Links zur Rezension InhaltOpen Grave ist nach „Draconomicon – Chromatic Dragons“ das zweite Buch der Monsterreihe für die vierte Edition von Dungeons & Dragons, und führt seine Leser in die Welt der untoten Schrecken ein. Wie beim ersten Buch gibt es auch hier eine hohe Erwartungshaltung, geschürt durch das sehr gute Libris Mortis der 3. Edition. An diesem orientiert sich das Buch thematisch auch immer wieder, so finden einzelne Themen ihre Wiederauferstehung, wie zum Beispiel „Grafts“ die untoten Implantate.
AufmachungOpen Grave dürfte wohl zu den schönsten bisher erschienenen Büchern für die vierte Edition zählen. Obwohl auch hier einige Bilder wiederverwendet wurden, tragen doch vor allem die doppelseitigen Illustrationen sehr gut zur Stimmung bei und sind gegenüber dem optisch wesentlich schlichteren Libris Mortis ein echter Hingucker. Aber auch die Bilder zur Physiologie der Untoten und die einzelnen Monster machen genug her, um zum Herumblättern einzuladen. Der Einband ist etwas stabiler als bei den Grundregelbüchern, allerdings wellt sich das Papier bei mir diesmal leicht, ein Problem das schon von anderen Büchern der vierten Edition berichtet wurde.
Vom Umfang her hat Open Grave gegenüber seinem Vorgänger aus der dritten Edition leicht zugelegt.Aauf 223 Seiten wird über die Untoten und die Begegnungen mit ihnen berichtet. Nichtsdestotrotz hat auch dieses Mal das Draconomicon etwas mehr an Inhalt zu bieten.
Kapitel 1 – Wissen über die Untoten Wie schon sein Vorgänger beginnt auch das Open Grave mit einem Abschnitt über untote Physiologie, untote Wesenszüge und die Einbindung untoter Wesen in die Gesellschaft. Wesentliche Aspekte dieses Kapitels werden Besitzern des Libris Mortis bekannt vorkommen – am grundsätzlichem Hintergrund der Untoten hat sich nichts geändert. Am ehesten fällt der stark verschlankte Regelteil auf, so fallen die einstmals umfangreichen Regeln zur Ernährung von Untoten genauso weg wie deren Entsprechung für untote Spielercharaktere.
Das komplette Kapitel wird dadurch wesentlich weniger regelbasiert und konzentriert sich auf den Hintergrund der Untoten. Erst im Abschnitt über untote Kulte und geheime Organisationen erscheinen wieder Regelinhalte. Obwohl ein Großteil dieser Informationen bereits aus dem Vorgängerwerk bekannt war, muss man diese wohl für sich bewerten und sagen, dass ihr Wert beim Erstellen einer stimmigen Kampagne mit Untotenhintergrund kaum überschätzt werden kann. Wer seinen Untoten im übertragenem Sinne Leben einhauchen möchte, ist in jedem Fall gut beraten, in dieses Kapitel hereinzuschauen.
Das ganze wird abgerundet durch einen kurzen Ausflug in die Shadowfell, der mir jedoch deutlich zu knapp geraten ist. Orkus, die Rabenkönigin und die Shadar Kai werden behandelt, tiefer gehende Informationen sind hier jedoch nicht zu finden. Ferne Ebenen sind nicht das Thema des Buches – nichtsdestotrotz hätte man hier viel mehr schreiben können. Insbesondere die Frage nach dem Verhalten der zahlreichen untoten Wesen zueinander oder jene nach einer untoten Gesellschaft innerhalb der Shadowfell wird kaum behandelt.
Kapitel 2 – Spielleiterhilfen zu Untoten Ebenfalls etwas zu kurz kommt meiner Meinung nach der nächste Teil - Sozialbegegnungen mit Untoten. Der Titel verheißt zumindest für mich mehr als die zwei kurzen Skillchallenges, die es dann ausmachen, plus den kurzen Teil über Motivationen für Untote, überhaupt mit den Spielern zu reden. Da hätte man viel mehr draus machen können. Zum Beispiel mittels einer Skillchallenge, in der zwei Vampirgruppen gegeneinander ausgespielt werden oder ähnliche Dinge, in denen man detaillierter auf die Motivationen einzelner (Beispiel-)Untoter hätte eingehen können.
Viel besser gefällt mir der nächste Teil über Spukstätten, die man dann regeltechnisch als Fallen, Hindernisse, Terrain oder Skillchallenges einsetzen kann - jeweils mit einem Beispiel. Das ist kurz und ohne Schnickschnack beschrieben, aber hilfreich und ausreichend, um eigene Ideen zu basteln.
