungen bzw. stark überarbeitet werden. Gott sei Dank ist er nur sechs Seiten lang. Mehr dazu im Bewertungsteil.

 

In Kapitel 4 folgt das sogenannte "Set Piece", ein 8-seitiges Kurzabenteuer, das sich auch abseits der Kampagne einzeln spielen lässt. Meiner Skepsis im Vorfeld, dass die Kürzung des eigentlichen Abenteuers zugunsten einer frei ein- bzw. ausgliederbaren Begegnung dem Hauptabenteuer nicht gerade zuträglich ist, musste ich revidieren: Der Eingliederungsvorschlag ist gut gelungen!

 

Kapitel 5 enthält das Reisetagebuch eines Mitglieds der Pathfinder-Society. Der vorliegende Eintrag wird von der Thematik ("Darklands") in spätere Teile des APs passen, für das vorliegende Abenteuer ist er gänzlich irrelevant. Diese Rubrik – ich halte sie für Werbung in Prosaform – hätte man schon längst durch Sinnvolleres wie ergänzendem Abenteuer- und Kampagnenmaterial ersetzen sollen. Gerade angesichts des gegen Ende absolut missratenen Abenteuers und der völlig mangelhaften Einbindung des Abenteuers in den Abenteuerpfad sollte der Verlag seine Prioritäten hier mal dringend überdenken. Auch die 4 Seiten Werbung und die 2 Seiten mit Beispiel-SC im Anhang (letztere finden sich bereits in Gratis-Downloads) sind hier nur verschenkter Platz, der teure Farbtinte kostet.

 

Bewertung

Eine allgemeine Bewertung ist nicht möglich, da man das vorliegende Abenteuer unter verschiedenen Gesichtspunkten nicht gleichermaßen optimal nutzen kann. Ich gehe daher differenziert vor.

 

Generische Nutzbarkeit

Der Kampagnenhintergrund lässt sich größtenteils in jede Kampangenwelt übertragen, in der es Elfen gibt. Nötig für die Geschichte ist streng genommen nur ein (bisher unerwähntes) Schlüsselelement, nämlich dass sich gewisse Elfen neuerdings in Drow verwandeln. Ob es auf der Kampagnenwelt zuvor überhaupt schon Drow gab oder nicht, ist hier unerheblich.

Die Abenteuerhandlung von Shadow in the Sky lässt sich in jede Fantasy-Stadt übertragen, in der es einen heruntergekommenen Bezirk gibt, in dem sich das organisierte Verbrechen in rivalisierende Fraktionen aufteilt. Die Einbindung des Wahrzeichens von Rätselhafen, die Runenbrücke, ist bei Shadow in the Sky fast optional, dürfte aber in Eberron glaubwürdiger als in "low-magic"-Welten ausfallen.

Das Hintergrundmaterial halte ich teilweise nur für Golarion-Spielleiter für wirklich sinnvoll. Wer nicht auf Golarion spielt, sollte deshalb von meiner Endnote 0.5 Punkte abziehen – Shadow in the Sky ist ausreichend, aber nicht vollständig generisch. Der Kauf von Zusatzmaterial ist aber nicht notwendig: Wer Shadow in the Sky lückenlos verstehen möchte, kann sich die Übersichtskarte der Spielregion sowie die Auflistung der Gottheiten Golarions auf paizo.com kostenfrei herunterladen.

Darüber hinaus hat Shadow in the Sky spätestens nach Erscheinen der ersten Fankonvertierungen das Potential zum absoluten Geheimtip unter Spielern der 4. Edition. Ein Bestandteil des Abenteuers wird bereits erfolgreich als Skill Challenge umgesetzt. Die pulpige Piratenstadt Rätselhafen, die genannten Genre-Anleihen des Abenteuers von Pulp Fiction bis Oceans 13: Das alles sollte man mit der 4. Edition gut, wenn nicht besser hinbekommen. Die grafische Annäherung an die Spielerrassen der neuen Edition (pupillenlose Elfen, dutzendweise Tieflinge bzw. Tiefling-Verschnitte) bietet da nur mehr den letzten Aufguss.

