Revised Player's Handbook 3.5Drei Jahre ist es her, dass Wizards of the Coast die 3. Edition des erfolgreichen Rollenspiels "Dungeons & Dragons" auf den Markt brachten. Trotz eines im Vergleich zu den Vorgängern wesentlich durchdachteren Regelsystems zeigten sich im Laufe dieser Zeit immer wieder kleinere (und manchmal auch größere) Unklarheiten, Fehler und Designmängel. Angesichts ständig wachsender FAQ- und Errata-Dateien hat man bei Wizards of the Coast beschlossen, eine komplett überarbeitete Version, die so genannte 3.5 Edition, herauszubringen.
Die Reaktionen hierauf reichten von "Endlich!" bis hin zu "Abzocke!". Tatsächlich mutet es seltsam an, wenn man nach drei Jahren erneut zur Kasse gebeten wird. Diese Rezension setzt sich jedoch nicht weiter mit dieser Problematik auseinander, sondern beschränkt sich auf die Bücher selbst. Es soll hier auch nicht das Player's Handbook insgesamt bewertet, sondern nur auf die Änderungen zur Vorgängerversion eingegangen werden.
Auf den ersten BlickDas neue Außendesign des RPHB weiß zu gefallen. Es unterscheidet sich vom Vorgänger, ist jedoch noch als PHB zu erkennen. Das Buch selbst ist mit 320 Seiten um gut 40 Seiten dicker geworden. Es gibt wenig neues Artwork; dieses ist jedoch überwiegend sehr gut. Die Tabellen sind zweifarbig unterlegt und somit besser lesbar.
Kapitel 1: AbilitiesNichts Neues hier. Das Attributssystem ist der erste Grundbaustein von D&D, und die Designer haben clevererweise auch nicht daran rumgewerkelt.
Kapitel 2: RacesIm Gesamtbild ändert sich kaum etwas. Die sieben Völker bleiben so bestehen, wie sie sind. Es wurden jedoch kleine Änderungen an den bestehenden Völkern vorgenommen. Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, bleibt die Feststellung, dass Rassen wie etwa Zwerge und Elfen gestärkt wurden, die vorher keineswegs zu schwach waren. Gnome haben nunmehr den Barden als bevorzugte Klasse - nicht völlig abwegig, aber ohne echten Hintergrundbezug. Im ehrenwerten Versuch, den stiefmütterlich behandelten Halb-Elfen aufzupäppeln, haben die Designer ihm +2 auf Diplomatie und Informationen sammeln gegeben. Warum auch immer.
Kapitel 3: ClassesHier holt die 3.5E zum überwiegend gelungenen Rundumschlag aus. Klassen wie der Waldläufer, der Barde und der Druide sind nun wesentlich attraktiver und spielbarer. Der Mönch ist flexibler in seiner Ausgestaltung und einfacher in der Handhabung (Stichwort: einheitlicher GAB). Für Barbaren und Paladine lohnt es sich endlich, die Klasse beizubehalten, da viele interessante Fähigkeiten auf höheren Stufen locken. Hexenmeister (und auch Barden) können Zauber tauschen. Die Regeln für Magierspezialisierung wurden vereinheitlicht. Außerdem wurde darauf geachtet, dass keine Klasse mehr zu viele gute Fähigkeiten auf der ersten Stufe bekommt (siehe 3.0-Waldläufer & -Paladin). Besondere Erwähnung (als eine von vielen guten Ideen) verdient die neue Regelung bezüglich der Tiergefährten von Druiden und Waldläufern. Wurde man in der 3.0E noch gezwungen, seinen treuen Stufe 1-Gefährten in die Wüste zu schicken, um mit einem größeren Viech wettbewerbsfähig zu bleiben, so kann man nun getrost den Stufe 1-Adler behalten. Dieser wird nun nämlich, ähnlich dem Reittier eines Paladins, kontinuierlich besser. Aber wer will, kann natürlich auch weiterhin zum baldmöglichsten Zeitpunkt auf den Schreckensbären umsteigen. Wermutstropfen: Die sinnentleerten Multiklassenbeschränkungen für Paladine und Mönche stehen immer noch wie in Stein gemeißelt. Hier wurde eine große Chance verpasst.
