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Planwagen des Thespis 4 - Die kleine Sirene
Bewertung:
(3.8)
Von: Jörg Deutesfeld
Alias: Debaser
Am: 31.12.2010
Autor:Christian Rossi (Zeichner) und Philippe Bonifay (Autor)
Übersetzer:Dr. Marcus Schweizer
Typ:Comic / Graphic Novel
Setting:Western
VerlagPiredda Verlag
ISBN/ASIN:978-3-941279-56-8
Inhalt:48 Seiten, Album Großformat (Hardcover)
Preis:14,50 EUR
Sprache:Deutsch

Inhalt:

Salida in Colorado im Januar 1866: Joe Adam ist in diesem kleinen Ort eingetroffen und trifft sich hier mit seinem Bruder Michael, der ihm Neuigkeiten über den Verbleib von Muerte Kid berichten kann. Es scheint, als würde sich dieser mit seiner Bande von rund 40 Männern in Teec Nos Pos befinden. In Begleitung seines Bruders und zweier Holländer macht sich die Gruppe auf den weiten und beschwerlichen Weg, der sie durch die eisige und verschneite Landschaft von Colorado führt.

 

Ein erster Rückblick folgt und nimmt den Leser mit auf die Reise in die Vergangenheit von Joe Adam. So wird er Zeuge, wie dieser vor annähernd 15 Jahren als Scout für die Armee arbeitete und in Fort Benton einer jungen Halbblut-Indianerin half, die vor einer Horde wildgewordener Männer in Bedrängnis gebracht wurde. Er rettete die junge Frau und nahm sie mit sich – ohne dass er überhaupt wusste, wie sie hieß. Dennoch beschloss sie bei ihm zu bleiben – ihre Zuneigung brauchte scheinbar keine Erklärung.

 

Zu dieser Zeit waren Joe Adam und Kid, der damals noch nicht seinen Spitznamen trug, wie Brüder. Gemeinsam mit Kid nahm er einen neuen Job als Scout an bei der Armee an – die junge Halbblut immer noch an seiner Seite. Allerdings waren die Zeiten hart und Siedler, die sich auf den Weg ins gelobte Land machten, wurden immer wieder von Indianern überfallen und getötet. Das Leben der Begleiterin von Joe war nicht einfach.

 

Zwischenzeitlich verringert sich der Abstand von Joe, seinem Bruder und den Begleitern zur Bande von Muerte Kid. Es scheint als wäre der Vorsprung langsam aufgebraucht und Joe könne endlich Kid gegenübertreten. Immer wieder folgen Unterbrechungen im Erzählfluss, und so lernt der Leser eine Familie kennen, der Michael scheinbar freundschaftlich verbunden ist. Der Vater der Familie – bei der die Brüder später auch Unterkunft finden – ist über die Suche und die Pläne der Männer informiert und scheinbar kann nichts diese davon abhalten. Er beginnt seinen Töchtern aus einem Märchenbuch vorzulesen – die Geschichte der kleinen Meerjungfrau.

 

Auf ihrem Weg machen Joe und sein Bruder Bekanntschaft mit Viehtreibern, die sie für gefährliche Banditen halten. Nach einem Feuergefecht mit mehreren Verletzten lässt sich das gefährliche Missverständnis aufklären und das letzte Stück der Reise unbeschadet überstehen. Aber der Leser erfährt durch Rückblicke auch, was Joe und Kid damals in eine unerbittliche Feindschaft geführt hat: Die Halbblut-Indianerin. Wegen ihr wendete sich Joe von Kid ab und ihre einstmals enge Freundschaft schien vergessen. Doch Kid wusste, wie er die ungeliebte Rivalin aus dem Weg schaffen konnte.

 

Angekommen bei der befreundeten Familie und endlich in unmittelbarer Nähe zu Kid, gilt es für Joe seine Rache in Taten zu verwandeln. Doch dafür braucht er noch Geduld, auch wenn sie immer greifbarer wird.

 

Schreibstil & Artwork:

Seit dem dritten Band der Reihe „Der Planwagen des Thespis“ ist der am 13.08.1959 in Toulon geborene Philippe Bonifay als Autor für das Szenario verantwortlich. Bereits seit seiner Jugend fühlte sich Bonifay dem Theater verbunden und machte mit 17 Jahren sein BAFA, eine Art „Befähigungsnachweis für nichtberufliche Animateure“. So dürfte es nicht weiter verwunderlich sein, dass er später selbst anfing, für das Theater zu schreiben aber auch andere Texte in diesem Genre verfasste. Mit dem Bereich Comics hingegen kam er erst gegen Anfang der 1980er Jahre in Berührung, als er während eines Praktikums die Frau des Zeichners Christian Rossi kennen lernte. Aufgrund ihrer gemeinsamen Leidenschaft für Western erarbeiteten sie die Idee für die Reihe „Der Planwagen des Thespis“, die zunächst im Magazin „Gomme", spätere Fortsetzungen dann in „Circus" abgedruckt wurden.

