Links zur Rezension Pegasus Press versucht verlorenen Boden wieder gutzumachen und bringt die deutsche Übersetzung des legendären Klassikers „Nocturnum“ für „Cthulhu Now“ erstmalig in deutscher Übersetzung auf den Markt. Diese, in drei Bänden erscheinende, Kampagne wurde ursprünglich von „Fantasy Flight Games“ Ende der 90er Jahre für den amerikanischen Markt konzipiert und dort auch sehr positiv aufgenommen – also nur eine längst fällige Übersetzung oder eine gelungene deutsche Neukonzeption?
Der äußere EindruckMit 112 Seiten ist der zweite Band der Kampagne einen Hauch dünner, wobei man allerdings auch die zahlreichen Hintergrundinfos bedenken muss, die im ersten Band enthalten sind und die nicht noch einmal in „Kalter Wind“ abgedruckt wurden. Die Umschlaggestaltung bleibt optisch der Produktlinie von „Cthulhu Now“ treu und so gibt es ein Wiedersehen mit den grau-weiß gehaltenen Hintergrundfarben, wobei Manfred Escher sich wiederum für die gelungene Covergestaltung verantwortlich zeigt und das Motiv des ersten Bandes variiert: Zwischen dunklen Hochhausschluchten blickt man in das schemenhafte Gesicht eines Menschen, über dem eine stilisierte Sonnenfinsternis prangt. Die Verarbeitung als gebundenes Hardcover ist tadellos und lässt keine Wünsche offen.
Das Inhaltsverzeichnis gibt einen schnellen Überblick über Struktur des Bandes, wobei sich – wie bereits erwähnt – der überwiegende Teil der Hintergrundinformationen im ersten Band befindet. Wie bereits der erste Band besticht auch „Kalter Wind“ durch sein sehr nüchternes und aufgeräumtes Layout. Die Überschriften sind ordentlich formatiert und auch der Seitenumbruch ist recht elegant gelungen. Aufgelockert wird der Text durch zum Teil gut gestaltete und stimmungsvolle Illustrationen und einem immer wieder geschickt eingesetzten starken Schwarz-Weiß-Kontrast von Text und Hintergrund. Die Texte selbst sind zweispaltig gegliedert und es gibt immer wieder eine ganze Reihe von besonders hervorgehobenen Texten in den einzelnen Abschnitten, die mit zusätzlichen, wenn auch kurz gehaltenen Hintergrundinfos aufwarten können. Sehr schön gelungen sind auch die Handouts, egal ob es sich um Karten, handschriftliche Aufzeichnungen oder Auszüge aus Akten handelt. Die Texte stammen diesmal allesamt aus der Feder von Autor Darrell Hardy, die von Michael Weh übersetzt wurden und sich flüssig und angenehm lesen lassen.
Insgesamt also wieder eine durchgängig solide und gute Arbeit in Sachen Qualität und Layout von den Machern von Pegasus Press.
Zum InhaltBestand der erste Teil der Kampagne aus drei lose miteinander verbundenen Abenteuern, die sich auch ohne größeren Aufwand alleine und ohne den Hintergrund der Kampagne spielen lassen, so ist der zweite Band inhaltlich doch etwas anders strukturiert: Insgesamt gibt es neun Abschnitte, mit unterschiedlichen Herausforderungen, die allerdings mehr oder weniger aufeinander aufbauen und dem Leser zum Teil einige wichtige spieltechnische Aspekte für die Kampagne näher bringen.
In „Nocturnum 2: Kalter Wind“ gewinnt die Geschichte nunmehr richtig an Fahrt. Die Charaktere gehören zu den wenigen Menschen, die von der ultimativen Katastrophe wissen, welche unseren Planeten heimzusuchen droht – der sich nähernde Komet SH-01. Doch in ihrem Bemühen, den feindlichen Mächten ins Handwerk zu pfuschen, sind sie selbst auf einmal die Gejagten. Um den Charakteren deutlich vor Augen zu führen, wie alleine sie bei ihren Bemühungen sind, egal ob es sich um staatliche oder private Institutionen handelt, existieren einige Abschnitte in diesem Abenteuer – doch niemand wird ihnen Glauben schenken. Und so wenden sich die drei ersten Abschnitte „Gesucht!“, „Eine dringende Warnung“ und „Vom Fall des Himmels“ genau dieser Thematik zu und beschreiben, wie die Charaktere zu Gejagten werden und wie die erste Begegnung mit dem wichtigen Nichtspielercharakter Timothy Ekloff von Statten geht, der sie ebenfalls warnt, dann aber verschwindet.
