Links zur Rezension Der zweite Band der relativ jungen Reihe der Völkererweiterungen zum aktuellen D&D widmet sich erneut einem der bei der 4. Edition (im Folgenden kurz „4E“) „neuen“ Spielervölker, den Tieflingen. Für Leser, die mit dem Vorgängerprodukt zu den Drachengeborenen nicht vertraut sind, sei hier vorweg nochmal die Produktaufmachung erklärt – eilige Leser können sofort zur nächsten Rubrik weiterspringen.
Der Band ist 32 Seiten lang, durchgehend farbig und hochwertig gedruckt, was Auflösung und Schärfe betrifft. Der Einband besteht aus relativ dicker Pappe, was dem Band eine erhöhte Lebensdauer versprechen wird. Als Vergleichswert bei Produktaufmachung und –umfang mögen die ähnlich hochwertig produzierten Pathfinder-Module und -Companions dienen, die übrigens auch thematisch eine gute Parallele abgeben: „Gnomes of Golarion“ und „Elves of Golarion“, letzteres bereits bei Ulisses auf deutsch erschienen („Die Elfen Golarions“).
Die Illustrationen wissen durchwegs zu gefallen. Negativ fällt nur die, im Vergleich zum Vorgänger, leicht erhöhte Rate an wiederverwendetem Bildmaterial auf. Das Rücken-Cover zeigt das Völkerbild des Tieflings im Spielerhandbuch und im Inneren (etwa S. 5 und S. 16) finden sich wiederholt Wiederabdrucke von Bildern aus „Wizards presents: Races and Classes“ (2007 erschienen). Überhaupt, auch inhaltlich gibt es Überschneidungspunkte mit letzterem Buch, das bekanntlich die erste Darstellung des für die 4E neu konzipierten Tieflingsvolkes darbot. Damit näher zum Inhalt.
InhaltNach einer knappen Einleitung von einer halben Seite, die die Rubriken des Bandes knapp erläutert (eine tabellarische Inhaltsübersicht bzw. einen Index zu Buchende wird man vergebens suchen), beginnt der Band mit einer zweiseitigen Kurzgeschichte. Darin geht es um eine sehr gekonnt geschilderte Szene einer Abenteuergruppe, die in die Fänge einer Hobgoblingaunerbande geraten ist und deren Anführer, ein Tieflingschurke, jetzt von den Hobgoblins verhört wird. Sehr schön geschildert ist die innere Perspektive des Tieflings, was bei der Physiognomie anfängt („mein Onkel meinte schon immer, wenn Dir jemand ins Gesicht schlägt, drehe den Kopf so, dass seine Faust auf Deiner harten Stirn aufschlägt – das wird Ihn eines besseren belehren!“) und bei der Psyche auffhört. Die Geschichte endet schön pointiert, da beim Dazustoßen der Stadtwache – ausgerechnet angeführt von einem Drachengeborenen – mehr dahinter steckt, als man zunächst vermutet. Insgesamt eine tolle Einleitung – kurz, aber Stimmung machend.
Dann folgt ein geschichtlicher Abriss des Tieflingreiches von Bael Turath, das in der heutigen Zeit der D&D-Spielwelt nur mehr der dunklen Vergangenheit angehört. Der Pakt des Reiches mit den Teufeln wird erklärt, ebenso dessen Versagen und das daraus resultierende Misstrauen, das Tieflinge bis heute gegen überirdische Wesen jeglicher Gesinnung hegen – ob jetzt Götter oder Teufel. Es gibt auch einen entsprechenden „Sidebar“ dazu („Tieflings and the Gods“), ein erstes Indiz auf ein Hauptanliegen des Bandes als rollenspielerische Hilfe den Tiefling am heimischen Spieltisch lebendiger umzusetzen. Direkt anschließend folgt ein Abriss zu den alten Adelshäusern der Tieflinge, die heute nur mehr versprengt in der D&D-Welt auftauchen. Diese Rubrik dürfte DDI-Kunden aus dem Dragon-Magazin Nr. 364 bekannt sein, genauer aus einem Artikel von Nic Logue zu eben diesem Thema (Kontext: Tieflingstadt). Anfangs dachte ich, ich hätte mich in die falsche Edition verirrt – überhaupt nicht kinder- bzw. jugendfreundlich sind die Inhalte hier und Logue wird seinem Ruf als Autor mit makabren Vorlieben und schaurigen Wortwendungen einmal mehr gerecht (wenn ihm hier auch nur wenig Platz dafür eingeräumt wurde). Ein weiterer „Side-Bar“ geht themenunabhängig auf die kürzlich in den Errata überholte Völkermacht der Tieflinge ein – „Infernal Wrath“ funktioniert ja seit kurzem spielmechanisch völlig anders. Sicher wertvoll für Kunden, die die regelmäßigen Errata-Updates auf der WotC-Webseite nicht immer verfolgen.
Die nächsten zwei Seiten bieten die sog. Hintergrund-Optionen an, wie sie erstmals im zweiten Spielerhandbuch der 4E vorgestellt wurden. Thematisch orientieren sie sich an den vorher vorgestellten Adelsfamilien. Der Band gibt aber auch ein paar knappe Tipps, wie sich der Spieler (in Absprache mit dem Spielleiter) ein eigenes Adelshaus entwerfen kann und dementsprechend einen eigenen Hintergrund gestalten kann. Auch bekommen wir hier eine längere Liste mit neuen Vor- und Nachnamen – darüber kann man nur froh sein, denn die im Spielerhandbuch waren ja doch eher, sagen wir mal, gruselig (so etwa „Hope“, „Ideal“, „Music“ und „Nowhere“).
