Links zur Rezension Der Herr fragte den Mann: „Wie heißt du?“. Er antwortete: „Mein Name ist Legion. Denn wir sind viele.“ - Markus Evangelium 5,9.
Erster Eindruck:Der erste Eindruck dieses voluminösen, graphischen Romans ist sehr gut. Für Cross-Cult eher unüblich kommt das 176 Seiten dicke Hardcover im Din A4 Format, was schon beeindruckt.
Inhalt:Die Phrase „Mein Name ist Legion. Denn wir sind viele.“ stammt, wie am obigen Zitat ersichtlich, aus der Bibel. Dabei geht es um einen Mann, der von vielen Dämonen besessen ist und dies Jesus darlegt. Während des 2.Weltkrieges arbeitet die SS unter der Führung von Heyzer in Rumänien an einem streng geheimen Projekt, bei dem es um ein kleines Mädchen geht, das scheinbar besessen ist. Sie kann alle Lebewesen kontrollieren, die mit ihrem Blut infiziert sind. Dabei werden die Kontrollierten leistungsfähiger und widerstandsfähiger. Natürlich wollen die Nazis dies für ihren Krieg ausnutzen. Heyzer stellt sich eine fast unbesiegbare Armee vor, die von einem zentralen Willen gesteuert wird. Es ist nicht verwunderlich, dass das die Alliierten nicht gerade erfreut und so versuchen die gegnerischen Geheimdienste, das Projekt zu sabotieren. Außerdem gibt es noch ein paar Untergrundkämpfer, die die Pläne der Nazis durchkreuzen wollen. Aber bald schon wird klar, dass das Mädchen nicht die Einzige ihrer Art ist und da beginnt die Sache erst richtig interessant zu werden…
Stil & Artwork:„Ich bin Legion“ ist eine der eher seltenen amerikanisch-europäischen Co-Produktionen im Comicbusiness. Der renommierte, amerikanische Zeichner John Cassaday und der Europäer Fabien Nury haben hier zusammen ein Werk geschaffen, das es in sich hat. Dabei hat - auch wenn es der Name annehmen lässt - die Geschichte nichts mit dem Kinofilm „Ich bin Legende“, in der Will Smith den letzten Menschen auf Erden spielt, zu tun, sondern entführt den Leser in die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Dennoch gibt es Parallelen, denn auch in „Ich bin Legion“ geht es im weiten Sinne um Vampire. Doch das ist nur ein Teil der Sache, denn im Prinzip geht es um die Nazis. Bekanntermaßen waren diese dem Okkulten offen und haben diverse Projekte verfolgt, um auf diesem Wege den Sieg zu erringen. Auch bei „Ich bin Legion“ geht es um so ein okkult anmutendes Projekt und um diejenigen, die es bekämpfen wollen. Die Story ist anfänglich etwas konfus und auch nicht ganz so leicht zugänglich, wie man es vielleicht gerne hätte, aber nach einigen Seiten entfaltet sich ein atmosphärisch enorm dichter Plot, der den Leser in seinen Bann schlagen kann. Die Charaktere sind ausgefeilt und es gibt immer wieder überraschende Wendungen, die die Story auflockern, und auch die Dialoge wissen dabei zu gefallen. Natürlich werden dabei die Nazis als das hingestellt, was sie sind (bzw. waren), nämlich durchweg böse und skrupellos. Aber auch die Gegenseite hat es in sich und auch deren dunkle Seiten werden gezeigt. Dennoch sind die Fronten der Lager ganz klar in schwarz und weiß, gut und böse eingeteilt.
John Cassadays Artworks sind dabei schlichtweg umwerfend und können als nahezu perfekt bezeichnet werden - zumindest in Kombination mit der Story von Nury. Cassaday fängt die Stimmung des Settings hervorragend ein. Mimik und Gestik der Charaktere stimmen ebenso wie die Präsentation und die Anordnung der Panels, die einen eher geordneten Eindruck machen. Einziges Manko ist, dass einige der Darsteller manchmal ein wenig schwer auseinander zu halten sind. Gewalt ist in dieser Geschichte ebenso präsent, aber der Künstler übertreibt es mit der Gewaltdarstellung zum Glück nicht, auch wenn einige Szenen sicherlich nicht ohne sind.
Qualität & Übersetzung:Wie oben schon erwähnt, kommt dieser Band im Din A4 Format und präsentiert sich in einem optisch ansprechenden Hardcover. Die Übersetzung und das Lektorat sind im Großen und Ganzen gelungen, wenn auch ein, zwei kleinere Fehlerchen aufgefallen sind. Am Ende des 176 Seiten starken Buches findet sich eine vierseitige Abhandlung über „transatlantische Allianzen“ und den Werdegang des europäischen Comicbusiness aus der Feder von Stefan Pannor. Ein wirklich interessantes Stück Information, das dem interessierten Leser einige wertvolle Informationen vermitteln kann.
Fazit:Zugegebenermaßen hatte ich bei „Ich bin Legion“ etwas ganz anderes erwartet, nämlich tatsächlich etwas, was an den Film und das Buch „Ich bin Legende“ anlehnt. Lustig wie man aufgrund eines simplen Titels fehlgeleitet werden kann, denn „Ich bin Legion“ hat rein gar nichts mit „Ich bin Legende“ gemeinsam, bis auf die Tatsache, dass in beiden Geschichten Vampirismus vorkommt - zumindest im entfernten Sinne. Nichtsdestotrotz hat mich „Legion“ vollkommen fasziniert und trotz eines anfänglich etwas konfusen und undurchsichtigen Startes, schnell in seinen Bann gezogen. Die Story um die okkulten Machenschaften der Nazis in Verbindung mit dem mysteriösen Mädchen Ana und denen, die die Nazis bekämpfen, hat es in sich, ist spannend, facettenreich und ebenso überraschend wie auch brutal. Die Artworks von John Cassaday sind atemberaubend umwerfend und rücken „Legion“ genau ins rechte Licht. Die Zeichnungen haben einen hohen Detailgrad und auch die Kolorierung passt hervorragend. Abgerundet wird dieser Eindruck von der geschickten Panel-Anordnung, die ihren Teil zur Geschwindigkeit des Comics beisteuert und teilweise schon cineastisch wirkt. „Ich bin Legion“ ist ein hervorragendes, wenn auch seltenes Beispiel, dass europäische und amerikanische Kooperation im Comic-Business sehr gut funktionieren kann, denn der graphische Roman kann auf ganzer Linie überzeugen. Ein paar Kommapunkte Abzug gibt es, weil die Story auf den ersten Seiten noch etwas konfus wirkt, aber ist sie erst einmal in vollem Gange, gibt es keinen Halt mehr. Ein wirklich toller Comic, aber erst ab 16 Jahren!
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