Links zur Rezension Mit „House of the Beast“ (HotB) geht der „Legacy of Fire“ Adventure Path von Paizo Publishing in die zweite Runde. Nach der Lektüre des Vorworts von James Jacobs weiß der Leser im Grunde schon, was ihn erwartet: ein Verliesabenteuer im Stil der „guten alten Zeit“. Nun ist wohl hinreichend bekannt, dass das derzeitige Oldschool-Revival nicht jedermanns Sache ist und nicht alle Rollenspieler der guten alten Zeit nachtrauern. Auch ich selbst bin eigentlich der Meinung, dass RPG-Nostalgiekiffen keineswegs abendfüllend ist und den meisten gefeierten „Megadungeons“ konnte ich nicht viel abgewinnen, da sich diese Abenteuer nach meinem Dafürhalten am Spieltisch oft ziemlich zäh ausnehmen, sobald die anfängliche Begeisterung erst einmal dahin ist.
Entsprechend skeptisch bin ich auch an HotB herangegangen und war eigentlich wild entschlossen, einen Verriss zu verfassen. Doch dann las ich weiter und weiter, und irgendwie wurde der Drang immer stärker, dieses Abenteuer in meiner Gruppe zu leiten.
Zur Klarstellung muss ich anfügen, dass ich Dungeon Crawls nicht grundsätzlich ablehne, ich habe nur etwas gegen zu große Verliese, deren Erkundung früher oder später einfach zur Routine wird und mich persönlich als Spielleiter dann schlicht langweilt. Echte Begeisterungsstürme haben bisher auch nur wenige Verliesabenteuer bei mir auslösen können, das letzte war z.B. „The Forge of Fury“, das als zweites Abenteuer im offiziellen Abenteuerpfad zu D&D 3.0 von Wizards of the Coast publiziert wurde, und das ist bekanntlich schon eine Weile her.
Die Geschichte von HotB setzt dort an, wo „Howl of the Carrion King“ aufgehört hat: Die Stadt Kelmarane ist befreit und entwickelt sich erneut zu einem wohlhabenden Handelsposten. Nach einer Phase des Friedens, die vom Spielleiter nach eigenem Gutdünken gestaltet werden kann, werfen erneut bedrohliche Ereignisse ihren Schatten auf die Stadt im Norden des Landes Katapesh: Im Haus der Bestie auf dem Bleichen Berg schart der Aaskönig seine Truppen um sich, um mit ihnen in Katapesh einzumarschieren.
Natürlich liegt es an den Spielercharakteren, den Gnollkönig eben daran zu hindern. Sie müssen also zum Bleichen Berg reisen, um dort die Gnolle aus dem Haus der Bestie zu vertreiben und die Gefahr für den Frieden in Katapesh abzuwenden. Tatsächlich ist der Aaskönig selbst aber nur ein kleiner Teil der Intrige, die ein abtrünniger Jann geschmiedet hat, um in den Besitz eines mächtigen Artefakts zu gelangen, welches angeblich irgendwo in den Tiefen des Tempels zu finden ist.
Bei besagtem Artefakt handelt es sich um die Schriftrolle von Kakishon, mit deren Magie einst der Ifrit Jhavul von der materiellen Ebene verbannt worden ist. Diese Rolle ist von essentieller Bedeutung für die Geschichte des „Legacy of Fire“ Abenteuerpfades und ohne sie kann das nächste Abenteuer nicht stattfinden – dazu jedoch später mehr.
In HotB müssen die Abenteurer nun wie gesagt gegen den Aaskönig vorgehen, der im Keller des Hauses der Bestie auf dem Madenthron hockt und davon träumt, mit seinen Gnollhorden über Katapesh herzufallen. Zayifid, der gefallene Jann, hat sich als Gnoll verkleidet und den Tempel infiltriert, wo er nun schon seit geraumer Zeit nach Hinweisen auf das Versteck der Schriftrolle von Kakishon sucht. Da er bei dieser Suche auf für ihn unüberwindbare Hindernisse gestoßen ist, versucht er nun den Spielercharakteren die Drecksarbeit zu überlassen, um sich dann schließlich die mächtige Schriftrolle einverleiben zu können.
Zum Ablauf des Abenteuers gibt es nicht viel zu sagen, außer dass es sich um einen äußerst soliden Dungeon Crawl handelt. Das Haus der Bestie ist in recht abwechslungsreiche Gebiete unterteilt. Diese haben jeweils eine übersichtliche Größe und beherbergen eine Vielzahl verschiedener Kreaturen und NSC, wobei natürlich die Gnolle des Aaskönigs die größte Fraktion unter den Verliesbewohnern bilden. Manche dieser Kreaturen müssen die Helden im Kampf besiegen, mit anderen können sie verhandeln und eventuell Bündnisse schmieden. Die einzelnen Räume sind ausführlich beschrieben und insgesamt entsteht schon beim Lesen des Abenteuers ein atmosphärisch dichter Eindruck des Tempels.
Das Haus der Bestie ist ein großer Sandkasten, in dem es eine Menge zu entdecken gibt. Die Spielercharaktere sind dabei recht frei darin, welche Teile des Verlieses sie erforschen wollen, denn längst nicht alle Bereiche des Tempels sind relevant für den Kampf gegen den Aaskönig und die Suche nach der Schriftrolle von Kakishon. In dieser Hinsicht ist das Abenteuer also tatsächlich „Old School“ im besten Sinne des Wortes. Trotzdem ist das Abenteuer aber auch Bestandteil einer umfangreichen Kampagne mit einem epischen Plot, der die einzelnen Episoden zusammenhält – und genau hier kollidiert das Format des Sandbox-Dungeons mit dem neueren Konzept des Abenteuerpfades: HotB kommt einerseits mit der Prämisse daher, dass die Abenteurer nach eigenem Gutdünken den Tempel auf dem Bleichen Berg erkunden sollen. Andererseits wird aber vorausgesetzt, dass die Helden die Schriftrolle von Kakishon finden, damit das nächste Abenteuer überhaupt stattfinden kann.
