Erster Eindruck:Watchmen Ultimate ist ein wirklich dickes Softcoverbuch, das mehr an einen übergroßen Roman erinnert, denn an ein Comic. Diese Annahme liegt auch gar nicht so weit entfernt, denn das Buch wird nicht nur von Zeichnungen gefüllt sondern auch von ausführlichen Texten. Dabei ist Watchmen Ultimate ganz klar kein neues Werk, sondern ein üppiger Sammelband, der die komplette Watchmen Reihe beinhaltet, die Mitte der 80er Jahre erschienen ist und bis heute als Meilenstein der Superhelden-Comics gilt. Für das in Kürze anstehende Release des Hollywood-Films hat Panini das Buch nochmals neu aufgelegt.
Inhalt:Die USA im Jahre 1985. Die meisten der so genannten Superhelden haben schon lange ihren Job an den Nagel gehängt. Die meisten befinden sich im Ruhestand und fristen ein eher ruhiges Dasein, andere haben sich aus dem Rampenlicht der Öffentlichkeit zurückgezogen und gehen Forschungen nach, einer vermarktet sich enorm gut und ein letzter jagt immer noch Verbrecher, steht dafür aber auf der Abschussliste von Regierung und Polizei. Als ein unbekannter Killer Comedian um die Ecke bringt, vermutet erstmal niemand einen konkreten Bezug zu den Superhelden. Doch der mysteriöse Rorschach sieht die Sache anders und versucht, Licht ins Dunkel zu bringen. Dabei deckt er Dinge auf, die auch sein Leben in Gefahr bringen. Mit der Hilfe seines alten Freundes Night Owl eröffnen sich immer mehr Geheimnisse und die sind wirklich schockierend…
Stil & Artwork:Mehr vom Inhalt preiszugeben würde enorm viel von der Spannung nehmen, denn gerade von dem komplexen Plot lebt dieser graphische Roman. Schon seit seinem Erscheinen in den späten 80er Jahren gilt Watchmen als Geniestreich, als ein Meilenstein der Superhelden-Comics und ist bis heute der einzige Comic, der in der Liste der 100 besten Romane des Time Magazine zu finden ist. Damals hat Watchmen neue Maßstäbe gesetzt, denn die Comicszene um die Superhelden war recht eingefahren und konnte nicht mit wirklichen Neuerungen auftrumpfen. Watchmen jedoch warf diese Lethargie über den Haufen und krempelte das Superheldengenre kräftig um - und das trotz einer eher banalen und einfachen Grundstory. Alan Moore, der Autor von Watchmen und mittlerweile Verfasser zahlreicher anderer Klassiker, beschreibt eine alternative Erde mitten in den Zeiten des Kalten Krieges, in der es Superhelden gibt oder besser gab, denn im Grunde sind sie alle gefallene Heroen. Mal abgesehen davon, dass sie allesamt älter geworden sind und zumeist nicht mehr über Superkräfte verfügen, hat der so genannten Keen-Erlaß in den späten 70ern das Superhelden-Dasein schlichtweg verboten. Die ehemaligen Helden haben Ecken und Kanten und diese zeigt Moore nur allzu deutlich. Aber genau das ist das, was den Charme der Protagonisten ausmacht, sie alle sind mehr als menschlich und haben ihre eigenen Probleme, ihre eigenen Beziehungen und ihre eigenen Ängste. Der Plot an sich ist, wie gesagt, zunächst eher einfach gestrickt und quasi Nebensache, denn erst einmal wird das Hauptaugenmerk auf die Protagonisten und die Vergangenheit gelegt. Das ändert sich aber bald und Moore entfaltet eine spannende und fesselnde Story voller Überraschungen und Intrigen. Düstere Machenschaften und Verschwörungstheorien werden aufgedeckt und treiben die Geschichte richtig voran, halten die Spannungskurve hoch. Zeichner ist oder besser war Dave Gibbons (u.a. 2000 AD, Rogue Troopers), der dem abgefahrenen Comic eine ganz spezielle Note verpasst. Sein Stil ist typisch für die 80er, ein Eindruck, der durch die skurrile Kolorierung von John Higgins noch unterstrichen wird, der vor allem mit kontrastreichen Farben arbeitet. Die Illustrationen von Gibbons sind eher einfach und erinnern an die typischen Superhelden-Comics aus den 80ern, wie Superman, Spider-Man etc. Viele Elemente sind stilisiert, aber die Artworks wirken auch recht detailreich und vor allem durchdacht. Bei der Anordnung der Panels wurde auf Geradlinigkeit geachtet. Es gibt zwar auch größere, sogar ganzseitige Panels, aber alles wirkt säuberlich platziert, was Struktur vermittelt. In jedem Fall ergänzen sich Erzählstil und Illustrationen sehr gut und wirken wie aus einem Guss. Aufgelockert werden die illustrierten Episoden immer wieder durch Text, der den Abschluss einer jeden Episode bildet. Mal sind dies Auszüge aus dem Buch „Hinter der Maske“, das der ehemalige Superheld Hollis Mason innerhalb des Watchmen-Settings geschrieben hat und in dem viele Hintergründe und Elemente aus der Vergangenheit offenbart werden, die dem Leser viele Dinge deutlich klarer machen. Später gibt es aber auch Collagen mit (fiktiven) Zeitungsausschnitten, die Hintergrundinformationen feilbieten. Wieder andere dieser Texte sind private Briefe. Das alles zusammen lockert die komplexe und teilweise auch verwirrende Story auf, die in den illustrierten Abschnitten erzählt wird.