Wie sehr ihr Leben in Gefahr ist, sollte den Charakteren im Abschnitt „Flug 714“ deutlich werden, in dem sie in eine Flugzeugkatastrophe geraten und ihnen (hoffentlich) in letzter Sekunde eine Notlandung in der Wüste von Nevada gelingt. Der Absturz des Fluges war kein Zufall, doch durch das beherzte Eingreifen der Charaktere konnte unter Umständen Schlimmeres verhindert werden. Die Absturzstelle befindet sich in der Nähe einer verlassenen Stadt, die noch aus den Gründerzeiten des „Wilden Westens“ stammt und in die sich die Passagiere zum Schutz vor der Nacht zurückziehen. Doch diese Geisterstadt macht ihrem Namen alle Ehre und zu allem Überfluss dürfte es nicht lange dauern, bis Mitarbeiter von TemCo auftauchen, die für den Absturz verantwortlich waren, deren Plan allerdings gänzlich anders aussah.
Schaffen es die Charaktere die Ereignisse in der Wüste von Nevada zu überstehen, stoßen sie im Abschnitt „Der Wohltäter“ auf Roland Delmont, einen der Anführer des „New Moon Temple“ und somit der Widersacher von TemCo. Da TemCo mächtig und einflussreich ist, hat man alle Hebel in Bewegung gesetzt, um der Charaktere habhaft zu werden. Das FBI fahndet inzwischen aufgrund falscher Informationen wegen Mordes an Gary Augustine nach den Charakteren. Unter der Voraussetzung, dass die Charaktere Delmont bei der Suche nach Timothy Ekloff behilflich sind, bietet „Der Wohltäter“ ihnen neue Papiere und Geld an. Da die Charaktere ohnehin in ihrer derzeitigen Situation keine große Wahl haben, sollten sie dieses Angebot auch annehmen. Wo Ekloff sich aufhält ist nicht bekannt, allerdings könnte dessen Bruder Alan unter Umständen etwas über dessen Verbleib wissen – doch der befindet sich zur Zeit in einem Sanatorium.
Und so verschlägt es die Charaktere unversehens, im Abschnitt „Besuchszeiten“, rund dreißig Kilometer westlich von Cranston, New Hampshire in die Psychiatrische Klinik Gibson, in der sich Alan Ekloff zur Zeit befindet. Bei dem Versuch Alan zu befreien, müssen die Charaktere feststellen, dass Mitarbeiter von TemCo das Sanatorium leiten und sie unversehens in eine Falle geraten sind. Ein mörderisches Wettrennen gegen die Zeit beginnt, in dessen Verlauf Alan jedoch stirbt. Allerdings waren die Mühen nicht umsonst und die Charaktere haben einen Hinweis auf Timothys Neffen Samuel erhalten.
Ihre Spur aus der Klinik führt die Charaktere in „Eine Familienangelegenheit“ zum alten Familiensitz der Familie Ekloff nach Bower County in Georgia. Bei ihrer Suche nach Hinweisen in der kleinen Stadt nach dem Verbleib von Timothy Ekloff und dessen Neffen Samuel stoßen die Charaktere auf einige alte Geheimnisse des vermeintlich verschlafenen Dorfes, die weit in die Geschichte zurückreichen und auf Magie, die verheerende Auswirkungen auf den Sumpf hat, der sich hier befindet. Aber auch die Mitarbeiter von TemCo scheinen in Bower County ihr Unwesen zu treiben und es liegt an den Charakteren sowohl diesen, als auch ihren örtlichen Helfern in die Parade zu fahren und deren Treiben ein Ende zu bereiten. Im Sumpf befindet sich eine alte Hütte, wo Timothy und seine Geschwister als Kinder öfter gespielt haben und die er vor einigen Wochen aufgesucht hat. Hier haben die Charaktere die Gelegenheit einen Hinweis auf einen Mann namens Tommy Zane aus Savannah zu finden.
Mit der Unterstützung von Pater Cartier gelingt die Flucht aus Bowersville, wo inzwischen auch das FBI aufgetaucht ist und die Charaktere machen sich im Abschnitt „Offenbarungen“ auf den Weg nach Savannah. Auf Wunsch von Roland Delmont sollen die Charaktere unterwegs einen Halt einlegen, bei dem sie sich mit einem Mitarbeiter des „New Moon Temple“ treffen sollen, um weitere Informationen zu erhalten. Dieses Treffen gerät allerdings zu einem Fiasko, da ein Mitarbeiter von TemCo auftaucht und den Kontaktmann tötet, bevor dieser einige wichtige Informationen weitergeben kann. Dennoch bekommen die Charaktere zumindest einige neue Erkenntnisse, welche die Tätigkeit des „New Moon Temple“ in einem ganz anderen Licht erscheinen lassen.
