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Pathfinder Chronicles - Kampagnenwelt
Bewertung:
(4.0)
Von: Andreas Miebach
Alias: Halvar
Am: 08.03.2010
Autor:Jason Bulmahn, James Jacobs, Mike McArtor (Development)
Übersetzer:Ulisses Pathfinder Team
Typ:Kampagnenset
System:Pathfinder
Setting:Pathfinder Kampagnenwelt (Golarion)
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-86889-001-3
Inhalt:256 Seiten, Hardcover + gefaltete Posterkarte
Preis:44,95 EUR
Sprache:Deutsch

Eine neue Welt muss her

Als Paizo Publishing sich entschlossen hatte, nach dem Verlust der Lizenzen für die beiden Magazine DUNGEON und DRAGON im August/September 2007 mit Pathfinder auf eigene Faust weiterzumachen, war es nicht nur unumgänglich geworden, dies über kurz oder lang auf den Füßen eines eigenen Regelsystems zu tun.Es musste auch eine eigene Welt her. Tatsächlich war das sogar das dringendere Problem: Konnte man die ersten Pathfinder Adventure Paths dank der OGL noch auf der Basis der 3.5e-Regeln veröffentlichen und sich somit bei der Entwicklung eines eigenen Systems Zeit lassen, war die Nutzung der etablierten D&D-Kampagnenwelten Greyhawk und Forgotten Realms mit dem Wegfall der WotC-Lizenzen mit sofortiger Wirkung nicht mehr möglich. Es musste also etwas Neues her, und das schnell genug, damit die Veröffentlichung der Pathfinder Adventure Paths nahtlos an die Einstellung der Magazine anschließen konnte.

 

Da es sicherlich nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt hätte, wenn man in aller Eile eine komplette Kampagnenwelt aus dem Boden gestampft hätte, entschloss man sich, zunächst nur jene Teile der Welt auszuarbeiten, die für den jeweiligen Adventure Path relevant waren. Diese hängte man als weiterführende Artikel den Ausgaben der ersten Adventure Paths an, die auf der neuen Welt namens "Golarion" angesiedelt waren. So konnte die Welt Schritt für Schritt (weiter-)entwickelt werden, während die Spieler alle notwendigen Informationen zur Verfügung hatten, um die Adventure Paths auf Golarion spielen zu können.

 

Dieses Konzept wurde und wird auch so fortgeführt, allerdings sind die Adventure Path-Module inzwischen bei Weitem nicht mehr die einzige Quelle für die Kampagnenwelt Golarion. Paizo hat inzwischen eine eigene Reihe - namens "Pathfinder Chronicles" - ins Leben gerufen, in der bereits eine Vielzahl von Publikationen zu verschiedenen Aspekten oder Bereichen der Kampagnenwelt erschienen sind, darunter im August 2008 auch das "Pathfinder Chronicles Campaign Setting", dessen deutsche Übersetzung nun vorliegt und Gegenstand dieser Rezension ist.

 

Aufmerksamen Lesern dürfte es bereits aufgefallen sein: Das amerikanische Original dieses Buchs ist ziemlich genau 1 Jahr vor dem Pathfinder Roleplaying Game Core Rulebook (August 2009) bei Paizo erschienen, folglich basiert es noch auf den Regeln der 3.5e. Da die Erscheinungsweise der beiden Bücher im deutschsprachigen Raum jedoch genau umgekehrt war, hätte es natürlich wenig Sinn gemacht, direkt nach dem Erscheinen des Pathfinder Rollenspiel Grundregelwerks ein Buch zu veröffentlichen, das noch auf den 3.5e-Regeln fußt. Folglich wurde die "Pathfinder Chronicles Kampagnenwelt" (im Folgenden "PCK") auf das Pathfinder-System übertragen. Selbiges hat Ulisses auch für alle nachfolgenden Pathfinder-Produkte angekündigt, deren amerikanische Originale noch auf den Regeln der 3.5e basieren.

Aufmachung, Gestaltung und Verarbeitung

Die vielen hochwertigen, hauptsächlich im klassischen Stil gehaltenen Illustrationen und vor allen Dingen das unaufdringliche, cremefarbene Seitendesign machen das PCK ohne jede Übertreibung zu einem der schönsten Rollenspielbücher, das ich bis jetzt in den Händen gehalten habe, und darüber hinaus auch zu einem sehr angenehmen Lesegenuss. Die beigelegte von Rob Lazzaretti gestaltete Faltkarte hat eine Größe von 82 x 53,5 cm (Höhe x Breite) und liefert einen farbenfrohen Überblick über das Terrain der beiden "bekannten" Kontinente Avistan und Garund, welche die Innere See einrahmen. Und das Beste daran: Die Karte steckt in einer dreieckigen Plastiklasche, die auf der Innenseite des Buch-Rückdeckels angebracht ist, wo man sie herausnehmen und jederzeit wieder einschieben kann, ohne das Buch irgendwie beschädigen zu müssen.

 

Ein bisschen was zu Meckern gibt es dennoch: Wieder einmal ist es ausgerechnet das Coverbild, das mir am ganzen Buch am allerwenigsten gefällt. Zudem verschließt sich mir der Zusammenhang zwischen dem Motiv und der Kampagnenwelt völlig: Eine beliebige, actiongeladene Kampfszene mit irgendeinem Untoten auf irgendeinem Turm. Auch mit der Posterkarte bin ich nicht ganz zufrieden: Hier hätte ich mir ein paar Details mehr gewünscht. Zwar erhält man eine schöne Übersicht über die Kampagnenwelt, aber außer der Lage der Nationen (deren Grenzen jedoch nur noch mit Mühe zu erkennen sind), der größten Städte und der wichtigsten Geländeformationen erfährt man nicht viel. Bereits bei den Flüssen sind beispielsweise nur die wichtigsten mit Namen versehen. Zwar befinden sich im Buch bei den Einträgen zu den einzelnen Ländern teilweise detaillierte Karten, aber dies trifft nur auf Andoran, Cheliax, das Mwangibecken, Osirion, Ustalav und Varisia zu, also 6 Nationen von 39.

