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Geister der Vergangenheit
Bewertung:
(3.6)
Von: Nico Bracht
Alias: Cut
Am: 12.03.2009
Autor:Fabian Wagner, Jürgen E. Franke
Typ:Abenteuerband (Zwei Abenteuer)
System:MIDGARD (M4)
Setting:MIDGARD
VerlagVFSF / Midgard Press
ISBN/ASIN:978-3-924714-87-1
Inhalt:66 Seiten, Softcover
Sprache:Deutsch

Das Produkt:

Geister der Vergangenheit ist ein Abenteuerband für das MIDGARD-Fantasy-Rollenspiel. Auf 66 Seiten enthält dieses Softcover Heft zwei Abenteuer. Das deutlich längere „Ziegenspuren“ und das auf knapp 10 Seiten abgehandelte Abenteuer „Eine verhängnisvolle Erbschaft“. Fabian Wagner bzw. Jürgen Franke sind die Autoren des ersten bzw. des zweiten Abenteuers.

 

Das Heft:

Wie bei MIDGARD Abenteuern gewohnt, bekommt man ein Softcoverheft für sein Geld. Dieses mal umfasst der Band 66 Seiten, die mit schlichtem aber angenehm klaren Druckbild in schwarz-weiß und mit den für MIDGARD-Produkte typischen Zierborten am Kopf der Seite versehenen Motiven. Beim ersten Abenteuer „Ziegenspuren“ sind dies passenderweise Ziegenköpfe, beim zweiten enthaltenen Abenteuer „Eine verhängnisvolle Erbschaft“ scheint es sich um einen Bären zu handeln, wenngleich auch ein großer Hund Sinn machen würde.

Das Titelbild ist (wie immer) vollfarbig und zeigt eine vermeintlich junge, nackte Frau von hinten, die scheinbar in einer Art rituellen Handlung begriffen ist. Bei ihrem Gegenüber könnte es sich um Pamis handeln, eine nicht unwichtige Figur aus dem ersten Abenteuer „Ziegenspuren“. Das Abenteuerheft ist laut den Angaben auf der ersten Seite für Spieler ab 16 Jahren und 3-5 Spielerfiguren der Grade 3-6 gedacht.

 

Die Abenteuer:

„Ziegenspuren“.

Das von Fabian Wagner erdachte Abenteuer nimmt den Löwenanteil des Heftes ein. Die Spielerfiguren erhalten den Auftrag, die Kinder eines geistlichen Würdenträgers sicher in eine andere Stadt zu geleiten. Unterwegs passieren einige Dinge, ehe in einer Stadt der Junge (eines der Kinder) der Gruppe abhanden kommt. Hierdurch werden die Spielerfiguren in einen Jahrzehnte alten Streit zwischen der herrschenden Schicht und dem fahrenden Volk hineingezogen. Eine lange Zeit und großes Unrecht liegen zwischen den beiden Parteien und die Spielerfiguren werden unweigerlich in den gerade wieder hochkochenden Konflikt hineingezogen. Letztendlich können sie nicht neutral bleiben und müssen sich entscheiden, ob sie auf Seiten der rücksichtslosen herrschenden Schicht oder auf Seiten des auch nicht immer astrein handelnden, aber seit Jahrzehnten schlecht behandelten Fahrenden Volkes stehen wollen.

 

Das Abenteuer an sich ist so aufgebaut, dass es der Spielergruppe offen steht, für welche Seite des Konflikts sie Partei ergreifen wollen. Dies ist sicherlich ein löblicher Ansatz, dürfte aber manche Spielergruppen vor einige Probleme bei der Umsetzung stellen. Es spielen nämlich Gerüchte, Hintergrundwissen, persönliche Einschätzung und Vorlieben der Spieler allesamt mit in den Entscheidungsprozess, der letztlich dazu führen soll, auf welcher Seite die Spieler eingreifen. Unerfahrene Spielleiter werden hier sicherlich vor eine große Herausforderung gestellt. Da es keinen roten Faden im Abenteuer selbst gibt und dieSpielergruppe recht freie Hand hat, kann man hier viel Spaß und lohnendes Rollenspiel erleben oder aber grandios scheitern. Den Ansatz, ein solches Abenteuer einmal zu versuchen, halte ich jedoch für absolut lobenswert.

 

Auch die Umsetzung ist detailliert, gut durchdacht (wenngleich ich auch nicht an allen Stellen mit der Entwicklung und Schilderung zufrieden war) und sicherlich spielbar. Es ist sicherlich hilfreich, wenn sich die Gruppe gut in der Kultur und den Hintergründen der MIDGARD Welt auskennt. Dieses Abenteuer nimmt Bezug auf diverse Kulte und Religionen und spielt im Herzogtum Palatinea. Eine Umsetzung auf ein anderes Rollenspiel-System würde aufgrund der tiefen Verwurzelung der religiösen Aspekte sicher einige Schwierigkeiten aufwerfen.

 

Einige wenige Illustrationen sowie gut gemachte Zeichnungen und Grundrisse runden den Abenteuer-Text ab. Für eine motivierte Gruppe um einen Spielleiter, der sich genügend Zeit nimmt, sich mit dem Abenteuer und seinen Hintergründen vertraut zu machen, können die „Ziegenspuren“ ein lohnendes Abenteuer sein.