Den Charakteren gelingt es in Savannah Timothy Ekloff ausfindig zu machen, der zur Zeit damit beschäftigt ist, eine kleine Kampftruppe zusammen zu stellen, mit der er einen Überfall auf den Tyr Nemaii durchführen kann. Die Stadt unter dem Berg ist eine sorgfältig gesicherte Festung der Shk´ryth und wenn Ekloff die Maschine zerstören will, bedarf es schon mehr als nur einer Person.
Da Pater Cartier allerdings ein doppeltes Spiel treibt, konnte TemCo den Charakteren auf der Spur bleiben und so werden Ekloff, als auch die Charaktere von TemCo-Agenten bei ihrem Treffen überwältigt, betäubt und verschleppt. So finden sich die Charaktere unversehens im Abschnitt „Thors Amboss“ an Bord des Frachters „Revelation“ wieder, der sie zu einer Bohrplattform südlich von Grönland fährt, die – wie sollte es anders sein – zum TemCo-Konzern gehört und Forschungszwecken dienen soll. Dass sich auch hier einige Dinge anders entwickeln, als man meint dürfte fast schon eine Selbstverständlichkeit sein und so treffen die finsteren Pläne eines Unternehmens auf Geheimagenten der Regierung, übereifrige Öko-Aktivisten und eine tödliche Gefahr aus den eisigen Tiefen des Atlantiks.
Fazit:Die groß angelegte Kampagne von „Nocturnum“ darf man sicherlich als episch bezeichnen, doch trotz der Fülle von Hintergrundinformationen, Verschwörungen, allerlei finsteren Agenten und etlichen Ausgeburten aus dem „Malleus Monstrorum“ dürfte es für die Spieler unter Umständen schwer werden, viel von diesem Hintergründen zu erforschen, da das recht linear aufgebaute Abenteuer nicht unbedingt viel Platz für eigene Ideen lässt und auch nicht allzu viele Möglichkeiten hierzu eröffnet. Zwar ist die Motivationsschraube kräftig angezogen – die Charaktere werden vom FBI als gesuchte Mörder verfolgt und müssen sich auch sonst ihrer Haut wehren, um zu überleben – doch sind die einzeln miteinander verknüpften Szenarios recht linear in ihrem Aufbau und verlangen viel Disziplin vom Spielleiter um alle notwendigen weiterführenden Informationen zu präsentieren. Entsprechend aufwändig kann es werden, Abschnitte neu zu konzipieren, wenn das jeweilige Szenario nicht unbedingt zu überzeugen weiß.
Der zweite Band zeigt deutlich die Komplexität der Kampagne und so ist es unumgänglich die zahlreichen Informationen über die Hintergründe und die Nichtspielercharaktere (nebst deren Organisationen) im Hinterkopf zu behalten, damit man nicht den Anschluss an spätere Szenarien verliert und es im schlimmsten Fall zu Unstimmigkeiten kommt, die sich verheerend auswirken können. Doch dies ist ohnehin ein Problem bei sehr komplexen Kampagnen und nicht unbedingt ausschließlich eins von „Nocturnum“.
Wie bereits beim ersten Band lässt sich vortrefflich über die Qualität der einzelnen „größeren Abenteuer“ in diesem Band streiten, aber zum Glück gibt es hier einige Mittel und Wege für einen Spielleiter ungeliebte Sequenzen nach eigenen Wünschen umzugestalten, ohne dass die Fortführung der Kampagne darunter leidet. So gefällt mir persönlich der Abschnitt „Flug 714“ nicht sonderlich mit seinem Erkenntniswert für die Spieler. Insofern habe ich diesen komplett gestrichen und durch eine wilde Verfolgungsjagd mit Fahrzeugen auf einem Highway in der Wüste und einigen anderen kleinen Kniffen ersetzt, der unterm Strich mit den gleichen Informationen aufwarten kann und auch zum Abschnitt „Der Wohltäter“ führt.
Insgesamt präsentiert sich auch der zweite Band inhaltlich auf recht solidem Niveau und vermittelt ein Stück weit das mysteriöse Flair der Kult-Serie „Akte X“ (welche ja ebenfalls in den 90ern überaus populär war) mit dem passenden Anteil von Hightech, den „Cthulhu Now“ ja auszeichnet. Insoweit sicherlich eine gelungene deutsche Übersetzung, bei der man allerdings manchmal eine gründliche Überarbeitung vermisst.
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