MindscapesBei „Mindscapes“ handelt es sich um eine (inoffizielle, da nicht von WotC), Erweiterung zum D&D 3rd Edition Psionics Handbook. Geschrieben wurde es von Bruce Cordell, dem Designer des Psionics Handbook selbst, und insofern war meine Erwartungshaltung entsprechend hoch. Ob mit „Mindscapes“ ein gewinnbringender Erweiterungsband erschienen ist, wird diese Rezension klären.
War „If Thoughts Could Kill“, der Vorgängerband von „Mindscapes“ noch halb Abenteuer, halb Quellenbuch, so begreift sich dieses Buch als vollwertiges Klassenbuch. Ein Blick in den Inhalt zeigt, daß es dies auch durchaus ist, und noch ein wenig mehr. In sechs Kapiteln wird auf ein neues Kampfsystem für psionische Auseinandersetzungen, neue Prestigeklassen, neue Talente, psionische Kräfte, neue psionische Gegenstände, und schließlich noch einige neue Monster eingegangen. Recht viel Stoff für 96 Seiten.
Kapitel 1 – Mindscapes Das erste Kapitel des Buchs stellt ein alternatives System für den psionischen Kampf vor. Basierte das Kampfsystem des Psionics Handbook darauf, durch psionische Angriffe den anderen Psioniker direkt zu schwächen, so ist das hier vorgestellte System anders.
Eine „Mindscape“ ist letztlich nämlich nichts Anderes als eine virtuelle Landschaft, die entsteht, sobald sich zwei psionisch begabte Wesen einander auf 18m nähern. Dann entsteht diese Landschaft, und die beiden so genannten „Avatare“ der betreffenden Wesen treffen sich in dieser Landschaft. Der folgende „Kampf“ ist nichts anderes als ein konkurrierender w20 Wurf, modifiziert durch die Art der Landschaft (zufällig ermittelt), und den (davon abhängig unterschiedlich starken) psionischen Kampfmodus. Dies alles geschieht noch vor der eigentlichen Kampfrunde, und das Ergebnis ist lediglich, dass der Gewinner des Kampfes auf der geistigen Ebene, einen kleineren Vorteil auf der materiellen Ebene für die kommende Runde erhält.
Das System ist aufgrund des Flairs recht interessant, und rückt den psionischen Kampf zugunsten des Geschehens im echten Kampf (und damit zugunsten der eigentlichen psionischen Kräfte) in den Hintergrund. Die psionischen Kampfmodi aus dem Psionics Handbook finden sich als normale Kräfte in Kapitel 4 des Buchs wieder. Es ist nicht wesentlich schneller als das Standard-System aus dem Psionics Handbook, sondern einfach nur anders. An der Mechanik gibt es aber nichts zu meckern, insofern ist es vorrangig eine Geschmacksfrage. Mir hat es recht gut gefallen.
Kapitel 2 – Prestigeklassen Ein volles Dutzend neue Prestigeklassen hat Bruce Cordell erdacht – und alle sind naturgemäß für psionisch begabte Charaktere konzipiert.
Eine Übersicht:
Auf jede Prestigeklasse einzeln einzugehen wäre wohl zuviel des Guten, deshalb an dieser Stelle nur ein paar generelle Anmerkungen.
Vom Flair her haben mir alle Klassen recht gut gefallen, und Bruce Cordell hat die Regeln sehr gut im Griff. Lediglich manchmal zweifelt man daran, ob die eine oder andere Fähigkeit nicht doch ein wenig stark ist. Der „Spirituel“ bekommt bspw. 18(!) zusätzliche bekannte Kräfte (da er zwei „Domänen“ ähnlich einem Kleriker hat). Es wird ausschließlich mit einer Erhöhung des „Manifester Levels“ gearbeitet, so dass jede Klasse die vorherige psionische Klasse in dieser Hinsicht (mehr oder weniger gut) fortsetzen kann. Die Vorraussetzungen sind mir durchgehend zu lasch formuliert, wenn auch stimmig. Tatsächlich kann man dadurch aber gewisse Prestigeklassen schon ab Stufe 5 nehmen, das halte ich für ein wenig zu gut.
