Links zur Rezension Erster Eindruck, Gestaltung, LayoutDer erste Eindruck ist, wie inzwischen von Pegasus Produkten gewohnt, fantastisch. Der Umschlag ist fest, Manfred Escher hat wieder einmal ein geniales Cover entworfen, auf dem eine „tentakelige Klaue“ die gute alte Mutter Erde fest im Griff hält. Beim ersten Durchblättern fällt auf, dass das Seitenlayout an ausgerissene Notizzettel angelehnt ist und durch wirklich zahllose Fotos und Zeichnungen angenehm unterbrochen wird. Eine cthuloide Weltkarte auf den Innenumschlagseiten vorne und hinten rundet das sehr gute Gesamtbild ab. Lediglich das inzwischen fast zum Standard mutierte Lese-bändchen zeichnet sich leider durch Abwesenheit aus. Jedenfalls gebührt der Bildredaktion (Julia Erdmann, Carsten Schmitt, Peter Schott, Steffen Schütte) hier ein Extra-Lob, gleiches gilt für die zahl-reichen Kartenzeichner. Hier gibt es nichts hinzuzufügen, volle Punktzahl für die Gestaltung.
InhaltEin Vorwort führt in die Thematik ein: Es geht um die cthulhoiden Flecken unseres Planeten, an denen vor unvorstellbaren Zeiten unbeschreibliche, namenlose Wesenheiten ihre Spuren hinterlassen haben. So führt das Buch zu archäologischen Stätten und Orten des Mythos rund um den Globus, wobei nicht allzu bekannte Orte gewählt wurden, die so gelegen sind, dass sie eine Expedition erfordern und dort dann auch besonderes Potential für interessante Geschichten bieten. Im folgenden gehe ich auf den Inhalt näher ein, Spieleraugen dürfen dann gerne das Fazit lesen, denn es herrscht Spoilergefahr!
NordamerikaDer Quellenband beginnt „In den Palästen der Uralten“, in dem die Anasazi-Pueblos im Four Corners Country (Utah, Colorado, Arizona, New Mexico) beschrieben werden und diese gewaltigen, in den Stein gehauenen Städte einer Cthulhuisierung unterzogen werden, wobei jedoch die historischen Fakten geschickt mit verwendet werden.
Einen absoluten, lovecraft’schen Klassiker finden wir dann im Kapitel Schrecken von In-nsmouth. Ein Titel, der eigentlich für sich spricht, und Innsmouth, vor allem aber Y’ha-nthlei, die Stadt der Wesen aus der Tiefe, näher beleuchtet. Hier sollen vor allem die Spielleitertipps Erwähnung finden, die ein Spiel in Innsmouth bzw. in der Unterseestadt in den verschiedenen Cthulhu-Epochen abdecken.
Süd- und MittelamerikaIn Dreimal El Dorado und ein tiefes Loch beschäftigt sich der Quellenband vor allem mit den verschiedenen Hochkulturen der Region (u. a. Inkas, Mayas, und Azteken), deren Religion und Architektur. Auch die Nazca Linien finden Erwähnung, um schließlich das Ganze cthulhoid einzufärben und spielleiterfreundlich an den Mann zu bringen.
Europa und KleinasienDas verborgene Erbe Alexanders befindet sich im türkisch-syrischen Grenzgebirge Taurus und beschreibt die dort gelegene, tief in den Berg ragende Festung Karasis.
Steinzeittempel und kopflose Götzen befinden sich seit über 8000 Jahren auf Malta. In diesem Kapitel befindet sich, wie in den übrigen Kapiteln auch, zunächst ein geschichtlicher Abriss, bevor dann die eigentlichen Expeditionsziele näher erläutert werden. Hier werden dann Tempelanlagen beschrieben, bevor mit „Die Blinden Kinder von Malta“ das cthulhoide Grauen über die Mittelmeerinsel kommt.
Labyrinthe und Vulkane befinden sich auf Santorin und Kreta. Diese griechischen Inseln werden eingehend beschrieben, insbesondere der Palast zu Knossos auf Kreta, Zentrum der mino-ischen Hochkultur und angeblicher Standort des legendären Minotaurus-Labyrinths.