 

Nichtsdestotrotz macht das Buch insgesamt einen sehr hochwertigen Eindruck – was man in dieser Preisklasse wohl aber auch erwarten darf.

Kleiner Campaign Guide: Golarion

Bei Golarion handelt es sich um eine Fantasywelt im klassischen Sinn: Größtenteils mittelalterliche Technologie trifft auf Magie und mythische Monster. Insofern drängen sich natürlich Vergleiche mit den zahlreichen anderen klassischen D&D-Kampagnenwelten auf - Dragonlance, Forgotten Realms, Greyhawk, Kingdoms of Kalamar oder Mystara. Befasst man sich näher mit Golarion, fällt jedoch auf, dass sich mit Abstand die meisten Parallelen keineswegs zu einer dieser Welten ziehen lassen (obwohl Golarion zumindest ein bisschen von allen genannten Hintergründen beinhaltet), sondern zu einer ganz anderen Welt: unserer eigenen - der guten alten Mutter Erde. Dies betrifft nicht nur die geographischen und klimatischen Verhältnisse, die jenen um den Mittelmeerraum mit den Kontinenten Avistan als Europa, Garund als Afrika und der Inneren See als dazwischen liegendes Mittelmeer frappierend ähneln (also quasi der einstmals "bekannten Welt"), sondern ebenso die Verbreitung der verschiedenen menschlichen Kulturen, Nationen, Mythologien und Historie. Die Ähnlichkeiten mit der irdischen Vergangenheit gehen dabei sogar so weit, dass jene Dinge, die nicht in dieses Bild passen, dem Leser regelrecht ins Auge springen: Bei der Beschreibung Varisias beispielsweise habe ich mich unwillkürlich gefragt, was Zigeuner in skandinavischen Breitengraden zu suchen haben. Die Intention dahinter ist klar: Durch den Wiedererkennungseffekt soll die Glaubwürdigkeit der gesamten Welt erhöht werden, denn es wird kaum jemand eine Kultur oder Zivilisation für unglaubwürdig halten, die es auch auf unserer Welt zumindest in ähnlicher Form gegeben hat – wenn auch vielleicht nicht haargenau im selben Gebiet und vor allen Dingen nicht alle zur selben Zeit. Auch die ganzen Elemente, die eine klassische D&D-Fantasywelt eben mitbringen muss, z. B. halbmenschliche Völker, Monster, magische Königreiche etc., wirken im ersten Moment etwas deplatziert.

 

In der Praxis spielt dies jedoch nur eine untergeordnete Rolle, denn einerseits bemerkt man diesen Effekt nur, wenn man sich die Welt in ihrer Gesamtheit anschaut (was den Helden am Spieltisch eher selten möglich sein dürfte), und andererseits war Glaubwürdigkeit mit ziemlicher Sicherheit nicht die erste Prämisse bei der Entwicklung der Pathfinder Kampagnenwelt. Golarion dient vielmehr dem Zweck, einen Hintergrund für jede erdenkliche Art von Abenteuern oder Kampagnen zu bieten, die den Bereich der klassischen Fantasy auch nur im Entferntesten berühren. Und so gibt es auf Golarion schlicht und ergreifend alles. Und zwar alles genau ein Mal (Details dazu im Abschnitt zu Kapitel 2). Um die Bandbreite möglicher Abenteuer zu erhöhen, haben die Autoren beispielsweise auf dem Kontinent Garund afrikanische sowie mittel- und südamerikanische Elemente vereint, so dass im Dschungel des Mwangibeckens Gorillakönige über aztekisch anmutende Ruinen herrschen und auf den Inseln nebenan karibisches Piratenflair zu finden ist. Letzten Endes entsteht dadurch zwar ein ziemlicher Flickenteppich, dessen Glaubwürdigkeit jedoch durch die Nähe zur irdischen Geographie und Vergangenheit weniger leidet als dies bei anderen Kampagnenwelten der Fall ist.

 

Was Golarion besonders auszeichnet, ist die liebevolle Ausarbeitung im Detail, die zwar den grundlegenden Konzepten klassischer Fantasywelten treu bleibt, mit der es aber auch gelingt, diese mit ungewöhnlichen Ideen auszuschmücken und in ein neues, farbenfrohes Gewand jenseits der gängigen Klischees zu stecken. So wirken auch althergebrachte Elemente wie z.B. klassische Völker oder Monster (wieder) interessant und reizvoll. Eben nicht wie der x-te Aufguss von Mittelerde. Das sorgt dafür, dass sich "alte Hasen" wie auch "moderne" Spieler, die sich nicht immer in den gleichen, ausgetretenen Pfaden bewegen wollen, auf Golarion wohl fühlen können. Dieser Aspekt wird zwar hauptsächlich in den zahlreichen Erweiterungsbänden der Pathfinder Chronicles-Reihe oder den entsprechenden Artikeln in den Pathfinder Adventure Path-Modulen besonders deutlich, aber auch im PCK merkt man bereits, dass in dieser Welt weit mehr kreatives Gedankengut steckt als in den meisten anderen ihrer Art.