Qualität & Übersetzung:Neben den besagten Texten gibt es noch eine kleine Covergalerie sowie eine kurze Abhandlung mit dem Titel „Watchmen Anmerkungen“. Aber mehr ist auch wirklich nicht nötig. Der Wälzer umfasst satte 436 Seiten, kommt in einem optisch ansprechenden Softcover und ist gut übersetzt. Druck- und Papierqualität sind wie gewohnt von höchster Qualität.
Fazit:Watchmen ist kein neuer Comic, ganz im Gegenteil, der Klassiker hat schon über 20 Jahre auf dem Buckel. Die bevorstehende Veröffentlichung als Kinofilm hat den Hype um das Meisterwerk jedoch wieder aufleben lassen und es gibt zahlreiche Reprints. Die Ultimate Edition, die es sowohl als Soft- als auch Hardcover bei Panini gibt, umfasst alle Einzelhefte der ursprünglichen Reihe in einem dicken Band. Seinerzeit, Mitte der 80er, war Watchmen quasi eine Revolution im Superheldencomic-Sektor, eine bahnbrechende Graphic Novel, die alles umkrempelte was es bis dato gab und den Weg für die heutigen Superhelden-Erzählungen geebnet hat. Doch auch 20 Jahre später ist Watchmen immer noch ein erstklassiger Comic, der zahlreiche Facetten hat und eben nicht in schwarz und weiß kategorisiert. Die so genannten Superhelden, zumeist nicht mal mit echten Superkräften ausgestattet, haben Ecken und Kanten. Einige sind im Herzen wahre Heroen, haben allerdings auch ihre eigenen Ängste und Probleme. Andere wollen gar keine Superhelden sein, wurden aber dazu erzogen. Wieder Andere sind macht- und geldgierig, gewalttätig, großspurig und sexistisch. Im Grunde genommen alles menschliche Züge, aber Superhelden waren bis zum Erscheinen von Watchmen eben nicht so, sondern eher Saubermänner ohne Gleichen. Heute ist das natürlich anders, aber Watchmen hat einen ganz großen Teil dazu beigetragen, das die Superhelden heutzutage auch Ecken und Kanten haben. Zurück zu Watchmen an sich: die Story ist anfänglich nichts, was wirklich vom Hocker haut, denn zunächst wirkt das Ganze wie ein normaler Mordfall. Doch das ändert sich schnell, wenn die verschiedenen Handlungsstränge sich zusammenfügen, sich nur kreuzen und überschneiden, um dann wieder getrennte Wege gehen. Der Plot bleibt durchgehend spannend, denn immer wieder werden neuen Nuancen aufgedeckt und es gibt neue Wendungen und Überraschungen. Dabei entfaltet sich der epische Charakter der Story mehr und mehr. Die Charaktere haben einen Tiefgang, den man bis heute nur selten in einem Comic zu sehen bekommt und vor allem sind alle Protagonisten (und selbst Nebencharaktere) auf die eine oder andere Weise miteinander verbunden, was eine wichtige Charakteristik der Erzählung darstellt. Auch wird die generelle Lebenssituation dieser Zeit authentisch präsentiert, denn die Bedrohung des Kalten Krieges ist vorherrschend und immer deutlich spürbar. Diese Bedrohung gibt es heute zwar nicht mehr, aber es existieren genug Analogien mit der heutigen Zeit – beispielsweise in Form des Terrorismus - so dass Watchmen auch in dieser Hinsicht heute noch gut und glaubhaft funktioniert. Zeichnerisch bewegt sich Watchmen in den 80ern, was man dem Stil deutlich ansieht. Er erinnert klar an die gängigen Superhelden-Comics aus dieser Ära, etwa Spiderman oder Superman. Das bedeutet nicht, dass der Stil nicht toll wäre, ganz im Gegenteil, er passt sehr gut zur Stimmung der Story und des Settings und wird hervorragend durch die skurrile Kolorierung unterstützt. Es gibt viele Details, die die sauber angeordneten Panels sehr gut in Szene setzen, dafür sind Mimik und Gestik der Charaktere etwas einfacher gehalten.
Abschließend kann man nur sagen: Watchmen ist tatsächlich ein Meisterwerk. Das war es in den 80ern und das ist es auch heute noch. Nicht umsonst gehört es zu den besten 100 Romanen auf der Time Magazine Liste . Watchmen ist anders. Heroisch und doch alltäglich, skurril und doch einprägsam überzeugend. Watchmen gehört für mich zum Besten, was ich je in Sachen Comics gelesen habe. Wer wirklich abgefahrene Superhelden-Stories mag, sollte hier unbedingt reinschauen, sofern er Watchmen noch nicht kennt. Die Ultimate Edition ist eine erstklassige Möglichkeit, alle 12 ursprünglichen Hefte des Klassikers mit einem Schlag komplett in einem robusten und brachialen Werk zu bekommen. Ein Meisterwerk, das in jedem Comicregal stehen sollte!
Anmerkung zu den Editionen:Neben der hier begutachteten Softcover-Version gibt es noch eine etwas teurere Hardcover-Variante der Ultimate Editon. Außerdem gibt es die so genannte "Absolute Edition", die nochmal einen ganzes Stück teurer ist, dafür kommt dieses Hardcover-Sammlerstück aber im Überformat mit Schuber und weist noch einige Extras mehr auf. Zum Abschluss soll noch "Watching the Watchmen" erwähnt werden, welches das essentielle Begleitbuch zum Watchmen-Comic ist. Alle Bände erscheinen in Deutschland bei Panini. Links dazu findet ihr rechtsseitig.
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