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Die Legende der scharlachroten Wolken  1 - Die Stadt, die zum Himmel spricht
Bewertung:
(3.9)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 22.08.2010
Autor:Saverio Tenuta (Autor und Zeichner)
Übersetzer:Tanja Krämling
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Historisches Japan
VerlagSplitter Verlag
ISBN/ASIN:978-3-86869-140-5
Inhalt:48 Seiten, Hardcover
Preis:13,80 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Das fiktive mittelalterliche Japan, wie man es aus den Zeiten der Shogun kennt: In einem Wirtshaus wird ein Bunraku-Theaterstück aufgeführt, eine traditionelle, japanische Form des Figurentheaters, doch die Freude der Darsteller und der Zuschauer wird getrübt, als Hauptmann Kawakami im Auftrag der Shogunai Fujiwara Ryin die junge Schaustellerin Meiki festnehmen will. Doch Meiki bekommt unerwartet Hilfe von einem einarmigen Unbekannten, der ihr bei der Flucht vor den Wachen der Shogunai aus dem Wirtshaus hilft und einen seltsam blutenden Korb auf seinem Rücken trägt.

 

Mitten in Flucht platzt die Nachricht vom Eindringen von Izuna-Wölfen in die Stadt und so befinden sich die Meiki und der Unbekannte nicht nur auf der Flucht vor den Wachen durch die Gassen und über die Dächer der Stadt, sondern müssen auch um ihr Leben kämpfen. Während dieser ganzen Zeit wird der Einarmige von einer seltsamen Stimme begleitet, die nur er hören kann, die allerdings in Anwesenheit von Meiki nachlässt – scheinbar hat er seine Erlösung gefunden.

 

Bei einem Kampf mit einem Izuna-Wolf wird der Einarmige verletzt und Meiki bringt ihn zu Jera, einer Heilerin, wo sich beide verstecken, da sie im Moment ohnehin keine Chance haben die Stadt zu verlassen. Das Gift des Izuna-Wolfes beginnt schon bald zu zu wirken und im Fieberwahn begleitet der Leser den einarmigen Unbekannten in seine scheinbar vergessene Vergangenheit: Bei dem Unbekannten handelt es sich um Raido Caym, einen Samurai der vor vielen Jahren für den ehemaligen Shogun Totecu in den Kampf gegen die Izuna-Wölfe gezogen ist und dabei seinen Arm und ein Auge verloren hat. Da die Götter die Menschen strafen wollten, schickten sie ihnen Eis, Schnee und die blutrünstigen Izuna-Wölfe, welche in den Dörfern und Städten für Tod und Zerstörung sorgten. Einzig Raido hielt man für fähig mit einer Gruppe von Wachen dieser Gefahr Herr zu werden. Doch Raido erinnert sich auch an Nobu Fudo, einen Weggefährten, der einst im Dienste des Shogun stand, ihn aber letztlich seinen Arm, ein Auge und seine beiden Schwerter, die Scharlachroten Wolken, kostete.

 

Doch die Welt hat sich geändert – der alte Shogun Totecu ist Tod und seine Tochter, die Shogunai Fujiwara Ryin hat die Macht an sich gerissen. An ihrer Seite dient Nobu Fudo, der mittlerweile den Weg des Fleisches eingeschlagen hat. Die böse Ahnung, die bereits Wachmann Kawakami im Wirtshaus beschlichen hat, den unbekannten Einarmigen zu kennen, scheint sich bewahrheiten. Schon bald sehen sich Nobu Fudo und Raido Caym wieder...

 

Schreibstil & Artwork:

Saverio Tenuta wurde am 14.05.1969 in Rom, Italien, geboren und aufgewachsen. Später sollte er an der renommierten „Accademia di belle arti“ in Rom graduierte. Nach seinem Abschluss begann er zunächst als Kunstgraveur und Werbegraphiker zu arbeiten. Seine ersten Arbeiten im Bereich Comics waren Kurzgeschichten und einige Cover für verschiedene italienische Verlage, bei denen er unterschiedliche Techniken und verschiedene Stile einsetzte.

 

Unzufrieden mit seinem beruflichen Fortkommen, beschloss er sich zu spezialisieren und besuchte für ein Jahr die „Scuola Internazionale di Comics“, die unter der Leitung von Dino Caterini und dem künstlerischer Direktor Paolo Eleuteri Serpieri steht, wo er später selbst als Dozent Comic-Kurse geben sollte. Während dieser Zeit arbeitet Tenuta bereits mit einer ganzen Reihe von italienischen und amerikanischen Verlegern zusammen, darunter so namhafte wie Cierre (Arthur King), Universo (Intrepido), Tattilo (Playmen Comix), General Press (Il Corvo Presenta), RCS (2000 giorni al 2000) und Phoenix (Laida Odius und Italia XXIII Secolo). Für Phoenix veröffentlichte er gemeinsam mit dem Autor Otto Gabos auch seine erste Graphic-Novel „Cold Graze - Risvegli di Ghiaccio“.