Mit Nimrods Grab, in dem pyramidische Grabanlagen im Südosten der heutigen Türkei be-schrieben werden und Unter Troglodyten, worin die subterranen Höhlenstädte Kappadokiens näher erläutert werden, verlassen wir Kleinasien und gelangen nach
AfrikaIm sagenhaften Goldland befinden sich die Ruinen von Groß-Simbabwe, die der Archäolo-gie noch heute Rätsel aufgeben. Die Wahrheit wird selbstverständlich von Pegasus gruselig neu inter-pretiert. Irem Zhat al Imad, von Lovecraft selbst in vielen Geschichten erwähnt, ist die Stadt der tau-send Säulen und auch drei der Geschichten aus 1001 Nacht erzählen von diesem mythischen, uralten Ort, während Im Reich der schwarzen Königinnen die Legenden um die nubischen Pyra-miden eine Neuinterpretation erfahren. Im letzten Unterkapitel, Nameloses Grauen in der Wüs-te, wird sodann eine Lovecraft’sche Eigenkreation spielleiterfreundlich (=Spielerfeindlich) darge-boten: Die „Stadt ohne Namen“ aus der gleichnamigen Erzählung.
Asiendie tausend Tempel von Agkor sind der Göttersitz in grüner Hölle. Klar, dass damit nicht zwingend die irdischen Götter gemeint sind, oder? Der Monolith der tanzenden Götter be-schreibt sodann die Ellora-Höhlen und Kailash-Tempel im Herzen Indiens, wobei auch die britische Besatzung nicht unerwähnt bleibt. Das Kapitel Tanz auf dem Vulkan bringt uns nach Kraka-tau und Anak Krakatoa und beschreibt auch Java, Sumatra und die Straße von Sundra, bevor es mit Die verrufene Hochebene wieder einmal so richtig lovecraftesk wird - und das windumtoste Leng endlich auch in einem Quellenband gewürdigt wird. In unmittelbarer Nachbarschaft, in Tibet, befindet sich dann auch noch Shambalah, der Letzte Ort. Das nächste Kapitel, Feuerball über der Taiga beschreibt das bekannte Tunguska-Phänomen und führt den ge-neigten Leser nach Sibirien, bevor die Pyramiden auf dem Meeresgrund mit rätselhaften Unterwasserbauten vor der Küste Japans den Abschluss dieses Teiles bieten.
AustralienIn Stelen des Wahnsinns beschreiben die Autoren die Pinnacles desert im australischen Nambung-Nationalpark, wobei klar sein dürfte, dass sich zu der – bei Pegasus gewohnt intensiven – Recherche eine gute Prise „freie“ Interpretation hinzugesellt. Einen weiteren, ganz und gar klassischen Lovecraft-Ort suchen wir hingegen in Nachrichten aus der Traumzeit auf. Wer „Der Schatten aus der Zeit“ mochte, bekommt jetzt hier weitere Infos über Pnakotus, die Stadt der Großen Rasse in Australien.
ArktisVerloren im Polareis befindet sich das sagenhafte Hyperborea, welches wir weniger dem Meister selbst, als vielmehr seinem Brieffreund Clark Ashton Smith zu verdanken haben. Jedenfalls wird man Grönland nach der Lektüre zukünftig sehr skeptisch betrachten, während wir in Die Traumwacht Iranos alles über das vergangene Reich Lomar erfahren.
AntarktisUnheilige Wasser enthält der Vostoksee, denn allein die Tatsache, dass -3 Grad Celsius kaltes Wasser etliche Meter unter dem Eispanzer der Antaktis nicht gefroren ist und dennoch Spuren von Leben enthält, lässt die Fantasie bereits genug spielen. Und wenn dann noch In der kalten Einöde der unbekannte Kadath steht und die Berge des Wahnsinns mit ihrem Jahrtausende alten Grauen warten, ja, dann ist man endgültig ganz tief im Mythos angekommen und genießt jede neue Seite dieses Quellenbandes.