Die nächsten 15 Seiten widmen sich, zu je drei Seiten, den fünf Machtquellen in D&D: arkan, martialisch, göttlich, primal und psionisch. Für jede dieser Machtquellen bietet das Buch geeignete Hintergründe (zwei Seiten) und einen neuen Legendären Pfad (eine Seite) an. Diese Rubriken schließen thematisch eng an das vorhergehende an, erklären etwa nochmal, wie Tieflinge, die überirdischen Wesen, wie den Göttern, eigentlich nur Misstrauen entgegen bringen, sich dennoch für eine „göttliche“ Karriere entscheiden können. Auch gibt es einen Legendären Pfad, mit dem sich der Tiefling die Teufel der Niederhöllen, allen voran Asmodeus, zum Erzfeind macht – und es sich zum obersten Ziel macht, die Teufel allesamt aus der Welt (genauer, der Prime Material) zu verbannen. Interessant auch der Legendäre Pfad für primale Klassen – hier wird angeboten, dass ein Tiefling weniger Tiergeister anruft als die Geister seiner Ahnen. Die dazugehörigen Mächte wissen inhaltlich zu gefallen – mit „Firesoul Salvation“ ruft man gleich vier seiner Ahngeister auf den Spielplan, die Vergeltung und Erlösung suchen. Etwas verirrt hingegen wirkt der kurze Sidebar „Tiefling Assassins“ - und für Kunden ohne DDI-Zugang (die Klasse ist dort exklusiv vorhanden) ist das gesagte ohnehin nicht nachvollziehbar.
Die letzten Seiten wenden sich dann kurzen Rubriken zu: neuen, völkerspezifischen Talenten, magischen Gegeständen, neuen Questen und einer neuen Epischen Bestimmung. Auch ein kurzer Sidebar zum Thema „Wie ein Tiefling sprechen“ findet sich hier. Ohne jetzt für jedes Element eine spielmechanische Bewertung abzugeben, kann man zumindest sagen, dass sich nette Ideen unter der Vielfalt finden – ein Tieflingschurke darf etwa mittels eines Talents seinen Schweif für den Taschendiebstahl benutzen, hat also beide Hände frei, um sein Ziel anderweitig abzulenken (eine dazugehörige Illustration, in der sich eine freigiebige Tieflingfrau an die Stadtwache wörtlich „heranmacht“, veranschaulicht das süffisant). Wie beim Vorgängerbuch zu den Drachengeborenen fällt auf, dass die Autoren versucht haben, die Völkereigenschaften mittels weiterer Elemente, wie eben Gegenständen und Talenten, aufzuwerten. Insbesondere „Infernal Wrath“ bekommt so mehrere Varianten. Synergie-Effekte sind auch für die charakteristischen Tieflingklassen (Schurke und Hexenmeister) zu verzeichnen. Die abschließende Epische Bestimmung schließlich kehrt zur eröffnenden Rubrik, zum Tieflingreich Bael Turath, zurück: nichts weniger als den Wiederaufbau des Reiches strebt ein SC an, der sich diese Bestimmung erwählt hat.
BewertungWie man anhand der Inhaltsbeschreibung erkennen kann, ist der Band thematisch sehr konzentriert und konsistent gehalten. Man erfährt nicht nur Näheres über den historischen Hintergrund des Volkes, sondern wird auch mit einer Fülle an Tipps und Spielmaterial versorgt, um diese Hintergründe am heimischen Spieltisch hautnah umzusetzen. Prinzipiell sind Bände dieser Reihe natürlich an Spieler gerichtet, die einen Charakter des betreffenden Volkes spielen. Wie man aber sieht, enthält der Band auch gute Tipps für andere Spieler und den Spielleiter, um Tiefling-bezogene Questen und ähnliches einzubauen. Sehr gut gefällt mir weiterhin das System der 4E über Hintergründe und ähnliches, mit denen die Spieler indirekt dem Spielleiter bei der Ausgestaltung von Szenarien helfen können. Ob es jetzt ein Tiefling-SC mit den ganzen Niederhöllen aufnehmen will oder ob er das Reich seiner Altvorderen wieder aufbauen möchte – hier entstehen Charaktermotivationen, die bei der Kampagnengestaltung wertvollen Input liefern können.
An den einzelnen Inhalten des Bandes hingegen, genauer der Darstellung der Tieflinge selbst, werden sich die Gemüter auch weiterhin scheiden. Ob man sich jetzt nur an der äußeren Aufmachung stört (extra große Hörner, Schwefel, rötliche Haut,…) oder an der zuweilen etwas plumpen Psyche der neuen Tieflinge (Marke „James Dean“: unverstandener, jugendlicher Rebell) – Tieflinge in älteren Editionen waren wohl etwas subtiler und mehrschichtiger gestaltet. Unerreicht ist etwa ihre Darstellung im Planescape-Setting der 2. Edition (stellvertretend sei hier das „Planewalker’s Handbook“ von Monte Cook genannt). Aber auch neuere Quellen, wie etwa ein Artikel von David Zeb Cook im „Kobold Quarterly“, wissen sich dem Thema etwas anders, und zum Teil reifer, zu widmen. Der Hauptvorteil des vorliegenden Bandes ist somit, dass er aus einem Guss stammt und perfekt zur 4. Edition passt. Leser anderer Editionen sollten sich hingegen überlegen, ob sie nicht lieber ihre Sammlung mit Altmaterial vervollständigen, bevor sie zu diesem doch recht bunten Bändchen zu einem eigentlich so düsteren Volk greifen.
FazitEin Band, der sein Kernziel erreicht: Spielern von Tieflingen in der 4. Edition die Möglichkeit zu geben ihre Charaktere mit mehr Tiefe auszustatten. Spieler anderer Völker oder gar anderer Editionen hingegen sollten sich den Kauf doch etwas eingehender überlegen.
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