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InhaltKönig Kpengla hat Isa, Viaroux und Montaguère nach Abomey, der Hauptstadt des Königreiches Dahomey eingeladen. Angeblich hat er die Weißen zu sich eingeladen, damit sie bei einer Verhandlung über einer seiner untreuen Frauen beiwohnen können, doch scheint dies nur ein Vorwand zu sein, um die weiße Frau kennen zu lernen, die in den Tod von zwei Dorfbewohnern verwickelt ist. Während sich Forrisier und Mary sich um Hoel kümmern, macht sich Isa, den Männern auf den Weg in das einige Tagesmärsche entfernte Abomey.
Noch bevor die Reisenden in Abomey ankommen, bekommt Isa von ihren Begleitern deutlich zu verstehen gegeben, sie solle sich gegenüber dem König zurückhaltend äußern und sie möge Viaroux aus dem Geschehen herauslassen. Ansonsten befürchte man Verwicklungen für die weiteren Sklavengeschäfte, zumal die Reaktionen der Eingeborenen völlig unberechenbar sein könne.
Angekommen in Abomey verläuft der Empfang beim König anders als erwartet. Dieser nimmt zwar die „wertvollen Geschenke“ von Montaguère an, bei denen es sich allerdings um wertlosen Plunder handelt und revanchiert sich bei ihm mit dem Geschenk einer alten, halb verhungerten Sklavin. Bei diesem Empfang richtet der König durch seinen Übersetzer das Wort an Isa und möchte wissen, wie diese dazu steht, einen weißen Mann im Lager von Caracon lächerlich gemacht zu haben, zumal bei diesem Zwischenfall zwei seiner Krieger gestorben sind. Durch geschickte Äußerungen schafft es Isa den König von ihrer Unschuld zu überzeugen und belastet indirekt Viaroux für sein Verhalten.
Doch Viaroux rächt sich an Isa und beim nächsten Treffen mit dem König trifft seine Äußerung, die Damen in Frankreich seien im Reden geschickter als im Umgang mit den Waffen den Nerv des Königs. Während die Amazonen des Königs in einem Wettkampf mit Pfeil und Bogen auf Vögel schießen, soll Isa mit einem Gewehr ihr Glück versuchen. Isa bewahrt Ruhe und trifft einen Vogel, der unmittelbar vor die Füße von Viaroux fällt. Der König ist zufrieden und bittet seine Gäste sich bei Tagesanbruch auf dem Markt einzufinden, wo seine beiden untreuen Frauen hingerichtet werden.
Als Zeichen seiner Anerkennung schenkt König Kpengla Isa eine junge und geheimnisvolle Sklavin namens Alihosi mit dem Hinweis, eine Frau mit einem kranken Mann habe Hilfe im Haushalt nötig. Noch in der gleichen Nacht dringt der betrunkene und nach wie vor verärgerte Viaroux in die Hütte von Isa ein und versucht sie zu töten. Glücklicherweise kann Boisbeauf, der von Alihosi geweckt wurde, den Betrunkenen niederschlagen und informiert Montaguère über diesen untragbaren Vorfall. Isa ist erstaunt darüber, das Alihosi ihre Sprache spricht und kommt hinter dieses Geheimnis. Im Dorf lebt der Franzose Pierre Jasmin, der früher Offizier an Bord eines Sklavenschiffes war und von Kriegern Tegbessus, dem Vorgänger von König Kpengla, überfallen wurde. Zunächst wollte man ihn wohl gegen Zahlung eines Lösegeldes freikaufen, doch später hat sich Montaguère gegen einen solchen Handel ausgesprochen, damit eine solche Vorgehensweise keine Schule macht. Isa verspricht Jasmin für seine baldige Freilassung zu sorgen. Allerdings verbirgt sich hinter der freundlichen Fassade des älteren Mannes ein Mensch, der in seiner Gefangenschaft nichts gelernt hat: Falls er wieder freikommt, so würde er eine Plantage aufmachen und Sklaven für die Feldarbeit schuften lassen.
Die Geschäfte von Boisbeauf mit dem König kommen zum Abschluss und so machen sich im Morgengrauen des 8. August Montaguères kleine Gruppe mit den gekauften Sklaven auf den Weg zurück nach Ouidah. Auf ihrer Reise kommt es zu einer dramatischen Begegnung, als Isa sich von der Gruppe entfernt und sich plötzlich einem Löwen gegenübersieht. Aouan will den Löwen erschießen, doch steht Isa ungünstig. Da Aouan zögert, nähert sich der Löwe diesem und zerfleischt ihn. Isa greift nach der heruntergefallenen Waffe von Aouan und tötet den Löwen. Für Aouan kommt allerdings jeder Hilfe zu spät und dieser stirbt in den Armen von Isa.
