Links zur Rezension Inhalt:Bezeichnenderweise drehen sich beide Geschichten um nachtaktive Tiere, deren wahres Wesen sich erst auf den zweiten Blick enthüllt, und somit wahrlich um „Geschöpfe der Nacht“:
In „Der Preis” sucht sich eine schöne, schwarze Katze selbst ein neues Zuhause in einem ländlichen Anwesen. Der Besitzer des Anwesens - ein erklärter Katzenliebhaber, der hier bereits mit einigen Tieren wohnt - ist begeistert von dem mysteriösen Streuner, der sich bei ihm ausbreitet, bis die Katze jeden Morgen aufs Neue mit schlimmen Verletzungen aus verhängnisvollen, nächtlichen Kämpfen am Haus auftaucht. Bestürzt über die Wunden und Verletzungen kümmert sich der Hausherr fürsorglich um das Tier. Und diese Sorge um seinen Schützling ist berechtigt, als der neugierige Hausherr den nächtlichen Gegner der Katze zu sehen bekommt und entdecken muss, dass das Leben auf dem Land längst nicht so ungefährlich ist, wie es scheint.
„Die Tochter der Eulen“ ist die Neubearbeitung einer alten Spukgeschichte in bester Grimmscher Manier: Zwei Männer in viktorianischem Setting treffen sich abends, damit der eine - ein Sammler alter englischer Geschichten - einer längst vergessenen Erzählung seines Freundes über ein kleines mysteriöses Mädchen lauschen kann, das man vor vielen Jahren auf den Kirchenstufen von Dynton gefunden hat. Das Eulengewölle im Korb des Mädchens hat die verängstigten Bewohner des Dorfes an einen Fluch oder noch viel Schlimmeres denken lassen, und so musste das Kind vierzehn Jahre eingesperrt hinter Klostermauern verbringen, bis das Gerücht von der Schönheit des seltsamen Mädchens bei den Männern in den Nachbardörfern die Runde macht und das Schicksal seinen Lauf nimmt, um nicht zuletzt die englische Landschaft um eine weitere dunkle Sage zu verzieren.
Schreibstil & Artwork:Der Engländer Neil Gaiman wurde 1960 geboren und arbeitete zunächst als Journalist in London. Bekanntheit erlangte er durch seine Comic-Serie „Der Sandmann", mit der er seinen Teil zur Kulturrevolution der Comicwelt beitrug. Neben den Romanen „Niemalsland" und „Der Sternwanderer" schrieb er zusammen mit Terry Pratchett „Ein gutes Omen" und verfasste über seinen Kollegen und Freund Douglas Adams die Biographie „Keine Panik!". Er lebt seit einigen Jahren mit seiner Familie in den USA, in Minneapolis.
Unter dem Titel „Smoke and Mirrors: Short Fictions and Illusions” erschien 1998 in Amerika ein Sammelband mit 31 seiner Kurzgeschichten und Erzählungen, die sowohl durch die weite Bandbreite ihrer Themen als auch durch die unterschiedlichen Erzählstile bis hin zu Gedichten beeindruckte. Unter dem etwas irreführenden Titel „Die Messerkönigin“ erschien diese Anthologie 2001 beim Heyne-Verlag und ist zwischenzeitlich leider vergriffen.
Es dauerte bis 2004, bis sich schließlich Michael Zulli, der als Zeichner auch schon für die letzten „Sandman“-Hefte verantwortlich war (siehe hierzu den Sammelband „Sandman: Das Erwachen“), zwei der beunruhigenden, mysteriösen Geschichten um rätselhafte Tiere und ihren übernatürlichen Einfluss auf die Menschenwelt vornahm, um sie als Comic unter dem Titel „Creatures of the Night“ (erschienen bei „Dark Horse Comics“) zu adaptieren und in beeindruckenden Bildern umzusetzen.
Die Karriere des amerikanischen Zeichners Michael Zulli bekam ihren Durchbruch mit der eher als ökologisch ausgerichteten Reihe „The Puma Blues“ in Zusammenarbeit mit dem Autor Stephen Murphy. Zullis zeichnerische Gestaltung in „Geschöpfe der Nacht“ ist im Kontrast zu den dunklen Geschehnissen der Erzählungen fast schon farbenfroh und prachtvoll in ihrer Gestaltung, besonders bei der Gestaltung der großflächigen Frames. Ein detaillierter Realismus ist ihm ebenso zu eigen wie seine manchmal schon fast fotorealistische Gestaltung. Ihm ist es in bewundernswerter Art gelungen, aus den Textvorlagen die wesentlichen Elemente zu entnehmen und sie mit sicherem Tempo packend zu illustrieren. Erwähnenswert ist hierbei insbesondere die Lösung für die Texte der ersten Geschichte, die trotz ihres Umfanges geschickt um die Bilder platziert sind und ein harmonisches Ganzes ergeben.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungUnter dem Titel „Neil Gaiman Bibliothek“ schickt sich der Panini-Verlag an, zumindest dem kreativen Schaffen des wohl genialsten Fantasy-Autoren im Comic-Bereich eine neue Heimat zu geben. Als Band 2 dieser Bibliothek erscheint nunmehr „Geschöpfe der Nacht“, wobei sich mir die Frage stellt, warum der Verlag zwar den Begriff „Bibliothek“ in den Vordergrund stellt, von einer einheitlichen Gestaltung bzw. Nummerierung oder Ähnlichem aber weit und breit nichts zu sehen ist? Die Qualität als Hardcover mit entsprechender Fadenheftung spricht für sich, doch war ich etwas enttäuscht über den Inhalt, der nur 52 Seiten beträgt. Hier hatte ich mir etwas mehr versprochen, da ich die Bibliothek als Sammlung verstanden habe, die mit etwas mehr an Infos, alternativen Covern und ähnlichem Bonus- oder Zusatzmaterial aufwarten kann. An der Übersetzung von Gerlinde Althoff nebst dem Lettering von Fabio Ciacci ist - wie immer - nichts auszusetzen und auch hier präsentiert sich der Band geradezu wieder einmal vorbildlich.
Fazit:Die beiden von Zulli präsentierten Geschichten sind eigentlich nur als typisch für „Genre Gaiman“ zu bezeichnen, da beide dunkle Märchen für Erwachsene sind, in denen er es mit viel Raffinesse schafft, die Entwicklung der Geschichte so böse und unheimlich zu gestalten, wie es nur irgendwie möglich ist. Insgesamt ist es diese träumerische Qualität, die manchen Leser sicherlich an die Gestaltung der Sandman-Sammelbände „Traumland“ (Sandman: Dream Country) und „Fabeln und Reflexionen“ (Sandman: Fables and Reflections) erinnert. Etwas enttäuschend – ich habe es bereits oben schon ausgeführt – ist natürlich der Umfang dieses Bandes. Man wünscht sich, Zulli hätte sich vielleicht noch die eine oder andere Kurzgeschichte vorgenommen und sie umgesetzt. Dieser Band ist mit Sicherheit eine Bereicherung – nicht nur für Fans von Gaiman, die ihre Sammlung auch um dieses wunderschöne, kleine Werk ergänzen wollen, sondern auch für den Leser der Kurzgeschichten, die Interesse an der zeichnerischen Umsetzung haben.
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