Weite OzeaneDer versunkene Kontinent Mu hat schon so manchen Mythosforscher beschäftigt und hier bekommt der Neugierige neues Futter, bevor dann die Auswüchse dieses pazifischen Kontinents in Götter, Krieger und Mausoleen der Südsee beschrieben werden, worin die künstlichen Inseln von Nan Madol thematisiert werden. Die Insel der stummen Riesen ist, wie könnte es anders sein, nichts anderes als die be-rühmte Osterinsel, die hier einmal, nun ja, in einem eher „speziellen“ Lichte dargestellt wird. Im letzten Unterkapitel, Die Stadt des schlafenden Gottes, begeben wir uns dann endlich nach R’lyeh, wo unser guter alter Freund mit den Tentakeln träumend schläft und von wo er kommen wird, zu fres-sen die…ok, ok, ihr kennt den Drill. Geniales Kapitel.
Auf uralten SpurenDie ewige Queste cthulhuisiert die Arthurlegende und schickt Mythosforscher auf die Suche nach dem Heiligen Gral, während High-Tech aus dem Altertum archäologische Artefakte beschreibt, die auch unter modernen Gesichtspunkten Rätsel aufgeben können. In Giftdolch und Tatzekreuz erfahren wir alles über die „wahren“ Hintergründe der Assassinen-Templer-Verschwörung und in Die Rückkehr der dunklen Engel über ganz und gar unheilige Ge-heimnisse im heiligen Land. Die Hohlwelt dürfte als Kapitelname selbsterklärend sein und die Stützpfeiler des Himmels beschreiben in gut recherchierter Form die (un-)heilige Geometrie der Pyramiden.
Fazit:Dieses Quellenbuch muss man erst einmal verdauen, denn es enthält für entdeckungsfreudige Spie-lergruppen wirklich jahrelang verwertbares Material. Der Quellenband bewegt sich dabei zwar nah an Lovecrafts literarischen Vorlagen, die oft zitiert werden, zeichnet sich aber auch durch die unglaublich detailverliebte, tiefgreifende Recherche, stimmige Bebilderung und die gut gewählten Karten aus. Auch Orte, die man in älteren, klassischen Abenteuern einmal bereist hat, werden hier noch einmal erläutert und selbst moderne Mythen und (Verschwörungs-)Theorien fließen in die sehr gute Arbeit der Autoren mit ein. Insbesondere mit dem bereits erschienenen Band „Expeditionen“ ist dieses Buch ein wahrer Gewinn, denn dort findet man die Beispiele, wie man aus den Quelleninformationen, die dieses Buch in unglaublicher Vielzahl bereithält, spannende Szenarien baut. Wer noch nicht Lovecraft komp-lett gelesen hat, sollte zumindest folgende Geschichten noch lesen, oder aber in Kauf nehmen, dass die Lektüre dieses Quellenbandes einige dicke Spoiler bereithalten wird: Schatten über Innsmouth, Stadt ohne Namen, Gefangen bei den Pharaonen, Schatten aus der Zeit, Berge des Wahnsinns, Traumsuche nach dem unbekannten Kadath, Cthulhus Ruf.
Man merkt den Autoren an, dass sie Spaß hatten bei diesem „alternativen“ archäologisch-historisch-geographischen Handbuch. Und diesen Spaß teilt man bei der Lektüre ungetrübt, für Spielleiter ist dieser Band eine wahre Fundgrube, aber auch forschende Charaktere könnten aus dem einen oder anderen Kapitel eine tolle Backstory für sich herausholen. Als einziger Negativpunkt ist anzumerken, dass zweimal die gleiche Karte für den Inneneinband verwendet worden ist, obwohl ursprünglich zwei Versionen geplant waren. Eine Version enthält die Seitenzahlen, auf denen die verzeichneten Orte zu finden sind und kann als Errata auf der Homepage von Pegasus heruntergeladen werden.
Grandioses Buch, toll recherchiert, neben Cthulhu-spezifischen Infos findet man auch zahlreiche re-gionale Neuigkeiten und Gegebenheiten. Tolle Bilder, tolles Layout. Abzüge nur wegen fehlendem Lesebändchen, der falschen Karte und der teilweise dann doch etwas arg in die Tiefe gehenden Hin-tergrundinfos, die gelegentlich zu detailverliebt sind. Insgesamt daher aber noch herausragende 4.5 Punkte
Pegaus Press bietet auf seiner Webseite als Errata eine korrigierte Weltkarte an.
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