Links zur Rezension Inhalt (Achtung: Spoiler!):Nach dem Tod von Matt weiß Drustan nicht mehr, wem er vertrauen soll. Soll er weiter Hermes folgen, der ihm ein großartiges Leben verspricht, oder soll er sich nach Hause aufmachen, wieder zurück in den Süden zu seiner Familie? Im Herbst 1865 erreicht Drustan, der mit dem Pferd von Adam vorgeritten ist, alleine Baxton Spring. Hier lässt er das Pferd zurück und eine Nachricht, in der er mitteilt, er werde wieder nach Hause zurückkehren, nicht zuletzt da Hermes Matt umgebracht hat. Als Joe Adam und Hermes die Nachricht nach einigen Tagen in Händen halten, setzt Hermes alles daran, die Spur von Drustan zu verfolgen. Doch auch das Verhältnis von Hermes und Joe Adam scheint gestört. Während Joe weiterhin auf der Suche nach Muerte Kid begierig jedem nur erdenklichen Hinweis folgt, scheint sich der Gemütszustand von Hermes nach dem Verschwinden von Drustan langsam, aber stetig zu verschlechtern.
In einem Saloon erhält Joe den Hinweis, man habe Muerte Kid am 2. November in Fort Smith gehängt. Umgehend macht sich Joe alleine auf den Weg, um Gewissheit über den Toten zu erhalten und lässt Hermes alleine zurück. Währenddessen arbeitet Drustan zwischenzeitlich im General Store von Mr. Calloun in Springfield, um sich Geld für seine weitere Reise nach Hause zu verdienen. Hier hilft er dessen Tochter Helen, während Mr. Calloun seine schwere Krankheit auskuriert. Eigentlich könnte es ein fast normales Leben sein, bis eines Tages Kathleen in der Stadt auftaucht und im gleichen Hotel absteigt, in dem auch Drustan ein Zimmer hat. Eine Verwechslung beim Baden im Waschzuber hinter dem Hotel bringt die beiden etwas näher, und Drustan ist erstaunt und eingeschüchtert über die Offenherzigkeit dieser jungen Frau.
Angekommen in Fort Smith versucht Joe Adam beim örtlichen Sheriff in Erfahrung zu bringen, ob man auch den „richtigen“ Muerte Kid hingerichtet hat. Nach einigem Zögern und einer bösen Auseinandersetzung zeigt ihm der Sheriff eine Fotographie des Gehängten. Die schlimmsten Befürchtungen von Joe Adam scheinen sich zu bewahrheiten – man hat nicht Muerte Kid erhängt, sondern eine gänzlich andere Person.
Drustan gerät derweil in das feminine Spannungsverhältnis von Helen und Kathleen, die beide den jungen Mann recht charmant finden. Während es allerdings so aussieht, als würde Kathleen nur mit dem schüchternen Drustan spielen, hegt Helen sehr aufrichtige Gefühle für diesen netten und ehrlichen, jungen Mann.
Hermes, der nunmehr nach dem Abgang von Joe Adam gänzlich alleine unterwegs und immer noch auf der Suche nach Drustan ist, versinkt immer tiefer in seltsamen Wahnideen, die sich um Drustan drehen. Bei seiner Weiterreise fällt er in einem Dorf einen Mann an, den er für Drustan hält und versucht, diesen zu erwürgen, damit er ihn aus seinem Leben vertreiben kann. Er wird festgenommen und in einer alten Hütte eingesperrt, wo sich sein geistiger Zustand vollends vernebelt und er sich Wahnvorstellungen hingibt.
Bei einem gemeinsamen Ausritt lernen sich Kathleen und Drustan näher kennen und Kathleen beginnt über ihr Leben zu sprechen. Sie gehörte mit zur Gemeinschaft Oneida, die von John Noves gegründet wurde und in der jede Frau jedermanns Ehefrau und jeder Mann der Ehemann aller Frauen ist. Alles schien wie im Paradies, bis sich Kathleen in Toby verliebte. Doch diese Liebe hatte keine Zukunft in der Gemeinschaft, die auf eigenen religiösen Versatzstücken gebaut war, und sie flüchtete.
