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The Haunted Lands - Anthology: Realms of the Dead
Bewertung:
(4.5)
Von: Peter Basedau
Alias: Zanan
Am: 13.06.2010
Autor:Diverse (12 Autoren von WotC)
Typ:Roman
Setting:Forgotten Realms
VerlagWizards of the Coast
ISBN/ASIN:978-0-7869-5363-9
Inhalt:335 Seiten, Softcover
Sprache:Englisch

 

Selbst der mächtigste Erzmagier, mit seinen unfehlbaren Zaubern, kann sich nicht darauf verlassen, gegen Dutzende unbeirrbarer Untote zu bestehen, die keinen Schmerz empfinden und sich von rein gar nichts beeinflussen lassen.

Vorab

Mit Realms of Undead schließt die The Haunted Lands – Reihe (siehe Rezensionsliste) ab, gut drei Jahre nach dem Erscheinen von Unclean. WotC ließ es sich nicht nehmen, insgesamt 12 Autoren hier eine Chance zu geben, eine Kurzgeschichte zum Thema Untote in den Vergessenen Reichen zu präsentieren, von Altmeistern wie Greenwood und Salvatore bis hin zu relativen Neulingen namens Johnson, Rowe und Jones. Anders als die Serie, die ausnahmslos in Thay handelte, finden wir hier Geschichten aus den ganzen Reichen, vom Eiswindtal im Norden bis hinab nach Chessenta. Der Zeitrahmen bewegt sich zumeist jenseits der Spellplague*, also nach 1380 der Talzeitrechnung.

 

*Einer Entladung der Magie, die nach der Ermordung der Göttin der Magie in jenem Jahr über die Welt hinweg raste und die Reiche neu formte (und auch das Zeitalter der Vergessenen Reiche in der 4. Edition des D&D-RPG einläutete).

Aufmachung

Das Buch wird in der für diese Reihe bekannten Aufmachung angeboten, eine Armee aus Untoten marschiert unaufhaltsam auf den Betrachter zu. Das Bild stammt wiederum aus der Feder von Greg Ruth, es gibt (aufgrund der Vielzahl an Handlungsorten) keine Landkarten, dafür im Anhang eine Kurzvorstellung der 12 Autoren und der Herausgeberin.

Inhalt

I – Pieces – Richard Lee Byers

Untote … Ich habe sie bekämpft seitdem der Krieg begonnen hat. Ich verlor mein Leben auf der Alambersee und kehrte zurück, um den Kampf fortzusetzen. Um mich mit anderen Rebellen zu verbünden, die gegen Szass Tam zogen. Der Tod ist erst der Anfang.

 

Diese Worte legt der Autor seinem Protagonisten Bareris Anskuld in den Mund, jenem Vampir-Barden, der sich durch die drei Bände der Trilogie gekämpft hat. Hier beschreibt Byers eine kurze Episode in Thay, in welcher der Barde und sein Begleiter Mirror einem Mörder auf der Spur sind, der für Szass Tam arbeitet und in den freien Gebieten die Rebellen unterwandern will. Dabei stößt er auf den Kossuth-Kleriker Chon Vrael und seinen Kult, der in Gefahr zu sein scheint, doch dem untoten Barden keinen Glauben schenkt.

 

Eine schön gestrickte Handlung, mit vielen Details und der gewohnten Materiekenntnis von Byers gewürzt.

II – Soul Steel – Lisa Smedman

Die einzige Erzählung, die lange vor der Spellplague im Forest of Amtar des Jahres 1204 handelt. Die verbitterte Elfe Trelwyn verbündet sich mit einem Drow-Leichnam, um die hochmütige Königin ihres Reiches umzubringen, welche für eine geheime Liebschaft Trelwyns Bruder opferte. Gemeinsam schmieden sie ein magisches Schwert, welches die Seele des Opfers einfängt und unsagbarer Pein aussetzt. Dazu muss jedoch ein Opfer gebracht werden, namentlich ein Zwerg namens Spinnel, den Trelwyn zuvor im Elfenreich gefangen nahm und eigentlich hinrichten sollte. Das Ritual verläuft nicht so wie geplant, doch kann die Elfe sich dies zunutze machen und bis zu Königin Bethilde vordringen. Doch dann läuft alles aus dem Ruder ...