Viaroux wird beauftragt einem Häuptling eine Nachricht von König Kpengla zu überbringen und um keine Zeit bei ihrem weiteren Marsch zurück zu verlieren, soll Viaroux mit einigen Männern nachts losziehen. Dieser ist nicht sonderlich begeistert und vermutet, man wolle ihn nachts heimlich aus dem Weg schaffen. Doch nicht nur Viaroux ist unterwegs, auch Alihosa macht sich heimlich auf den Weg zu einer Voodo-Zeremonie, verfolgt von Isa, die sich über das nächtliche Verschwinden von Alihosa wundert.
Nur wenige Meilen liegt Fort Saint-Louis, wo sich Mary mit dem schüchternen Francois Vignebelle vergnügt und ihn in die Freuden der Liebe einweiht. Doch ihre zärtliche Zusammenkunft wird jäh durch das Erscheinen von John Smolett gestört, der sich wie im Wahn seine Tochter Enora greift und damit droht diese umzubringen, falls die beiden ihm nicht folgen. Unter dem Vorwand für ihre erkrankte Tochter einen Arzt in Fort William aufzusuchen machen sich die kleine Gruppe auf den Weg in das nahe gelegene Sumpfgebiet. Viaroux hat mittlerweile ebenfalls Fort Saint-Louis erreicht und ist verwundert von den Wachen über das plötzliche Erscheinen von Smolett informiert zu werden.
In der Abgeschiedenheit des Dschungels möchte Smolett sich mit Francois duellieren, doch vorher kommt zunächst zu einem heftigen Wortgefecht und in seiner Raserei wirft Smolett das Kind in einen nahe gelegenen Tümpel. Während Mary versucht Smolett abzulenken kümmert sich Francois um die Rettung von Enora. Er bringt das Kind in Sicherheit und macht sich dann zurück um Mary vor Smolett zu schützen – allerdings begegnet er auf dem Rückweg unversehens Viaroux und seinem Diener Zan-Ou. Umgehend macht sich Viaroux auf die Suche nach Mary und Smolett und findet die beiden. In seinem Wahn stürzt sich Smolett auf Viaroux, den er ebenfalls für einen Verehrer seiner Frau hält und beide duellieren sich. Doch der Sumpf ist tückisch und beide enden – trotz aller Warnungen – im Treibsand und sterben.
Die Voodo-Zeremonie für Hoel war erfolgreich und er ist wieder gesund, als das Schiff am 16. August 1781 in See sticht. Im Laderaum der „Marie-Caroline“ befinden sich 340 Sklaven auf engstem Raum und der Kapitän warnt noch einmal die Passagiere eindringlich, sie alle befänden sich auf einem Pulverfass, da jeder Neger bei einem Aufstand zu einem Rädelsführer werden kann. Als Dank für die Hilfe von Alihosi, bittet Isa Boisbeauf darum, sie nicht mit den anderen Sklaven einzusperren und sie auf Deck zu lassen. Sie persönlich werde sie nicht aus den Augen lassen.
Aber der Start der Reise steht unter keinem guten Stern, da Kapitän Boisbeauf stürzt und sich dabei schwer verletzt. Nur wenige Tage später erliegt er seinen Verletzungen und der allgemein verhasste Leutnant Jean-Jaques Bernadin übernimmt das Kommando für den Rest der Reise.
Schreibstil & Artwork:Der französische Comiczeichner François Bourgeon wurde am 05.07.1945 in Paris geboren und durchlief eine Ausbildung zum Glasmaler an der Pariser „Ecole des Métiers d'Art“. Bereits 1971 musste er allerdings seinen Beruf aufgeben, da die allgemein schlechte Auftragslage in seinem Metier nicht für seinen Lebensunterhalt reichte. Anfang der 70er Jahre gelangte er, eher zufällig, in Kontakt mit der Jugendzeitschrift „Lisette“, für die er 1972 die Serie „L´Ennemie vient de la mer“ erschuf, die mit ihren stark schematisierten Zeichenformen noch deutlich Bourgeons Prägung durch die Glasmalerei erkennen lässt. Nach dem Konkurs von „Lisette“ folgten weitere kleinere Arbeiten für Magazine wie „Fripunet“, „J2“ und „Pif Gadget“.
