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Hungrig sind die Toten [D4]
Bewertung:
(4.0)
Von: Stefan Koller
Alias: Windjammer
Am: 14.11.2010
Autor:Tim Hitchcock
Übersetzer:Peter Basedau
Typ:Abenteuer-Modul
System:Pathfinder
Setting:Golarion
VerlagUlisses Spiele
ISBN/ASIN:978-3-86889-022-8
Inhalt:32 Seiten, Softcover
Preis:11,95 EUR
Sprache:Deutsch

Einleitung und Produktaufmachung

„Hungrig sind die Toten“ ist ein Abenteuer für Charaktere der 6. Stufe aus der Feder von Tim Hitchcock. Ursprünglich für das System D&D 3.5 verfasst, wurde es im Zuge der deutschen Übersetzung regeltechnisch an das Pathfinder-Rollenspiel angepasst. Das Abenteuer präsentiert sich als 32-seitiger Softcover-Band, ist hochwertig produziert und weiß mit hervorragenden Bildern zu gefallen. Wie immer sind Abenteuer dieser Serie („Pathfinder Module“, vormals „Gamemastery Module“) sehr klar im Aufbau strukturiert: Nach einer allgemeinen Einleitung zum Abenteuerhintergrund und einer Zusammenfassung des Abenteuers für den Spielleiter (3 Seiten) nimmt das eigentliche Abenteuer mit Beschreibung der Orte, NSCs und Begegnungen den Großteil ein (hier S. 5-28). Den Abschluss bilden kleinere Rubriken zum Ausgang des Abenteuers, einschließlich Vorschläge zur Fortführung des Abenteuers, zwei Seiten zu neuen (im Abenteuer eingebauten) Kreaturen sowie abschließend vier spielfertige Charaktere, die sich vorzüglich für das Spielen des Abenteuers als „One-Shot“ eignen. Wie immer werden auf den Innenseiten des Abenteuers die Übersichtskarten der Abenteuerschauplätze abgedruckt; diese stammen im vorliegenden Fall aus der Hand von Rob Lazarretti und sind wie zu erwarten hochkarätig. Damit näher zum Produktinhalt.

 

Inhalt

Ausgangsort des Abenteuers ist das kleine Örtchen Falkengrund, das bereits in früheren Pathfinder-Modulen als Hauptschauplatz dienen durfte („Falkengrunds Letzte Hoffnung (D0)“, „Die Krone des Koboldkönig (D1)“ sowie das bisher noch nicht übersetzte „The Revenge of the Kobold King (D1.5)“). Das ist insofern wichtig, als sich „Hungrig sind die Toten“ als Teil dieser Serie versteht, worauf auch die Bezeichnung des Abenteuers als „D4“ anspielt – es handelt sich um Teil 4 dieser Gewölbe-lastigen Abenteuerserie (das „D“ steht für „Dungeon“). Der Besitz der vorhergehenden Module ist aber nicht vonnöten. Zum einen findet sich die Ortsbeschreibung von Falkengrund abermals im Produkt, einschließlich Karte, zum anderen geht der Autor in einer eigenen Rubrik auf die Spielbarkeit des Abenteuers unabhängig von der Serie ein (S. 3).

Die Rahmenhandlung ist schnell erzählt (Achtung – ab hier erfolgen Spoiler, potenzielle Spieler des Abenteuers sollten nicht weiter lesen!). In den unterirdischen Gewölben einer alten Zwergenfestung im Andorantal haust ein Nekromant namens Drazmorg, der über ein mächtiges Artefakt an überirdische Mächte aus der Quelle der Totengottheit Tar-Baphon gelangt ist. Zu dumm für Drazmorg, dass das Zerstören der das Artefakt beschützenden Siegel nicht nur Drazmorgs Unterleib zerstört hat, sondern auch noch eine magische Seuche hervorgerufen hat, die alle Begrabenen im Umkreis von wenigen Meilen aus ihren Gräbern erwachen läßt. Davon bleibt auch der Friedhof des Ortes Falkengrund nicht verschont. Die Spielercharaktere, die zu Beginn des Abenteuers in Falkengrund verweilen, sind alsbald mit den wandelnden Toten konfrontiert („Night of the Living Dead“ läßt grüßen). Das Abenteuer setzt voraus, dass die SC nicht nur Falkengrund vor der Untotenwelle beschützen, sondern dem Übel auf den Grund gehen wollen - also zur Zwergenfeste reisen und dort alles kurz und klein schlagen, was nach Nekromant(ie) riecht.