 

Wunderbar gesponnene Geschichte und nahezu perfekt umgesetzt, nicht zuletzt mit ein wenig Ironie. Sehr schön kann Smedman die Elfen in ihr FR-spezifisches Licht setzen, welches eben nicht den abgehobenen Maßstäben aus dem D&D-Grundsystem oder gar jenen von Herr der Ringe entspricht.

III – The Resurrection Agent – Erin M. Evans

„Reshka,“ the Harlot said ...

“The very same.” Reshka stopped twelve to fifteen paces from the Harlot. “Though much improved despite your best efforts.”

“You’re supposed to be dead.”

“And so are you. Time and the Weave make fools of us all. …”

 

Evans bringt uns nach Erlkazar und Chessenta, das ehemalige Reich der Familie Karanok. Eine sehr spezialisierte Organisation bringt den Leichnam ihrer Anführerin Viridi in diese Gegend, zur letzten Ruhestätte. Damit beauftragt sind die Harlot („Dirne“) und der Shepherd („Hirte“), erstere ein sogenannter „Resurrection Agent“. Denn ihre Aufgabe ist es, sich umbringen zu lassen, um danach wiedererweckt zu werden und vor Gericht ihren Mörder zu entlarven. Ein gewagtes Spiel, zumal die Harlot keinem Gott ihr Vertrauen ausspricht und demnach als verlorene Seele in der Mauer der „Ungläubigen“ in Kelemvors Reichen enden wird – keine angenehme Vorstellung.

Die Reise verläuft jedoch nicht planmäßig, als einige ehemalige „Bekannte“ der Harlot auftauchen, nun untot, die Leiche Viridis entführen und auch den Shepherd gefangen nehmen. Nun muss sich die Harlot in die Höhle des Löwen – oder besser der Vampirin – begeben, denn auch mit dieser hat sie schon Bekanntschaft geschlossen und Saestra Karanok ist mitnichten eine zu unterschätzende Gegnerin.

 

Wenngleich die Namenswahl etwas eigenwillig zu sein scheint, ist die Handlung sehr schön gestrickt und die originelle Grundidee ebenfalls genial. Evans bindet nach langer Zeit auch die Familie Karanok ein und nimmt den Faden auf, den vor langer Zeit Kameron M. Franklin mit Maiden of Pain gelegt hatte.

IV – Wandering Stones – Bruce Cordell

Diese Kurzgeschichte ist schon etwas eigenwilliger und tief (wie beim Autor zu erwarten) in den 4E-FR – Topf getaucht. Eine Dame kommt in einer Sturmnacht an einen recht eigentümlichen Ort, der inmitten einem Feld sich stets verwandelnder Steinhügel liegt. Zudem sieht man in solchen Nächten die Geister von Verstorbenen hier wandeln, die Einheimischen kennen viele von ihnen mit Namen. Kurz nach der Ankunft von Jada taucht ein Drache auf und beginnt damit den Ort zu verwüsten ... denn Jada sieht sich als Erbe einer Dragonheir–Blutlinie, Menschen, denen die Drachen Untertan waren. Nachdem sie einem Drachen ihre Aufwartung gemacht hat, floh sie schnell nach Wandering Stones, denn dies ist ein Ort, den Drachen nicht betreten dürften.

 

Nett, wenngleich etwas langatmig und nicht wirklich zum Thema der Untotengeschichten passend. Gibt dem Leser einige interessante Anregungen für Spielrunden, sollte er sich diesem Vergnügen auch widmen.

V – The Bone Bird – Jaleigh Johnson

Zwei Priester werden zu einem von Untoten geplagten Ort gerufen, doch schon auf der Reise stirbt der Lehrmeister von Bromar. Zudem wird ihm quasi beim Begräbnis sein heiliges Symbol gestohlen und er findet dieses und das seines Meisters in jenem Ort wieder, den er beschützen soll – bei der Diebin, die sich selbst als Chauntea-Priesterin ausgibt! Das Willkommen ist aufgrund des aufbrausenden Verhalten des Priesters eher zurückhaltend, doch ändert sich dies, als der Untote erneut auftaucht, Leichen hinterlässt und den Sohn des hiesigen Gasthauses entführt, einem Trophäenjäger der besonderen Art.

 

Wiederum eine unterhaltsame Geschichte, die jedoch nicht wirklich übers Mittelmaß hinausreicht, ganz im Gegensatz zu ...

VI – Feast of the Moon – Christopher Rowe

A priest of Malar was always hunting ...

