Links zur Rezension InhaltWir schreiben das Jahr 1865. Im Ausseer Land, einem österreichischen Landstrich von mystischer Schönheit, der von Bergen und Seen geprägt ist, entwickelt ein skrupelloser Wissenschaftler im Geheimen in den Tiefen des Höhlensystems einer ehemaligen Salzmine des Toten Gebirges mit Unterstützung eines mächtigen Magiers eine schreckliche Waffe, welche magische Energie in militärische Zerstörungskraft umwandeln soll und somit alles an Wehrtechnik übertreffen würde, was es bislang gab. Die notwendige Magie zum Antrieb will man aus der Lebenskraft der Fey gewinnen, denen man ihre magische Energie entziehen möchte, und so wird die Jagd auf die mythischen Fey freigegeben.
Als zur selben Zeit der Neffe Ian des Magiers McMullen spurlos im Ausseer Land verschwindet und kurz darauf Philip Fairchild (hinter dessen Name sich niemand anderes als der britische Ex-Agent Delacroix verbirgt, der dem Leser vielleicht noch aus dem Roman „Das Obsidianherz“ bekannt ist) und der Magier McMullen, die beide auf seiner Spur waren, ebenfalls wie vom Erdboden verschluckt sind, mehren sich die Anzeichen, dass sowohl Menschen wie Fey in Gefahr sind!
Die junge Charlotte von Sandling, eine aufrichtige und mutige Frau, stellt sich unwissend diesen finsteren Plänen dieser Männer in den Weg, als sie den Feyon Torlyn aus seiner Gefangenschaft befreit und sie dadurch unweigerlich selbst zur Gejagten wird. Auf ihrer gemeinsamen Flucht werden sie in einem alten Salzbergwerk eingeschlossen und der gerettete Feyon erweist sich anfänglich nicht unbedingt als Verbündeter, sondern eher als durchaus gefährlicher Begleiter, handelt es sich doch bei Torlyn um den mysteriösen Graf Arpad, einen Vampir, mit dem sie durch die Dunkelheit des Berges irrt.
Zu guter Letzt machen sich auch die von dunklen Träumen und Vorahnungen geplagten Damen Corrisande Fairchild, Cérise Denglot und Sophie Treynstern auf den Weg von Bad Ischl nach Aussee, um die Männer, die sie lieben und von denen sie keine Nachricht mehr erhalten haben, auf eigene Faust zu suchen. Doch diese Damen verfügen zum Teil über einen höchst eigensinnigen Charakter und bereits in der Vergangenheit war es für dieses Trio nicht immer einfach, miteinander auszukommen. Doch das gemeinsame Ziel schweißt auch diese ungleichen Charaktere zusammen.
Zwischen Intrige und Selbstlosigkeit, Lüge und Ehrlichkeit, Gewalt und Liebe lassen die Mächte der Berge Menschen und Fey ihren Weg suchen, der ins Leben führen kann, aber auch in den Tod. Nur gemeinsam kann es ihnen gelingen, das drohende Unheil abzuwenden.
Über die AutorinEigentlich als Juliane Honisch 1956 in Berlin geboren und in Bayern aufgewachsen, entdeckte die Umgebung die Sperrigkeit des Vornamens und wandelte ihn kurzerhand in Ju um. Eine Entscheidung, die der angehenden Schriftstellerin behagte und bei der es letztlich auch blieb. Trotz erster, scheinbar überaus intensiver Ausflüge in die Bereiche der Phantastik und einiger sehr privater schriftstellerischer Versuche, schaffte Ju Honisch ihr Abitur und studierte Englisch und Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Über einen Magister und zwei Staatsexamina kam sie über einige Umwege ins Verlagsgeschäft und arbeitet als Schriftstellerin. Nachdem sie einige Zeit in Irland gearbeitet hat, lebt sie nunmehr mit ihrem Mann, dem Perkussionisten der Band Celtic Chakra, und einer Hundertschaft Teddybären in Hessen.