Einen ersten, wenngleich auch kurzen, Ausflug ins Mittelalter unternimmt Bourgeon bereits 1973 mit dem Comic „Brunelle et Colin“ (dt. „Britta und Colin“, Carlsen). Die von Robert Génin für das Comicmagazin „Djinn“ geschriebene Serie um eine tollkühne Prinzessin und ihren Pagen gibt er allerdings bereits nach zwei Bänden wieder auf, die Génin dann aber ab 1982 mit dem Zeichner Didier Convard fortsetzt.
Im Jahr 1979 gelingt Bourgeon mit dem historischen Zyklus „Reisende im Wind“ der Durchbruch in der frankobelgischen Comicszene. Dies allerdings nicht unbedingt durch seinen Zeichenstil, sondern vielmehr durch seine Neuerungen auf dem Gebiet der Bilddramaturgie des Comics: Als Bourgeon Anfang der 70er Jahre die Comic-Szene betrat, war die Seitenaufteilung des Mediums noch weitgehend klassisch und konventionell geprägt: Die einzelnen Panels folgten linear aufeinander und bildeten ein starres Gerüst. Bourgeon hob diese Beschränkung einfach auf und wechselte die Panelgröße je nach Verlauf und Absicht seiner Erzählung. So fügt er beispielsweise kleinere Detailbilder in größere Panoramen ein und erzielt so mitunter Effekte, wie sie der Leser aus der Erzählsprache der Filmkunst kennt. Doch nicht nur die visuelle Erzählweise von Bourgeon war für die damalige Comic-Kultur wegweisend, sondern auch die Entwicklung der Charaktere innerhalb einer Comic-Reihe wie in „Reisende im Wind“, die man bislang in dieser Form nicht kannte.
Bourgeon pflegt in „Reisende im Wind“ einen insgesamt sehr realistischen und detaillierten Zeichenstil, wobei er oft auf der Grundlage von historischen Studien von Landschaft, Technik und Bauwerken arbeitet. Seine nie geschönten oder idealisierten Figuren basieren auf anatomisch genauen Vorgaben, ohne dabei allerdings ins Photorealistische überzugehen. Doch nicht nur der Zeichenstil besticht, sondern auch die historische Genauigkeit, die Bourgeon in der Reihe an den Tag legt:
Die Königspaläste des westafrikanischen Reichs Dahomey, der heutigen Republik Benin, zeugen nicht nur von der politischen Macht ihrer 12 Könige, die durch Sklavenhandel und Eroberungsfeldzüge, sowie einer hervorragenden Verwaltung das Königreich zu einer Wirtschaftsmacht aufbauten, sondern auch von der Kultur ihres Volkes, der Fon, ihrer Vodou-Religion und ihrer Bildkunst, den Basreliefs, die in Bildzyklen die Geschichte und Taten der Könige erzählen.
Sklaven gab es in Afrika schon lange bevor die ersten Weißen den schwarzen Kontinent betraten und diese den Fremden sogleich zum Kauf angeboten wurden. Doch mit den Kontakten zu den Weißen aus Europa entwickelte sich jener gigantisch-grausame Handel mit Millionen von Menschen, die meist von der afrikanischen Westküste, der noch heute so genannten „Sklavenküste“, nach Nord-, Mittel- und Südamerika verschleppt wurden.
Doch mit dem schwunghaften Anstieg des Sklavenhandels sorgten sich die Machthaber von Abomey auch darum, woher sie die ganzen Sklaven nehmen sollten, die sich so gut verkaufen oder tauschen ließen? Man schickte Aufkäufer zu den Sklavenmärkten bis tief ins Innere von Afrika und so gab es Sklaven, die über 2000 Kilometer weit marschieren mussten, bevor sie an der Küste von Dahomey an die weißen Schiffskapitäne verkauft wurden. Wurde dennoch die begehrte Ware einmal knapp, so ließ der König sogar eigene Dörfer von seinen Kriegern umstellen und verkaufte kurzerhand die ganze Bevölkerung als Sklaven. Einen gewissen Vorrat von Gefangenen brauchte der König sogar stets selbst, beispielsweise für religiöse Opferzeremonien im Palast oder aber wenn wichtiger Besuch kam. Dann mussten stets Gefangene auf grausame Art und Weise sterben und so wurden die Böden der Königspaläste von Abomey über Jahrhunderte hinweg mit Blut getränkt.