Diese guten Einfälle und Umsetzungen setzen sich dann auch bei den Beispielabenteuern zum Thema Untote fort, bei denen sich auch sinnvolle Spielleitertipps finden, um das Thema stimmungsvoll umzusetzen, sowie als Skillchallenge die Flucht vor einer Zombiehorde. Die Ideen an sich sind logischerweise nicht neu, doch hier wirkt alles stimmungsvoll und hilfreich so dass man Lust bekommt, das einfach einmal auszuprobieren. Auch die drei Beispielkampagnen, welche aufzeigen wie sich eine Untoten-Bedrohung über mehrere Stufengrade bis in den epischen Bereich entwickeln kann, gefallen mir gut und sind auch vom Ablauf her in sich weitgehend stimmungsvoll. Sinnvoller wäre hier allerdings gewesen, nur eine Kampagne detaillierter darzustellen.
Bis hierhin hat sich das Buch eigentlich komplett an Spielleiter gerichtet, und nun kommen die einzigen beiden Stellen, an denen davon leicht Ausnahmen gemacht werden. Zunächst einmal werden Artefakte vorgestellt: Jets schwarzer Ionenstein, der Spiegel der Geheimnisse, die Zaubersphäre des Lichts, die silberne Maske von Kas, das Seelenschwert, das Schwert von Kas, das Buch der Schatten, das Familienschwert von Zarovich. Nicht immer wird dabei klar, wann Artefakte ihren Besitzer wieder verlassen, und leider werden die Grundlagen der Artefakte auch nicht noch einmal angesprochen. So muss man anderswo nachschauen, insgesamt ist das aber nur ein Schönheitsfehler. Besonders gut gefällt mir hier der Spiegel der Geheimnisse, welcher sicherlich als ein Artefakt eingesetzt werden kann, um auch wichtige NSCs zwielichtiger erscheinen zu lassen oder entgegen ihrer Gesinnung agieren zu lassen .
Ebenfalls nicht nur – aber vor allem – für den Spielleiter nützlich sind die 8 Rituale. Mir fehlt hier eigentlich noch eines, um echte Untote Kämpfer/Wächter zu erschaffen - leider reicht es nur zu untoten Dienern, welche dann nicht kämpfen können. Sowas gehört eigentlich in ein Buch über Untote hinein. Für sich genommen ist Undead Servitor aber ein sehr interessantes Ritual und sicher ein Highlight des Buches. Auch die restlichen Rituale wissen mich zu überzeugen, Gravesight lässt zum Beispiel durch die Augen eines Untoten Dieners blicken, womit man als Spielleiter einen schönen Weg hat, um den Meister der Kreaturen als einen durch diese spionierenden Oberbösewicht einzuführen.
Im nächstem Abschnitt geht es um die schon im Libris Mortis gezeigten untoten Implantate. Diese haben diverse Vorteile, was sie vor allem gut als Mittel eignet, um NPC aufzuwerten (und dabei gleich noch etwas böser erscheinen zu lassen), aber auch Nachteile, die es möglich zu machen, sie den Spielern ohne deren Willen einzupflanzen und zu motivieren, das Zeug wieder heraus zu bekommen. Nette Idee, hübsch gemacht. Positiv hervorzuheben wäre, dass die Mali nicht fix an bestimmte Implantate gebunden sind, sondern frei vom SL zugewiesen werden können. Das dürfte zumindest verhindern, dass Spieler Vor und Nachteile gegeneinander abwägen.
Kapitel 3 – Untote Behausungen Während ich im Normalfall diese Abschnitte beim Lesen nur überfliege, habe ich mir diesmal die Mühe gemacht und den nächsten Teil des Buches einfach probegespielt, genauer gesagt drei der neun Beispiele.
Es handelt sich hierbei um den Friedhof von Col Fen, den Blutturm der Morlande und die Kravenghast Nekropole. Die weiteren Untoten Behausungen habe ich mir auch durchgeschaut, gerade im Herz des Blutlords oder im Turm des Zoramadria hätte ich mich rein vom Lesen her gern noch ein paar epischen Gegnern gestellt. Die Behausungen selbst sind nach Stufen aufsteigend geordnet und decken dabei jeweils mit drei Beispielen die drei Stufenbereiche der vierten Edition ab.