 

Die Geschichte Golarions ist von mehreren Katastrophen gekennzeichnet, die nicht selten dazu geführt haben, dass sämtliche bis dato errungenen kulturellen und technologischen Fortschritte zunichte gemacht und die Menschheit wieder in die Barbarei zurückgeworfen wurde. Das gravierendste Ereignis dieser Art war der Erdenfall vor 10.000 Jahren, als ein Sternenstein in den Arkadischen Ozean westlich von Avistan und Garund eingeschlagen ist. Bei diesem Kataklysmus bildete sich die Innere See und es wurden die Hochkulturen von Azlant und Thassilon vernichtet, in deren Überresten auch heute noch viele alte Geheimnisse schlummern. Vor etwa 5.000 Jahren barg Aroden, der letzte Azlanti, den Sternenstein aus den Ruinen des versunkenen Azlant vom Grund des Arkadischen Ozeans und brachte ihn in das im selben Jahr gegründete Absalom, wodurch er zum Gott aufstieg und das Zeitalter der Thronbesteigung einläutete. Nach einer Prophezeiung sollte er vor 100 Jahren nach Golarion zurückkehren, doch es kam anders: Offenbar starb Aroden und die Welt versank im Chaos. Golarion wurde wochenlang von Stürmen heimgesucht (von denen einer immer noch westlich von Garund tobt), die Weltenwunde tat sich auf und öffnete eine Pforte in den Abyss, und nicht zuletzt zerfiel das mächtige Reich Cheliax und wandte sich dem Diabolismus zu. Auch dieses Ereignis markiert den Beginn eines neuen Zeitalters, nämlich jenem der "verlorenen Omen". Seitdem sieht die Menschheit einer ungewissen Zukunft entgegen - wie geschaffen für mutige Abenteurer.

Inhalt im Detail

Noch bevor man das erste Wort des eigentlichen Inhalts gelesen hat, wird sich so mancher angesichts der Auflistung der umfangreichen Autorenriege, deren Feder dieses Werk entsprungen ist, ungläubig die Augen reiben. Zu Golarion hat so ziemlich alles beigetragen, was heutzutage auf dem Rollenspielsektor in Sachen Entwicklung von Kampagnenwelten Rang und Namen hat. Natürlich erwartet man hier die bekannten Autoren aus dem Hause Paizo und die findet man auch, aber wenn unter den insgesamt 28 "contributing authors" Namen von alten Hasen wie Ed Greenwood, Keith Baker und Jeff Grubb bis hin zu jungen Talenten wie Leandra Christine Schneider (der Gewinnerin des RPG Superstar Contests 2008) auftauchen, dann kann man sich ungefähr ein Bild davon machen, mit welcher Bandbreite an Kreativität man hier rechnen kann. Schirmherr des Projekts war Mike McArtor, der dieses Buch im Vorwort als sein "Magnum Opus", das bedeutendste Werk seiner Karriere bezeichnet. Und wie um dies noch einmal deutlich zu unterstreichen, hat er zwei weitere große Namen für jeweils ein weiteres, kurzes Vorwort gewinnen können: Robert J. Kuntz und R. A. Salvatore, die beide ein wenig über die Erschaffung von Kampagnenwelten philosophieren. Gewidmet ist dieses Buch schließlich "im Gedenken an E. Gary Gygax" (und wäre Dave Arneson zum Erscheinungszeitpunkt des amerikanischen Originals nicht noch am Leben gewesen, dann bin ich mir sicher, wäre auch sein Name hier aufgetaucht). Man sieht also: Hier wurde nichts dem Zufall überlassen.

Kapitel 1: Charaktere (48 Seiten)

Nach ein paar einleitenden Worten über die Besonderheiten bei der Charakter-Erschaffung von Golarion-SC (die so besonders gar nicht ist, außer dass man ein paar Optionen mehr hat) wird in diesem Kapitel jedes auf Golarion vor- und als Wahl für einen SC in Frage kommende Volk eingehend beschrieben. Es beginnt mit den aus dem Pathfinder Grundregelwerk bekannten halbmenschlichen Völkern (Zwerge, Elfen, Gnome, Halbelfen, Halborks und Halblinge), gefolgt von den insgesamt 11 spielbaren Menschenvölkern. Es gibt auf Golarion eben nicht den Menschen, sondern man ist Azlanti, Chelaxianer, Garundi, Keleschit, Kellide, Mwangi, Taldani, Tian, Ulfe, Varisianer oder Vudrani. Zu jedem dieser Völker erfährt man auf einer Doppelseite etwas über dessen Verbreitungsgebiet, Geschichte, Kleidungsstil und kulturellen Eigenheiten, bis hin zu typischen Verhaltensweisen und grundsätzlichen Charakterzügen. In separaten Textkästen findet man Angaben zu Muttersprache, bevorzugten Regionen und Gottheiten sowie zur Namensgebung. Außerdem wird in einem gesonderten Abschnitt eine mehr oder weniger kuriose Eigenart näher beschrieben, die für das jeweilige Volk charakteristisch oder von besonderer Relevanz ist. Nach den Völkern folgen noch ähnliche Einträge für jede der 11 aus dem Pathfinder Grundregelwerk bekannten Standard-Klassen, wobei diese jedoch mit jeweils nur einer einzelnen Seite etwas knapper (wenn auch nicht weniger informativ) ausfallen. Für jede Klasse wird ein alternatives Klassenmerkmal angeboten, für das sich der Charakter entscheiden kann, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt (z.B. aus einem bestimmten Gebiet stammt oder einer bestimmten Organisation angehört).