Somit war der Sklavenhandel nicht nur ein glänzendes Geschäft für die portugiesischen, holländischen und englischen Händler, sondern auch für die afrikanischen „Exporteure", darunter die Könige von Abomey, die über Jahrhunderte hinweg ihren Reichtum und ihre Macht aus diesem Handel schöpften, bis er Ende des 19. Jahrhunderts weltweit verboten wurde und die Kolonisierung durch Frankreich die grausame Herrschaft der Dynastie schließlich beendete.
Noch heute zeugen die Ruinen der Paläste aus Lehm vom Prunk jener Könige und von ihrer großen Grausamkeit beim Umgang mit den Sklaven. So hatte zum Beispiel der Thron des Königs auf vier abgeschlagenen Köpfen zu stehen. Recht bescheiden geht es dagegen beim heute amtierenden König von Abomey zu, der für Geld gern mit seinem Hofstaat vor Touristen posiert. An das Thema Sklaverei möchte in Abomey weder der König noch sonst jemand erinnert werden.
Es dürfte den Leser unter diesen Gegebenheiten nicht wundern, warum Bourgeon sowohl die kolonialen Herren als auch die aristokratische schwarze Bevölkerung in diesem Sinne sehr authentisch schildert – beide Seiten waren auf ihren persönlichen Vorteil aus und Bourgeon verleiht dem barbarischen Verbrechen der Sklaverei mit seiner Geschichte eine neue Facette. Dies allerdings nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit dem Blickwinkel der damaligen Denkweise und seiner Protagonistin Isa, die sich in dieser seltsam anmutenden Welt nicht immer ohne weiteres zurecht findet.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungSolide Fadenheftung in gediegener Hardcover-Qualität – das dürfte beim Splitter Verlag sicherlich eine Selbstverständlichkeit sein, so wie es auch die gelungene Übersetzung von Delia Wüllner ist, an der es nichts zu bemängeln gibt. Das ursprüngliche Titelbild der Erstausgabe wurde vom Verlag geändert, was jedoch zu verschmerzen ist, da es das ehemalige Cover der Erstausgabe als „Zugabe“ in Form eines qualitativ hochwertigen und herausnehmbaren Druckes im Band gibt.
Natürlich hat sich auch in Sachen Drucktechnik seit den 80er Jahren einiges getan und so sehen die Farben dieser Neuauflage frischer und freundlicher als sein etwas in Jahre gekommener Vorgänger aus. Zudem hat Bourgeon dem Projekt seine eigens dafür digitalisierte Handschrift für ein modernes Computer-Lettering zur Verfügung gestellt, welche den Band um so lesenswerter macht.
FazitEs ist eine denkwürdige Reise, auf die Francois Bourgeon seine Protagonistin Isa schickt und dem Titel der Reihe alle Ehre macht – Reisende im Wind. Angetrieben durch ihr Schicksal verschlägt es Isa auf den afrikanischen Kontinent und die abenteuerliche Reise vor dem authentisch skizzierten Hintergrund des Sklavenhandels im 18. Jahrhunderts in Afrika versetzt durch seine zahlreichen Facetten nicht nur den historisch interessierten Leser in Staunen. Wie bereits schon in den vorhergehenden Rezensionen der Bände dieser Reihe angemerkt, sind es weniger die spektakulären Momente, als vielmehr eine ruhig erzählte Geschichte, die sich ausreichend Zeit nimmt, ihren Charakteren die nötige Tiefe vor dem historischen Hintergrund zu verleihen, ohne dabei pathetisch oder gar langweilig zu wirken. Hinzu kommen gelungene Dialoge, welche die Wirkung der hervorragenden Bilder noch unterstreichen.
Auch wenn dieser „Klassiker“ mittlerweile schon einige Jahrzehnte alt ist, so hat er – wie bereits gesagt – auch visuell nichts von seinem Reiz verloren. Der für damalige Verhältnisse neuartige Umgang im Aufbau der Panels hat auch heute nichts von seinem Charme verloren, auch wenn mancher die Figuren von Bourgeon vielleicht als etwas hölzern in ihrer Darstellung bezeichnen mag. Es sind keine waghalsigen Experimente auf die sich Bourgeon einlässt, aber dennoch gehörte er mit zu den wenigen, auch kommerziell erfolgreichen Künstlern, welche diese neue Form der Darstellung im Comic den Weg bereiteten.
So kann ich auch den vierten Band dieser Reihe nur uneingeschränkt dem Leser ans Herz legen, da man sich diesen wegweisenden „Historien-Comic“ in dieser absolut gelungenen Aufmachung nicht entgehen lassen sollte.
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