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USA - Großmacht unterm Sternenbanner
Bewertung:
(4.7)
Von: Alexander Heppe
Alias: AlexH
Am: 26.01.2009
Autor:Jan-Christoph Steines, Ingo Ahrens, Marc Buscher, Hendrik Ebbers, Oleg Eyser, Adam Gauntlett, Stefan Geisler, Holger Göttmann, David Grashof, Tobias Hamelmann, Keith Herber, Daniel Hockmann, Jens Kaufmann, Christopher Lang, Christoph Maser u.v.a.
Übersetzer:Rainer Gladys
Typ:Quellenband
System:Cthulhu
Setting:1920s, USA
VerlagPegasus Press
ISBN/ASIN:978-3-939794-75-2
Inhalt:280 Seiten, Hardcover
Sprache:Deutsch

Erster Eindruck, Layout, Gestaltung

Der erste Eindruck ist, wie inzwischen vom sehr hohen Pegasus Standard zu erwarten war, sehr gut. Der feste Hardvovereinband zeigt auf dem - von Manfred Escher wieder einmal grandios gestalteten - Cover den Schriftzug „USA“ in den Landesfarben als angedeutet wehende Flagge. Die Stars and Stripes ziehen sich auch im Hintergrund des ansonsten in beige und dunklem braun gehaltenen Einbandes konsequent durch. Der Buchrücken schließt nahtlos an die Vorbücher an und so hat man erneut ein gestalterisches Kleinod im Bücherregal stehen. Auch im Inneren vermag das Buch durch ein klares zweispaltiges Layout zu gefallen, das bei etwas kleinerer Schrift auf wenig Raum viele Informationen übersichtlich präsentiert. Die Bebilderung ist Cthulhu-typisch in zeitgenössischen Fotografien gehalten, hinzu kommen liebevoll gestaltete Karten und Handouts von Daniel Jöckmann und Vera Schrader.

 

Inhalt

Das Buch besteht inhaltlich aus einer ganzen Reihe neuer Texte, die sich vielen Teilaspekten der USA widmen. Einige Teile wurden jedoch auch dem vergriffenen „Amerika – In Städten und Wäldern“ entnommen, das jedoch vom Umfang her mit dem mir vorliegenden Produkt gar nicht mehr vergleichbar ist. Lediglich die von Keith Herber (ursprünglich im „Investigator’s Compendium von Chaosium erschienenen) geschriebenen Texte über die Chronologie, Verkehrsmittel, Ratgeber sowie einige Berufsinfos wurden übernommen und teilweise erweitert. Auch Adam Gauntletts Beitrag über Prohibition (zuerst erschienen im Keeper’s Compendium) wurde übersetzt und gekürzt übernommen. Der restliche Großteil des Buches ist somit den fleißigen Pegasus-Schreiberlingen zuzuordnen, Clear Credits am Anfang des Bandes benennen die einzelnen Verantwortlichen. Doch nun zum Inhalt im Einzelnen:

 

Das Land

Dieses Kapitel eröffnet mit einer echt ausführlichen Geschichte der USA bevor es dann harte Fakten zu den USA in den 1920ern liefert. Den wichtigen Zahlen folgt eine Darstellung der historischen Außenpolitik, gefolgt von der Innenpolitik. Im Anschluss werden 11 Städte detailliert beschrieben, weitere 13 bekommen eine kurze Abhandlung. Alle diese Beiträge sind mit Zahlen, Fakten und liebevollem Lokalkolorit gewürzt.

 

Gesellschaft

Dieses Kapitel ist für die Darstellung von (N)SC sicherlich von großem Interesse. Das Freizeitverhalten der Amerikaner findet hier ebenso Erwähnung wie Konsum, Kirche und Politik, Sport und Mode, Musik und Literatur (einschließlich der Pulp Romane und der so genannten Weird Fiction). Man erfährt vom Radio der damaligen Zeit und von dem Verhältnis zu den zahlreichen Einwanderern (nebst Zahlen). Die Rolle der „Rassen“ und die Rolle der Familie werden ebenfalls ausführlich besprochen, bevor dann mit der Religion ein Kapitel folgt, das viele Ansätze für eine Kampagne bietet. Als DAS gesellschaftliche „Hindernis“ der Zeit wird natürlich auch ausführlich auf die Prohibtion eingegangen, nebst Speakeasies, Clubs, Polizei und dem Prohibitionsbüro. NSC werden in diesem Zusammenhang natürlich ebenfalls nebst Werten erläutert. Direkt im Anschluss – wer Zusammenhänge vermutet, mag richtig liegen – folgt dann eine Abhandlung über die Wirtschaft in den „Roaring Twenties“, die erklärt wie die Konsumgesellschaft sich entwickelt, welche Rolle die Landwirtschaft spielt, welchen Einfluss die Börse hat und welche wichtigen Unternehmen es gibt. Sodann gibt es ein Kapitel über den Film der 1920er und den Aufstieg der amerikanischen Filmindustrie, gespickt mit zahlreichen Beispielen. Im Anschluss erfährt man alles über die naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte der 1920er, bevor dann – wichtig für angeschlagene Charaktere – das Gesundheitssystem nebst Kosten, Stand der Medizin, Krankenhäusern etc. im Detail vorgestellt wird. Das „Gesellschafts“-Kapitel wird abschließend abgerundet durch eine Chronologie der „Roaring Twenties“.

