Links zur Rezension Seit 1986 die erste Edition des „Warhammer Fantasy Roleplaying Game“ (WFRG) veröffentlicht wurde, war ich als Fan der ersten Stunde mit dabei und verfolgte den langen Weg dieses in Anlehnung an das 1983 erschienene Tabletop Spiel „Warhammer Fantasy Battle“ entwickelte Rollenspiel bis heute. Fasziniert von der düsteren Spielwelt und dem schnellen und tödlichen Kampfsystem avancierte dieses Rollenspiel ziemlich rasch zu einem Evergreen in unserer Runde, was nicht zuletzt auch an einigen guten Abenteuern und der mittlerweile legendären „The Enemy Within“-Kampagne lag.
Nach fast 25 Jahren und einer ziemlich wechselhaften Geschichte liegen die Rechte an WFRG nunmehr bei „Fantasy Flight Games“ (FFG), einem amerikanischen Spieleproduzenten, den man bis vor einigen Jahren noch eher mit aufwendigen Brettspielen in Verbindung brachte. Nach der überaus kurzlebigen Phase der 2nd Edition legt dieser nunmehr die 3rd Edition vor, und ich hielt es (nicht zuletzt wegen meiner Neugierde) für angebracht, mir endlich diese schwere Box zu kaufen, deren Inhalt ich bislang nur von kleinen Photos aus dem Internet kannte.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass der nachfolgende Text keine komplette Rezension für die Basisbox darstellt, sondern ich vielmehr interessierten Spielern und anderen neugierigen Menschen vor der geplanten Veröffentlichung der deutschen Box im Oktober 2010 einige recht persönliche Eindrücke geben möchte.
Der äußere EindruckFür einen selbst in Rollenspielkreisen ungewohnt hohen Preis bekommt man eine große und geschmackvoll gestaltete Pappbox, die randvoll mit etlichen Utensilien ist, wie man sie zwar aus dem Rollenspielbereich kennt, aber nicht unbedingt mit dem klassischen Warhammer Fantasy in Verbindung bringt. Hier sind die Zeiten vorbei, in denen es ein gebundenes Regelwerk gab und vielleicht noch als kleine Zugabe einen Spielleiterschirm und einen Satz Charakterbögen.
Um den Leser dieser Zeilen nicht mehr als nötig mit englischen Ausdrücken zu verwirren, greife ich mit der nachfolgenden Aufführung schon einmal dem deutschen Inhalt vor, da die Ausdrücke aus den FAQ des Verlages Feder & Schwert stammen und sich sicherlich so oder in ähnlicher Form in der deutschen Übersetzung wiederfinden dürften.
Und so erwartet den Käufer in der prallgefüllten Box Folgendes: Da gibt es 4 Regelbücher, 36 spezielle Würfel, 154 Aktionskarten (darunter Zauber-, Segen- und spezielle Kampf- und gesellschaftliche Aktionen), 70 Verletzungskarten, 45 Talentkarten, 30 Zustandskarten, 30 Wahnsinnskarten, 30 Karrierefähigkeitskarten, 19 Fehlwurfkarten, 12 Schauplatzkarten, 1 Gegenstandskarte, 30 Karrierebögen, 5 Gruppenbögen, 1 Block mit Charakterbögen, 3 Charakteraufbewahrungsboxen, 48 Marker, 6 Stellungsringe, 6 Aktivierungsmarker, 2 große Aufsteller, 47 mittlere Aufsteller, 12 Plastikbasen, 39 Erschöpfungs- und Stressmarker, 40 zusammensetzbare Stellungsteile und 5 zusammensetzbare Mittelstücke.
Im ersten Moment kann einen bei dieser Fülle von Material schon das Gefühl beschleichen, man habe es mit einem ausgewachsenen Brettspiel zu tun, doch keine Panik: Es handelt sich schon noch um ein Rollenspiel, auch wenn es eine ganze Fülle von Brettspielelementen aufweist.
Zum InhaltZunächst wandert mein Blick auf die vier beigelegten Hefte, die das neue Grundregelwerk der Basisbox darstellen und es insgesamt auf knapp 300 Seiten Umfang bringen (und damit eigentlich umfangreicher sind als das Grundregelwerk der 2nd Edition). Da wären: „The Warhammer Fantasy Roleplay Rulebook” (das eigentliche “Regelwerk”), „Tome of Mysteries” (für den Bereich Magie), „Tome of Adventure” (das Spielerhandbuch) und „Tome of Blessings” (welches sich mit den wichtigsten Glaubensrichtungen im Empire auseinandersetzt).
