Wer von uns kennt sie nicht, die phantastische Geschichte von Alice, die dem weißen Kaninchen ins Wunderland folgt und dort ein sehr merkwürdiges Abenteuer erlebt. Im Wunderland gibt es nur eine Regel, nämlich das es keine Regeln gibt und das Einzige was dort Sinn ergibt ist, das nichts Sinn ergibt. Schöne Voraussetzungen. Doch "Alice im Wunderland" von Lewis Carroll ist zweifellos ein Märchenklassiker, der bis heute Millionen von Menschen begeistert hat und das nicht zu Unrecht, denn die Idee die dahinter steckt ist bis heute genial. "Wonderland" hingegen geht einen gänzlich anderen Weg und transportiert die Ursprungsgeschichte in ein Setting voller Wahnsinn und Horror...

 

Inhalt:

Alice Liddle ist längst nicht mehr das kleine Mädchen, das durch den Hasenbau ins Wunderland gelangt ist und dort ein kurioses Abenteuer erlebt. Sie ist nun eine erwachsene und verheiratet Frau und Mutter. Doch ihr Besuch im Wunderland hat Spuren hinterlassen, die Alice nie wieder loszulassen scheinen und letztendlich darin endet, das sie sich das Leben nehmen will. Nur durch Zufall wird sie von ihrer Tochter Calie gerettet, doch bald schon wird dem schönen Teenie klar, das etwas in der Familie nicht das ist, was es zu sein scheint. Als ein paar unheimliche Dinge im Haus geschehen, öffnet sich die Pforte ins Wunderland erneut und Calie gelangt dorthin. Doch was sie dort erwartet ist der reinste Albtraum und Calie muss nicht nur um ihr Leben kämpfen, sondern auch erkennen, das in ihrer Familie schon seit Generationen ein grausames Erbe weitergibt...

 

Zu Story, Schreibstil & Artwork:

Was das Autorenteam Raven Gregory, Ralph Tedesco und Joe Tyler hier abliefern ist von der ersten Seite an einfach umwerfend und überzeugend. Sie haben die ursprüngliche Geschichte von Alice im Wunderland aufgegriffen und ein paar Jahre in die Zukunft katapultiert. Diesmal geht es zwar auch um Alice, aber sie ist eher eine Nebendarstellerin, denn eigentlich geht es um ihre Tochter Calie, die eine albtraumhafte Reise mitmachen muss, um ihre Mutter und ihre Familie zu retten. Albtraumhaft ist dabei genau das richtige Wort, denn die Autoren liefern mit "Rückkehr ins Wunderland" einen waschechten und vor allem sehr blutigen Horror-Trip ab, der es wirklich in sich hat. Nicht umsonst wird der Comic auch erst ab 16 Jahren empfohlen und das hat durchaus seine Begründung. Wie dem auch sei, die Autoren gehen sehr geschickt vor und greifen viele Elemente vom ursprünglichen "Alice"-Märchen auf und transportieren es in ihre extrem abgefahrene Story. Auch die seltsamen Wesen aus dem Märchen kommen hier vor, nur sind sie vollständig angewandelt. So trifft Calie nicht nur auf das weiße Kaninchen, sondern auch auf den Hutmacher, die Raupe, die Grinsekatze und auch die Königin der Karten - doch all diese sind auf grausame Weise anders und mehr als einmal muss Calie um ihr Leben fürchten. Doch dabei macht sie auch eine Entwicklung mit und muss erkennen, das es kein Zufall ist, das sie und ihre Familie eng mit dem Wunderland verknüpft ist.

Die Story ist einfach überaus spannend und dicht, ist ansprechend und fesselnd erzählt und ist dabei voll von schwarzem und bitterbösem Humor. Und wie das zu einem guten Horror gehört, wird das Ganze auch noch mit viel (weiblichen) Fleisch ins rechte Licht gerückt. Das Ganze verknüpfen die Autoren zu einer frischen und ansprechenden Story, die immer wieder mit heftigen Überraschungen glänzen kann.