 

Die Einzelbegegnungen des Abenteuers erschließen sich aus der Rahmenhandlung. Eröffnet wird das Abenteuer mit der Konfrontation mit den Untoten direkt vor den Toren Falkengrunds. Der Totengräber von Falkengrund stürzt in den Ort (der Friedhof liegt etwas außerhalb) mit dem üblichen „Wir werden alle sterben!!“ des Genres, der das Abenteuer mit einem Knalleffekt einleitet. Sehr schön, denn schon geht es ans Eingemachte. Was jetzt folgt, ist eine komplexe, schnell abgespulte Serie an Einzelbegegnungen mit unterschiedlichen, sich langsam steigernden Herausforderungsgraden (bis zu HG 6). Besonders happig ist das „Timing“ zwischen den Begegnungen, da das Abenteuer lobenswerterweise gar nicht vorsieht, dass die SC sofort und immer an der richtigen Stelle sind. Dennoch ist dieser Teil des Abenteuers nicht einfach zu leiten. Voraussetzung ist natürlich, dass man das deutsche Pathfinder-Monsterhandbuch hat, da viele Statblocks nicht abgedruckt sind. Schwieriger ist schon, dass der Ort der Begegnungen nicht taktisch aufgedröselt ist. Weder gibt es Karten von den Schauplätzen der Einzelbegegnungen, noch sind diese auf der Übersichtskarte zum Ort (S. 4) vermerkt. Schwierig wird es auch für den SL, die Zeit einzuschätzen, die die SC brauchen, um zwischen den Einzelbegegnungsorten zu wechseln, da auf der Übersichtskarte kein Massstab eingezeichnet ist und wir erst viel weiter hinten im Abenteuer erfahren, dass etwa der Abstand zwischen Nord- und Westtor 36m beträgt. Ebenso schwierig ist es, in dem heillosen Durcheinander das Verhalten der Dorfeinwohner einzuschätzen – ob und wie diese in das Geschehen eingreifen. Etwas stutzig war ich auch, dass die Zahl der Einwohner Falkengrunds von vormals 1.500 (im Abenteuer „D 1.5“) auf 300 herunter gestutzt wurde.

 

Der nächste Teil des Abenteuers, der nach der Bewältigung der Untoten vor Ort folgt, behandelt das klärende Gespräch mit dem Totengräber, der die SC quasi auf den Weg zur Zwergenfeste entsendet. Auf dem Weg dorthin begegnen die SC einem der interessanteren NSC im Abenteuer, einem Worg, hinter dem sich ein unfreiwillig formverwandelter Nekromant versteckt, der nichts Gutes im Schilde führt. Zwar ist er kein direkter Verbündeter von Drozmarg (dem in der Zwergenfeste hausenden Nekromant), sondern eher ein Rivale, der an dessen Macht kommen will, aber gegenüber den SC täuscht der Worg Hilfsbereitschaft vor, wenn es darum geht, den üblen Machenschaften unter der Zwergenfeste das Handwerk zu legen. Wie die SC hier auf den Worg reagieren ist ebenso unvorhersehbar wie das weitere Vorgehen des Werwolfs selbst im Laufe des Abenteuers (wiewohl dem Spielleiter weitere Hinweise zu Abenteuerende, auf S.28, gegeben werden). In der Hand eines guten Spielleiters kann daraus sicher eines der brisanteren Elemente des Abenteuers entstehen. Auch hat der Autor hier meiner Meinung nach eine Möglichkeit eingebaut, die etwas verworrene und für die SC nicht gerade einfach zugängliche Hintergrundgeschichte des Abenteuers den Spielern etwas direkter zu präsentieren. Denn direkte Hinweise im Inneren (also „Unteren“) der Feste sind rar und zweideutig, ihr Vorhandensein oft stark abhängig vom Vorgehen der SC. Damit zum eigentlichen „Dungeon“.

 

Die SC finden also ihren Weg in die Gewölbe unter der Feste. Dieses liegt zwei Stockwerke unter der Zwergenfeste, die sie eventuell im Rahmen von „Falkengrunds letzte Hoffnung“ bereits erkundet haben, sowie ein Stockwerk unter dem Koboldgewölbe, das sie in „Die Krone des Koboldkönigs“ gesäubert haben (eine thematische Verknüpfung dieser Gewölbeebenen findet der Leser auf S.3). Die neue Ebene des Gewölbes können die SC erst jetzt erforschen, da ein erst vor kurzem eingestürzter Tunnel ein Loch freigegeben hat, das vorher nicht ersichtlich war. (Dies entspricht der klassischen Art, ein Gewölbe erst nach und nach für die SC erschließbar zu machen – man vergleiche Erik Monas „Whispering Cairn“.)

