Sharner Kobold Sharner Kobold

 

u
Chaos Marauders
Bewertung:
(4.3)
Von: Aeringa Voyno
Alias: Aeringa
Am: 27.07.2010
Autor:Stephen Hand, John Goodenough
Typ:Kartenspiel
Setting:(Warhammer Fantasy)
VerlagFantasy Flight Games
ISBN/ASIN:978-1-58994-559-3
Inhalt:Siehe Angaben im Text
Sprache:Englisch

 

“’ere we go, ‘ere we go, ‘ere we gooo!!!”

Fiese Grünhäute in Kartenspielformat: 1987 hat die englische Spieleschmiede Games Workshop zum ersten Mal diesen kurzweiligen Ableger des Tabletop-Klassikers Warhammer veröffentlicht. Zwölf Jahre später brachte der amerikanische Verlag Fantasy Flight Games eine Neuauflage des Spiels heraus, offenbar nicht ohne Grund.

„Chaos Marauders“ ist für 2-8 Spieler konzipiert und soll diese laut Angabe auf der Box circa 45 Minuten beschäftigen – eine wirklich nur ungefähre Schätzung, denn schon in dieser Hinsicht ist Chaos Programm: Je nach Glück oder Pech kann eine Spielsitzung von weniger als einer halben Stunde bis zu über einer Stunde dauern. Die Altersempfehlung „13+ Jahre“ fußt mehr auf den unzimperlichen Hintergründen (es sind immerhin Orks und allerlei Chaoskreaturen, die fürs „Mosch’n“ leben) und dem kriegerischen Spielprinzip, denn auf der Komplexität der Regeln – diese würde meiner Einschätzung nach auch ein Zehnjähriger verstehen können.

Inhalt

Was verbirgt sich also in dieser kompakten grünen Box? Selbstverständlich ein Kartendeck, bestehend aus 110 Karten, vier Spielleisten, auf, über und unter welchen die Karten im Verlauf des Spiels angeordnet werden, ein besonderer sechsseitiger Würfel – falsch, ein cube of devastation, 16 Plastikmarker für „Spione“ in feindlichen Reihen (je vier in vier Farben), ein Heft Spielanleitung und eins mit ausführlicher Beschreibung der Karten.

An den Materialien gibt es nichts zu bemängeln – die Karten sind überaus robust und kaum gegen Beschädigungen „im Eifer des Gefechts“ anfällig, dasselbe gilt für die Spielleisten, auf denen die düstere Panoramaansicht einer Landschaft in orange-schwarzen Tönen dargestellt ist.

Das Regelheft erklärt die Vorbereitungen und den Spielablauf unkompliziert und mit einer gehörigen Prise Humor, den man von Orks der Warhammer-Welt kennt, vor allem den obligatorischen verschriftlichten Dialekt. So auch die Kartenreferenz, in der nicht nur die spielmechanischen Auswirkungen einer jeden Karte erklärt, sondern auch die Hintergründe der Einheiten und Gegenstände beleuchtet werden – und so für noch mehr spaßige Atmosphäre sorgen.

Die Letztere entsteht allerdings vor allem durch die liebevoll gestalteten Karten, die gerne für Heiterkeit am Tisch sorgen und bei Kennern des Tabletops mitunter die Lichter des Wiedererkennens aufgehen lassen: Vor allem Altfans werden das eine oder andere Relikt entdecken, wie die claws of Malal, ein Verweis auf den ominösen fünften Chaosgott, der aus Lizenzgründen schon früh aus der Warhammer-Welt verschwand.

Die graphische Gestaltung der meist grünen Widerlinge, von den Bildern auf den Karten bis zum „Gruppenfoto“ auf dem Box- und Regelheft-Cover, wurde für die aktuelle Auflage des Spiels neu entworfen und passt perfekt zum wilden und fiesen Flair, auch wenn Christophe Maduras Stil etwas eigen ist und von der „zeitgemäßen“ Darstellung der Warhammer-Orks leicht abweicht.

Spielkonzept

Spielziel

In „Chaos Marauders“ befehligt jeder Spieler einen orkischen Stamm – und was könnte als Spielziel näher liegen, als seinen Stamm über alle anderen zu erheben – „bessa, größa un’ mächtiga!“ Dies erreicht man, indem man möglichst viele Siegespunkte sammelt, die am Ende des Spiels zusammengezählt werden. Die Logik ist klassisch – wer die meisten Punkte ergattert hat, gewinnt. Bei einem Unentschieden wird der Sieger bestimmt, indem die Kandidaten den traditionellen orkischen Schlachtruf „Waaagh!!!“ brüllen – hier gewinnt der Lauteste. Albern? Ja, aber genau das ist „Chaos Marauders“ – und macht einfach Spaß!

 

Vorbereitungen

Vor dem Spielbeginn muss nicht viel getan werden: bloß die Spielleisten ausgebreitet, die Plastikmarker an die Spieler verteilt und die Karten gemischt werden. Letzteres sollte möglichst gründlich getan werden, damit die „Kriegsmaschinen“, die aus mehreren Karten bestehen, nicht zu schnell und leicht zusammengebaut werden können. Mehr ist nicht erforderlich – „Chaos Marauders“ ist nach dem Auspacken binnen einer Minute startklar.

 

Ablauf

Zuallererst gilt es, den Startspieler zu bestimmen. Dieser ist nicht der Älteste oder Jüngste am Tisch, sondern – ganz orkisch – derjenige mit der meisten grünen Kleidung. Nachdem der erste Spieler seinen Zug gemacht hat, geht es im Uhrzeigersinn weiter, sofern mehr als zwei Spieler beteiligt sind.