 

Leben in den Vereinigten Staaten

Dieses Kapitel befasst sich mit den Tücken des Alltags und wird eröffnet durch eine ausführliche Abhandlung über die verschiedenen Verkehrsmittel der Zeit – und zwar sämtlicher! Darin wird auch der Stand der Technik angesprochen, die Kosten und die die unterschiedlichen Reisearten (Schiffsfahrten, Luftreisen, Zugreisen) umgebende Reisekultur wird ebenso an zahlreichen Beispielen erläutert. Für den Hintergrund mancher Charaktere dürfte die darauf folgende Vorstellung der Hochschulen in den vereinigten Staaten von großem Interesse sein. Gut recherchiert werden hier verschiedene Institutionen besprochen, auch das Studentenleben wird nicht ausgespart. Direkt im Anschluss daran erfährt man so einiges über die Museen der USA, bevor dann – wieder wichtig für SC - das Bibliothekswesen der USA eine vertiefende Darstellung erfährt. Sodann geht es zügig weiter mit einer umfassenden Erläuterung der Rolle der Presse in dieser Zeit, den Zeitungen und Zeitschriften. Im Anschluss können Polizei und Militär vom geneigten Leser erkundet werden, bevor das Kapitel mit einer ausführlichen und mit Spielwerten versehenen Abhandlung über Waffen schließt.

 

 

Mythen

In diesem sehr stimmungsvoll geschriebenen Kapitel erfährt man zunächst von den Mythen der amerikanischen Ureinwohner, deren Stämme und deren Geisterwelt detailliert vorgestellt werden. Dieser Abhandlung folgt eine Vorstellung verschiedener unheimlicher Orte in den Vereinigten Staaten, worin dann auch cthulhoide Bezüge hergestellt werden, weil dann über Hexen, Magier und Kulte gesprochen wird.

 

Lovecraft County

Dieses Juwel von einem Kapitel stellt einem nun das lovecraftsche Kernland vor, beginnend mit einer Kurzzusammenfassung und Liste der wesentlichen Neuengland-Stories von H. P. Lovecraft. Auch die Derlethschen Weiterentwicklungen und weitere Mythosautoren werden erwähnt. Im Anschluss folgt eine – sehr liebevoll ins reale Massachusetts „integrierte“ - Karte der Lovecraft Country, grob gelegen zwischen den (realen!) Städten Newburyport und Salem. Genial! Die einzelnen Städte und Stätten, ob Arkham, Innsmouth, Dunwich oder wie sie alle heißen, werden kurz vorgestellt. Sicherlich ausführlich genug, um als Spielleiter dort und daran lange Freude zu haben. Noch spezifischere Regionalbände zu den einzelnen Orten sind jedoch bereits von Pegasus angekündigt.

 

Als Spielercharakter in Amerika

...bedient ganz spezifisch die Sorgen und Nöte bestimmter nordamerikanischer und „klassischer“ Berufsgruppen, etwa Journalist, Polizist, Detektiv und Gerichtsmediziner, bevor dann zahlreiche NSC vorgestellt werden, die als Ratgeber und Kontakte funktionieren könnten. Ein ausführlicher Index rundet das Ganze Paket ab.

 

 

Fazit:

Ich bin begeistert. Ok, das wird als Fazit nicht reichen, aber mit dem vorliegenden Band hat Pegasus ein Quellenbuch veröffentlicht, das es fast schon mit der genialen und bislang unerreichten Deutschland-Box aufnehmen könnte. Letztere hat jedoch noch einiges mehr an Zusatzmaterial in Form von Karten und Gimmicks zu bieten, auch fehlen mir im vorliegenden Band Abenteuervorschläge oder gleich – wie von früheren Quellenbänden verwöhnt - ein oder zwei ausgearbeitete Szenarien. Dessen ungeachtet ist die Gestaltung und das Layout Top, der Text leserfreundlich, interessant und spannend, und jedem Cthulhu-Spieler (für diese wird nicht allzu viel gespoilert) oder Spielleiter kann ich den unbedingten sofortigen Kauf dieses mit 34,95 € gemessen am Inhalt super günstigen Quellenbuches nur dringendst befehlen. (Ihr habt richtig gelesen, nicht „emp“fehlen!)

 

Pegasus zeigt, dass sie als Verlag es geschafft haben, unheimlich viel Talent zu verpflichten und zu nutzen. Man spürt an jeder Ecke des Bandes, mit welcher Detailverliebtheit und ernsthafter und gewissenhafter Recherche hier gearbeitet wurde. Abgesehen von dem rollenspielerischen Aspekt kann ich dieses Buch nahezu jedem empfehlen, der an einer Darstellung der „Roaring Twenties“ interessiert ist. Selbst die (äußerst geringe) Wiederverwendung aus alten Bänden vermag den positiven Gesamteindruck nicht zu schmälern. So müssen Quellenbände sein!