 

Zunächst einmal fällt in diesem Kapitel die Regelarmut ungemein positiv auf: Tatsächlich handelt es sich bei den oben erwähnten alternativen Klassenmerkmalen um die einzigen regeltechnischen Informationen im gesamten Kapitel - der Rest ist Fluff pur. Scheinbar hat Paizo die noch aus der 3.5e hinlänglich bekannte Unart, absolut jede Wahlmöglichkeit bei der Charakter-Erschaffung in Boni auf dieses oder jenes, spezielle Talente oder Klassenmerkmale pressen zu wollen, ad acta gelegt - eine Entscheidung, die ich mit großem Wohlwollen zur Kenntnis genommen habe. Die Beschreibungen der Völker selbst sind recht informativ, auch wenn man hier auf viel Altbekanntes trifft, da sich die halbmenschlichen Völker nicht großartig von ihren Stereotypen entfernen und viele der menschlichen Völker irdischen Vorbildern nachempfunden sind und diesen bzw. deren romantisch verklärter Darstellung sehr ähneln. So entsprechen beispielsweise die Garundi Persern oder Skythen, die Keleschiten Arabern, die Kelliden Kelten, die Mwangi Schwarzafrikanern, die Tian Japanern, die Ulfen Wikingern, die Varisianer Zigeunern und die Vudrani Indern. Azlanti, Chelaxianer und Taldani dagegen sind Volksstämme, die aus den alten, teilweise bereits untergegangenen Königreichen Golarions entstanden sind, und die sich zumindest vom Aussehen her noch am ehesten mit Westeuropäern vergleichen lassen. All diese Völker kann man auf Golarion ziemlich genau dort antreffen, wo man es aufgrund der Ähnlichkeit zur irdischen Geographie auch erwarten würde (mit Ausnahme der Varisianer). Besonders positiv hervorheben muss man die Abschnitte, in denen jeweils eine Besonderheit des entsprechenden Volks beschrieben wird. So kann man hier z.B. etwas über die chelaxianische Oper, die Tierfetische der Kelliden, die Lieder der Ulfen oder die Teekultur der Tian erfahren - Details, die sich einfach sehr schön dazu eignen, die jeweiligen Völker vor den geistigen Augen der Spieler zum Leben erwecken zu lassen.

 

Alles in allem bleibt zwar beim Lesen dieses Kapitels der große Aha-Effekt aus, weil man hier viel Bekanntes aus der realen Welt wiederfindet, allerdings wird dies durch die liebevoll zusammengestellten Beschreibungen mit den vielen inspirierenden Details wieder wett gemacht. Die hohe Anzahl und damit verbundene Vielfalt bei den Menschenvölkern, ohne sich dabei in einen Haufen Sonderregeln zu ergehen, hat mich sehr positiv überrascht.

Kapitel 2: Die Innere See (106 Seiten)

Das zweite und größte Kapitel dieses Buchs befasst sich mit den insgesamt 39 Nationen, die sich auf den Kontinenten Avistan und Garund rund um die Innere See herum gruppieren. Jede Nation wird auf mindestens einer Doppelseite beschrieben (einige größere bzw. wichtigere Nationen auf vier Seiten), wobei es sich meistens um Informationen über die Geschichte und derzeitigen Situation in dem jeweiligen Land handelt, gefolgt von der aktuellen Regierungsform und der Beschreibung der größten bzw. wichtigsten Städte oder Örtlichkeiten. Bei den umfangreicheren Beschreibungen gibt es zusätzliche Abschnitte über bestimmte Besonderheiten, die in der jeweiligen Nation vorkommen bzw. herrschen. Auch hier gibt es (ähnlich wie bei den Völkern) je Nation zwei vom normalen Fließtext abgesetzte Textkästen: Einen, in dem das Wappen bzw. die Flagge abgebildet, die Gesinnung, die Hauptstadt und wichtige weitere Siedlungen samt Einwohnerzahl, der derzeitige Herrscher, die Regierungsform sowie die vorherrschenden Sprachen und Religionen in der jeweiligen Nation aufgelistet werden; und einen, in dem ein oder zwei regionale Talente beschrieben werden, welche den SC, die aus diesen Nationen stammen, zur Auswahl stehen. Als "Vorwort" zu diesem Kapitel wird kurz die aktuelle Gesamtsituation der bekannten Welt rund um die Innere See beschrieben, die sich von dem letzten großen Kataklysmus, dem Tod des Gottes Aroden vor 100 Jahren, noch immer nicht erholt hat, und schlussendlich wird auch ein Überblick über die anderen Kontinente Golarions geboten, um die sich wilde Mythen ranken und auf denen es noch unendlich viele Dinge zu entdecken gibt.

 

