Links zur Rezension Dungeon Delve ist ein Kurz-Abenteuer-Sammelband und wird von WotC als ein vielseitiges Buch angepriesen. Dungeon Delve soll dem Spielleiter (SL) Mini-Abenteuer für jede Stufe bieten, so dass er mit minimaler Vorbereitungszeit einen Spielabend bewältigen kann. Das Buch soll zudem eine Starthilfe für Anfänger-SL sein, insbesondere für Spieler, die gerne mal in die Rolle des SL schlüpfen würden. Zuletzt soll Dungeon Delve seinem Namen alle Ehre machen und dem SL ermöglichen ein sogenanntes „Delve Event“ zu leiten.
Einleitung und ÜbersichtDungeon Delve beginnt mit einer kurzen Einleitung, in der die oben genannten Ziele des Buches kurz erläutert werden. Insbesondere wird erklärt, was ein „Delve“ ist. Dieses Format ist vor allem von Rollenspiel-Cons bekannt. Hierbei handelt es sich um ein eher wettbewerbsorientiertes Dungeon Crawl, in dem die Spieler versuchen, solange wie möglich in einer klassischen Dungeon-Umgebung zu überleben und im Dungeon voranzukommen, während der SL gezielt versucht, die Abenteuergruppe zu stoppen und zu vernichten. Bei dieser Art von Spiel haben natürlich Erzählung und Charakterspiel nur eine geringe Bedeutung und der Wettbewerb steht im Vordergrund.
Des Weiteren gibt es ein paar Tipps zum Anpassen der Mini-Abenteuer, z.B. wie man Monster austauscht, wenn mehr oder weniger als fünf Spieler + 1 SL mitspielen. Diese Tipps sind aber auf das Nötigste beschränkt.
Wo wir gerade bei Monstern sind: Dungeon Delve enthält 42 neue Monster für alle Stufenbereiche. Diese Monster sind aber nicht separat dargestellt, sondern in die Abenteuer integriert, so dass es auch keine Beschreibung der Monster im Stile des Monster Manual gibt. Die Spielwerte befinden sich daher nur in den jeweiligen Abenteuern und wenn es eine Beschreibung gibt, so ist diese auf das Abenteuer bezogen. Eine Tabelle in der Einleitung ermöglicht es aber, alle neuen Monster auf Anhieb zu finden. Die meisten Monster sind ohnehin Varianten bekannter Monster aus dem Monster Manual, z.B. Kobold Cleaver, Hezrou Mangler, Windrage Harpy etc.
Bevor wir zum Inhalt kommen, vorweg etwas zur Gestaltung des Buches. Dungeon Delve enthält nur in der Einleitung etwas Artwork und natürlich auf dem Cover des Buches. Das Cover ist von Wayne Reynolds und zeigt einen Tiefling Fighter und eine menschliche Kriegerin und wenn ich mich richtig erinnere, war dieses Bild das ursprüngliche Cover Bild des 4E PHB. Meines Wissens ist keines der handvoll Bilder in Dungeon Delve recycled worden und aus einem 3E oder 4E Buch bekannt.
Jede Begegnung wird von einer farbigen Kampfkarte im Bodenplanstil begleitet. Diese Karten basieren allesamt auf Dungeon Tiles Sets und können somit mit diesen 1:1 nachgebaut werden oder alternativ auf einen Bodenplan gemalt werden. Die Karten sind gut gelungen, wirken aber natürlich ein wenig konstruiert und nicht „realistisch“, da die Dungeons mit den Dungeon Tiles natürlich zu sehr eckigen Räumen führen. Für die einzelnen Mini-Abenteuer werden ausschließlich neuere Dungeon Tile Sets verwendet und für ca. 1/4 der Abenteuer braucht man das Set doppelt, um den Dungeon komplett aufbauen zu können. Die Dungeons in Dungeon Delve basieren auf den folgenden Dungeon Tile Sets: DU 1: Halls of the Giant Kings (teilweise braucht man zwei Sets), DU 2: Streets of Shadow (teilweise braucht man zwei Sets), DU3: Caves of Carnage, DT 6: Dire Tombs (teilweise braucht man zwei Sets) und DT 7: Fane of the Forgotten Gods. Diese Sets sollte man noch käuflich erwerben können und sie sind meines Wissens nicht vergriffen.