Ihr erstes Buch, die Anthologie „Bisse“ mit eher psychologischen Gruselgeschichten, erschien im Oktober 2007 beim Hexentorverlag und avancierte, nicht zuletzt durch die positive Resonanz auf die stimmungsvollen Lesungen der Autorin, rasch zu einem kleinen Geheimtipp. Nicht so sehr der spektakuläre Horror, sondern leise Töne und der Aufbau rund um das Normale sind es, welche sich sanft und plötzlich als anomal entpuppt und den Leser frösteln lässt. Ihr Debütroman „Das Obsidianherz“, den sie bereits 2001 geschrieben hatte, brauchte allerdings einige Jahre bis zu seiner Drucklegung und erschien erst im Februar 2008 in der Reihe origin des Mannheimer Feder&Schwert Verlages, der sich im Gegensatz zu anderen deutschsprachigen Verlagen, denen der Roman von Ju Honisch vermeintlich zu wenig „Fantasy“ war, zur Veröffentlichung in seiner neuen Reihe entschied. Ein Wagnis, das sogar 2009 mit dem Deutschen Phantastik Preis als bestes Romandebüt ausgezeichnet wurde.
Unter Umständen ist dem einen oder anderen der Name Ju Honisch aber bereits hinlänglich aus einem gänzlich anderen Bereich vertraut, steht doch Ju Honisch gemeinsam mit Kerstin Dröge als Duo „Katy und Ju“ des Öfteren auf etlichen Bühnen und verbreitet die freundlich-chaotische Subkultur der Filk-Musik. Filk ist eine Musikrichtung, die sich formal an Folk anlehnt (daher der Name) und inhaltlich Science-Fiction und Fantasy-Themen verwendet, wozu auch Themen aus dem Rollenspiel, insbesondere aus dem Bereich LARP, zählen. Beim Filk hat der Liedtext einen besonderen Stellenwert, da in den Liedern oft Geschichten erzählt oder Bezüge auf literarische Vorlagen genommen werden, aber auch Parodien sind sehr beliebt. Bereits fünfmal für den internationalen „Pegasus Award“ (For Excellence in Filking) nominiert und zweifache Preisträgerin des britischen Filk Award „Sam“ kann Ju Honisch einiges an Reputation vorweisen.
FazitMeine Inhaltsangabe ist fast die wortgetreue Wiedergabe des Klappentextes und ich bitte mich hierfür nachdrücklich zu entschuldigen, da dies eigentlich nicht mein Stil ist. Ich habe mich zwar redlich bemüht, dem Leser eine eigene Fassung der Geschehnisse zu präsentieren, aber besser und spannender als dieser Text es dem neugierigen Leser vermittelt, habe ich es einfach nicht gekonnt. Für den Klappentext daher schon einmal das erste große Lob dieser Rezension, da er dem Leser einen wirklich sehr guten Eindruck vom Inhalt des Buches vermittelt, ohne dabei zu viel zu verraten!
Bereits in ihrem Roman „Das Obsidianherz“, der ebenfalls in der Reihe „Origin“ bei Feder & Schwert erschien, konnte der Leser unter Umständen einen ersten Einblick in die Alternativwelt-Utopie von Ju Honisch erhalten, die sie in einer Kombination aus hervorragend recherchiertem Schauerroman mit einigen dezenten Elementen des Steampunk und einer recht wundervollen Mythologie um die Feyon präsentiert. Mit dem ersten Teil des Romans „Salzträume“ legt sie indirekt eine Fortsetzung vor, da es ein Wiedersehen mit einigen Charakteren aus „Das Obsidianherz“ gibt. Daneben gibt es aber auch eine Fülle von neuen und vielschichtigen Protagonisten (und auch Antagonisten!), die in dieser imposanten Handlung auftauchen und in zahlreichen Handlungssträngen verfolgt werden. Dabei schafft sie es trotz der Fülle des vorhandenen Personals (und einer recht verzwickten Geographie) ein geschicktes Timing an den Tag zu legen und die einzelnen Abschnitte wunderbar aufeinander abzustimmen und den handelnden Personen ein glaubwürdiges und authentisches Auftreten zu verleihen.