Nach diesen insgesamt vier Episoden schrieb er 1989 die Miniserie „Le passage de la saison morte“ für Jacques Terpant sowie das Album „Les ados de béton“ für Arnaud Fontaine. 1994 entstand die Historienserie „Messara“, wiederum mit Terpant. Im selben Jahr kreierte er zusammen mit Frank Pé die Trilogie „Zoo“ (dt. bei Carlsen), deren dritter Band allerdings erst 2009 erscheinen sollte. In der Zwischenzeit verfasste Bonifay die Szenarios für die Serien „Jane“ (1998, Zeichnungen: Denis Falque), „Piraten“ (2001, Zeichnungen: Jacques Terpant, dt. bei Arboris) und „La compagnie des glaces“ (2003, Zeichnungen: Jotim).

Im Jahr 2005 kreierte er zusammen mit dem Zeichner Youssef Daoudi „Die schwarze Trilogie“ (dt. bei Ehapa) nach Texten von Leo Malet. Ebenfalls 2005 entstanden die Einzelbände „Mon voisin le père Noël“ (Zeichnungen: Béatrice Tillier), „Les Oubliés“ (Zeichnungen: Juliette Derenne) sowie „L'Histoire de Mandrin en BD“.

 

Bereits in den ersten drei Bänden der Reihe wurde mit der Figur des reisenden Theaterdirektors Hermes kein klassisches Western-Klischee von glorreichen Helden und finsteren Schurken verfolgt, sondern den Leser in die ungestüme und wilde Zeit kurz nach dem amerikanischen Bürgerkrieg mitgenommen, um diese als Ausgangspunkt für seine ausgefallene Erzählung zu nutzen.

Nach dem Ende des Sezessionskrieges zwischen den Nord- und Südstaaten (1861–1865) suchten viele durch den Krieg gescheiterte, teilweise verrohte Menschen einen neuen Anfang im Westen. Glücksritter und Abenteurer fanden in den relativ unerschlossenen Gebieten der USA oft einen gesetzlichen Freiraum vor.

 

Doch waren es nicht nur Hermes und Drustan, sondern auch der Protagonist Joe Adam, den Rossi präsentierte, dessen Geschichte ein wenig in den Hintergrund gedrängt wurde und dem eigentlich dieser komplette vierte und abschließende Band der Reihe gewidmet ist. Die Geschichte von Joe Adam beginnt bereits lange vor dem Bürgerkrieg und schildert sehr eindringlich die zwischenmenschliche Beziehung von zwei guten Freunden, deren Freundschaft durch die Liebe zu einer Frau zerstört wird, die doch eigentlich an den Geschehnissen keine Schuld trägt.

 

Christian Rossi wurde am 31.12.1954 in Saint-Denis geboren und studierte Zeichnen an der Kunsthochschule in Estienne, wo er während dieser Zeit einiges über das Zeichnen von Comics von Jijé lernte. 1973 veröffentlichte er seine ersten Seiten in dem Magazin „Formule 1“, allerdings sollte es noch vier Jahre dauern, bis er Didier Convard traf und für den Verlag „Twin Cam“ zu arbeiten begann. Ab 1980 nahm er für den Verlag „Fleurus“ die Arbeit auf und illustrierte „'Valvidia le Conquistador“ und „Les Aventures de Claire“.

 

1981 startete er mit „Der Planwagen des Thespis“ seine erste Albenserie, wobei er in den beiden ersten Bänden nicht nur als Zeichner, sondern auch als Autor fungierte. Ab 1985 folgte „Die Verwirrung des Julius Antoine“ nach einem Szenario von Serge Le Tendre und ab 1990 - nach Texten von Pierre Makyo – „Der Zyklus der zwei Horizonte“. Die seinerzeit von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud kreierte Westernreihe „Jim Cutlass“ setzte Rossi 1991 fort, wobei sich Giraud nunmehr vornehmlich auf die Szenarios für diese Reihe konzentrierte. Gemeinsam mit dem Szenaristen Makyo entstand zur gleichen Zeit „Jordan“ für den Verlag Delcourt.

 

Mitte der 90er Jahre arbeitete er mit Serge Le Tendre an den Reihen „La Gloire d’Héra“ und an der 2001 erschienen Reihe „Tirésias“. Für den Verlag Albin Michel entstand mit dem Szenaristen Enrique Sanchez Abuli ein Einzelband mit Kurzgeschichten mit dem Titel „Capitaine La Guibole“. 2003 begann er mit den Szenaristen Xavier Dorison und Fabien Nury die Serie „W.E.S.T.“, deren erste zwei Bände in der Ehapa Comic Collection verlegt wurden und die nunmehr bei Piredda erscheint.