Die AbenteuerDer Hauptteil des Buches erstreckt sich von Seite 12 bis 191 und umfasst 30 Mini-Abenteuer für alle 30 Stufen der 4E Grundregeln. Jedes Abenteuer besteht exakt aus drei Begegnungen, so dass das Buch insgesamt 90 Begegnung enthält Das Abenteuer beginnt mit einer kurzen Einleitung. Hier wird die sehr knappe Story und der Background des Abenteuers erläutert und darauf eingegangen, welche Dungeon Tile Sets für den „Delve“ benötigt werden und ein paar Tipps gegeben, um das Mini-Abenteuer auszubauen und interessanter zu gestalten.
Bei den Abenteuern handelt es sich durchgehend um klassische Dungeon Crawls mit fast ausschließlich Kampfbegegnungen. Die einzelnen Begegnungen sind im bekannten Delve-Format gestaltet, welches bereits in den letzten Jahren der 3E verwendet wurde. Das bedeutet, dass besonders viel Wert auf Übersichtlichkeit gelegt wird, z.B. sind alles Stat-Blocks aller in den Begegnungen vorkommenden Monster mit abgedruckt. In der Regel erstreckt sich eine Begegnung über zwei Seiten, so dass man immer den Überblick über die Begegnung behält und nicht blättern muss. Natürlich ist dieses Format nicht gerade Platz sparend, aber sehr übersichtlich.
Alle Abenteuer beginnen mit einer kurzen Background-Beschreibung, einer Angabe welche Dungeon Tile-Sets verwendet werden und die bereits erwähnten Anpassungstipps um die Mini-Abenteuer zu „richtigen“ Abenteuern auszubauen. Ich will das kurz an dem Level 1 Abenteuer Coppernight Hold erläutern.
Die Geschichte von Coppernight Hold ist wie bei allen Abenteuern äußerst simpel. Die Ausgrabungsstätte eines Zwergen-Ausgräbers, wurde von einem Weißen Drachen Wyrmling und seinen Koboldanhängern überrannt. Der Bürgermeister einer nahen Ortschaft, der seit einigen Wochen nichts mehr von der Ausgrabungsstätte gehört hat, hat zwei Leute seiner Miliz zu der Ausgrabungsstätte geschickt, wo einst die kleine Festung Coppernight Hold stand. Sie sind nicht zurückgekehrt. Die SC sollen aufklären was dort geschehen ist. Mehr Geschichte gibt es nicht.
Nahezu alle Abenteuer basieren auf so einem Plot. Irgendein Auftraggeber schickt die SC zu einem Ort, wo der kleine Mini-Dungeon wartet, den sie erforschen müssen. Wechselnd ist jeweils nur die Motivation des Auftraggebers, wie z.B. verschwundene Personen,Beschaffung eines Gegenstandes, Eliminierung eines gefährlichen Gegners usw. Teilweise werden die SC direkt in das Abenteuer hineingeführt, z.B. sind sie bei einer Auktion anwesend, die dann von Monstern überfallen wird. Die Spuren der Angreifer führen in die Abwasserkanäle unter der Stadt und die SC nehmen die Verfolgung auf.
In dem oben beschriebenen Abenteuer Coppernight Hold, beginnt dieses mit einem Kampf um die Ausgrabungsstätte gegen ca. ein Dutzend Kobolde. Dort können die SC dann über ein Loch zu den Katakomben unter der Ausgrabungsstätte gelangen und finden weitere Kobolde, angeführt von einem Kobold-Priester. Der letzte Raum beinhaltet dann natürlich den Wyrmling und weitere Kobolde, darunter auch die neuen Kobold Cleavers (Level 2 Minion). In den jeweiligen Kämpfen werden fast immer alle aufgemalten Sonder-Elemente auf den Dungeon-Tiles in den Kampf mit einbezogen. Z.B. zeigt eine „Tile“ ein Bärenfell als Teppich auf dem Boden, dann wird dieses Element in der Begegnung eine Rolle spielen.
