Eine zusammengebundene Ansammlung verrotteter, maroder und halb gesunkener Schiffe.

Heimat der Monströsen, Gesetzlosen und Gewalttätigen.

Selbst die Stadtwache fürchtet sich davor, Mistshore zu betreten.

 

Vorab

Mistshore ist nach The Howling Delve der zweite FR Roman von Jaleigh Johnson. Der Roman führt uns in der von Ed Greenwood präsentierten Reihe Waterdeep* in die Welt der Vergessenen Reiche nach der sogenannten Spellplague*. Wie die anderen Romane, stellt man hier einen Teil der Stadt vor, die Insel aus Schiffswracks namens Mistshore. Hauptthema scheinen die sogenannten Spellscarred* zu sein, jene Kreaturen, die das Pech (oder Glück) hatten, von der Spellplague berührt worden zu sein. Diese Darstellung ist Jaleigh Johnson sehr anschaulich gelungen, wenngleich man sich Waterdeep mit fliegenden „Erdflocken“* wohl noch nicht so richtig vorstellen kann.

 

Aufmachung

310 Seiten Paperback in gewohnter WotC-Qualität, eingehüllt in ein Cover von Android Jones. Letzteres zeigt uns Mistshore bei Nacht, ein Ort nicht ganz unähnlich jener Schiffstadt, durch die Elizabeth Swan zu Beginn von Fluch der Karibik III paddelt. Das Cover ist jedoch nicht ganz so düster wie die Darstellung Mistshores im Forgotten Realms Campaign Guide.

Es findet sich weder eine Landkarte noch ein Glossar und ein gewisser Standard in den letzten FR – Romanen ist dahingehend leider nicht zu erkennen.

 

Allgemeiner Inhalt

Heldin des Romans ist die Magierin Icelin, die in einem Hinterhof der Stadt aufgewachsen ist. Die Dame übt sich als Beschützerin ihres Viertels, hilft ihrem Großonkel Brant in dessen Laden und arbeitet nebenbei als Leibwächterin für Geschäftskunden desselben. Die Spellplague gab ihr die Gabe des perfekten Gedächtnisses, doch gleichzeitig auch den Fluch, bei jedem Zauber den sie wirkt, ihre Lebensenergie zu verbrennen. Über einen Geschäftskontakt gerät Icelin an einen vernarbten Elfen, der in ihr das Kind seiner ehemaligen Abenteurergruppe wiederzuerkennen scheint. Cerest zeigt eine Ader, die man so von Elfen kaum kennt, denn er löscht skrupellos den Großonkel aus und startet intrigenreich eine Hetzjagd durch die Stadt, kann dazu sogar die Stadtwache auf seine Seite ziehen. Icelin bleibt nur die Flucht, bei der ihr der Fleischer Sull hilft. Beide fliehen an den einzigen Ort Waterdeeps, den auch die Wache meidet, Mistshore. Diese Schiffsstadt in einem der ehemaligen Hafenviertel ist Heimat der Kranken und Aussätzigen, Verbrecher und Armen. Jene, die von der Spellplague verstümmelt wurden, fliehen ebenfalls an diesen Ort und Icelins Informationen bringen sie zu einer Legende von Mistshore, Ruen Mortek. Mit seiner Hilfe hofft Icelin Licht in ihre Vergangenheit zu bringen, eine Vergangenheit von der alle mehr zu wissen scheinen als sie selbst.

 

Inhalt

(Vorsicht, hier gibt es Informationen, die den Lesespaß arg reduzieren!)

Wenngleich es eine Weile dauert, wird recht schnell klar, dass der Elf Icelin nur jagt, weil er an ihren Fähigkeiten interessiert ist. Er vermutet, dass sie wie ein anderes – von der Spellplague berührtes – Mitglied seiner ehemaligen Abenteurergruppe Magie sehen kann und so für einen Schatzsucher wie ihn einen quasi unbezahlbaren Besitz darstellen würde. Selbst in magischen Dingen völlig unbegabt – ganz im Gegensatz zu seinem Vater – verließ er seine Heimat recht früh und schloss sich den Eltern Icelins an, um diese letztlich an Orte zu bringen, in denen er mächtige Magie vermutete. Einer dieser Ort barg jedoch eine tödliche Falle. Einen in einer Schriftrolle gefangenen Überrest der Spellplague, welcher einen einfachen Entdeckungszauber in jenen Feuersturm verwandelte, in dem Icelins Eltern umkamen, Cerest verstümmelt und Icelin wie auch ihr Großvater Elgreth berührt wurden. Zu diesem Zeitpunkt war Icelin jedoch ein kleines Kind und Elgreth, nachdem er sich von Cerest getrennt hatte, brachte sie später bei Brant unter. Er selbst zog weiter und starb schließlich in Luskan.

