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Angesiedelt in einem alternativen Paris des Jahres 1933, in dem die Kirche massiv die Staatsangelegenheiten beeinflusst und die Inquisition hart durchgreift, entführt die Comic-Reihe „Rex Mundi“ den Leser in eine Welt, die der unseren zwar sehr ähnlich ist, aber doch ganz anders funktioniert.
Auch wenn es auf den ersten Blick keine großen Unterschiede zum technischen und zum Teil auch sozialen Entwicklungsstand des realen Jahres 1933, besitzt diese alternative Welt doch einige gravierende Unterschiede: Die Macht über das Volk liegt beim König, den Adelshäusern und der Kirche. Etwas Ähnliches wie die Französische Revolution hat zwar stattgefunden, aber sie endete gänzlich anders, und die Häscher der Inquisition werden im Kampf gegen das Verbrechen eingesetzt, wobei ihnen hierfür alle nur erdenklichen Mittel recht sind. Magie und Zauberei sind allgemein bekannt und werden auch praktiziert, selbst wenn die Kirche (und damit natürlich auch die Inquisition) dies mit Argwohn beobachtet.
Protagonisten des Verschwörungsthrillers von Autor Arvid Nelson sind der junge und recht selbstlose Arzt Dr. Julien Saunière, der in einem ärmlichen Stadtteil von Paris eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt und unversehens in einen Strudel von mysteriösen Geschehnissen gerät, so wie die Ärztin Dr. Genevieve Tournon, eine Freundin von Dr. Julien Saunière, deren Wege sich im Laufe der Geschichte wieder kreuzen und die sich anschickt, ihren Platz in der „besseren“ Gesellschaft zu finden.
Inhalt (Achtung: Spoiler!)Der vierte Band beginnt direkt mit einem fulminanten Auftakt: König Louis XII lässt die Halle des Schwertes mitten in einer Debatte vom Militär stürmen und nimmt die Parlamentarier gefangen. Doch das gleiche Schicksal teilen auch die Mitglieder der Halle der Robe. Mit dieser Maßnahme möchte der König seine Macht wiedererlangen, die ihm durch die Intrigen des Herzogs von Lorraine verloren gegangen ist. Doch das Ergebnis dieser Aktion ist verheerend, da sich das Militär in zwei Lager spaltet. Die einen halten treu zum König, die anderen schließen sich den Truppen des Herzogs an – ein drohender Bürgerkrieg liegt in der Luft und erste Unruhen erschüttern die Städte.
Die Truppen des Herzogs schaffen es, das Schloss von Versailles zu stürmen, wo sich der König mit seinen Getreuen verschanzt hat und Lorraine persönlich verhaftet den König, da dieser – so die Auffassung von Lorraine – sein Volk verraten habe. Der endgültige Griff zur Macht im Staat scheint gelungen, doch die Entwicklung des Krieges läuft nicht unbedingt positiv für Frankreich: Der Vormarsch der französischen Truppen auf der iberischen Halbinsel läuft wie geplant und es dürfte nur noch wenige Tage dauern, bis die Hauptstadt Cordoba erobert ist. Währenddessen marschieren preußische Truppen unaufhaltsam vorwärts und dringen über Lothringen tief nach Frankreich ein, bis schließlich Paris in die Reichweite der preußischen Artillerie gerät.
Währendessen erholt sich Dr. Sauniére in der Wohnung von Genevieve Touron von den Auswirkungen des nächtlichen Kampfs mit dem Golem auf dem Anwesen des Herzogs. Isabelle, die Tochter von Lorraine, macht ihn in seinem Versteck ausfindig und warnt ihn nochmals vor ihrem Vater. Doch Sauniére möchte nicht aufgeben – er steht zu seinem Versprechen, den Mörder von Pater Marin dingfest zu machen.