 

Spielbarkeit des Abenteuers innerhalb und außerhalb der Kampagne "A Second Darkness":

Die Rahmenhandlung des Abenteuerpfades wurde in das Abenteuer nur rudimentär und wenig sinnvoll eingebaut. Man findet hier lediglich zwei NSC, die lieblos an die eigentliche Abenteuerhandlung an- (nicht ein-)gefügt wurden. Sie erscheinen kurz vor Ende aus heiterem Himmel und enthüllen unmotiviert ihre "Lebensgeschichten", die de facto (wortwörtlich) charakterlose Verpackungen der AP-Rahmenhandlung sind. Dass die Spieler an diese Schlüsselinformationen ohne den Einsatz von Charakterspiel und Detektivarbeit gelangen sollen, finde ich niveaulos. Selbst das 'unrealistisch aufschlussreiche Tagebuch (TM)' durfte wieder mal nicht fehlen. Auch dass erstmals in einem Paizo-AP der Kampagnen-Ausgangsort (hier: Rätselhafen) in späteren AP-Folgen nicht mehr auftaucht, heißt, dass das Hintergrundmaterial zu Rätselhafen in diesem Band für den Rest des APs irrelevant ist. Einzig die (jeweils zweiseitige) Einleitung zum Kampagnenhintergrund und den Überblick über die fünf Folgeabenteuer des APs halte ich für gelungene Beiträge zum eigentlichen AP – sie eignen sich übrigens wunderbar als Inspirationsgrundlage einer anspruchsvollen Heimkampagne. Dennoch: Wer sich Shadow in the Sky primär als Auftakt des neuen APs zulegen möchte, sollte zwei fette Punkte von meiner Endwertung abziehen und sich überlegen, frühestens beim Folgeband einzusteigen.

 

Alle anderen können aus dieser Not eine Tugend machen und die miserable AP-Ausarbeitung dieses grandios geratenen Abenteuers einfach links liegen lassen. Die eigentliche (Kasino-)Handlung des Abenteuers und dessen Schauorte sind hervorragend durchdacht und ausgearbeitet. Rätselhafen braucht nicht Zielscheibe unausgegorener Drow-Pläne zu sein, um zu brillieren. Die einzige Drow im Abenteuer würde ich mit einer ortsansässigen Bösewichtin austauschen, die persönlichere Gründe hat, einigen Fieslingen in Rätselhafen eines auszuwischen. Gerade die im Second Darkness: Player's Companion auf zwei Seiten dargestellte Tiefling-Bardin eignet sich hier sensationell gut: Ihre Geschichte ist mit der des Kasinoinhabers und dessen Gegenspieler bereits perfekt verwoben. Habe ich schon erwähnt, dass sie gute Gründe hat, aus dem Verborgenen zu agieren? Und dass ihr Statblock bis hin zum CR für den Endkampf gar nicht erst modifiziert werden muss?

 

Damit komme ich bei einer Grundnote von 4.5 nach Abzug wegen des misratenen Schlusses zu einer Endnote von 4.0. Dieser Abzug fällt weg, wenn man den Schluss weglässt. Wer die Tieflingbardin einbaut (null Aufwand), darf noch mal 0.5 dazurechnen. Was bedeutet, dass in meiner persönlichen Wertung Shadow in the Sky die Höchstnote von 5.0 einfährt. Wer Golarion hingegen nicht mag und auf einen guten AP-Einsteig hofft, darf von der Endnote (4.0) insgesamt 2.5 Punkte abziehen: Was bleibt, wäre ein glatter Fehlkauf.

 

Fazit

Wer Lust auf ein stimmiges Einzel-Abenteuer in der Welt Golarion hat, bekommt mit Shadow in the Sky ein Prunkstück. Wer jedoch kein ausgesprochenes Interesse an Golarion hat, sondern lediglich einen soliden Grundstein für einen generischen Abenteuerpfad sucht, sollte hier einen weiten Bogen machen.