 

Später entstanden durch die Zusammenarbeit mit amerikanischen Verlagen aber auch die Gestaltung von beispielsweise Trading Cards, Tarot-Karten oder Cover-Illustrationen. Dank seiner Kurzgeschichten wurde Tenuta ein regelmäßiger Gast im Magazin „Heavy Metal“, allerdings fand auch der One-Shot „Dolls“, den er gemeinsam mit Autor Lorenzo Bartoli für den Verlag Sirius schuf, durchaus Beachtung. Mit einer seiner besten Arbeiten legte er für den DC Comic „JLA – Riddle of the Beast“ vor, wo er für die graphische Gestaltung eines alternativen Batman verantwortlich war.

 

Im Jahr 2004 begann seine Arbeit mit dem französischen Verlag Les Homanoïdes Associés für den er 2006 den ersten Band seiner Reihe „Die Legende der scharlachroten Wolken“ („La Légende des Nuées Écarlates”) vorlegte.

 

Als Erzähler weiß Tenuta hervorragend zu unterhalten, da seine Geschichte von der ersten bis zur letzten Szene keine Schwächen zeigt und es versteht ihren Leser einzufangen. Das zum Teil recht fiktiv anmutende mittelalterliche Japan, welches sich an die Zeit der Herrschaft der Shōgun anlehnt, denen in Europa vergleichsweise der Rang eines Herzog zukäme und die sich im Laufe der Zeit zu den eigentlichen Herrschern Japans anstelle des Kaisers aufgeschwungen hatten, nutzt er als Kulisse, um seinen Charakteren eine manchmal symbolträchtige Sprache einzuhauchen, die vortrefflich zu den Bildern passt.

 

Irgendwo zwischen Manga und klassischem Comic angesiedelt entsteht so der Beginn einer atemberaubenden und mysteriösen Geschichte, die auf jeden Fall noch enorm viel Potential besitzt. Man mag dabei zwar vielleicht einige Versatzstücke aus etlichen anderen Storys und japanischen Animationsfilmen wiedererkennen, doch ist es die ausgewogene und stilsichere Kombination, welche Tenuta hier an den Tag legt und die seiner Erzählung etwas besonderes verleiht.

 

Doch nicht nur als Erzähler, sondern auch als Zeichner weiß Tenuta zu beeindrucken. Die vordergründige Ruhe und Stille der Bilder, in den es auch recht wortkarg zugehen kann, wird immer wieder konterkariert durch die fast zerberstende Tragik und blutige Gewalt, die in der Inszenierung und der Darstellung ihrer Akteure steckt. Dabei ist das Artwork von Tenuta hervorragend in Szene gesetzt und fast scheint es, als habe er jedes einzelne Panel mit einem Bild und nicht nur einer Illustration füllen wollen. Das mag an manchen Stellen der Geschichte ein wenig den Schwung nehmen und statisch wirken, doch lädt es das Auge des Betrachters ein und vermittelt manchmal von seinem Aufbau und der Komposition das Gefühl, als schaue man auf alte japanische Farbholzschnitte. Dominierend sind dabei in den Bildern immer wieder die Farben Rot und Weiß – Blut und Schnee. In Japan steht die Farbe Weiß für Trauer und Tod, die Farbe Rot hingegen für die Frau. Und so lässt sich auch aus dieser Farbgebung einiges an Symbolik aus den Bildern herauslesen.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung:

In Punkto Qualität liefert der Splitter Verlag wiederum einen solide verarbeiteten Hardcoverband in Fadenheftung ab, der sowohl im Druckbild als auch in der Übersetzung von Tanja Krämling keinerlei Anlass zu Kritik gibt. In Sachen Ausstattung gibt es leider keine Extras, wobei ich mir bei diesen zum Teil hervorragenden Illustrationen gerne einen Blick auf den Skizzenblock von Saverio Tenuta gegönnt hätte – vielleicht kommt da noch etwas in den folgenden Bänden.

 

Fazit:

Es ist schon etwas ungewöhnlich, wenn sich ein europäischer Zeichner der japanischen Geschichte annimmt und es wie Saverio Tenuta versteht aus allerlei fiktiven Versatzstücken mit einem scheinbar hohen Maß an historischer Authentizität und einem gerüttelt Maß an Phantastik eine fast poetisch anmutenden Geschichte zu erzählen, die immer wieder von Gewalt und Blut durchzogen wird. Selbst wer nicht unbedingt eine Vorliebe für japanische Settings hat und auch mit der Welt der Samurai deren manchmal befremdlichen Ansichten nichts anzufangen hat, dürfte von diesem ersten Band der Reihe wahrscheinlich positiv überrascht sein, da man eine sehr spannend in Szene gesetzte Geschichte präsentiert bekommt, die über einen wunderbaren Spannungsbogen verfügt, der auch noch von wunderbaren Bildern begleitet wird. Besser kann man es eigentlich nicht machen – es sei den, die nächsten drei Bände sollten enttäuschen, was allerdings nach diesem fulminanten Auftakt nicht unbedingt zu erwarten ist.

 

Vielleicht nicht unbedingt etwas für jeden Leser, aber dennoch sicherlich einen Blick wert und aus meiner Sicht eine absolute Kaufempfehlung!