Im Grunde setzt sich hier nahtlos fort, was auch schon für das erste Kapitel galt: Wenige Regeln, dafür ansprechend aufbereitete Hintergrundinformationen en masse, und eine Vielfalt, die keine Wünsche offen lässt. Vom tropischen Dschungel des Mwangibeckens bis zu den Eispalästen in Irrisen; von steinzeitlicher Technologie im Reich der Mammutherren bis zu den aus einem abgestürzten Raumschiff entkommenen Robotern in Numeria; von den ruchlosen Teufelsanbetern in Cheliax bis zu den abgeschottet lebenden und von einem goldenen Drachen regierten Gutmenschen in Hermea; vom Reich des lebenden Gottes Razmiran bis zur Nation von Rahadoum, in der die Ausübung jeglicher Religion verboten ist; von der freiheitlichen Demokratie in Andoran bis zur Tyrannei des Schattenhofs in Nidal. Egal, welche Art von Hintergrund man für die eigene Kampagne sucht, irgendwo auf Golarion wird man garantiert fündig. Hinzu kommen dann noch jene Nationen, deren Existenz für eine klassische Fantasywelt unabdingbar sind: ein Reich der Elfen (Kyonin), der Orks (Belkzens Boden), der Untoten (Geb) und der Dämonen (die Weltenwunde), sowie auf den speziellen Bedarf zugeschnittene Nationen wie z.B. für Pulp-Freunde das Großherzogtum von Alkenstern, das in einer magisch toten Zone liegt und in dem sich infolgedessen die Verwendung von Feuerwaffen durchgesetzt hat. Für Fans von Fantasy Horror á la Ravenloft das Reich Ustalav, das sogar ganz wie sein "großer Bruder" in einzelne Domänen (hier allerdings "Grafschaften" genannt") unterteilt ist, und für die Liebhaber karibischen Piratenflairs schließlich wurde die Inselkette der "Fesseln" erschaffen. Viele der Nationen sind dabei an Vorbilder aus der klassischen Fantasy angelehnt, aber man findet auch einige Reiche, deren kreativer Ursprung ganz klar die irdische Historie ist, so z.B. Galt, das Land der ewigen Revolution, in dem Hinrichtungen mittels Guillotinen an der Tagesordnung sind (die französische Revolution lässt grüßen), die Länder der Lindwurmkönige (Heimat der Wikinger) und natürlich Osirion, welches Ägypten zu Zeiten der Pharaonen bis aufs Haar gleicht (inklusive "Osiriontologen" - Historikern, welche die Geheimnisse des "alten Osirion" zu ergründen versuchen). Über all dem schließlich thront das kulturelle und religiöse Zentrum Golarions: Die Metropole Absalom, wo in einem kolossalen Tempel der Sternenstein aufbewahrt wird, der vor 10.000 Jahren auf Golarion hernieder gefallen und von Aroden selbst vom Grund des Ozeans geborgen worden ist.

 

Und das ist noch lange nicht alles. Wie man sieht, lässt sich für annähernd jede erdenkliche Art von Abenteuer und Kampagnenhintergrund auf Golarion ein dazu passendes Reich finden. Die hier gebotene Informationsdichte eignet sich einerseits ideal dazu, sich einen generellen Überblick über die Welt zu verschaffen, und andererseits bieten die Beschreibungen der einzelnen Länder genug originelle Details, um die Phantasie so weit anzuregen, dass man den Rest auch selber mit Fleisch füllen kann - also genau die richtige Menge für ein Kampagnenset. Die Beschreibungen der einzelnen Länder strotzen dabei vor Abenteuerideen, die sich problemlos weiter ausbauen lassen. Besser hätte man es nicht machen können.

Kapitel 3: Religion (32 Seiten)

Das Kapitel beginnt mit 11 "neuen" Domänen, die jedoch allesamt bereits aus dem Pathfinder Grundregelwerk bekannt sind (ein etwas merkwürdiger Umstand, der sich aber dadurch erklären lässt, da die deutschen Ausgaben der beiden Bücher in der umgekehrten Reihenfolge wie die amerikanischen Originale erschienen sind). Wenigstens sind die hier aufgeführten Domänen mit jenen aus dem Pathfinder Grundregelwerk identisch, so dass keine Ungereimtheiten auftreten (mit einer Ausnahme: bei der Domäne des Adels gehört die gewährte Kraft des Moralbonus auf alle Verzauberungseffekte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht hin). Danach folgt auf 10 Seiten die Beschreibung der 20 Kern-Gottheiten des Pathfinder-Pantheons, die ja auch bereits im Grundregelwerk aufgelistet sind (also eine halbe Seite je Gott), und mit denen sich bereits alle wesentlichen Aspekte einer typischen Abenteurergruppe (sowie alle Gesinnungen) abdecken lassen. Als Ergänzung findet man hier noch die relevanten Daten und Kurzbeschreibungen für 10 weitere, weniger wichtige Götter, 8 Erzteufel, 13 Dämonenherrscher, 6 himmlische Herrscher (Engel), die 4 apokalyptischen Reiter sowie 4 auf Golarion verbreitete Philosophien - für Abwechslung ist also gesorgt.

 

Der zweite Teil dieses Kapitels beschäftigt sich mit der Kosmologie Golarions, also dem Aufbau des Multiversums mit den aus der D&D-Historie bekannten Ebenen. Hierbei wurde ein recht interessantes Modell gewählt: Die Ebenen bestehen aus unterschiedlich großen Hohlkugeln (sog. "Sphären"), die wie die Schichten einer Zwiebel ineinander verschachtelt sind. Die kleinste und innerste Sphäre bildet dabei die materielle Ebene und enthält das, was man in unserer realen Welt als das Weltall bezeichnen würde, inklusive dem Sternensystem, um das der Planet Golarion kreist (und übrigens auch einige weitere Planeten, auf denen Leben existiert). Um die materielle Ebene herum sind in vier Schichten die vier Elementarebenen angeordnet, die dann zusammen mit der Ebene der positiven und der negativen Energie, der Schatten- und der Ätherebene, die als eine Art Spiegelbild der materiellen Ebene dargestellt werden, die sogenannte "Innere Sphäre" bilden. Diese liegt dann wiederum im Zentrum einer gigantischen Hohlkugel (der "Äußeren Sphäre"), auf deren Innenseite sich die diversen Heimatebenen der Götter, Teufel und Dämonen befinden. Der Raum zwischen der Außenseite der Inneren Sphäre und der Innenseite der Äußeren Sphäre ist dann schließlich die Astralebene.