Icelins Fähigkeiten sind nun gänzlich anderer Natur, doch ist dies Cerest nicht bewusst. Er nutzt seine Kontakte und zieht mit zwei weiblichen elfischen Unterweltgrößen hinter Icelin her, auch bis ins gefährliche Mistshore. Icelin sucht Schutz bei der Legende Ruen, einem bekannten waffenlosen Kämpfer. Auch er ist von der Spellplague betroffen, hat quasi Osteoporose im Endstadium und kann nur mit Hilfe eines magischen Ringes schwerere Verletzungen umgehen. Auf Umwegen führt uns die Handlung zu einem versunkenen Schiff, welches auf ewig in den erstarrten Klauen eines Leviathans gefangen ist, mit dem es damals einen Kampf auf Leben und Tod bestritt. In seinem Inneren findet Icelin einen Priester, der sich als Caretaker, also Beschützer, der Magie sieht. Aldren ist ebenfalls von der Spellplague berührt worden und seine Gabe ist es, nach jedem Tod wiederbelebt zu werden. In seinen 9 Lebenszeiten diente er verschiedenen Göttern als Priester, Mystra, Deineir, Mask, Helm und Eilistraee – stets loyal, ehe ihm bewusst wurde, dass sie alle nicht mehr waren. Jetzt gibt ihm kein Gott mehr einen Zauber und er hat sein Leben der Erinnerung an Mystra gewidmet. Er gibt ihr – und uns – einen Einblick, wie die Magie in den Reichen wirkt und wie Spellscarred als Gefäße der Magie auserkoren wurden. Hier kommt es zum Endkampf zwischen Icelin und Cerest ... doch der Ausgang desselben soll nicht vorweg genommen werden.

 

Fazit:

Wie schon in The Howling Delve vermag Jaleigh Johnson auch in Mistshore sowohl den Hintergrund und die Regeln als auch die Geschichte sehr schön miteinander zu verflechten. Besonders auffällig ist dabei, dass sie „die von der Zauberplage Berührten“ nicht nur als vom Schicksal gesegnete, sondern auch als geschlagene Wesen zeichnet. Alle tragen irgendein seelisches oder körperliches Gebrechen in sich, welches ihre besonderen Gaben oft mehr als aufwiegt.

Mistshore lässt leider vieles vom „alten“ Waterdeep vermissen, was aber eher dem Handlungsort denn der Autorin geschuldet ist. City of Splendours – das letzte Quellenbuch zu Waterdeep - wird dem Leser nur unwesentlich weiterhelfen, denn die Handlung beschränkt sich fast ausschließlich auf ein Gebiet, welches erst nach der Spellplague, also in den letzten 100 Jahren entstanden ist. Dieser Zeitsprung zwischen den Vergessenen Reichen der D&D 3,5E und der „Jetztzeit“ der 4E wurde noch nicht hinreichend ausgearbeitet, so dass der geneigte Leser aufgefordert ist, sein Hintergrundwissen aus den (wenigen) Informationen im Forgotten Realms Campaign Guide zu holen.

Die Heldin nimmt einen eher typischen Abenteurerweg und nur ihre Gegner sind aufgrund ihrer Herkunft – alles Elfen – etwas ungewöhnlich. Die Handlung ist gut gestrickt und hakelt nur gelegentlich ein wenig, insbesondere, wenn es um die Gefühlswelt der Protagonisten oder eingebaute Regelerklärungen geht.

Alles in allem eine lesenswerte Geschichte und für jene, die sich mit den neuen Vergessenen Reichen anfreunden wollen, ist Mistshore sicher kein Fehlgriff.

 

Anmerkungen

Erdflocken / Earthmotes – aus der Erde gerissen Hügel, Bergspitzen oder Felsen, die magisch in der Luft hängen oder über die Reiche dahin gleiten.

 

Spellplague – die Zauberplage zeigt diverse Auswirkungen, die alles Leben in Faerûn und darüber hinaus verändern wird. Sie dient den Wizards als Mittel zum Zweck, eine (unnötige) Anpassung des Settings der Vergessenen Reiche an die neue Edition von D&D, die 4E. Kurz: die Göttin der Magie (Mystra), welche das Netz der Magie in Balance hält, wird ermordet und für eine Zeit läuft die „freie Magie“ Amok in den VR. Diese so genannte Zauberplage bringt tausende Magier um, vernichtet ganze Reiche und verändert das Bild der VR grundlegend.

 

Spellscarred – ”die von der Plage berührten” sind Personen oder Kreaturen, die direkten Kontakt mit der Flammenwand hatten. Ihnen werden besondere Fähigkeiten zuteil, die natürlich nicht immer von Vorteil seien müssen.

 

Waterdeep / Tiefwasser – eine wichtige Hafenstadt im Westen der Vergessenen Reiche

 

Jaleigh Johnson - Forgotten Realms Bibliographie

The Dungeons II – The Howling Delve

Realms of the Dragons II – Queen of the Mounatin (short story)

Realms of War – Chase the Dark (short story)