Allerdings holt die jüngste Vergangenheit Kathleen ein und sie trifft abends auf drei Männer, von denen sie bei ihrer Zugreise bereits belästigt wurde. Bereits im Zug hatte sie Glück, da sie Hilfe von einem Unbekannten erhielt, der die drei Männer in ihre Schranken wies. Diesmal ist es an Drustan, sich gegen drei gestandene finstere Gesellen zu wehren, die ihn kurzerhand zusammenschlagen. Lediglich das Eintreffen des Sheriffs verhindert Schlimmeres und Kathleen kümmert sich um den Verletzten.
Joe Adam folgt fieberhaft den Hinweisen über den Verbleib von Muerte Kid und gemeinsam mit einigen anderen Männern, die ebenfalls eine Rechnung mit diesem offen haben, trifft er auf seinen Bruder Little Michael, der ihn informiert, dass die Bande von Muerte Kid nur eine Woche Vorsprung hat und man sich eilen sollte, wenn man sie erreichen will.
In Springfield spitzt sich die Situation zu, als in dem Moment, da Helen Drustan ihre Liebe gesteht, Hermes in der Stadt auftaucht und mit einem Gewehr bewaffnet nach Drustan sucht. Hals über Kopf eilt Drustan zum Hotel, wo er seine Sachen packt, um zu flüchten. Er verabschiedet sich von Kathleen und will sich mit dem Pferd weiter in Richtung Süden aufmachen. Helen hingegen wird von Hermes im Laden brutal drangsaliert, damit diese das Versteck von Drustan preisgibt. Als Hermes schließlich das Hotelzimmer von Drustan erreicht, ist dieser bereits weg, doch es sieht nicht so aus, als würde Hermes seine Suche beenden.
Schreibstil & Artwork:Ob Christian Rossi sich nun ganz auf das Zeichnen konzentrieren wollte oder aber ob er mit seinen Ideen für die Fortsetzung der Geschichte nicht weiterkam, kann ich an dieser Stelle nicht beantworten. Auf jeden Fall zeichnet sich für das Szenario des dritten Bandes Philippe Bonifay verantwortlich, der am 13.08.1959 in Toulon geboren wurde. Bereits seit seiner Jugend fühlte sich Bonifay dem Theater verbunden und machte mit 17 Jahren sein BAFA, eine Art von Befähigungsnachweis für nichtberufliche Animateure. So dürfte es nicht weiter verwunderlich sein, dass er später selbst anfing, für das Theater zu schreiben, aber auch andere Texte in diesem Genre verfasste. Mit dem Bereich Comics hingegen kam er erst gegen Anfang der 1980er Jahre in Berührung, als er während eines Praktikums die Frau des Zeichners Christian Rossi kennen lernte. Aufgrund ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Western erarbeiteten sie die Idee für die Reihe „Der Planwagen des Thespis,“ die zunächst im Magazin „Gomme", spätere Fortsetzungen dann in „Circus" abgedruckt wurden. Nach diesen insgesamt vier Episoden schrieb er 1989 die Miniserie „Le passage de la saison morte“ für Jacques Terpant sowie das Album „Les ados de béton“ für Arnaud Fontaine. 1994 entstand die Historienserie „Messara“, wiederum mit Terpant. Im selben Jahr kreierte er zusammen mit Frank Pé die Trilogie „Zoo“ (dt. bei Carlsen), deren dritter Band allerdings erst 2009 erscheinen sollte. In der Zwischenzeit verfasste Bonifay die Szenarios für die Serien „Jane“ (1998, Zeichnungen: Denis Falque), „Piraten“ (2001, Zeichnungen: Jacques Terpant, dt. bei Arboris) und „La compagnie des glaces“ (2003, Zeichnungen: Jotim). Im Jahr 2005 kreierte er zusammen mit dem Zeichner Youssef Daoudi „Die schwarze Trilogie“ (dt. bei Ehapa) nach Texten von Leo Malet. Ebenfalls 2005 entstanden die Einzelbände „Mon voisin le père Noël“ (Zeichnungen: Béatrice Tillier), „Les Oubliés“ (Zeichnungen: Juliette Derenne) sowie „L'Histoire de Mandrin en BD“.