 

Ein Priester von Malar wird in Dambrath von seinem Gott auf die Jagd nach einer besonderen Beute geschickt, die der Priester als jährliches Hauptopfer darbringen will. Jaeg Felidae (nicht der einfallsreichste Name für einen Wertiger (sic!)), Jagdmeister der Arkaiuns macht sich auf, in die heiligen Hügel der Toten Könige, in denen die Arkaiuns seit jeher ihre Ahnen begraben und in welchen die Jagdmeisterin Selina unlängst verschwand. Dort lauert ein Übel, welches vor einer Grabstätte bereits eine Gruppe von Halblingsabenteurern tötete und welches beim Eintreffen von Jaeg mit zwei Halblings-Selûnepriesterinnen kämpft. Die Zwillinge haben einen schweren Stand gegen den „rot angel“ und Jaeg kann ohnehin nicht zulassen, dass die beiden ihm seine Beute stehlen. Letztlich würde dies Jaeg seiner Beute, Selina ihrer Rache und Malar seiner Opfergabe berauben. So beginnt der Malarit ein gefährliches wie tödliches Spiel.

 

Sehr schön gesponnene Geschichte mit einigen netten Wendungen. Einzig eine Erklärung für das Vorhandensein des „rot angels“ (augenscheinlich ein Grabwächter) fehlt der Geschichte.

VII – A Prayer for Brother Robert – Philip Athans

Hat nicht jede Stadt ein Haus, in dem es spukt und in dem sich Geister herumtreiben? Vielleicht nicht jede, Dagger Falls aber schon. Das hat man der Erbin des Northwall Deathhouse bei ihrer Ankunft aber nicht gesagt und Jillea zieht mit ihrem Kind Lillia ahnungslos ein ... für eine Nacht. Schon am nächsten Morgen steht sie auf der Tür des hiesigen Amaunator-Tempels und Bruder Robert (einer der Akolythen, die gerade vor Ort sind) entschließt sich, nach dem Rechten zu sehen. Die folgende Nacht wird für Jillea und den jungen Priester zu einem unvergesslichen Abenteuer, denn der Erblasser war ein berüchtigter Mörder und Henker des Dunklen Netzwerkes der Zhentarim.

 

Man hat zwar irgendwie das Gefühl, alles schon einmal gesehen oder gelesen zu haben, doch unterhaltsam ist diese Geschichte allemal.

VIII – The King in Copper – Richard Baker

Hulburg wurde nach dem Krieg zwischen Hillsfar und den Zhentarim zu einem Spielball der Mächte, der gegenwärtige Herrscher muss ohnmächtig die Söldnerhaufen frei nach deren Belieben gewähren lassen, hat er doch keinerlei Macht sie zu verjagen. Der Söldnerführer Odelmor hat die Stadt fest im Griff und sucht in den Ruinen vergeblich nach Schätzen, um sich und die seinen zu finanzieren. Der Harmach von Hulmaster, Angar Hulmaster fürchtet um seines und das Leben seiner Frau und führt die Söldner daher zu den Grabstätten seiner Vorväter. Als ihnen die Beute dort nicht ausreicht, verweist Angar auf das Grabmal des „Königs im Kupfer“, Aesperus dem Großen – von allen bislang tunlichst gemieden. Der Söldnerführer vertraut jedoch auf die Waffen seiner Männer und die Magie seiner Magierin, Angar auf sein Glück.

 

Wunderbare Geschichte mit zahlreichen Hintergrundinformationen zu der Gegend und ihrer Geschichte.

IX – Dusty Bones – Rosemary Jones

Tiefwassers Stadt der Toten ist der Arbeitsplatz von – man soll es kaum Glauben - bezahlten Gärtnern und Steinmetzen. Leaplow gehört zu ihnen und ist nicht sonderlich glücklich darüber, über seinen entfernten, unlängst hier erschienenen Verwandten Fitnor zu wachen, wo man doch viel besser den gebräunten und mit Muskeln bepackten Körper den vorbeiziehenden Damen präsentieren könnte. Doch zu allem Unglück will dieser dann auch noch unbedingt in ein Grabmal schauen, zu welchem Leaplow ihm Zutritt verschaffen kann. Schnell erweist sich der Cousin als Grabräuber und wird daraufhin zum Zielobjekt eines vor langer Zeit just in diesem Grab gefangenen Untoten, dem dust wight (MM III) „Staubige Knochen“. Mit einer nahezu spektralen Wächterin desselben macht sich Leaplow nun auf, den Untoten wieder einzufangen.

