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Garulfo 3 - Die Schöne und die Biester
Bewertung:
(4.0)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 03.05.2010
Autor:Alain Ayroles (Autor) und Bruno Maïorana (Zeichner)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-048-4
Inhalt:104 Seiten, Hardcover
Preis:22,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Am Ende des letzten Bandes bekam der Leser einen Cliffhanger geboten, wie er nicht schöner in Szene hätte gesetzt werden können: Man sah Garulfo und Ronaldo, wie sie nach dem missglückten Versuch den Turm zu den Gemächern von Hermina hochzuklimmen, sich im freien Fall in Richtung zurück zur Erde bewegten. Glücklicherweise wird dieser Sturz vom Krönungsmantel des Königs von Lambrusco aufgefangen, der sich gerade zu dieser Zeit mit großem Gefolge durch die Stadt in Richtung Turnierplatz bewegt. Doch diese sanfte Landung unserer beiden Helden hat auch ihre negativen Auswirkungen, da der König durch diesen Aufschlag fast von seinem eigenen Mantel erwürgt worden wäre und sich die Wachen des Königs nunmehr anschicken, die beiden vermeintlichen Königsmörder durch die Stadt zu verfolgen.

Der einzige Ausweg bietet sich ihnen bei der Kathedrale an – Kirchenasyl! Den Türknauf des großen Kathedralenportals (welches sich bedauerlicherweise nicht öffnen lässt) fest in Händen, versucht Garulfo den herbeigestürmten Wachen und dem König (nebst königlichem Tross) zu erklären, was sich hinter seinem seltsamen Verhalten verbirgt, während sich schließlich neben allerlei Schaulustigen auch die geistlichen Würdenträger einfinden, um über die Möglichkeiten des Kirchenasyls bei versuchtem Königsmord zu diskutieren. Die Rettung scheint zum greifen nahe, als Hermina eintrifft und es Garulfo fast gelingt sie dazu zu bewegen, dem verwandelten Ronaldo (der nach wie vor als Frosch sein Dasein fristen muss) einen Kuss zu geben.

 

Doch wieder einmal geht alles schief und die beiden müssen ihre Flucht durch die Stadt fortsetzen, wo sie glücklicherweise auf Däumling treffen, der sich zwischenzeitlich mit dem von Ronaldo gestohlenen Geld als Knappe des Ritters Engelhart von Schmähbach durchgeschlagen hat. Gemeinsam schmiedet man schmiedet einen Plan, wie man Hermina doch dazu bringen könnte, Ronaldo endlich zu küssen, damit beide endlich von ihrem „Fluch“ erlöst werden und wieder in den Besitz des passenden Körpers kommen. Man schickt einen Brief an Hermina und ein Treffen im Schlossgarten vereinbart. Es kommt zu einer nächtlichen Balkonszene, die ein wenig an „Romeo und Julia“ erinnert, bei der es Garulfo fast gelingt Hermina zum erlösenden Kuss zu überreden – wenn da nicht der vorlaute Ronaldo wäre, der letztlich mit seinen unpassenden Kommentaren auch diesen Anlauf wieder einmal zum scheitern bringt, indem er dem in menschlichen Dingen manchmal etwas schwerfälligen Garulfo die falschen Formulierungen zuflüstert. Erbost über die Worte von Garulfo fordert Hermina ein Zeichen seiner Liebe. Dafür soll Garulfo das große von Turnier von Lambrusco für sie gewinnen. Kein leichtes Unterfangen, besitzen die beiden doch weder Rüstung noch Pferd – doch eventuell kann hier Däumling helfen, der sich als Knappe mit solchen Dingen doch bestens auskennt.

 

Mit einigen Tricks und nicht zuletzt auch durch Däumlings Hilfe gelingt es den beiden in der Rüstung des Ritter Engelhart von Schmähbach zum Turnier zu erscheinen, während sich allerdings fast die gesamte Ritterschaft auf den Weg gemacht hat, um endlich den vermeintlich bösen Oger zu vernichten. Hier war es Hermina, die für einige turbulente Missverständnisse Angesichts des zerschundenen Körpers von Ritters Hermann von Hochstapel gesorgt hat, der bereits im zweiten Band ausgezogen ist, um die „schreckliche Bestie“ zu erlegen. Fälschlicherweise ermuntert sie die Ritter durch ihr Verhalten, sich auf die Spur des Ogers zu machen um ihn zu töten.