Zu den drei von mir bespielten Beispielen:
Am Friedhof von Col Fen treiben sich Untote herum, die die Umgebung terrorisieren. Schuld daran sind ein paar uralte Gräber, die schon standen als die Siedler hier ankamen und ein Onyxkristallschädel lockt Untote von weither an. Schon sind ein paar Dörfler verschwunden. Ich komme in das Dorf als Körperhändler, angeheuert um (???) einem Magier zwei Leichen mitzubringen, die dieser dann für seine Experimente missbrauchen kann. Welche Ausrede könnte da besser sein, als auf dem Friedhof “nach dem Rechten zu sehen”? Beide Quest – Aufhänger lassen sich sehr gut miteinander verbinden und dafür nutzen, die Motivation der Charaktere einzubringen.
Das Abenteuer selbst bietet wenig überraschendes, hat aber einen schönen Rhythmus, sprich die Herausforderungen eignen sich, um Spannung aufzubauen. Empfangen wird man von untoten Hunden und schaurigen Beschreibungen von Schreien in der Nacht, in den Krypten selbst trifft man auf knackigen Wiederstand. Hier sehe ich auch eine der schwächen des Miniquests – wer nur die Motivation hat, die Leichen zu holen wird an dieser Stelle auf die entführten Dörfler pfeifen. Das wäre schade, denn später rettet die Quest das ganze noch, indem man statt Leichen die Ghoule zum Magier bringen und somit mehr als nur das Gewünschte liefern kann. Unter anderem 2 Stufe 5 Ghoule und ein Stufe 5 Pale Reaver sind vom Namen her aber auch nicht gerade passende Gegner für eine Stufe 1 Gruppe, darum sollte man sich dies gut überlegen. Durch die Umgebung wird immerhin einiges erleichtert – in den engen Krypten können sich die Charaktere die Monster gut vornehmen, so dass ich überraschend wenige Probleme hatte. Mit blindem hereinstürmen oder ohne Kleriker hätte es aber wohl ein Debakel für uns gegeben.
Insgesamt ein guter Einstiegspunkt in ein Abenteuer mit einer netten Einstiegsidee. Damit erfüllt diese Quest genau das, was man von einer Stufe 1 Herausforderung erwarten kann.
Der Blutturm der Moorlande ist ein vor langer Zeit versunkener Turm, der durch eine Nekromantin wieder ans Tageslicht gebracht wurde. Das war es eigentlich auch schon an Questaufmachung und auch der Rest dieser Untotenbehausung wirkt sehr schlecht ausgearbeitet. Man erfährt nichts hilfreiches über den Erschaffer des Turms, nichts über die Nekromantin – nicht mal, woher der Turm seinen tollen Namen hat wird erwähnt. Es könnte jeder Turm sein, und die zwei Kämpfe reißen für mich hierbei nichts heraus.
Wesentlich besser und interessanter spielte sich dann wieder die Kravenghast Nekropole. Der Aufhänger ist die Rache für verstümmelte Dörfler und ein Lich in der Krypta – simpel, aber auf dieser Stufe muss man solche Quests ohnehin in eine Geschichte einbinden. Im Hintergrund wurde die Nekropole von einem Lich übernommen und Kravenghast, der Nekromant des Ortes, spukt dort nur noch als Geist herum. Draußen wird man gleich von Gespenstern, Gargoyles und Grubenwichten erwartet, die mir sehr gefallen aber nicht viel Schaden angerichtet haben.
Kravenghast kann man anschliessend per Skillchallenge oder Waffengewalt zur Mitarbeit bringen oder im Kampf besiegen. Letzteres ist ganz schön viel Arbeit, denn Kravenghast ist ein recht starker Gegner, wenn man ihm nicht gerade als Paladin oder Kleriker gegenübersteht, insbesondere weil der Raum auch noch eine Falle beinhaltet, welche in jeder Runde neu ausgelöst wird. Zeigt er der Gruppe den Weg zum Tempel des Liches, stellt sich heraus, dass es sich um zwei dieser Wesen handelt. Neben Mautherreign erwartet uns noch ein Aboleth Overseer Lich namens Pavan. Machen wir es kurz - ich habe dies nicht überlebt, aber viel Spass gehabt.
Insgesamt gefallen mir die Miniquests in diesem Kapitel gut – mit dem Blutturm hatte ich eine der schwächsten dabei, aber es sind durchaus interessante Ideen.