 

Unter dem Loch finden die SC einen glitschigen Schacht – und ab hier legt das Abenteuer so richtig los und bringt uns Begegnung um Begegnung mit neuen Untoten. In insgesamt 23 Räumlichkeiten warten eine Fülle an bekannten, aber auch neuen, und äußerst skurrilen, Kreaturen sowie gemeinen Fallen. Das Abenteuer wird dem Gewölbe-Genre gerecht, vergisst dabei aber nie, auch auf Abwechslung abseits von Hack’n’Slay zu achten. So warten verfluchte Nekromantenpriester (teils ehemalige Verbündete des Obermotzes Drazmorg) in zum Teil seltsamen Konstellationen. Da hängt ein „Seher“ in einem durchsichtigen Kristall eingeschweißt von der Decke, der gewitzten SC einiges über den Rest des Gewölbes und dessen Historie verraten kann. Da wartet eine Grube, gefüllt mit den Klagelauten gefangener Bauern und Holzfällern aus der Umgebung, die verzweifelt emporklettern wollen, nur um von Grulen wieder hinein gestoßen zu werden – und auf deren Grund eine langsame, peinvolle Verwandlung in Untote wartet. Da warten sechs längst verstorbene Jünger des Totengottes, die aus ihren Sarkophagen kriechen, sich zu sechst zu einer einzelnen, grotesken Skulptur aus Haut und Knochen verschmelzen, nur um den Eindringlingen (den SC) langsam und heimlich auf Schritt und Tritt zu folgen. Und da wartet das zu erwartende Sammelsurium an untoten Monstern, die nicht nur ob ihrer Gefährlichkeit, sondern allein wegen ihres schaurigen Anblickes den SC einen gehörigen Schrecken einjagen sollten. Ein Monster, das nur aus Augen und Mündern besteht, begraben in einem Meer aus Augäpfeln am Boden und sich drehender Augäpfel an den Wänden. Da wartet ein Golem aus Talg, der, wenn man ihn mal gefasst und erledigt hat, ein Herz aus Talg freigibt, das sich gar kurios als alchemistische Zutat für manchen Effekt eignet. Und da wartet am Ende, ganz brav, der knüppelharte Showdown mit dem Nekromanten Drazmorg. Dazwischen findet sich ein Sammelsurium aus Untoten-Begegnungen, die eigentlich keinen Wunsch offen lassen sollten. Lediglich die Schlussrubrik zum weiteren Verlauf des Abenteuers und der Rückkehr nach Falkengrund, kommt etwas zu kurz, sieht aber zumindest noch mal eine dramatische Wendung mit dem vormals erwähnten Nekromanten in Worg-Gestalt vor. Damit zur Bewertung des Abenteuers.

 

Bewertung des Produktes:

Das Abenteuer weiß handwerklich zu gefallen, auch wenn der Spielleiter einzelne Begegnungen nicht nur sorgfältig vorbereiten, sondern auch selber Hand anlegen muss. Oft fehlen einfach nur hilfreiche Anmerkungen, wie der Massstab auf einer Karte oder eine (nachvollziehbarere) Beschreibung, wie eine Falle zu bewältigen sei. Interessanter dürfte die von der deutschen Übersetzung vollzogene Konvertierung in ein anderes Regelwerk ausfallen, deren Überprüfung im Detail jenseits dieser Rezension liegt. Gestaunt habe ich aber nicht schlecht, dass sowohl die Stufenempfehlung für das Abenteuer selbst (für SC der Stufe 6) sowie sämtliche Herausforderungsgrade der Begegnungen aus der 3.5er-Vorlage eins zu eins übernommen wurden – und das, obwohl bekannt ist, dass der tatsächliche HG eines 3.5er-Monster als HG minus 1 berechnet werden muss, sobald es auf Pathfinder-Charaktere stößt (die bei Trefferpunkten und Talenten deutlich mächtiger als ihre 3.5-Entsprechungen sind). Nun wird das natürlich dadurch ausgeglichen, dass sich die Begegnungen größtenteils auf Monster aus dem Pathfinder-Monsterhandbuch beziehen (deren Statblocks nicht im Abenteuer abgedruckt werden), die ihrerseits wiederum teilweise stärker als die „alten“ 3.5er-Entsprechungen sind. Interessanter wird es schon, wenn man sich die Statblocks der neuen Monster ansieht. Bei dem oben erwähnten Talg-Golem wurde nichts verändert, außer dass dessen Angriffsbonus verbessert wurde (2 Hiebe +12, vormals +9). Ob das Beibehalten der Defensiv- sowie der Schadenswerte des Golems den gleichen HG für 3.5- sowie für Pathfinder-SC rechtfertigt, liegt im Ermessen des Spielleiters. Selbiges gilt für die HG 1 Kreatur im Anhang, die als einzige Aufwertung im Vergleich zur 3.5er-Version +1 Trefferpunkt erhielt. Spielleiter, denen das zu gering erscheint, sollten insofern gründlich überlegen, ob sie nicht das Abenteuer für Charaktere der 5. Stufe leiten und sämtliche HG-Werte für die Berechnung von Abenteuerpunkten um jeweils 1 senken.