 

Während die einen ihr Glück im Turnier versuchen, auf den schwarzen Ritter Sinistrus von Finsterwalde treffen und sich ein Kampf auf Leben und Tod anbahnt, macht sich Hermina zwischenzeitlich auf, um den Oger vor den herannahenden Rittern zu retten. Doch – wie sollte es auch anders sein – entwickelt sich so manches dann doch wieder ganz anders als geplant und ein glückliches Ende scheint nicht so schnell erreichbar zu sein, wie es auf den ersten Blick scheint. Allerdings gibt es auch ein Wiedersehen mit der Hexe Malcruella, doch möchte ich an dieser Stelle nicht zuviel verraten.

 

Schreibstil & Artwork:

Der Autor Alain Ayroles wurde 1968 in der Region Lot geboren. Das Zeichnen und Erzählen von Geschichten entwickelte sich schon recht bald zu seiner Leidenschaft und so trieb es ihn 1980 an die Kunsthochschule von Angoulême. Doch vor allem an den Rollenspieltischen – die die Studenten weit aus gewissenhafter besuchen als ihre Seminare – perfektioniert er sein Talent als Erzähler. Und so basieren seine Comics „Garulfo“ und „Mit Mantel und Degen“ ursprünglich auf einem selbst kreierten Spieleuniversum, das noch aus dieser Zeit stammt. Nach seinem Studium arbeitete er für diverse Zeichentrickserien und als Szenarist und Zeichner für diverse Comicmagazine wie z.B. am ersten Band von „Les Enfants du Nile“, der 1991 beim Verlag Delcourt erschien. Für Delcourt schrieb er auch das Szenario für den Comic „Garulfo“, den er gemeinsam mit Zeichner Bruno Maïorana umsetzte. Parallel zu dieser Arbeit entstand die von Jean-Luc Masbou gezeichnete Serie „Mit Mantel und Degen“, eine Geschichte mit tierischen Protagonisten, die der klassischen Literatur und dem Theater des 17. Jahrhunderts verpflichtet ist.

Sein Erzähltalent und sein Sinn für Humor machten Ayroles in Frankreich zum idealen Übersetzer von „Bone“, der Kultsaga von Jeff Smith. Im Jahr 2008 veröffentlichte er gemeinsam mit dem Zeichner Luigi Critone einen Titel der Serie „7“ („Sieben Missionare“), die ebenfalls beim Verlag Delcourt erscheint.

 

Der Erzählstil von Ayroles zeichnet sich auch im letzten Band der Reihe „Garulfo“ nicht zuletzt durch sein wunderbares Gespür für geschickt inszenierte Dialoge aus, ohne dabei selbst in vermeintlich kitschigen Szenen jemals pathetisch oder gar langweilig zu werden. Und so merkt man weiterhin die ungebrochene Freude am wilden fabulieren und erzählen, während sich die Geschichte von Panel zu Panel in immer neue und tiefere Verstrickungen hineinzieht, aus denen es augenscheinlich für unser ungleiches Paar kein Entrinnen gibt.

Doch scheint es, als seien die Charaktere alle insgesamt etwas „dunkler“ und nachdenklicher geworden, was man dem letzten Band auch nicht verdenken kann, liegen doch mittlerweile einige Jahre zwischen Band 1 und 6. Das sollte den Leser aber nicht abschrecken, dem Ende und der (hoffentlich) nahenden Erlösung entgegen zu fiebern. Schlicht und ergreifend: Lesevergnügen der lustigen Art auf angenehm hohem Niveau.

 

Bruno Maïorana wurde am 23.12.1966 in Angoulême geboren. Nach einer klassischen Schullaufbahn machte er sein Abitur und ging dann an die Kunsthochschule, wo er sich für die Comicsektion einschreibt. Doch begann er sich dort schnell zu langweilen und fand den Unterricht für seine eigenen künstlerischen Belange ziemlich unergiebig. Er zog es vor, sich mit dem Zeichnen von Trickfilmen zu beschäftigen, einer Aktivität, die ihm zwar den Vorteil eines gesicherten Einkommens verschaffte, die ihn aber auch in das enge Korsett der Routine und der Vorgaben führte. Glücklicherweise schaffte der ebenfalls vom Rollenspiel begeisterte Maïorana rechtzeitig den Absprung aus diesem Genre und arbeitete mit Autor Alain Ayroles in der Zeit von 1995 bis 2004 an der Serie „Garulfo“.