Rossi hat in den beiden ersten Bänden der Reihe mit seiner Figur des reisenden Theaterdirektors Hermes kein klassisches Western-Klischee von glorreichen Helden und finsteren Schurken verfolgt, sondern hat den Leser in die ungestüme und wilde Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieges mitgenommen, um diese als Ausgangspunkt für seine ausgefallene Erzählung zu nutzen. Nach dem Ende des Sezessionskrieges zwischen den Nord- und Südstaaten (1861–1865) suchten viele durch den Krieg gescheiterte, teilweise verrohte Menschen einen neuen Anfang im Westen. Glücksritter und Abenteurer fanden in den relativ unerschlossenen Gebieten der USA oft einen gesetzlichen Freiraum vor. Und so präsentiert uns Rossi die Figur des Hermes als undurchsichtigen Glücksjäger, Hasardeur und – auf den ersten Blick zumindest – recht gebildeten Mann, der sich anschickt, mit allerlei windigen Geschäften, Glückspiel und seinem Theater ein Auskommen zu finden.
Diesen Handlungsfaden nimmt Bonifay auf, entwickelt ihn aber in eine gänzlich neue und unerwartete Richtung. Er präsentiert uns Hermes als einen wahnsinnigen Menschen, der von seinem Wunsch, Theater zu spielen und die Bühnen der Welt mit seiner Anwesenheit zu beglücken, geradezu besessen ist. Insbesondere die Suche nach Drustan, seinem flüchtigen Schauspieler, der sich von der Gruppe abwendet, treibt ihn gnadenlos an, so dass auf einmal hinter der verschrobenen und amüsanten Fassade des wortgewandten und weltmännisch auftretenden „Theaterdirektors“ ein geradezu geisteskranker Charakter zum Vorschein kommt, wie man ihn als Leser in dieser Form nicht vermutet hätte.
Aber auch die Weiterentwicklung von Drustan und sein Verhältnis zu den weiblichen Akteuren Kathleen und Helen weiß Bonifay sehr schön zu arrangieren. Mit der Figur der jugendlichen und weltoffenen Kathleen so wie der bürgerlich-vernünftigen Helen hält er Drustan geradewegs einen Spiegel vor sein Gesicht – beide Möglichkeiten stehen ihm offen. Sowohl eine ungewisse Zukunft mit einer lebenslustigen Frau als auch die bürgerliche Behaglichkeit einer Kleinstadt, in der alles in festen Bahnen läuft.
Christian Rossi wurde am 31.12.1954 in Saint-Denis geboren und studierte Zeichnen an der Kunsthochschule in Estienne, wo er während dieser Zeit einiges über das Zeichnen von Comics von Jijé lernte. 1973 veröffentlichte er seine ersten Seiten in dem Magazin „Formule 1“, allerdings sollte es noch vier Jahre dauern, bis er Didier Convard traf und für den Verlag „Twin Cam“ zu arbeiten begann. Ab 1980 arbeitete er für den Verlag „Fleurus“ und illustrierte „'Valvidia le Conquistador“ und „Les Aventures de Claire“.
1981 startete er mit „Der Planwagen des Thespis“ seine erste Albenserie, wobei einige der Texte von Philippe Bonifay stammen. Ab 1985 folgte „Die Verwirrung des Julius Antoine“ nach einem Szenario von Serge Le Tendre und ab 1990 - nach Texten von Pierre Makyo – „Der Zyklus der zwei Horizonte“. Die seinerzeit von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud kreierte Westernreihe „Jim Cutlass“ setzte Rossi 1991 fort, wobei sich Giraud nunmehr vornehmlich auf die Szenarios für diese Reihe konzentrierte. Gemeinsam mit dem Szenaristen Makyo entstand zur gleichen Zeit „Jordan“ für den Verlag Delcourt.