Kapitel 4: SkillsDas Kapitel über die Fertigkeiten präsentiert sich in einem lobenswert aufgeräumten Zustand. Hier kann man auf einen Blick erkennen, was für eine Aktion der Gebrauch eines Skills ist, was man damit noch so alles machen kann und wie das mit den Synergie-Boni so ausschaut - alles Fragen, die in der 3.0E noch für Probleme sorgen konnten. Nischenfertigkeiten wie versteckte Andeutungen, Orientierungssinn und Lippenlesen wurden von verwandten Fertigkeiten absorbiert. Das lästige und unelegante Ausspähen ist Geschichte; ebenso Gefühl für Tiere, welches zur Klassenfähigkeit mutierte. Bemerkenswert: Es gibt keine klassenexklusiven Fertigkeiten mehr. Besonderes Lob verdient sich hier die Einbeziehung von Wissen über spezifische Monster in die Wissensfertigkeiten. So umfasst etwa Wissen (Arkanes) das Wissen über Drachen, Magische Bestien und Konstrukte. Wer über Schleime und Aberrationen Bescheid wissen möchte, bildet sich in Wissen (Dungeoneering) weiter. Somit ist das alte Dilemma "Spielerwissen vs. Charakterwissen" endlich entschärft.
Kapitel 5: FeatsÜber ein Dutzend neuer Talente! Klingt gut, nicht wahr? Leider sind fast alle neuen Talente nur "Wachsamkeit-Klone": +2 auf zwei verwandte Fertigkeiten. Originelle und brauchbare Talente wie "Diehard" sind Mangelware. Allerdings haben auch Kämpfer mit "Greater Weapon Focus" und "Greater Weapon Specialization" wieder etwas, worauf sie sich auf höheren Stufen noch freuen können, jedoch immer noch nicht so viel wie erhofft. "Beidhändigkeit" wurde in "Kampf mit zwei Waffen" absorbiert. Auch an alten Bekannten wurde herumgeschraubt. Einige wurden gestärkt, ob es nötig war (Ausdauer) oder nicht (Heftiger Angriff). Andere wurden geschwächt, obwohl es nicht wirklich nötig schien (Zauberfokus und Größerer Zauberfokus). Aufgrund der vielen kleinen, aber feinen Veränderungen (Tänzelnder Angriff, Kampfreflexe, Wirbelwindangriff) wird man an diesem Kapitel noch länger knabbern, als man glaubt.
Kapitel 6: DescriptionIn diesem regelarmen Kapitel wurde fast nichts geändert.
Kapitel 7: EquipmentMit der neuen Einteilung der Waffen nach Größenkategorien haben die Designer für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Fakt ist jedoch, dass das neue System in sich schlüssiger ist, denn eigentlich war es Blödsinn, dass etwa ein Halbling ein menschliches Langschwert führen konnte wie einen Halbling-Zweihänder. Ab jetzt gibt es für so was -2 auf den Angriff (und spezielle Halbling-Zweihänder). Auch und gerade Problemfälle wie der Gnom mit der Stachelkette sind damit behoben. Ansonsten sind die Tabellen übersichtlicher geworden. Kleine Änderungen wie "Schlafen in Rüstung" und der entschärfte Verstrickungsbeutel runden das Gesamtbild ab.
Kapitel 8: CombatEin runderneuertes Kampfkapitel gehört zu den Hauptattraktionen des RPHB. In bemerkenswert klarer und präziser Art werden hier auch die komplexesten Sachverhalte so logisch und verständlich wie nie dargelegt. Auch garstige Dinge wie der Ringkampf sind ab sofort kinderleicht und bieten Spielern wie SL noch mehr Optionen. Im Zuge der Vereinfachung sind Kopfgeburten wie die Teilaktion ersatzlos gestrichen worden. Im Teil über Spezialangriffe finden wir etwa die Finte, die früher ganz verschämt im Kapitel über Fertigkeiten versteckt war. Auch die Gelegenheitsangriffe werden mit vielen Beispielillustrationen idiotensicher erklärt; ebenso viele andere bewegungsabhängige Manöver, aber auch das Flankieren. Die Regeln für Deckung und Tarnung wurden vereinfacht und von überflüssigem Ballast befreit. Eher umstritten ist die deutlichere Bezugnahme auf das Spiel mit Miniaturen. Die 3.5E geht noch stärker als ihre Vorgängerin davon aus, dass man Miniaturen und einen Bodenplan benutzt. So ist auch in den Regeln immer wieder der Begriff "squares" zu finden, den man dann erst mal wieder zurückrechnen muss. Nicht tragisch, aber überflüssig. Eine Änderung, die ebenfalls ihre Tücken hat: Alle Kreaturen nehmen auf dem Spielplan eine quadratische Fläche in Anspruch. So hat sowohl der Oger als auch das Pferd ein Facing von 2x2 Feldern - womit ein Großteil der bereits verfügbaren Miniaturen und Counter unbrauchbar wird, wenn man sich daran halten will. Reiner Zufall, dass WotC eine neue Miniaturen-Reihe herausbringen wollen... Allerdings soll auch nicht verschwiegen werden, dass einzelne Punkte wie etwa die diagonale Bewegung nun geklärt wurden.