Auch das wäre nun grundsätzlich völlig unproblematisch, jedoch gibt es ein weiteres Problem: Der Abenteueraufhänger sieht vor, dass die Abenteurer in das Haus der Bestie wandern, um dort den Aaskönig zu besiegen. Dieser hat aber mit der Schriftrolle von Kakishon nichts zu tun. Tatsächlich ahnt der Gnollkönig noch nicht einmal, dass es unter seinem Thron zwei weitere Verliesebenen gibt – ganz zu schweigen davon, dass ihm die Schriftrolle von Kakishon überhaupt kein Begriff ist.
Die Spielercharaktere erkunden also das Haus der Bestie, besiegen den Aaskönig und werden nun wohl davon ausgehen, dass sie ihren Auftrag hier erfüllt haben. Von der Schriftrolle wissen sie nichts, genau wie der Aaskönig selbst, und die Verliesebenen, auf denen das Artefakt verborgen ist, sind durch mächtige Magie vor Entdeckung geschützt, so dass zunächst einmal die Wahrscheinlichkeit extrem hoch erscheint, dass die Spieler das entscheidende Plotelement schlicht übersehen.
Die gute Nachricht lautet, dass sich Abenteuerautor Tim Hitchcock über dieses Problem im Klaren war, als er HotB verfasste. Aus diesem Grund gibt es auch ein paar Hinweise für den Spielleiter, wie er die Abenteurer doch noch auf die Fährte der Schriftrolle bringen kann. Die brachialste Variante besteht darin, den „Moldspeaker“ (siehe auch meine Rezension zu „Howl of the Carrion King“) mit göttlichen Visionen zu beglücken, so dass dieser Charakter quasi mit der Nase auf die Existenz der verborgenen Verliesebenen gestoßen wird. Die anderen Möglichkeiten sind nicht ganz so plump, allerdings bleibt der fade Beigeschmack, dass das Abenteuer ohne Railroading nicht funktionieren würde, weil die Helden eigentlich weder einen konkreten Hinweis auf die Schriftrolle geschweige denn eine Motivation haben, nach dem Artefakt zu suchen.
Meiner Meinung nach ist dies ein ziemlich grober Designschnitzer, denn wenn schon ein Artefakt wie die Schriftrolle von so essentieller Bedeutung für den Kampagnenplot ist, dann sollte man es besser in das Abenteuer einbinden und ihren Fund nicht davon abhängig machen, ob die Spielercharaktere einen bestimmten – aus ihrer Sicht wohl völlig optionalen – Teil des Dungeons erkunden, der noch dazu eigentlich auch erst betreten werden kann, sobald der Aaskönig tot und damit das vermeintliche Abenteuerziel erreicht ist.
Ungünstig ist dies, gerade weil die Sandbox-Struktur des Abenteuers suggeriert, dass man als Spieler die Wahl hat, welche Teile des Verlieses man erkundet und welche man ignoriert.
Fazit:Alles in allem ist HotB allemal ein ordentliches Verliesabenteuer mit Schwächen bei der Verknüpfung des gewählten Formats mit dem Plot der Kampagne. Ich bin mir darüber bewusst, dass die Verbindung zwischen Handlungs- und Bewegungsfreiheit für die Abenteurer auf der einen und dem epischen Kampagnenplot auf der anderen Seite schwierig sein musste. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man dies besser hätte lösen können, denn in der vorliegenden Form kann es sehr wohl sein, dass der Spielleiter mehr als ein bisschen nachhelfen muss, damit die Abenteurer das Haus der Bestie am Ende nicht ohne die Schriftrolle von Kakishon verlassen.
Ob man damit ein Problem hat, ist – wie so oft – eine Frage des bevorzugten Spielstils, und viele Spieler werden sicherlich darüber hinwegsehen können, dass zumindest ein Teil ihrer Reise auf Schienen verläuft. Andere ärgern sich aber darüber, dass gerade an einer so entscheidenden Stelle des Abenteuers ein derartiges Eingreifen nötig ist, da dies einfach das Gefühl zerstört, dass man aus eigener Kraft das Rätsel um das Haus der Bestie und die Schriftrolle von Kakishon gelöst hat.
Ich persönlich bin sicher näher an der zweiten Gruppe, weshalb dieser Punkt für mich auch einen nicht unerheblichen Punktabzug rechtfertigt, obgleich ich gerne einräume, dass auch ich mich – zähneknirschend – mit derartigem Railroading arrangieren kann, solange es die absolute Ausnahme bleibt.
Insgesamt bleibt also ein solides Abenteuer, das wie schon sein Vorgänger nicht unbedingt durch besondere Originalität, dafür aber durch eine weitgehend sehr gewissenhafte Ausführung glänzt, wenn auch mit Abstrichen. Die entscheidende Frage bleibt für mich bei einem Abenteuer immer: Will ich es leiten? – Und für HotB würde ich diese Frage mit einem klaren, wenn auch nicht euphorischen „Ja“ beantworten.
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