Die Illustrationen von Kieran Yanner, wie alle anderen im ganzen Buch in schwarzweiß, haben mir sehr gut gefallen, weil sie das jeweilige Thema sehr gut transportieren. Insgesamt halte ich die Prestigeklassen für gut gelungen, lediglich die Spielbalance wird man wohl in der eigenen Kampagne ergründen müssen. Freundlicherweise beschert uns Bruce Cordell aber ein umfangreiches FAQ (siehe Link auf der rechten Seite).
Kapitel 3 – Feats In diesem Kapitel finden sich 21 zum Teil neue, zum Teil (3 Stück) aus dem Psionics Handbook überarbeitete Talente wieder. Die sind so simpel wie „Inertial Armor Redux“ (eine mehrfach wählbare Version des Namensvetters aus dem Psionics Handbook), oder so interessant wie „Subconscious Power“ – ein Talent, das einem noch in bewusstlosem Zustand erlaubt, psionische Kräfte zu manifestieren.
Insgesamt ist wohl etwas für jeden Geschmack, dabei, wobei ich das ungute Gefühl habe, dass auch hier das ein oder andere Talent ein wenig zu gut ist.
Kapitel 4 – Powers Neue psionische Kräfte sind, wie neue Zauber, wohl immer gern gesehen. Sehr interessant in diesem Kapitel sind unter anderem einige Kräfte, die sich als freie Aktion manifestieren lassen, und dann einen +2 Bonus auf einen Fertigkeitswurf geben. Andere Kräfte sind wiederum Abarten des „Steinhaut“ Zaubers (obwohl man sich fragen kann, welchen Platz eine SR von 20/+7, die von „Adamantify“ (Grad 8) verliehen wird, in den Grundregeln hat). Insgesamt erscheinen mir einige Kräfte deutlich zu stark, und stellenweise schlecht formuliert. „Expurgate Psionic Circuits“ (Grad 5)zerstört z.B. alle psionischen Tattoos des Opfers – und verursacht pro Tattoo 5w6 Schaden – wehe dem, der zu viele davon hat, denn ein Schadensmaximum wird nicht angegeben.
So hat dieses Kapitel zwar viel Interessantes zu bieten – kann aber auch viel Leid verursachen, wenn man vorher nicht gründlich liest. Schade dass die Regeln dem Flair nicht gerecht werden.
Kapitel 5 – Psionic Items Dieses Kapitel hat mir wieder recht gut gefallen. Die Idee des „Psicrystal Staffs“, einem Stab der den eigenen Psikristall eines Psionikers trägt und verbessert, unter anderem durch zusätzliche Kristalle, wirkt interessant und gut erdacht, und das ähnlich funktionierende Prinzip der „Synaptic Mask“ (die einen besonderen Stein aufnimmt, der bestimmte Fähigkeiten gibt, ist auch interessant. Kurz und gut.
Kapitel 6 – Beasts of the ID 18 neue Monster enthält das Buch ebenfalls. Nach eingehender Betrachtung fand ich diese weder besonders innovativ noch interessant. Lediglich die beiden Templates konnten mein Interesse weitergehend wecken. Zu stark oder schwach scheint keines der Monster zu sein, lediglich das Neue sucht man irgendwie vergeblich – was auch an den im Vergleich zu Kapitel 2 eher schwachen Illustrationen liegen mag.
Fazit: Insgesamt kann mich „Mindscapes“ nur teilweise überzeugen. Kapitel 1-3 sind sehr gut, das alternative Kampfsystem kann einer Kampagne ein ganz eigenes Flair verleihen, die Prestigeklassen sind interessant und regeltechnisch gut gemacht, und die Gegenstände aus Kapitel 5 sind auch gut verwendbar.
Die neuen psionischen Kräfte weisen aber einige Schwächen auf, und die Monster sind meiner Meinung nach langweilig und überflüssig. Diesen Platz hätte man ruhig für Informationen über die Mindscapes selbst nutzen können, oder aber für weitere gelungene Gegenstände oder Prestigeklassen.
Insgesamt reicht es daher nur zu einer mittelmäßigen Bewertung. Anzumerken ist aber, dass es dieses Produkt auch auf der Homepage von Monte Cook’s Malhavoc Press als zweiteiliges PDF gibt – in dem einen stecken nur die mittelmäßigen Monster, auf die man meiner Meinung nach gut verzichten kann. Ohne diese ist „Mindscapes“ ein gelungenes Klassenbuch für die psionischen Klassen. |
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