Kapitel 4 – Neue Monster Hier finden sich auf 70 Seiten mehr oder weniger neue Monster, welche hauptsächlich Variationen bekannter Wesen darstellen. Überwiegend sind die Monster wohl als klassisch zu bezeichnen, die ganz neuen Ideen halten sich in Grenzen. An und für sich auch verständlich, trotzdem hätte man es mit etwas mehr Details besser machen können. Es muss ja nicht immer etwas Neues sein, das man interessant darstellt. Problematisch wird das vor allem bei Kreaturen, die schon ähnlich im Monster Manual auftauchen. So stehen von einem Corpse Vampire gebissene Menschen als Corpse Vampire wieder auf. Von einem Vampire Lord gebissene Wesen brauchen dagegen erst ein Ritual, um ein echter Vampir zu werden. Die Regelung im Open Grave mag besser sein und besser zu Vampiren in klassischer Form passen - inkonsequent ist es dennoch und irgendwie wäre hier vielleicht eine umfassendere Regelung angebracht gewesen, die auch die Regeln des Monster Manual einbezieht. Für sich genommen ist die Regelung im Open Grave aber sicher stimmig.
Stimmig ist sicher auch die untote Halle der Verrufenheit mit altbekannten und mächtigen Typen für epische und preepische Begegnungen. der Demilich Acererak, Ctenmir der Vampir, Kas der Verräter, Kyuss, Osterneth, Strahd von Zarovich, sowie zu guter Letzt Vecna als Stufe 35 Solo Controller. Inwieweit es für SLs tatsächlich nützlich ist, sei mal dahingestellt: gerade Begegnungen mit solch ikonischen Nichtspielercharakteren sollte man wohl ohnehin etwas intensiver ausarbeiten und mehr von der tatsächlichen Spielsituation hereinbringen als in so einem Statblock enthalten ist. Vergleichbar ist das ganze letztlich mit Statistiken von Elminster und Co. Trotzdem natürlich interessant zu lesen und eine gute Orientierungshilfe, falls man doch mal gegen diese Gegner antritt.
Was mir noch gut gefallen hat, sind die letzten zwei Abschnitte im Buch. Zum einem gibt es neue Templates, von denen man ja so oder so immer mal welche gebrauchen kann. Wichtiger aber sind: Alternative Powers für Monster. Die 4E lebt bezüglich ihrer Monster von deren Verschiedenheit und der Möglichkeit, dass zwei ähnliche Wesen nicht zwingend ähnliche Aktionen starten müssen. Ausführlich genutzt wird diese Möglichkeit aber nicht an jeder Stelle. Alternative Powers für Monster sind da genau das richtige, um mehr Flexibilität reinzubringen. Gerade Sachen wie der schwächende Angriff eines Ghouls machen einfach Sinn. Sowas könnte sich allgemein bzw. auch in einem Monster Manual II oder einem Dragon Magazine gut machen, kurzum: Alternative Powers für Monster sind einfach eine gute Idee.
Fazit:Open Grave ist in jedem Fall eines der besseren Bücher der vierten Edition und steht aus meiner Sicht dem Draconomicon der 4E und dem Libris Mortis als Vorgängerprodukt in Nichts nach. Gegenüber dem Libris Mortis der 3.5er Edition hat sich vor allem der Fokus der Zielgruppe geändert: Das Buch richtet sich sehr stark an Spielleiter und hat nur sehr wenige für Spieler nutzbare Inhalte. Die Optik und die generelle Aufmachung gefallen mir sehr gut und es gibt viele lobenswerte Ideen für Regelumsetzungen. Auch der Hintergrundbereich wird mit nützlichen Infos abgedeckt und die ikonischen Bösewichter sind interessant. Allerdings muss man gerade beim Hintergrund und den untoten Implantaten die Frage stellen, ob Besitzer des Libris Mortis nicht vieles rein kopiert vorkommen wird. Das Fehlen von Spielermaterial, um Nekromanten darzustellen schlägt bei mir ebenfalls punktmindernd zu Buche, das Spielen eines Nekromanten wird nicht thematisiert.
Insgesamt überwiegt aber das Positive, auch bei den bekannten Themen ist die Umsetzung in der 4E meist gelungen und Interesse weckend. Aus meiner Sicht schafft es das Open Grave auch etwas besser als das Draconomicon, sich von seinem Vorgängerprodukt Libris Mortis zu lösen und ist an vielen Stellen das bessere Buch .
Für Spielleiter der vierten Edition gibt es darum eine klare Kaufempfehlung, Spieler können aber mit dem Open Grave sicher weniger anfangen und obwohl das Buch eine Bereicherung für das Spiel jedes 4E Spielers sein kann, lässt es doch noch viel Potential ungenutzt und punktet vor allem mit neuer und kreativer Umsetzung von altbekanntem Inhalt.
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