 

Unterhaltsame Geschichte aus einer eher weniger bekannten Region der wohl bekanntesten Stadt Faerûns. Einzig die Namen der Gärtner und Steinmetzen sind doch eher einfallslos oder erinnern ans mittelalterliche Japan.

X – The Many Murders of Manshoon – Ed Greenwood

Der Erzmagier Manshoon macht, was er immer tut: die Magier der falschen Fraktion der Zhentarim jagen. Doch so clever seine Pläne und Fallen für seine jüngsten 3 Opfer auch sind, sie entkommen auf sonder- wie wunderbare Weise stets den Attacken des Erzmagiers. Als er zu guter Letzt die Lösung findet ist diese ganz anders, als er es jemals erwartet hätte.

 

Ein Wiedersehen mit altbekannten Größen aus der Welt der Hochmagier der Vergessenen Reiche. Neben Manshoon tauchen auch Elminster, Szass Tam, Khelben und die Magisterin Talatha auf. Man liest es alles, genießt es, doch fragt sich am Ende dennoch etwas verwirrt nach dem Warum.

XI – A Body in the Bag – Erik Scott de Bie

Was macht die gelangweilte Tochter einer adligen Paladinin? Richtig, sie versucht sich in der Kunst der Nekromantie. Da nur sehr wenige Vertraute dies wissen dürfen bzw. bereit sind, Ande zur Seite zu stehen, hat sie arge Probleme damit, ihre Studien zu betreiben. Nur der in die, bereits einem anderen versprochene, Ande verliebte Tiefling Korvo folgt widerwillig in dunkle Gewölbe und darf auch schnell als Testperson herhalten, denn die von Ande erschaffenen Untoten sind keinesfalls so harmlos, wie die Nekromantin es versprach. Dann entkommt einer der Untoten just in dem Moment, als Mutter Paladinin mit einem Mob vor der Tür steht und Ande zur Rede stellen will. Nun folgt die haarsträubende Jagd nach dem Untoten, eine Jagd, von der niemand etwas erfahren sollte und die für Korvo zu einem unerwartetem Ende führt.

 

Die Analogie zu den real-weltlichen „ich-will-anders-sein“ - Jugendlichen erschließt sich dem Leser schnell und der Pep des Erschaffens von (unkontrollierten) Untoten haucht der Geschichte natürlich das gewisse Etwas ein. Das 4E-Merkmal dieser Geschichte ist, dass der doch eher absonderlich aussehende Tiefling in den Vergessenen Reichen nun augenscheinlich als „normaler“ Charakter angekommen ist.

XII – Iruladoon – R.A. Salvatore

Die Fischer des Lac Dinneshere kennen und meiden eines der Ufer, selbst wenn man dort den gefährlichen Strömungen und Sturmwellen des Sees entgehen kann. Doch als Larson’s Boneyard leckschlägt, lenkt Kapitän Ashelia das Schiff dorthin, damit es repariert werden kann. Eine willkommene Unterbrechung für den ehemaligen Roten Magier Addadearber, sich den geheimnisumwitterten Wald hier näher anzusehen, den berüchtigten Iruladoon. Von den Barbaren der Gegend als „Ort ohne Zeit“ genannt, war er einst Heimat der hiesigen Elfen, jetzt leben ganz andere Wesenheiten hier. Gleichzeitig sucht der Waldläufer „Roundabaout (and never here)“ im Wald einen Jungen, der ebenfalls auf dem Schiff war und während der Feuerholzsuche verschwand. Doch was er findet, verändert sein Leben ...

 

Nette Geschichte aus dem Eiswindtal in Faerûns Norden, allerdings gänzlich aus dem Konzept des Buches fallend. Und so viel sei gesagt: der schwarzhäutige Säbelschwinger taucht nicht auf!

Fazit

Eine gelungene Sammlung von Geschichten mit oder über die Untoten in den Vergessenen Reichen, wenn man R.A. Salvatores Beitrag außen vor lässt. Warum gerade er (und nicht Ed Greenwood) auf dem Cover genannt wird, bleibt ein offenes Rätsel (nun ja, mehr Zug beim Käufer spränge ins Auge). Die Qualität der einzelnen Romane ist auf durchweg guten Niveau, Soul Steel, Feast of the Moon, The King in Copper und The Resurrection Agent heben sich zudem vom Rest noch ab. Gerade für Leser, die nach neuen Ideen oder aber aktuellen, Post-Spellplague – Informationen aus den Reichen suchen werden hier gut bedient.