Von diesen Details abgesehen, ist das Produkt eine absolute Empfehlung. Auch bei der Übersetzung gibt es nichts zu bemängeln. Im Gegenteil, viele der Vorlesetexte zeugen von hoher sprachlicher Sensibilität und sind literarisch überzeugender (und am Spieltisch stimmungsvoller) als ihre englischen Vorlagen – Glückwunsch an den Übersetzer. Die in Pathfinder-Übersetzungen ansonsten häufig anzutreffenden Anglizismen sind hier äußerst selten (wie etwa S. 14 „originale Inschriften“ statt „ursprüngliche Inschriften“).

 

Letztlich gibt es nur zwei geringfügige Punkte, warum das Abenteuer meiner Meinung nach die Bestnote verpasst.

Zum einen präsentiert sich das Abenteuer als Fortführung der Abenteuerserie in und um Falkengrund. Jedoch erscheint die Anknüpfung an bestehende Schauplätze und Handlungsstränge mehr als lose. Die generisch wirkende Art des Inhalts hat zwar zum Vorteil, dass es sich wunderbar in anderen Settings spielen läßt, aber wer auf einen Kracher im Dunkelmondtal mit viel Lokal-Kolorit gehofft hat, wird hier enttäuscht. Gerade die Rahmenhandlung selbst ist zwar äußerst zielstrebig, aber gleichzeitig äußerst generisch.

Der zweite Kritikpunkt betrifft die Aneinanderreihung der Begegnungen unterhalb der Zwergenfeste selbst. Zwar gibt es inhaltlich einen losen Tenor – Untote und Nekromanten – aber das war es dann auch schon. Der Autor ist meilenweit von einem wirklich thematischen Gewölbe entfernt, wo die Einzelbegegnungen erst vor ihrem konkreten Hintergrund einen Sinn ergeben und zueinander in einem starken inhaltlichen Bezug stehen. (Vgl. als Vorzeigebeispiel das „Alte Kloster“ in Erik Monas „Howl of the Carrion King“.) So hatte ich durchgangs den Eindruck, es weniger mit einem Abenteuer zu tun zu haben, als mit einer losen Aneinanderreihung von – hervorragend gelungenen – Begegnungen. Insofern liegt das vorliegende „D4“-Abenteuer näher an dem Gewölbe-Abenteuer „D2 Seven Swords of Sin“ als an den D-Abenteuern um den Koboldkönig. Wie immer sehe ich in Abenteuern der ersten Art nur beschränkt Sinn, sie strikt nach Vorgabe herunterzuspielen. Spielleiter, die hier ähnlich denken, sollten sich insofern überlegen, ob man die Einzelbegegnungen nicht anders in eine bestehende Kampagne einbauen und miteinander verbinden sollte. Interessant hätte ich etwa gefunden, die Begegnungen auf ein größeres Friedhof-Areal zu verlagern. Wie immer sind hier dem Spielleiter keine Grenzen gesetzt, wenn er gewillt ist, das Abenteuer als eine solche „Ressource“ zu nutzen. Wer hingegen auf ein fertig spielbares Abenteuer von A bis Z hofft, sollte sich den Kauf mehr als gründlich überlegen.

 

Fazit:

Ein gelungenes Abenteuer, dessen Stärken seltsamerweise weniger damit zu tun haben, das Lokal-Kolorit des Finstermondtals zu betonen oder gar ein thematisch stimmiges Ganzes abzuliefern – sondern allein mit seinen skurrilen Einzelbegegnungen. Schon lange haben wir kein so schauriges Abenteuer mehr rund um Untote und Nekromanten gehabt!