 

Das alles mag auf den ersten Blick spannend klingen, aber letztendlich ist die räumliche Anordnung der Ebenen eine reine Gedankenspielerei - die SC werden mit den üblichen Zaubern bzw. Portalen zwischen den Ebenen wechseln und dabei spielt deren genaue Position im Multiversum in aller Regel eine untergeordnete Rolle. Viel interessanter sind da schon die Kurzbeschreibungen der jeweiligen Ebenen, die man ebenfalls in diesem Kapitel findet, und die sich ebenso wie die Beschreibungen der Nationen in Kapitel 2 durch viele atmosphärische Details auszeichnen. Für kurze Abstecher auf die Ebenen dürften die hier gegebenen Informationen sogar ausreichen, falls man jedoch eine längere Kampagne plant, empfiehlt es sich, nach ausführlicheren Informationen Ausschau zu halten. Mit anderen Worten: Für ein Kampagnenset ist die Menge genau richtig.

Kapitel 4: Organisationen (12 Seiten)

Fünf größere Organisationen, die auf Golarion ihr Unwesen treiben, werden in diesem kurzen Kapitel vorgestellt: Das Aspis-Konsortium (eine Handelsorganisation, die mafiöse Methoden einsetzt, um ihren Profit zu maximieren); die Adlerritter von Andoran (ein militärischer Orden, der sich der Erhaltung und Verbreitung der andoranischen Philosophie der Herrschaft des Volkes verschrieben hat); die Gesellschaft der Kundschafter (ein loser Zusammenschluss von Forschern, Archäologen und Abenteurern, die die Welt auf der Suche nach verlorenem Wissen und alten Schätzen durchstreifen und ihre Entdeckungen in den sogenannten "Chroniken der Kundschafter" festhalten); die Höllenritter (ein Ritterorden, der die Gesetze Cheliax' mit unbarmherziger Härte durchsetzt und vollstreckt); sowie die Roten Mantis (eine Assassinengilde, die jeden Mord als Opfer für ihren Mantisgott Achäkek ansieht und deren Mitglieder sich bei der Durchführung ihrer Aufträge stilgerecht als Gottesanbeterinnen verkleiden). Neben diesen fünf großen und für die Geschicke Golarions wichtigen Organisationen werden im Anschluss noch 13 kleinere vorgestellt, deren Zusammensetzung und Ziele jedoch nur kurz angerissen werden.

 

Ich muss zugeben, dass mich die fünf "großen" Organisationen nicht unbedingt vom Hocker gehauen haben. Sie sind zwar wie alles andere in diesem Buch so stimmungsvoll ausgestaltet wie es aufgrund ihrer Thematik möglich ist, aber ruchlose Händlerkartelle, gute und weniger gute Ritterorden sowie Assassinengilden gehören eigentlich zum Standardrepertoire fast jeder Fantasywelt - einzig die Gesellschaft der Kundschafter, die ja als Namensgeber für das ganze Setting fungiert, sticht hier mit etwas Originalität hervor (auch wenn es mir schwerfällt, deren Motivation nachzuvollziehen). Bei den kleineren Organisationen sieht die Sache aber gleich wieder ganz anders aus. Bestes Beispiel: die Hämotheurgen. Magier, die ihre arkane Macht dadurch steigern, dass sie ihren Blutkreislauf massiv überlasten, und die sich ständig schröpfen müssen, um nicht zu platzen - genial.

Kapitel 5: Die Welt (44 Seiten)

Unter diesem sehr allgemein klingenden Titel haben die Autoren all das zusammengefasst, was sich nicht in einem der anderen Kapitel unterbringen ließ und nicht umfangreich genug war, um ein eigenes Kapitel zu rechtfertigen. So findet man hier auf jeweils einigen wenigen Seiten Informationen über die Geschichte Golarions (in Form einer tabellarischen Chronik), über die drei Reiche der Finsterlande (dem Unterreich Golarions), über Fauna und Flora, über lebende und tote Sprachen, über die untergegangenen Königreiche mitsamt Karte, auf der deren ehemalige Lage zu erkennen ist, über Psionik, über die Technologien, die bereits auf Golarion entwickelt wurden, über den Kalender, über Handelsrouten und last but not least über das Wetter und Klima.

 

Auch sämtliche regeltechnischen "Addons" der Kampagnenwelt wurden hier untergebracht: 11 neue Zauber, neue Ausrüstung (ein ganzer Stapel Waffen (darunter auch Feuerwaffen), eine Handvoll Rüstungen und ein paar normale Ausrüstungsgegenstände), 13 neue Talente (zusätzlich zu den regionalen Talenten aus Kapitel 2) sowie 5 Prestigeklassen: Turmdeuter (ein Wahrsager, der durch Kartenlegen bestimmte Effekte erzielen oder Boni erhalten bzw. seinen Gefährten verleihen kann - "Turm" heißen die dabei verwendeten Karten, die ähnlich wie Tarot-Karten auf unserer Welt funktionieren), Niederer Templer (ein Kreuzritter, der seinen Idealen nicht immer ganz treu bleibt), Kundschafter-Chronist (ein Mitglied der Gesellschaft der Kundschafter), Assassine der Roten Mantis (ein Mitglied eben jener Assassinengilde) und Fessel-Pirat (ein Pirat von der gleichnamigen Inselkette, der durch den dort herrschenden, ewigen Sturm segeln kann).