 

Scheinbar hegte Rossi schon recht früh ein Faible für das Western-Genre, da seine erste eigene Reihe mit „Der Planwagen des Thespis“ begann. Verwundern tut dies sicherlich nicht, gehörte doch Jijé, der Schöpfer von „Jerry Spring“ mehr oder weniger zu seinen Lehrmeistern und die spätere Zusammenarbeit Giraud, dem Zeichner von „Leutnant Blueberry“, sollte ebenfalls nicht unerheblichen Einfluss auf ihn haben, auch wenn Rossi insgesamt sehr rasch seinen eigenen Stil fand.

 

Auch im vierten Band bringt Rossi seine Charaktere mit kräftigem aber dennoch elegantem Strich zu Papier, versteht es aber ebenso gut Landschaften einzufangen und hinterlegt diese Impressionen mit schwachen, aber sehr einprägsamen Farbtönen. Seine zum Teil groß angelegten Panels, die klassisch angeordnet sind, unterstützen dabei die visuelle Wirkung und nehmen den Leser mit auf eine sehr authentisch gestaltete Zeitreise. In der Koloration jeweils abgesetzt sind die Rückblicke, in denen der Leser mehr über die Vergangenheit und Geschehnisse im Leben von Joe Adam erfährt.

 

Qualität, Ausstattung & Übersetzung

Auch der vierte Band der Reihe kann durch seine Verarbeitung überzeugen und so besticht der großformatige Hardcoverband durch seine solide Fadenheftung und das klare Druckbild. Die Übersetzung stammt wiederum von Marcus Schweizer und das Lettering von Mirko Piredda. In Sachen Ausstattung gibt es auch in diesem Band keine Extras.

 

Fazit:

Das Duo Rossi und Bonifay haben mit diesem Band eine moderne Interpretation des Märchens „Die kleine Meerjungfrau“ des wohl berühmtesten Dichters und Schriftstellers Dänemarks, Hans-Christian Andersen, vorgelegt und das dramatische Szenario, das ebenfalls in zwei gegensätzlichen Welten spielt, kurzerhand in die Weiten des rauen amerikanischen Westens gelegt.

 

Ebenso wie die schlichte Unterwasserwelt der Meereswesen einen gewaltigen Kontrast zum pompösen Leben der Menschen auf dem trockenen Land bildet, so tauchen hier die Gegensätze der indianischen Lebensweise und der weißen Kultur auf. So wird die zentrale Figur der Meerjungfrau zur Indianerin, die ebenfalls durch beide Welten reist und in ihrer bedingungslosen Liebe zum Prinzen, bzw. hier zu Joe Adam, ihr endloses Leid erträgt. Allerdings kommt es auch hier zu einem überaus tragischen Schluss, in dem die Protagonisten durch ihre eigene Stärke am Ende ihre Erlösung finden. Das im Hintergrund angelegte „Vorlesen“ des Märchens unterstreicht die Parallelen des Märchens zur Adaption im Comic und macht diesen Band letztlich zu einem ganz besonderen Erlebnis.

 

Es ist mehr als erfreulich, dass sich der Piredda Verlag dieser zu Unrecht vergessenen Reihe angenommen hat, die sich (trotz ihres Alters) sehr wohltuend und entspannend aus der Masse der „modernen“ Western-Comics hervorhebt. Nach der Geschichte um den charismatischen Hermes und den gänzlich jugendlich-unbedarften Drustan, ist es schon fast erstaunlich, welche Fabulierkunst Bonifay an den Tag legt, um Joe Adam in diesem Band zu einem sehr nachdenklich stimmenden und recht ergreifenden Schluss zu bringen .

 

Einziger Kritikpunkt – wie auch bereits bei den anderen Bänden zum Teil schon angemerkt – sind die unterschiedlichen Handlungsfäden, die den Leser manchmal stutzig machen können, da fast vollständig auf Orts- oder Zeitangaben verzichtet wurde. Bedingt durch die zahlreichen Zeitsprünge in der Geschichte, wird es deshalb manchmal etwas unübersichtlich den Handlungsorten zu folgen.

 

Mit großem Bedauern beende ich mit diesem vierten Band die Reihe und kann abschließend nur feststellen, das es sich insgesamt um ein sehr packendes und sehr intelligent in Szene gesetztes Lesevergnügen handelt, welches ich an dieser Stelle nicht nur Freunden des Western-Genres empfehlen möchte. Dabei sticht der letzte Band dieser Reihe durch seine klug inszenierte Geschichte besonders hervor.