 

In der Rezension des ersten Doppelbandes habe ich Maïorana noch gescholten, seine semi-funny Figuren würden etwas zu stark ins cartoonhafte abrutschen, obwohl sie technisch brillant gezeichnet sind und es eine Freude ist, die Details der Zeichnungen in sich aufzunehmen. Jetzt wird es für mich langsam aber sicher Zeit, einiges von diesem Werturteil zu revidieren, da es gerade dieser grenzwertige Stil von Maïorana ist, der einen hohen Anteil der Komik von „Garulfo“ ausmacht. Immer wieder ist es der Spagat zwischen den ernst vorgebrachten Ansichten eines Frosches, die sich innerhalb weniger Panels mit allerlei Slapstick abwechseln. Wer es dabei noch schafft, die passende Perspektive auszuwählen und den Bildern noch eine wunderbare Dynamik zu verleihen, verdient von mir auf jeden Fall großes Lob. Sehr schön ergänzt werden die Figuren und Landschaften durch die strahlenden und kräftigen Farben der Koloration von Thierry Leprevost.

 

Qualität & Übersetzung:

Ursprünglich ist die Reihe in Frankreich im Verlag Delcourt in sechs Einzelalben erschienen, der Splitter Verlag veröffentlicht jedoch die Geschichte in drei sehr liebevoll und aufwändig gestalteten Doppelbänden: „Vom Teich ins Schloß“ (Band 1), „Vom Regen in die Traufe“ (Band 2) und „Die Schöne und die Biester“ (Band 3). Der vorliegende Doppelband beinhaltet Band 5 „Preux et prouesses und 6 „La belle et les bêtes“

 

In Sachen Qualität erhält man einen rund 104 Seiten starken Hardcoverband (mit sehr schönem Spotlack-Cover) in einer gewohnt guten Verarbeitung und angenehmer Druckqualität. Zudem wird es für Sammler und Fans vom Splitter Verlag zu „Garulfo“ einen exklusiven Schuber für die drei Doppelbände geben, die sich im Regal ebenfalls sehr gut machen. Die Übersetzung aus dem Französischen stammt von Delia Wüllner-Schulz und das Lettering von Dirk Schulz.

 

Als Extra gibt es auch im Abschlussband einen Anhang, der einen letzten Blick hinter die Kulissen von „Garulfo“ gewährt: Hier erzählt Ayroles, wie er dazu kam Tiere als Figuren in seinen Erzählungen einzusetzen, die finstere Seite der Helden etwas mehr hervorzuheben oder aber auch interessantes über die Konzeption der insgesamt sechs Alben. Angereichert mit einigen Skizzen und Illustrationen aus der Feder von Maïorana, kann sich dieser Anhang wirklich sehen lassen.

 

Fazit:

Fast könnte man meinen, als hätte es Autor Alain Ayroles gegen Schluss seiner Geschichte etwas eilig gehabt. Zwar strotzen die Dialoge zwar immer noch vor Wortspielen und sind wirklich sehr schön zu lesen, doch ein wenig geht ihnen die Ruhe der ersten Bände ab, zumal die Handlung sich anschickt immer schneller vorangetrieben zu werden. Bei aller erzählerischen Leichtigkeit, welche die Story durchweht, wirken die Charaktere im letzten Band etwas bissiger und Ayroles übertreibt es vielleicht hier und da etwas mit seinem Pathos.

 

Trotz einiger vorsichtig angebrachter Kritik bekommt der Leser aber trotz allem ein rasant-komisches Abenteuer von zwei absolut sympathischen Figuren vor einem ziemlich chaotischen Hintergrund mit einer Leichtigkeit serviert, wie man es zur Zeit vielleicht nirgendwo anders geboten bekommt. Und so ist es sehr Schade, wenn man die letzten Seite in Händen hält und sich fragt, ob es nicht vielleicht noch eine Fortsetzung gibt. Eine Option, die sich auch Alain Ayroles durchaus selbst offen hält, da er zwar im Moment keine geeignete Idee hat, aber weiteren Abenteuern seiner Helden sehr wohlwollend gegenübersteht.

 

Für mich persönlich ein ganz besonderer Comic, der auf hohem Niveau sehr gute Unterhaltung bietet und schlicht und ergreifend nicht langweilig wird. Wer „Garulfo“ bislang noch nicht kennen gelernt hat, sollte dies schleunigst nachholen!