Manchem Leser mag dabei vielleicht der Stil von Ju Honisch nicht so ganz zusagen, da sie sich Zeit nimmt, um ihre Geschichte und Charaktere zu entwickeln, und das historische Umfeld für sie mehr ist als nur reine Kulisse. Sie schwelgt in geradezu barocken Beschreibungen und bemüht sich dabei mit ihren Akteuren, nicht nur die sprachlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Gepflogenheiten der damaligen Zeit auszuleben. Das kann in einigen Passagen durchaus anstrengend sein, da man bei spannenden Stellen das Gefühl hat, es müsste eigentlich viel schneller voran gehen. Aber gerade in diesem Stil liegt die immense Stärke der Autorin, die sich mit ihrer ganz eigenen Art wohltuend und fast schon beruhigend von vielen rasch dahingeschriebenen anderen Romanen des Genres abhebt. Man sollte also nicht enttäuscht sein, wenn es nicht rasch genug voran gehen sollte – in diesem Roman bekommt jeder ausreichend Platz und Gelegenheit sich vor- und darzustellen, ohne dabei auch nur im Entferntesten langweilig oder platt zu sein.
Auch in „Salzträume“ spielen wiederum die Fey bzw. die Sí eine nicht unwesentliche Rolle, sind sie doch zentraler Bestandteil für die mysteriöse, mit Dampftechnik und Magie betriebene Maschine, die der kranken Gedankenwelt skrupelloser Wissenschaftler entstammt und somit insgesamt im harten Gegensatz zur andersweltlichen und mythischen Herkunft der Fey steht, die als phantastische und überaus intelligente Kreaturen – egal ob als Vampir, Wassermann oder Baumgeist – zwischen den Welten existieren. Über diese Welt und ihren Hintergrund erfährt man im Verlaufe des Bandes einiges, ohne dass die Autorin allerdings den Schleier der Mythen, der über diesen Wesen liegt, lüftet und somit einiges der Phantasie des Lesers überlässt. Auch das hat mich wiederum beeindruckt, da es einem Autor eigentlich schwer fallen dürfte, nicht alle seine Einfälle für eine komplexe Geschichte erzählen zu wollen.
Da der Roman „Salzträume“ insgesamt schlicht weg zu lang war, um ihn als ein Buch zu produzieren (immerhin bringen es beide Bände auf fast 1200 Seiten), erscheint er nunmehr in zwei Teilen. Das stört das Lesevergnügen allerdings nicht, da Ju Honisch den ersten Band mit einem gelungenen Cliffhanger versehen hat, der auf jeden Fall neugierig auf die weiteren Geschehnisse macht. Durch die rasche Veröffentlichung des zweiten Teils des Verlages habe ich mich allerdings gefragt, ob der Cliffhanger überhaupt nötig war, da man als Leser mit Sicherheit auch den Rest des Romans lesen möchte. Der imposante erste Band ist trotz seiner „Halbierung“ allerdings immer noch ein recht voluminöses Ding und nicht unbedingt leicht in seiner Handhabung. Dafür wird man allerdings mit einer sehr geschmackvollen Covergestaltung entschädigt, die diesen Band zu einem kleinen Schmuckstück im Regal oder auf dem Nachttisch macht.
Mit „Salzträume“ legt die Autorin Ju Honisch einen weiteren stimmungsvollen und beeindruckenden Roman vor, der sich durch seine sprachliche Gestaltung und seinen Einfallsreichtum wohltuend von der Masse der Neuerscheinungen im Bereich „Phantastik“ hervorhebt und wiederum bestätigt, dass dieser Begriff sehr weit zu fassen ist und zahlreiche Facetten aufweisen kann. Nicht zuletzt erhielt sie 2009 den „Deutschen Phantastik Preis“ in der Kategorie „Bestes deutschsprachiges Romandebüt“ für ihren Roman „Obsidianherz“ und dies dürfte sicherlich nicht der letzte Preis für diese Autorin gewesen sein. Absolute Leseempfehlung!
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