Während seines Zuges zieht der aktive Spieler eine Karte nach der anderen, die er in seinen drei „Schlachtreihen“ platzieren kann, auf, über und unter der Spielleiste, bis eine bestimmte Bedingung eintritt, die seinen Zug beendet, etwa das Ziehen einer „grünen“ Karte oder die Möglichkeit zum Angriff auf einen anderen Spieler.

Ein Angriff ist möglich, sobald man eine „Schlachtreihe“ fertig gestellt hat, sprich diese lückenlos ist und von jeweils einem Musiker und einem Standartenträger flankiert wird. Damit darf der blutrünstige Stamm normalerweise eine unvollständige Schlachtreihe eines Gegners angreifen, die über weniger Kampfkraft (errechnet durch die gemeinsame Kampfkraft der einzelnen Karten) verfügt. Hier kommt ein weiteres chaotisches (und unterhaltsames) Element hinzu: der cube of Devastation, der eine 1/6 Chance besitzt, alles zu vermasseln. Zeigt der Würfel den Chaosstern, muss der Möchtegern-Angreifer seine eigene Schlachtreihe abwerfen bzw. an den Angegriffenen abgeben. Würfelt er jedoch ein „orkisches Auge“, so gewinnt er die Schlacht und darf sich an der besiegten Schlachtreihe bereichern.

Ob der Würfel irgendwie „gezinkt“ ist, kann ich nicht sagen, allerdings habe ich schon mehrere Spielrunden erlebt, in denen er den Gesetzen der Wahrscheinlichkeit getrotzt und einen Beinahe-Sieg zu einer fiesen Niederlage verwandelt hat.

Obwohl „Chaos Marauders“ sinngemäß ein stark zufallsabhängiges Spiel ist, besitzt es dennoch einige grundlegende strategische Elemente: Zum einen ist es nicht unwichtig zu entscheiden, wie lang man seine Schlachtreihen bauen soll (eine kürzere Reihe ist schneller vervollständigt, fällt jedoch meist schwächer aus, als eine längere), zum anderen sollte man abwägen, welche Karten man wo platzieren möchte. Reserviert man z.B. Platz für eine mächtige Kriegsmaschine, lässt man eine Reihe womöglich länger verwundbar. Mit den sneaky gits hat man außerdem die Möglichkeit, feindliche Reihen zu infiltrieren (sprich, eigene Einheiten in gegnerische Schlachtreihen einzubauen), um die Spione anschließend in einem günstigen Moment zu vernichten und so den Gegner zu schwächen.

Strategisches Denken ist in „Chaos Marauders“ also zu einem gewissen Grad gefragt – doch sollte man sich nie zu sehr auf die Taktik verlassen! Auch außerhalb der Angriffe kann der cube of Devastation einem einen Strich durch die Rechnung machen – z.B. indem der Oger Odlugg Spleenripper (den man auch so schnell nicht loswird) die üppigsten Punktekarten auffrisst. Und die Titelkarte braucht nicht einmal den Würfel, um den Besitzer zu wechseln!

Langeweile kommt dabei nie auf – Frust kann es hingegen geben, wenn man ein kontrolliertes und weniger zufallsabhängiges Spielprinzip mag. In meinem Fall – für mich ist ein Chaoselement in Spielen unverzichtbar – hat es dem Spaß keinen Abbruch getan.

 

Spielende

Das Spiel endet, sobald ein Spieler alle drei Schlachtreihen vervollständigt hat. An dieser Stelle werden die Siegespunkte gezählt und verglichen; der Spieler, der das Ende herbeigeführt hat, erhält dabei einen Bonus, der allerdings nicht unbedingt entscheidend sein muss. Wie zu Beginn der Rezension erwähnt, kann eine Spielrunde sehr unterschiedlich lang ausfallen, denn kurz vor dem vermeintlichen Ende mag ein gewürfelter Chaosstern den Beinahe-Sieger weit zurückwerfen.

Fazit:

Wer ein kurzweiliges, rasantes, nicht allzu anspruchsvolles Spiel sucht, womöglich eins, das Flair jenseits des eigentlichen Inhaltes besitzt, wird seinen Spaß an „Chaos Marauders“ haben, vorausgesetzt, er ist ein Freund des gepflegten Chaos. Strategische „Denkmuskeln“ strengt das Spiel nur mäßig an, dafür umso mehr die Lachmuskeln, nicht zuletzt der Schadenfreude wegen!

Es ist keineswegs nötig, sich mit den Hintergründen der Warhammer-Welt auszukennen, um über den chucka zu schmunzeln oder sich zu ärgern, wenn man wieder einmal die crummy snotling slaves gezogen hat, Kennern des Tabletops oder auch des Warhammmer Fanatsy-Rollenspiels dürften jedoch die Mundwinkel als erstes nach oben wandern.

Schon zu zweit macht „Chaos Marauders“ sehr viel Laune; mit drei oder viel Spielern hat man zwar mehr Konkurrenz, aber auch eine geringere Chance, dass der nächste Schlag einen selbst trifft. Auch während der gegnerischen Züge langweilt man sich nicht: Es ist einfach nur spannend, zuzusehen, was der andere als nächstes zieht – man hofft natürlich, dass es etwas ist, was er nicht brauchen kann! Und wenn es ans Würfeln geht, betet man zu den Chaosmächten für einen Chaosstern – außer man ist selbst der Würfelnde.

Als fröhliches Gelegenheitsspiel mit eventuell ausufernder Spieldauer, eine Art „Ork ärgere dich nicht“, kann ich „Chaos Marauders“ guten Gewissens weiterempfehlen, vor allem (Alt-)Fans der Warhammer-Welt.