Wie man sieht, sind die Plots und das Abenteuer absolut simpel gehalten. Viele der Plots sind sogar so simpel, dass es schwer ist, diese gehaltvoll auszubauen. Die Ausbauhinweise für die Mini-Abenteuer geben dem ganzen selten mehr Tiefe, aber die eine oder andere interessante Idee ist zumindest vorhanden. Bei dem oben erwähnten Abenteuer Coppernight Hold gibt es beispielsweise drei Tipps:
1. Der Ausgrabungsleiter, der Zwerg Kavalar Coppernight, könnte sich in den Katakomben irgendwie verbarrikadiert haben und wird von weiteren Kobolden belagert. Die SC finden einen Hinweis und müssen den Minenleiter retten. 2. Im Rahmen einer Skill Challenge können die SC ein magisches Kommunikationssystem finden und benutzen. Haben die SC Erfolg, so können sie mit Kavala Coppernight reden, der ihnen die Festung und weitere Gefahren/Gegner beschreibt. 3. Eine Shadar-Kai Hexe könnte der Mastermind hinter dem Wyrmling und den Kobolden sein, sie sucht eine magische Quelle in Coppernight Hold, die mit dem Shadowfell verbunden ist.
Wie man sieht, geben die Tipps dem Abenteuer ein wenig mehr Tiefe, auch wenn die Mini-Abenteuer natürlich nicht wirklich an Komplexität gewinnen. Letztlich muss man bei allen Tipps auch selber Hand anlegen und z.B. die oben erwähnte Skill Challenge komplett selber ausarbeiten bzw. sich selber ausdenken, wie die Shadar-Kai Hexe heißt, was es mit der magischen Quelle auf sich hat usw.
Keines der Abenteuer in Dungeon Delve ist wesentlich komplexer gestaltet. Um sich eine noch bessere Vorstellung von den Abenteuern zu machen, ist das unten angegebene Excerpt empfehlenswert, welches das komplette Level 3 Abenteuer Orc Stronghold beinhaltet. Einige Abenteuer haben zwar Fallen, Obstacles oder Hazards. Skill Challenges sind eine Seltenheit, ich habe vier auf 90 Begegnungen gezählt, Fallen, Obstacles usw. nicht mit eingerechnet. Bei einigen Abenteuern können die SC auch neue magische Gegenstände finden, die dann ebenfalls beschrieben werden. Bei einigen der Abenteuer gibt es Tipps der Autoren, etwa zu Spezialfähigkeiten einiger Monster oder wie die Begegnung am besten zu leiten ist. Teilweise sind sogar Rollenspieltipps dabei. Alle Tipps richten sich aber an Spielanfänger und sind absolute Basis-Tipps. Erfahrenen SLs werden keinen Nutzen davon haben.
Fazit:Dungeon Delve wird nur einem der in der Einleitung genannten Ziele halbwegs gerecht. Das Buch bietet Abenteuer für jede Stufe, die man ohne größere Vorbereitung einsetzen kann. Jeder SL kennt sicherlich die Situation, dass er keine Zeit hatte ein Abenteuer vorzubereiten oder ihm das vorbereitete Material zu schnell ausgegangen ist und er mit leeren Händen da steht. Für diese Abenteuer ist Dungeon Delve ganz praktisch.. Die Abenteuer sind so simpel, dass man 5-15 Minuten braucht, um sich einzulesen und jedes Abenteuer ist umfangreich genug, so dass man damit 3-5 Stunden verbringen kann.
Dungeon Delve ist dagegen kein gutes Buch, um einem Spieler das SL-Handwerk beizubringen. Das Buch bietet diesbezüglich keine große Hilfestellung. Das einzige, was man mittels der Abenteuer aus Dungeon Delve lernen kann, ist Kämpfe aus SL-Sicht zu leiten. Das muss ein SL zwar auch erstmal lernen, aber die meisten Spieler sollten eine ungefähre Vorstellung davon haben, da man als Spieler ja selber die Regeln zumindest teilweise kennt.