 

Auf den letzten ca.10 Seiten des Heftes wird noch ein zweites Abenteuer vorgestellt. Es trägt den Titel: „Eine verhängnisvolle Erbschaft“. Der Abenteuerhintergrund geht davon aus, dass eine der Spielerfiguren ein Erbe im Grenzgebiet zwischen Clanngadarn und Alba antreten soll. Ihm oder ihr wurde ein Lehen zuteil. Die Gefährten reisen nun an den Ort des Lehens und müssen feststellen, dass die Burg, die zum Lehen gehört, verwahrlost ist und sich einige schaurige Sagen (a la „Der Hund von Baskerville“) um das Lehen ranken. Es ist nun an den Spielerfiguren, aufzuklären was vor vielen Jahren hier geschehen ist. Dabei begegnen sie mehr oder weniger überirdischen Herausforderungen und müssen dies- und jenseitigen Gefahren die Stirn bieten. Inhaltlich greift das Abenteuer das im Mittelalter praktizierte „Recht der ersten Nacht“ auf. Wie man zur Verarbeitung solcher Themen in einem Rollenspielabenteuer steht, muss jeder Spielleiter und Spieler für sich selber wissen.

 

Im Vergleich zum extrem detailliert ausgearbeiteten Abenteuer „Ziegenspuren“, handelt es sich bei der „Erbschaft“ eher um das Gerüst, an dem man eine Handlung aufbaut, denn um ein voll ausformuliertes Abenteuer. Dies bedeutet, dass der Spielleiter zwar solides Material an die Hand bekommt (NSC-Werte, Karten und Zeichnungen und einen Plot), aber dass er selbst viel Zeit investieren muss, um dieses Szenario mit Leben zu füllen. Gerade als ein stets von Zeitnot geplagter Spielleiter hätte ich mir vielleicht noch eine weitere Ausformulierung gewünscht, die ich jederzeit hätte verwerfen können, die mir aber zur Not viel Zeit und Arbeit abgenommen hätte.

Der Autor gibt als Inspiration für die Geschichte eine Folge der Zeichentrick-TV-Serie „Duck Tales“ an, die ihrerseits von „Der Hund von Baskerville“ beeinflusst ist. Mir gefällt es, wenn man sich von gewissen Dingen inspirieren lässt und sich dann auch nicht zu fein ist, diese Verwandtschaft zu zugegeben.

 

Die „Erbschaft“ ist sicherlich kein Meilenstein, aber durchaus ein grundsolides Rollenspielabenteuer mit einigen interessanten Kampfbegegnungen und Interaktionen mit der Bevölkerung. Am Ende kann der Spielleiter das Abenteuer auch dazu nutzen, der Gruppe einen eigenen Landsitz (das Lehen des Erben) mit geregeltem Einkommen aber auch diversen Pflichten zukommen zu lassen. Für Gruppen die ohnehin im Raum Alba – Clanngadarn spielen, lohnt sich ein Blick in den zweiten Teil des Bandes „Geister der Vergangenheit“ sicherlich.

 

Das Fazit:

Der Band „Die Geister der Vergangenheit“ enthält zwei vorgefertigte Abenteuer für das MIDGARD Rollenspiel. Dabei ist das erste Abenteuer „Ziegenspuren“ deutlich länger und anspruchsvoller als das wesentlich kürzer dargestellte Abenteuer „Eine verhängnisvolle Erbschaft“. Beiden Abenteuer ist gemein, dass sie sich mit einem in der Vergangenheit liegenden Unrecht beschäftigen, das in Gegenwart der Spielerfiguren zu Tage tritt und ihr Einschreiten erfordert. Während bei den „Ziegenspuren“ der Entschluss, wie und auf welcher Seite des Konfliktes die Spielerfiguren agieren möchten, absichtlich offen gestaltet ist, müssen sich die Figuren im Rahmen der „Erbschaft“ quasi von Amts wegen mit einem Mordfall aus der Vergangenheit beschäftigen.

Beide Abenteuer versprechen einiges an Spielspass, brauchen allerdings beide einiges an Zeit und Vorbereitung auf Seiten des Spielleiters. Bei „Ziegenspuren“ liegt das daran, dass man als Spielleiter viel an Informationen (in Form von Gerüchten und Hintergründen) an die Spieler weitergeben und sich auf zwei völlig unterschiedliche Lösungsansätze einrichten muss. Bei der „Erbschaft“ ist einiges an Arbeit in die Ausformulierung und Umsetzung des Abenteuerplots zu investieren. Für Spielleiter, die nur ein schnelles, aus dem Heft spielbares Abenteuer suchen, ist der Band „Die Geister der Vergangenheit“ vielleicht weniger interessant als für den Spielleiter, der sich zwar Zeit nehmen kann, ein Abenteuer gründlich vorzubereiten oder auszuarbeiten, dem es aber an einer ausbaufähigen Idee fehlt. Für die zweite Gruppe von Spielleitern, die nur nach einer Idee suchen, die sie dann für ihre Gruppe umsetzen können, ist der Band sicherlich sehr gut geeignet. Des weiteren sollte die Gruppe durchaus Interesse an Interaktion mit Nichtspielerfiguren haben. Sonst könnte gerade „Ziegenspuren“ zu einem Abenteuer werden, welches den Spielern zu wenig Action bietet. Dafür ist dann im Rahmen des zweiten Abenteuers mehr Aktion angesagt und man kann der Spielergruppe einen festen Wohnsitz mit Pflichten und Einkommen zukommen lassen.

 

Ich bewerte das gelungene Produkt mit 3,6 Punkten.