Links zur Rezension AufmachungEin außergewöhnliches D&D-Buch! Der grobe Aufbau ist absolut identisch mit jedem bisher erschienenen D&D-Hardcover der 4. Edition. Ein kurzer Blick und man weiß, dass man es mit einem D&D-Buch zu tun hat. Jetzt kommt das große „Aber“! Der Zeichenstil der Cover-Illustration ist völlig anders, als der sonst sehr um „Realismus“ und Details bemühte. Hier haben wir es mit einem eher comichaften Stil zu tun, der auf der Vorderseite des Buches eine Abenteurergruppe zeigt, auf der Rückseite einen roten Drachen, der allerdings nichts mit den Drachen gemein hat, die uns aus den bisherigen D&D-Editionen bekannt sind. Diese völlig an den Erwartungen vorbeischrammende und gerade dadurch sehr wohltuende Zeichenstil zieht sich durch den ganzen Band, man fühlt sich mehr an „Wormy“, „Dork Tower“, „Order of the Stick“ oder von mir aus auch „Knights of the Dinner Table“ erinnert, als an einen „ernsthaften“ D&D-Quellenband. „Nicht ernsthaft“ ist somit wahrscheinlich die beste Beschreibung, die man zum ersten Durchblättern des Buches treffen kann. Nebenbei sei vielleicht gesagt, dass ich das sehr erfrischend finde und ganz und gar nicht störend.
InhaltNach kurzer Einleitung mit den drei genialen Schlagworten: „Roleplaying is action“, „Roleplaying is choice“ und „Roleplaying is other people“ erklärt uns Kapitel 1, wie wir unseren Charakter erstellen können (und vor allem, welcher Charakter zu uns passen könnte). Besonders hilfreich sind hier 4 kleine Fragebögen, mit denen wir herausfinden können, aus welcher Motivation heraus wir Rollenspiele betreiben, welche Klasse und welche Rasse ideal für unseren Charakter wäre und welche Gesinnung man ihm verpassen könne. Ich bin wohl ein in sich nicht ganz ruhender Leser, denn ich habe noch nie einen chaotisch bösen Halblingskleriker gespielt. Auch bin ich eigentlich nicht so der „Storyteller“-Typ, aber was nicht ist kann ja noch werden. Auch sehr schick - gerade für Anfänger - sind auch die beiden großen Übersichtstabellen, die zeigen, welche primären und sekundären Attribute zu welchen Rassen und Klassen passen. Weitere Abschnitte des ersten Kapitels geben kurze Tipps zum Wählen von „Powers“, „Skills“ und „Feats“, sowie wie man das Optimum aus Stufenaufstiegen herausholt. Alles thematisch nicht unbedingt meine Baustelle, da meine Charaktere gar nicht optimal sein sollen, sondern gerne Ecken und Kanten haben dürfen. Der Schreibstil des Buches hat mich aber auch diese Teile „überstehen“ lassen.
Ein Feature, das sich durch das gesamte Buch zieht, sind kurze Boxen „Tell us about your character“, in denen WotC-Designer und Angestellte von ihren Lieblingscharakteren erzählen. Nicht weltbewegend, aber für jemanden, der gerne nettes Geplauder von den Machern hört oder liest wie ich, sehr lesenswert.
Wobei wir wieder beim ersten Eindruck wären: „Nicht ernsthaft“. Was für die Illustrationen gilt, gilt auch für die Texte. Die sind durchgängig im netten Plauderton geschrieben und unterscheiden sich wohltuend von vielen anderen D&D-Büchern. Wirklich ausgesprochen nett zu lesen.
Wirklich genial, wenn man versuchen will, eine möglichst harmonisierende Gruppe zu erstellen, sind die je zweiseitigen Abschnitte „How to...“. Sie geben in Bezug auf Klasse, Rasse, Fertigkeiten, „Feats“ und Co. Hinweise, wie man bestimmte Rollen am besten im Voraus planen kann: „How to make the best healer“, „...make the fastest character“, „... get the best initiative“, „... make the best talker“, „... get the best armor class“, „...never miss“, „... never fail saving throws“, „...have the most hit points“, „... deal damage forever“, „...teleport instead of walk“.