Kapitel 9: AdventuringHier sind die Änderungen eher spärlich gesät. Erwähnenswert: Jede Lichtquelle erzeugt neben dem "primären" Lichtradius auch noch einen schattigen äußeren Bereich. Außerdem sind die Regeln für Schaden an Gegenständen hierher umgezogen.
Kapitel 10: MagicÄhnlich wie in Kapitel 8 wurde hier besonderer Wert auf Klarheit und Präzision gelegt. Das Ergebnis ist ein sehr gut lesbares Kapitel. Es treten einige Einzeländerungen hervor; so ist das Eintragen von Zaubersprüchen für den Magier deutlich billiger geworden.
Kapitel 11: SpellsDas Kapitel beginnt mit den Zauberlisten, und schon möchte man die Designer wieder knuddeln: Alle Zauber, die teure Materialkomponenten oder Fokusse brauchen, sind entsprechend gekennzeichnet. Bei den eigentlichen Zauberbeschreibungen legt die 3.5E noch einmal richtig los: Kaum ein Zauber, der unangetastet blieb. Neben den Zaubern, die dringend einer Bearbeitung bedurften (Leid, Hast, Andere verwandeln, Schild) haben die Designer noch genug Energie übrig gehabt, um tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen. Dutzende von Zaubern wurden (sinnvoll) umbenannt (Lesser Confusion statt Random Action), in andere Schulen verschoben (Brennende Hände: Evocation), in andere Grade verschoben (Spinnenklettern: 2. Grad), zusammengeworfen (Schutz vor negativer Energie und Schutz vor Todesmagie), aufgeteilt (Flammenpfeil und Scorching Ray), anderen Klassen zugänglich gemacht (Bärenstärke & Co.), abgeschwächt (Heilung, Leid, Hast, Person festhalten, Unsichtbarkeit, Fliegen, Mächtige Magische Waffe, Magisches Schutzgewand, Bärenstärke & Co.), gestärkt (Vergrößern, Blitze herbeirufen, Schockgriff, Rindenhaut), sonstwie mehr oder weniger subtil geändert (Dunkelheit, Otilukes Unverwüstliche Sphäre, Schlaf, Auflösung), klarifiziert (Andere verwandeln, Gestalt verändern), neu aufgenommen (Longstrider, Align Weapon, Mass Cure & Inflict, Deep Slumber, Polar Ray, Fox´s Cunning & Co.) oder rausgeschmissen (Schutz vor negativer Energie).
Die große Mehrzahl dieser Änderungen betrifft Zauber, die vorher einfach ein "Must Have" waren und also zu stark. Keine Abenteurergruppe, die nicht nach dem Frühstück erst mal zum Ausdauer-Rundschlag ausgeholt hätte. Kein Magier, der so blöd gewesen wäre, Hast nicht zum erstmöglichen Zeitpunkt zu lernen. Kein Kleriker, der im 2. Grad jemals auf Person festhalten verzichtet hätte. Und so weiter. Außerdem sind die Kosten für Wiedererweckungen toter Charaktere stark angestiegen. Hier reagierten die Wizards auf vielfache Kritik. Generell zeichnet sich hier der Trend ab, die Vormachtstellung der Zauberwirker etwas zurück zu stutzen. Das dürfte den Designern gelungen sein; allerdings wird so mancher Spieler demnächst heftig fluchen. Glossar Wie auch bei den beiden anderen Revised Core Rulebooks ist der Glossar des RPHB ein absolutes Schmuckstück. Jeder Spielbegriff wird hier handfest und lückenlos erklärt.
FazitDie überarbeitete 3. Edition von D&D ist, wenn man sich erst einmal zum Kauf entschieden hat, eine runde Sache. Die Änderungen sind zum allergrößten Teil sehr willkommen und geben dem Spiel mehr Fairness, Logik und Flair. Kritiker der 3.5E weisen allerdings darauf hin, dass die Änderungen für eine "Überarbeitung" teilweise zu gravierend sind, und sie haben nicht unrecht. Die 3.5E ist weit mehr als eine buchgewordene Errata-Liste. Entsprechend ist die Konvertierung von 3.0 auf 3.5 - insbesondere bei Multiklassen-Charakteren - auch nichts, was man mal so eben in fünf Minuten machen könnte. Ganz zu schweigen von den kommenden Monaten, in denen jeder noch so sattelfeste Spielleiter wieder einmal öfter in die Bücher schauen wird. Nichtsdestotrotz: Wer umsteigt, macht nichts falsch - im Gegenteil. 3.5E ist das beste D&D aller Zeiten. Wieder einmal. |
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