Doch das Versteck Sauniére bleibt auch der Heiligen Inquisition nicht verborgen. Diese hatte Sauniére bereits gewarnt, in der ganzen Angelegenheit keine weiteren Nachforschungen anzustellen und die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Doch jetzt scheint es kein Entkommen mehr zu geben und Sauniére wird von der Inquisition verhaftet. In den Katakomben von Notre-Dame wird er Erzbischof Irenaux vorgeführt, dem er versucht seine bisherigen Erkenntnisse über die geheimnisvolle Gralsbruderschaft nahe zu bringen – doch ohne Erfolg. In einem Geheimtribunal der apostolischen Bußpriester wird Sauniére wegen unerlaubten Eindringens in die Kirche La Madeleine und anderer Vergehen zum Tode durch das Feuer verurteilt. Nur dank der Hilfe von Pater Calvet und Genevieve kann er aus dem Gefängnis fliehen und seinem sicheren Tod entgehen. Bei seiner Flucht verletzt er allerdings auch den Inquisitor Moricant schwer im Gesicht. Da dieser Sauniére ohnehin nicht gut gesonnen ist, sinnt er nunmehr auf Rache!
Dank der Hinweise von Pater Calvet verschlägt es Sauniére und Genevieve auf ihrer Flucht in das Dorf Rennes-le-Chateau nach Südfrankreich. Hier hatte Pater Marin mit einem Einsiedler Untersuchungen angestellt, um weitere Informationen über den Standort des Grabes von König Clovis II. zu erhalten, einem Merowingerkönig und vermutlichem Vorfahren des Herzogs von Lorraine, dessen Grab sich irgendwo in den Hügeln um das Dorf befinden muss.
Angekommen in Rennes-le-Chateau trifft Sauniére auf die Einsiedlerin Aleron, der er die bisherigen Ereignisse schildert. Diese möchte Sauniére unterstützen und klärt ihn über den wahren Machtsitz der Merowinger auf – einen Ort namens Montsalvat: der legendäre Wohnsitz der Gralsfamilie. Vermittels seiner bisherigen Erkenntnisse schaffen es Sauniére und Aleron, den Standort des Grabes zu bestimmen, in dem sie den entscheidenden Hinweis auf Montsalvat zu finden hoffen.
Doch bevor das Geheimnis des Standortes gelüftet werden kann, scheinen sich die Ereignisse zu überschlagen, denn Genevieve scheint ein doppeltes Spiel zu treiben und ihren Freund verraten zu haben. Auch der Mann im weißen Anzug ist wieder auf der Spur von Dr. Sauniére und trachtet ihm nach dem Leben. Und nicht nur das – Inquisitor Moricant schafft es ebenfalls den Flüchtigen auf der Spur zu bleiben, da Pater Calvet unter Folter den Verbleib der beiden kund gab.
Die Kriegspläne von Herzog Lorraine scheinen trotz der zwischenzeitlich eingetroffenen verbündeten englischen Truppen auf dem Festland nicht aufzugehen. Große Teile seiner Armee sind auf der iberischen Halbinsel gebunden und selbst bei einem Sieg würde es zu lange dauern, diese Truppen neu zu formieren. Unter dem Ansturm der preußischen und österreichischen Übermacht beschließt Lorraine, Paris zu räumen und niederzubrennen...
Schreibstil & Artwork:Der Autor und Zeichner Arvid Nelson schrieb bereits während seiner Zeit am Dartmouth College Comics, wo er auch zur Glaubensrichtung des Bahaismus konvertierte. Nach seinem Abschluss im Jahr 1999 wurde er zunächst Produktionsassistent bei Woody Allen. Während der Arbeiten an der Dokumentation für „The Paris Review“ besuchte er erstmals Paris und begann zahlreiche Eindrücke dieser Stadt zu sammeln, die später nachhaltigen Einfluss auf die Reihe „Rex Mundi“ haben sollten. Nelson arbeitete unter anderem auch für Marvel und DC, wo er sich verantwortlich für die Konzeption einiger Geschichten zeigte.