Was der angehende SL aber nicht kennt, sind die Fähigkeiten des SL als Erzähler, Improvisationstalent, wie man Spannung erzeugt, Atmosphäre schafft, NSC beschreibt und führt usw. Diese Dinge lernt man natürlich nicht anhand eines Dungeon Crawls, welcher die SC direkt in das Abenteuer schleudert. Hier wurde die Chance verschenkt, dass man beispielsweise Szenen einbaut, in denen die SC mit einem NSC länger reden müssen, wo es darauf ankommt, dass langsam eine spannende Atmosphäre aufgebaut wird und ähnliches. Auch wie man eine Skill Challenge leitet, wird man mit Dungeon Delve sicher nicht lernen.
Trotz des Namens taugt Dungeon Delve auch nicht für einen richtigen „Delve“. Die Abenteuer sind nicht so ausgelegt, dass sie zu einem Wettkampf zwischen SC und SL taugen und es letztlich darauf ankommt, dass die SC so weit wie möglich in das Dungeon vordringen. Tatsächlich sind ja alle Abenteuer nach drei Begegnungen zu Ende. Da die Abenteuer auch nicht verknüpft sind, kann man nicht nahtlos mit dem nächsten Mini-Abenteuer weitermachen. Zwar gibt es in der Einleitung den Hinweis, dass man die Abenteuer ja auch storytechnisch verbinden kann. Wie man das machen soll ist aber nicht angegeben, sondern völlig dem SL überlassen. Da die Abenteuer teilweise absolut nicht zusammenpassen, ist das fast ein Ding der Unmöglichkeit. Zudem sind die Abenteuer ja jeweils für andere Stufen konzipiert, aber man wird nicht nach jedem Abenteuer aufsteigen, so dass früher oder später die Abenteuer viel zu schwer werden, selbst wenn man sie miteinander verknüpft. Richtiges „Delve Feeling“ will so also nicht aufkommen. Um das zu bewerkstelligen, hätte man mehrere Mini-Abenteuer miteinander verbinden müssen, z.B. immer drei Abenteuer und diese hätten auf einen Stufenbereich ausgelegt sein müssen.
Somit taugt Dungeon Delve nur als Abendfüller, wenn man als SL nichts vorbereiten konnte, aber man ein Abenteuer braucht oder man einfach mal so Lust hat ein paar Kämpfe zu spielen, z.B. weil ein Spieler krank ist aber die Session nicht abgeblasen wurde. Allerdings ist auch dieser Nutzen zweifelhaft. Die Abenteuer sind jeweils so simpel, dass ein halbwegs erfahrener SL sich relativ mühelos ein solches Abenteuer „on the spot“ ausdenken kann. Ich würde sogar sagen, dass die meisten erfahrenen SL ein viel gehaltvolleres Abenteuer improvisieren können als die 30 Abenteuer aus Dungeon Delve. Somit taugt Dungeon Delve eigentlich nur, wenn man wirklich ein simples kurzes Dungeon Crawl haben will. Dann ist es sicherlich praktischer ein vorbereitetes Abenteuer zu haben, als eines mit Zufallstabellen erwürfeln zu müssen, zumal die Abenteuer in Dungeon Delve die Dungeon Tiles teilweise recht kreativ einsetzen.
Insgesamt also ein eher unterdurchschnittliches Produkt. Dass es nämlich besser geht, zeigen vergleichbare Produkte aus vorherigen Editionen, wie z.B. das Book of Challenges aus der 3E oder das Book of Lairs (Forgotten Realms) aus AD&D. Hier sind die einzelnen Begegnungen bzw. Kurzabenteuer deutlich interessanter und kreativer als die simplen Dungeon Crawls in Dungeon Delve. Fairerweise muss man aber sagen, dass die Abenteuer/Begegnungen aus diesen Büchern auch eine längere Vorbereitungszeit erfordern. Dennoch, selbst in der 4E gibt es viel bessere Kurzabenteuer. In den Monsterbüchern (Open Grave, Draconomicon) gibt es ebenfalls einige Kurz-Abenteuer, die die Abenteuer aus Dungeon Delve teilweise um Längen schlagen. Damit ein Spieler lernt, wie man meistert, ist dagegen Keep on the Shadowfell ein ausgezeichnetes Produkt. Dungeon Delve ist im Vergleich zu diesen Produkten deutlich enttäuschender.
|
||||||||||||||||||||