 

Die in diesem Kapitel enthaltenen Hintergrundinformationen zu Golarion runden den Stoff aus den vorherigen Kapiteln zwar hervorragend ab, sind jedoch für meinen Geschmack teilweise etwas zu kurz geraten (insbesondere über die Finsterlande hätte ich gerne mehr erfahren). Etwas unverständlich ist mir allerdings, warum sich die Autoren bei einer Kampagnenwelt, die offensichtlich darauf ausgelegt ist, größtmöglichen Gestaltungsspielraum für Abenteuer zu bieten, einen Klotz von sagenhaften 10.000 Jahren detaillierter Geschichtsschreibung ans Bein gebunden haben. Das ist nach meinem Empfinden nicht nur unnötig lang, sondern sorgt auch für ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem, da in dieser ganzen Zeit scheinbar keinerlei gesellschaftliche, kulturelle, religiöse oder gar technologische Entwicklung stattgefunden hat. Das Ganze auf wenige hundert Jahre zu raffen und alles davor in eine diffuse "Vorzeit" zu verlegen, hätte der Sache m. E. einen besseren Dienst erwiesen und zukünftigen Autoren auch in diesem Punkt gewisse Freiheiten gelassen.

 

Das hier enthaltene Regelmaterial kann leider (noch) weniger überzeugen, was jedoch mangels Masse und Relevanz für ein Kampagnenset kaum ins Gewicht fällt. Lediglich einige der Waffen haben überhaupt einen erkennbaren Bezug zur Kampagnenwelt (warum z.B. enthält die ohnehin spartanische Liste der speziellen Ausrüstung für Golarion ausgerechnet die Preise für normale und verzierte Särge?). Bei den Prestigeklassen ist der Bezug zwar offensichtlich, deren Konzepte machen sie jedoch in meinen Augen allenfalls als NSC reizvoll (und ja, das trifft auch auf den Kundschafter-Chronisten zu).

Anhänge und Index (10 Seiten)

Anhang A enthält vier NSC, die nicht nur mit Werten, sondern auch mit einer kurzen Beschreibung und Tipps zu deren Einsatz im Spiel daherkommen, Anhang B besteht aus Zufallsbegegnungstabellen und Anhang C aus zwei Karten der Inneren See, einmal mit und einmal ohne Beschriftung. Der Index erstreckt sich über 2 Seiten und ist dankenswerterweise alphabetisch sortiert (was in diesem Buch leider nicht selbstverständlich ist, s.u.).

 

Im Vergleich zum amerikanischen Original fehlen bei der deutschen Ausgabe zwei Anhänge - allerdings wohl mit Absicht, denn zum einen handelt es sich um eine Liste der bisher erschienenen Pathfinder-Module und deren Handlungsort auf Golarion (für deutschsprachige Spieler wenig sinnvoll, da diese ganzen Abenteuer ja (noch) nicht auf Deutsch erschienen sind) und zum anderen um eine Anleitung zur Betonung und Aussprache der kampagnenweltspezifischen Namen und Bezeichnungen - für englische Muttersprachler mag das vielleicht hilfreich sein, ich bin jedoch beim Lesen dieses Buchs auf keinen einzigen Begriff gestoßen, bei dem ich über die Aussprache ins Grübeln gekommen wäre. Vermutlich ist dieser Anhang durch die Übersetzung also tatsächlich überflüssig geworden.

Übersetzung und Lektorat

Ein Buch, das hauptsächlich aus atmosphärischen Fließtexten besteht, stellt an einen Übersetzer ganz andere Herausforderungen als ein Regelbuch, macht aber sicherlich auch wesentlich mehr Spaß. Man muss sich nicht ganz so sklavisch an den Wortlaut halten und darauf achten, dass man auch ja nicht den Sinn entstellt, gleichzeitig hat man gewisse Freiheiten, besser auf die Besonderheiten der Zielsprache einzugehen und durch kreative Wortwahl die eigene Eloquenz unter Beweis zu stellen oder dem ganzen sogar seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Der Nachteil dabei: Das bezahlt einem niemand. Insofern sind solche Texte immer ein guter Gradmesser dafür, mit wie viel Enthusiasmus und Hingabe die Übersetzer bei der Sache sind. Unter dieser Prämisse ist das Pathfinder Team offensichtlich mit Leib und Seele dabei: Wenn am Horizont ein Krieg "dräut" und die Wilden Numerias als "liederliche" Leute bezeichnet werden, dann wird deutlich, dass man sich alle Mühe gegeben hat, die Texte stimmungsvoll zu gestalten. Und das beschränkt sich keineswegs auf die Benutzung eines guten Thesaurus - auch der Satzbau ist ganz klar auf dieses Ziel hin ausgerichtet. Zwar schimmert bei so mancher Wortwahl durch, dass es sich bei den Übersetzern nicht um Vollprofis handelt (Beispiel: Beim Talent "Blutwanst-Initiat" steht als Voraussetzung "Zauberfokus (irgendeine Schule)" - das ist nicht falsch, aber "Zauberfokus (beliebige Schule)" hätte einfach professioneller geklungen), jedoch ändert dies nichts daran, dass die Gesamtqualität der Übersetzung sehr gut ist und dafür sorgt, dass das Lesen dieses Buchs eine Menge Spaß macht.