 

Auch von der zeichnerischen Seite her kann "Wonderland" vollkommen überzeugen, auch wenn zwei Zeichner für die Ausgaben in diesem Sammelband verantwortlich sind. Die ersten Hefte wurden von Rich Bonk gezeichnet und können optisch nur als absolut umwerfend bezeichnet werden. Die Artworks von Bonk sind nahezu perfekt, höchst detailreich und sehen einfach nur toll aus. Irgendwann wird Bonk jedoch von Daniel Leister in seiner Funktion abgelöst. Das ist zwar nun nicht ganz so schlimm, denn prinzipiell ähneln sich die Stile der beiden Künstler schon wein wenig, aber so perfekt wie die Artworks von Bonk sind die von Leister leider noch lange nicht. Fairerweise muss man aber auch sagen, das die Leister-Illustrationen mit jeder Seite besser werden und zum Ende hin dann richtig gut aussehen. Das soll nun nicht heißen, das die Artworks von Leister anfangs schlecht sind, aber sie sind eben nicht so gut wie die des ersten Künstlers und das ist schade, denn gerade dessen Artworks sorgen zu Beginn des Comics für einen echten Aha-Effekt. Bei den Leister-Illustrationen stören mich persönlich vor allem die Gesichtszüge und -ausdrpcke der Personen und Kreaturen, die nicht immer korrekt wirken.

So oder so, sehen die Artworks im gesamten Comic wirklich gut aus, auch wenn die Qualität voneinander differenziert. Die Konturen und Linien sind dabei durchweg präzise gezeichnet und die Kolorierung ist ebenso satt, wie kräftig und unterstreicht die Handlung und die Illustrationen hervorragend. Die Artworks sind dabei sowohl blutig, wie auch sexuell aufreizend, zeigen dabei viel weibliche Haut, ohne aber zu viel zu zeigen. Das ist gut so und regt die Phantasie nur noch mehr an.

 

Qualität & Ausstattung:

Der knapp 200 seitige Band kommt im Softcover mit Faltklappen. Im Inneren findet sich die komplette Mini-Serie "Return to Wonderland", die sieben US-Ausgaben umfasst und zu der Grimm Fairy Tales-Reihe von Zenescope Entertainment gehört. Papierqualität, Bindung und Druck sind wie immer bei Panini hervorragend und lassen keine Wünsche übrig. Die Übersetzung wirkt ordentlich, denn die Texte sind weder holprig zu lesen, noch werden sie durch unpassende Termini beeinträchtigt. An Extras gibt es eine umfassende Covergalerie, die extrem schick aussieht.

 

Fazit:

Wow! "Rückkehr ins Wunderland" ist zwar etwas anderes als ich zunächst erwartet habe, aber dieser Debut-Comic hat mich vollständig vom Hocker gehauen. Die Story ist atemberaubend anspruchsvoll und packend erzählt und auch wenn man als "Alice im Wunderland"-Kenner einige Elemente wiedererkennt, so ist es doch umwerfend, was die Autoren daraus gemacht haben. Geschickt wurden ursprüngliche "Alice"-Elemente aufgegriffen und in eine völlig neue Erzählung transportiert, die voll von abgrundtiefem Wahnsinn, blutigen Horror und aufreizenden Frauen ist. Total abgefahren und eine völlig neue Sichtweise auf "Alice im Wunderland".

Das Ganze ist aber nicht nur erzählerisch hervorragend gelungen, sondern auch die optische Seite des Comics kann auf ganzer Linie überzeugen. Zwar sind die Artworks des ersten Zeichners nahezu perfekt und wirklich atemberaubend schick, die des zweiten Zeichners können da leider nicht ganz heran reichen, aber im Großen und Ganzen gesehen, sieht das gesamte Werk einfach toll aus und passt dazu noch hervorragend zur Erzählung. Dabei ist der Stil (respektive die beiden Stile) stark an die modernen Superhelden-Stories angelehnt was die Optik angeht, aber das ist gut so, denn der klare und kräftige Look passt sehr gut zu dem überaus skurrilen und durchgeknallten Setting.

"Rückkehr ins Wunderland" ist ein absolutes Muss für jeden Fan von abgefahrenen und skurrilen Horror-Storie. Aber nicht nur das: auch diejenigen unter euch, die "Alice im Wunderland" von früher her kennen, sollten sich diese "Fortsetzung" zu Gemüte führen... die einzige Regel dabei: es gibt keine Regeln ;)

Für mich ist "Wonderland" ein grandioses und vielversprechendes Comicwerk, das ganz ohne Zweifel eins der Besten der letzten Jahre ist. Bleibt zu hoffen das es mehr davon geben wird. Vielleicht wagen sich Panini ja auch an die eigentlich "Grimm Fairy Tales" Reihe, aus der "Return to Wonderland" ursprünglich stammt.