Der gebürtige Argentinier Juan Ferreyra begann seine Karriere in Amerika als Zeichner mit der von den Kritiken hochgelobten Reihe „Small Gods“. Andere Reihen folgten, bis er schließlich den „Interimszeichner“ Jim di Bartolo ersetzte und für Dark Horse Comics für die Reihe „Rex Mundi“ anfing. Ferreyra zeichnet sich durch seine sehr strukturierten und realistischen Zeichnungen aus, wobei seine Stärke eigentlich eher in den unterschiedlichsten Grauschattierungen liegt, die seinen Werken viel Tiefe verleiht, denn in dem pastellfarbenen Rausch, der die zwar auch nicht sonderlich guten, aber immerhin recht düsteren Bilder von EricJ ersetzt hat.
Es gibt im Comic-Bereich immer wieder die Phrase „photorealistisch“, wenn man auf einen bestimmten Typus von Zeichnungen trifft. Doch dieser Ausdruck dürfte wohl am besten auf die Zeichnungen von Ferreyra passen, da sie dem hier vorgelegten Stil am ehesten entspricht.
Auch wenn er in Komposition und Blickwinkel sauber und scharf arbeitet, so lassen sich doch einige Mängel in der Ausführungen nicht verbergen: Oftmals scheint der Ausdruck der Gesichter mitnichten zu den Texten zu passen oder sie sind so gearbeitet, als besäßen die Charaktere innerhalb der Geschichte verschiedene Altersstufen. Bestes Beispiel dürfte hierfür sicherlich die Figur des Herzog von Lorraine sein, der in manchem Bildern dem italienischen Faschisten Mussolini gleicht, um dann im nächsten Bild wiederum ein geradezu jugendliches Flair zu versprühen und von seiner Optik an Lex Luthor aus der Fensehserie „Smallville“ zu erinnern. Das nimmt diesem Comic leider immer wieder ein gutes Stück an Lesefreude und fast muss ich an dieser Stelle schon den Abgang von EricJ bedauern, den ich auch nicht unbedingt für den besten Zeichner der Welt hielt, der es aber schaffte, der Reihe – und damit letztlich auch den Charakteren – eine ganz persönliche kontinuierliche Note zu geben.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungDer vorliegende kleinformatige Hardcover-Band beinhaltet Heft Nr. 18 – die letzte Ausgabe die bei „Image Comics“ erschien – sowie die Hefte Nr. 1 bis 5, die dann von „Dark Horse“ verlegt wurden. Zudem gibt es im Anhang noch eine Galerie mit alternativen Covern und Illustrationen aus der Feder verschiedener namhafter Zeichner und als besonderes Highlight dieser Ausgabe die Kurzgeschichte „Eine Geliebte Erschaffen“, die ursprünglich im „Dark Horse’ Book of Monsters“ erschien und die erste Zusammenarbeit von Arvid Nelson und Juan Ferreyra dokumentiert. In dieser Kurzgeschichte dreht es sich um die gemeinsame Vergangenheit von Julien und Genevieve vor dem Hintergrund eines Szenarios, welches noch am ehesten an „Frankenstein“ erinnert.
FazitIm vierten Band besticht Arvid Nelson wie so oft durch das geschickte Arrangement seiner Handlungsfäden: während auf der einen Seite der Krieg tobt und die Entwicklung des Herzogs von Lorraine als absoluten Diktator weitere Formen annimmt, machen sich Saunière und Genevieve weiter auf den Weg bei ihrer nicht ungefährlichen Suche nach den mysteriösen Hintergründen, die seit Jahrhunderten irgendwo in Kirchenarchiven und Königsgräbern verborgen sind. Saunière lässt sich trotz aller Widrigkeiten nicht von seinem Vorhaben abbringen und ahnt nicht, dass ihn Genevieve zwischenzeitlich für Lorraine ausspioniert und dadurch zugleich beschützt. Die Reihe bleibt weiterhin spannend und besticht als Mystery-Thriller der ganz besonderen Klasse. Ein wenn auch zeichnerisch nicht immer überzeugender, so aber dennoch überaus lesenswerter Comic vor der Kulisse einer phantastischen Alternativ-Welt, der auf hohem Niveau unterhält und neugierig auf seine Fortsetzung macht.
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