Nun weiß jeder Spieler, wie er den Charakter, den er gerne spielen würde, im Spiel durch die Regeln abbilden kann. Kapitel 2 erklärt nun, wie man diese Kräfte bündeln und eine schlagkräftige Gruppe zusammenstellen kann. Dass Charakterrollen geklärt werden und es Tipps zum Optimieren der Gruppenzusammenstellung gibt, hatte ich ja erwartet, aber die Hinweise, wie man dafür sorgt, dass auch Hintergründe zusammenpassen und sich die Persönlichkeiten der Charaktere ergänzen, finde ich wirklich ausgezeichnet. Vier Beispielgruppen runden das Kapitel ab. Den „Spellslingers“ ist die Beschäftigung mit Magie gemeinsam. Die „Guardians of Eastfall“ nutzen vor allem die Synergie-Effekte zwischen den einzelnen Charakteren und funktionieren hervorragend als Gruppe oder in kleinen Einheiten. „The Moonlit Watchers“ sind so zusammengestellt, dass sie dadurch im Kampf besonders erfolgreich sind, dass sie sich geschickt positionieren können. Zuletzt werden „The Marked Ones“ vorgestellt, eine sehr ausgeglichene Gruppe, die schon Stufe 11 erreicht hat. Diese Gruppe wird auch funktionieren, wenn ein Spieler an einer Spielsitzung nicht teilnehmen kann.
Kapitel 3 widmet sich Strategie und Taktik – gerade bei den D&D 4-Kämpfen ein wichtiger Faktor. Die Tipps zu Bewegung, Timing und Ressourcenmanagement werde ich mir vor der nächsten Encounters-Runde auch nochmal gründlicher zu Gemüte führen. Sinnvoll ist auch das Unterkapitel zum Thema „Heilung“, aber dass man über seine Gegner Bescheid wissen sollte, ist doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Die letzten Seiten des Kapitels widmen sich zwei konkreten Beispielen, wie schon die Beispielgruppen gefällt mir, wie lebensnah hier vorgegangen wird. „Irontooth“ und „Stormtower“ zeigen minutiös, wie man in solchen Begegnungen ideal vorgehen kann.
Aus meiner persönlichen Sicht auf das Rollenspiel heraus, muss ich sagen, dass mir Kapitel 4 „Playing the Game“ mit Abstand am besten gefällt. Die Unterabschnitte sprechen für sich selbst: - Storytelling: Wie erleben die Spieler gemeinsam mit dem Spielleiter eine interessante Geschichte? - Being Part of the Party: Gemeinsam sind wir stark. - Rising to the (Skill) Challenge: Ideen, wie Spieler „Skill Challenges“ mit unkonventionellen Ideen zu ihren Gunsten entscheiden können. - Knowing when to rest: … spricht für sich selbst. - The Campaign Journal: Als Erinnerungsstütze für die Spieler. - Treasure and Rewards: Aufteilung der Schätze und Co... - Don't be a Jerk: Der wichtigste Abschnitt des Buchs versteckt sich ganz am Schluss mit der Aufforderung: „Ihr seid ein Team und jeder will Spaß haben! Verhalte dich so, dass das funktioniert!“
Fazit:Ein schön zu lesendes Buch mit tollen Spieler-Tipps, die selbstverständlich auch für Spielleiter interessant sind oder es zumindest sein sollten. Es geht auch kurz gesagt nicht in der Hauptsache darum, einen besonders geilen Charakter zu bauen, der alle anderen aussticht, sondern das Credo des Buches ist: „D&D ist ein Spiel, bei dem ihr nur erfolgreich seid, wenn ihr miteinander spielt und eure Charaktere sich ergänzen und gegenseitig unterstützen.“ Egal wie erfahren und mächtig eure Charaktere sind oder wie lange ihr schon D&D spielt, dieses Buch ist eine interessante Lektüre, die auf unterhaltsame Art und Weise Tipps und Hinweise gibt und nicht von sich behauptet, die alleine glücklich machende Weisheit zu besitzen. Lasst euch also nicht von den vollmundigen Sprüchen auf der Rückseite oder dem „anderen“ Artwork abschrecken und schlagt zu!
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