Beim Lesen ist zunächst das neue Artwork für die 3rd Edition bestechend – hier hat man jede Menge neue Illustrationen, die einem richtig Geschmack auf die Welt von Warhammer machen und die durchweg von guter bis sehr guter Qualität sind. Allerdings vermisst man vielleicht etwas wehmütig die dreckig-verkommene Welt der 1st Edition, die doch mit ihren Zeichnungen etwas realistischer und mehr dem ausgehenden Mittelalter verhaftet war. Jetzt zeigt sich eher eine Mischung aus brutal arrangiertem High-Fantasy mit schon fast übertriebenen Rüstungen und Schwertern... Wer es lieber dezent oder schwarz-weiß mag, dürfte hier wahrscheinlich restlos überfordert sein und Kopfschmerzen bekommen.
Das „Regelbuch“ ist auf den ersten Blick recht ordentlich strukturiert, wenn man sich dann aber etwas eingehender mit den Mechanismen beschäftigt, so muss man doch recht häufig blättern, um sich die manchmal recht komplexe Spielmechanik vor Augen zu führen. Hilfreich sind dabei allerdings die zahlreichen Abbildungen und einige brauchbare Beispiele. Es ist nicht unbedingt leichte Kost, die hier präsentiert wird, die sich aber beim ersten Probespiel in weiten Bereichen als durchaus eingängig erwies, auch wenn wir das System noch nicht mit allen Details zum Laufen gebracht haben.
Wobei wir bei einem weiteren Thema wären: die Spielrunde! Die Box ist für eine Runde von 4 Leuten ausgelegt – drei Spieler und ein Spielleiter. Wer gerne den Rest seiner Runde mit am Tisch sitzen haben möchte, wird wohl oder übel gezwungen, sich mit zusätzlichem Material einzudecken, welches sicherlich nicht lange auf sich warten lassen dürfte – hier sind schon seit geraumer Zeit Ergänzungsboxen auf dem Markt. Für mich persönlich eine ziemlich ärgerliche Angelegenheit, da wir im Schnitt mehr als vier Spieler in unserer Runde haben und ich als Spielleiter eigentlich nicht einsehe, erst mit einigen Ergänzungsboxen das Spiel vollends rund zum Laufen zu bringen. Hierfür auf jeden Fall einen dicken Punktabzug!
In der Basisbox gibt es nur noch 30 Karrieren zur Auswahl – den Rest hat man erst einmal gestrichen bzw. die dürfte es zukünftig in „Ergänzungsboxen“ geben. Wer über viele Jahre hinweg seinen Spaß mit ausgefallenen Charakteren hatte, dürfte hier leider nicht mehr ohne Weiteres auf seine Kosten kommen und zukünftig noch etliche Euros investieren. Ansonsten reichen aber die mitgelieferten Charaktere von der Grundkonzeption vollkommen aus und lassen sich ohne Probleme auch mit eigenen Ideen ergänzen – Hauptsache, das Konzept des Spielers und die Werte passen einigermaßen. Man sollte aber Acht geben, sich von den optisch vorgefertigten Bildern auf den Bögen nicht beeinflussen zu lassen, da diese den Spielern ausgehändigt werden und für den Rest des Spieles mehr oder weniger (neben dem Charakterbogen) als Ausgangsbasis dienen.
Als ich mir zum ersten Mal die Regeln zu den neuen Würfeln durchgelesen hatte, war ich gnadenlos verwirrt – sollte ich jetzt eine Art Orakel spielen und diese einfach frei interpretieren? Da die unterschiedlich farbigen Würfel auch noch über verschiedene Symbole verfügen, fällt es nicht unbedingt leicht, sich in dieses neue System hinein zu fühlen. Nachdem ich mir einige Abschnitte mit den Regeln mehrfach durchgelesen habe, wurde mir allerdings einiges wesentlich deutlicher und die neuen Möglichkeiten, die sich mir hier bieten, finde ich nicht schlecht. Mit dem speziellen Würfelset ist man nunmehr unabhängig von einem Werte- oder Punktesystem, und hier dürfte die neue Edition wahrscheinlich den größten Wechsel vollziehen. Man würfelt eine bestimmte Anzahl von Würfeln mit „Vorteilen“ und je nach den Umständen für den Wurf eine entsprechende Anzahl von Würfeln mit „Nachteilen“. Es gibt ein festgelegtes Schema, wie sich diese Würfel im Einzelnen zueinander verhalten und der Spielleiter – als auch der Spieler – können die Ergebnisse umgehend „lesen“ und diese in das laufende Spiel einbinden.