 

Auch das beim Pathfinder Grundregelwerk stark in die Kritik geratene Lektorat hat sich gebessert, auch wenn es immer noch nicht von einer Qualität ist, wie man sie sich bei einem Buch in dieser Preisklasse wünschen würde - kaum eine Seite, auf der man nicht ein paar Rechtschreib-, Zeichensetzungs- oder Satzbaufehler findet, die offenbar dem Lektor durch die Lappen gegangen sind. Da es sich hier nicht um Spielregeln handelt, die man falsch interpretieren oder anwenden könnte, sondern um beschreibende Texte, erkennt man zum Glück die meisten dieser Fehler direkt aus dem Zusammenhang, so dass sie letztendlich nur den Lesefluss stören - ärgerlich ist es aber natürlich dennoch. Des Weiteren wurde z.B. vergessen, die Einträge für "bevorzugte Regionen" bzw. "bevorzugte Gottheiten" bei den Beschreibungen der Völker Mwangi, Taldani und Tian zu übersetzen - sie stehen noch auf Englisch da. Einen Lapsus hat sich das Team jedoch geleistet, der ähnlich unnötig ist wie die falsche Kapitel-Nummerierung im Pathfinder Grundregelwerk: Die Reihenfolge der einzelnen Abschnitte über die Völker, Klassen, Nationen und Prestigeklassen wurde aus dem amerikanischen Original übernommen, was natürlich zur Folge hat, dass sie mit ihren auf Deutsch übersetzten Bezeichnungen nicht mehr alphabetisch sortiert sind. Dass jeder dieser Abschnitte auf einer neuen Seite beginnt und es somit ohne größere Layoutarbeiten möglich gewesen wäre, sie richtig zu sortieren, macht die Sache für Normalsterbliche wie mich nur umso unverständlicher. Nun ist dieser Fauxpas zwar auch kein Beinbruch, da man die Abschnitte bei Bedarf trotzdem schnell findet und das PCK sicherlich kein Buch ist, das regelmäßig als Nachschlagewerk benutzt wird. Nichtsdestotrotz macht es einfach einen unprofessionellen Eindruck - wenn es sich beim kürzlich erschienenen Pathfinder Monsterhandbuch genauso verhält, dann jedenfalls gute Nacht.

 

Schlussendlich wurde dieses Buch nicht nur aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt, sondern auch von der 3.5e nach Pathfinder - ein Vorgang, der neuerdings unter dem Begriff "Pathfinderisierung" firmiert. Zunächst einmal gilt festzustellen, dass all jene Dinge, die bereits im Pathfinder Grundregelwerk enthalten waren (das betrifft hauptsächlich die Domänen und die Prestigeklasse des Kundschafter-Chronisten) 1:1 daraus übernommen wurden. Somit entstehen zumindest keine Diskrepanzen, was schon mal eine gute Sache ist. Ich muss zugeben, dass ich aufgrund der geringen Menge und Relevanz des hier enthaltenen Regelmaterials nicht bis ins letzte Detail überprüft habe, ob alles hundertprozentig regelkonform ist, im Großen und Ganzen macht die Pathfinderisierung aber einen soliden Eindruck. Zwei Dinge sind mir jedoch aufgefallen, die offensichtlich übersehen wurden: Eine Voraussetzung des Talents "Harmonische Zauber" sind 8 Ränge in Auftreten - das entspricht genau dem 3.5e-Wert und hätte von daher auf 5 Ränge reduziert werden müssen. Außerdem sind noch bei einigen der neuen Zauber und bei allen magischen Gegenständen Herstellungskosten in Form von Erfahrungspunkten angegeben - was es bei Pathfinder so nicht mehr gibt und in Goldmünzen hätte umgerechnet werden müssen. Das sind zwar nur Kleinigkeiten, aber sie machen deutlich, dass man das Regelmaterial aus diesem Buch sehr genau unter die Lupe nehmen sollte, falls man es im Spiel einzusetzen gedenkt.

Fazit

Golarion ist eine Kampagnenwelt, die sich ideal als Hintergrund und Kulisse für 3.5e - wie auch Pathfinder-Abenteuer eignet - also genau das, wofür sie auch erschaffen wurde. Gleich mehrere Gratwanderungen wurden hier bravourös gemeistert: Die Welt bietet für jede nur erdenkliche Art von Fantasy-Abenteuer einen passenden Hintergrund, während ihre starke Anlehnung an die irdische Geographie und kulturhistorische Vergangenheit dafür sorgt, dass ihre Glaubwürdigkeit darunter nicht allzu sehr leidet. Gleichzeitig wurde sie mit vielen liebevollen und durchdachten Ideen angereichert, welche die klassischen Elemente einer Fantasywelt zwar nicht neu definieren, aber mit einem neuen Anstrich versehen. So kann sich hier jede Art von Spieler wohl fühlen, sei er ein Liebhaber von Dungeon Crawls alter Schule oder auf der Suche nach etwas Neuem jenseits gängiger Fantasy-Klischees (oder irgendetwas dazwischen). Ob Golarion die "beste aller möglichen Welten" ist, wie es auf dem Buchrücken behauptet wird, sei mal dahingestellt - auf jeden Fall ist sie bei Weitem nicht die Schlechteste.

 

Das Buch an sich bietet dabei einen umfassenden Überblick über die Welt und gibt dem SL gleichzeitig genug Informationen und Inspirationen, um sich weitere Einzelheiten notfalls selbst ausdenken zu können - womit es seinen grundlegenden Zweck bestens erfüllt, auch wenn bei manchen der enthaltenen Themen etwas tiefer gehende Beschreibungen schön gewesen wären. Die größtenteils gelungene und atmosphärische Übersetzung und die großartige Aufmachung sorgen beim Leser für die richtige Stimmung und machen Lust auf mehr, wobei der Lesegenuss durch die zahlreichen Fehler jedoch etwas getrübt wird. Auch der immens hohe Preis dieses Buchs drückt recht heftig auf die gute Laune. Dennoch kann man beim Kauf nicht allzu viel falsch machen und wenn man auf der Suche nach einer klassischen Fantasywelt mit dem "gewissen Etwas" ist, dann liegt man bei Golarion genau richtig.

 

Noch ein Hinweis zum Schluss: Die Note von 4.0 bezieht sich ausschließlich auf dieses Buch und soll keine Bewertung der Welt darstellen.