Mitte der 90er Jahre arbeitete er mit Serge Le Tendre an den Reihen „La Gloire d’Héra“ und an der 2001 erschienen Reihe „Tirésias“. Für den Verlag Albin Michel entstand mit dem Szenaristen Enrique Sanchez Abuli ein Einzelband mit Kurzgeschichten mit dem Titel „Capitaine La Guibole“. In 2003 begann er mit den Szenaristen Xavier Dorison und Fabien Nury die Serie „W.E.S.T.“, deren erste zwei Bände in der Ehapa Comic Collection verlegt wurden und die nunmehr bei Piredda erscheint.
Scheinbar hegte Rossi schon recht früh ein Faible für das Western-Genre, da seine erste eigene Reihe mit „Der Planwagen des Thespis“ begann. Verwundern tut dies sicherlich nicht, gehörte doch Jijé, der Schöpfer von „Jerry Spring“, mehr oder weniger zu seinen Lehrmeistern und die spätere Zusammenarbeit mit Giraud, dem Zeichner von „Leutnant Blueberry“, sollte ebenfalls nicht unerheblichen Einfluss auf ihn haben, auch wenn Rossi insgesamt sehr rasch seinen eigenen Stil fand.
Mit kräftigem und elegantem Strich schafft es Rossi, sowohl Menschen als auch Landschaften sehr gut einzufangen und hinterlegt diese Impressionen mit schwachen, aber sehr einprägsamen Farbtönen. Seine zum Teil groß angelegten Panels unterstützen dabei die visuelle Wirkung und nehmen den Leser mit auf eine sehr authentisch gestaltete Zeitreise.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungAuch der dritte Band der Reihe kann durch seine Verarbeitung überzeugen und so besticht der großformatige Hardcoverband durch seine solide Fadenheftung und das klare Druckbild. Die Übersetzung stammt wiederum von Marcus Schweizer und das Lettering von Mirko Piredda. In Sachen Ausstattung gibt es allerdings auch weiterhin in dieser Reihe keine Extras.
Fazit:Es ist mehr als erfreulich, dass sich der Piredda Verlag dieser zu Unrecht vergessenen Reihe angenommen hat, die sich – trotz ihres Alters – sehr wohltuend und entspannend aus der Masse der „modernen“ Western-Comics hervorhebt, gerade weil die Geschichte um den charismatischen Hermes, den gänzlich jugendlich-unbedarften Drustan und den knorrigen Joe Adam mit ihrer Dramaturgie gänzlich aus dem gewohnten Rahmen des klassischen Western-Klischee fällt.
Rossi präsentiert uns in Zusammenarbeit mit Bonifay eine gut durchdachte und geschickt aufgebaute Handlung, die es diesmal allerdings vermeidet, allzu intensiv historische Themen zu verarbeiten. In diesem Band begegnen wir dem „echten“ Alltagsleben in einer kleinen Stadt, die angereichert wird durch den Charakter von Kathleen und den Ausflug in die Geschichte der Kommune „Oneida“, die 1848 von John H. Noyes gegründet wurde und den Begriff der „freien Liebe“ prägte, während Joe Adam damit beschäftigt ist, seiner Nemesis Muerte Kid auf der Spur zu bleiben, damit er endlich Rache nehmen kann. Einziger Kritikpunkt dieser drei unterschiedlichen Handlungsfäden ist der etwas holprige Lesefluss, da fast vollständig auf Orts- oder Zeitangaben verzichtet wird und man sich als Leser manchmal fragt, wo sich nun wer befindet, insbesondere da Hermes und Joe Adam zahlreiche Ortswechsel aufweisen. Dennoch sind diese Handlungen sehr schön komponiert und bewegen sich auf einen vorläufigen Höhepunkt der Reihe zu, der viel Platz für Spekulationen über das weitere Geschehen gibt.
Insgesamt für mich ein kurzweiliges, wenn auch manchmal durchaus ernstes Lesevergnügen, welches ich eingefleischten Freunden des Western-Genres gerne empfehle – vielleicht gerade weil es hier an Revolverhelden mangelt und Auseinandersetzungen mit Worten ausgetragen werden.
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