Allerdings muss man nunmehr bei den jeweiligen Aktionen seines Charakters wesentlich mehr und vorausschauender planen, da es Marker gibt, welche die Erschöpfung oder den Stress kennzeichnen, denen ein Charakter im Kampf oder bei anderen Handlungen ausgesetzt ist. Im Gegensatz zum bisherigen System ist dies eine weitere Neuerung, konnten sich Charaktere doch bislang weitestgehend austoben und sich durch Horden von Beastmen kämpfen, ohne auch nur ins Schwitzen zu geraten – richtige Helden halt. Jetzt heißt es, sich in der Runde gut absprechen und seine Aktionen sorgfältig planen.
Und dann gibt es bei den Charakteren noch das „Stance System“. Hierbei handelt es sich um ein System mit Feldern, um festzustellen, in welcher Gemütsfassung sich der Charakter zurzeit befindet. So kann dies beispielsweise unmittelbare Auswirkungen im Kampf haben, je nachdem ob ein Charakter einen kühlen Kopf bewahren oder lieber als Berserker handeln möchte. Das Ganze hat wiederum Auswirkungen auf den Einsatz der jeweiligen Aktionskarten und so sollte man sich als Spieler sehr genau entscheiden, in welcher „Stance“ man gerne sein möchte.
Fazit:Wie gesagt, ich habe hier einige Punkte herausgesucht, die mir besonders aufgefallen sind. und wollte wieder zurück zu meinen recht persönlichen Eindrücken, wobei mich ein Problem ganz besonders beschäftigt hat: Handelt es sich bei der 3rd Edition von Warhammer Fantasy eigentlich noch um ein Rollenspiel oder kommt da ein verkleidetes Brettspiel daher?
Ich muss sagen, die Tendenz geht eher in Richtung Brettspiel. Für alles gibt es Karten, Marker, die Bauteile für Stances, einen Gruppenbogen und noch vieles mehr. Wer als Rollenspieler bislang genug hatte mit einem Blatt Papier, aus dem sich alle relevanten Werte ergeben, dürfte bei der Verwaltung seines Fundus in der 3rd Edition vielleicht schnell den Überblick (und vielleicht auch die Geduld) verlieren. Zudem benötigt man viel Platz auf dem Tisch, damit auch das komplette Material ausgelegt werden kann – ein weiteres Manko dieser Edition, war man doch bislang insbesondere als Rollenspieler immer absolut flexibel und konnte von sich behaupten, „überall“ spielen zu können.
Sehr schön gestaltet ist auf jeden Fall das neue Würfelsystem, welches sich nach anfänglichen Problemen bei der „Übersetzung“ als ziemlich flott und eingängig herausstellt. Hier ist FFG auf jeden Fall ein ziemlich gutes System gelungen, welches in seinen Grundzügen allerdings auch schon aus anderen (Brett-)Spielen des Verlages bekannt war.
Mein persönliches Fazit ist sehr gespalten. Auf der einen Seite kann die 3rd Edition auf jeden Fall durch die Qualität des Materials überzeugen, allerdings hat FFG mit seiner Auflage weit über das Ziel hinausgeschossen. Was hier präsentiert wird, ist ein Spagat zwischen Brett- und Rollenspiel, ohne die jeweilige Zielgruppe richtig zufrieden stellen zu können. Es gibt jede Menge Brettspielelemente, die in ihrer Funktion und Logik sehr gut gemacht sind, ebenso wie es etliche Elemente gibt, die ein Rollenspiel in seiner Abwicklung unterstützen – aber so richtig rund läuft keine der beiden Welten. Bei Warhammer Fantasy handelt es sich um ein Rollenspiel, welches sich über Jahrzehnte hinweg eine sehr treue Fangemeinde aufgebaut hat, die durchaus mit den Änderungen und Anpassungen durch die 2nd Edition leben konnte. Wer jetzt allerdings Zielgruppe der 3rd Edition sein soll, mag sich mir nicht so recht erschließen. Eingefleischte Fans dürften sicherlich entsetzt sein, Neueinsteiger im Rollenspielbereich haben sicherlich zahlreiche andere Optionen im Bereich „Pen and Paper“ und selbst wagemutige Runden könnten sich mit der neuen Edition schwer tun.
Zum Abschluss möchte ich aber auch ergänzen, dass meine Runde mit dem neuen Material durchaus eine Menge Spaß hatte, auch wenn es einige kritische Bemerkungen gab. Natürlich haben wir uns auch den Bereich Magie und Religion intensiv angeschaut, doch es würde diesen knappen „Überblick“ restlos sprengen, auch hier auf etliche Details und Neuerungen einzugehen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, wie die ausstehende deutsche Fassung von Feder & Schwert aufgenommen wird, und freue mich auf einen Blick in die deutsche Box, da sicherlich einige Macken und Kanten der englischen Fassung angepasst werden.
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