Links zur Rezension Manchmal gibt es seltsame Zufälle, die zu sehr produktive Ergebnissen führen. Im Falle von „American Vampire“ bat Comic-Shooting Star Scott Snyder (u.a. Iron Man Noir) keinen geringeren als den (zugegebenermaßen polarisierenden) Meister der Horrorliteratur, Stephen King, um ein kleines Zitat zu seiner neuen Vertigo-Comic-Reihe. Doch die Sache kam gänzlich anders, den King fand die Idee hinter „American Vampire“ so umwerfend, das er Snyder anbot ein paar Episoden für die Reihe zu schreiben. Natürlich sagte dieser nicht Nein und das bedeutete für King auf der anderen Seite ein echtes Debüt, denn auch wenn schon einige seiner Geschichten (bspw. “Der dunkle Turm“ und “The Stand“) ins Comic-Format portiert wurden, so hatte der Autor selbst bis dato, noch keine eigene Comicstory direkt verfasst.
Inhalt:Skinner Sweet ist kein normaler Vampir, sondern ein Produkt der Evolution. Das ist auch bitter nötig, denn im heißen und vor allem sonnigen Arizona, ist die übliche Allergie gegen Sonnenlicht, die Vampire normalerweise aufweisen, ziemlich tödlich. Obwohl er von den europäischen Vampiren abstammt, ist Skinner Sweet weiterentwickelt, immun gegen die Auswirkungen des Sonnenlichts und vor allem deutlich aggressiver als seine Verwandten von Übersee. Das passt den alten Vampiren ganz und gar nicht und so setzen sie alles daran, Skinner Sweet zu vernichten und seine blutige Reise zu stoppen. Doch das ist deutlich schwieriger als es die Vampire es glauben, denn Skinner ist ein wirklich zäher Brocken und er erschafft sich auch noch Verstärkung…
Schreibstil & Artwork:Der erste Band von „American Vampire“ erzählt im Grunde genommen zwei Geschichten. Zum Einen ist da die Storyline, die aus Stephen Kings Feder stammt, und im Wilden Westen spielt. Hier geht es vor allem um die Entstehung des „mutierten“ Vampirs Skinner Sweet und seine blutigen Machenschaften zur Zeit der Cowboys. Der zweite Plot wurde von Scott Snyder, dem geistigen Vater des Settings, geschrieben und spielt zur Stummfilmzeit und strickt dabei den Zwist zwischen Skinner und den alten Vampiren weiter. Außerdem ist eine andere Familie in die Sache verstrickt, die über Generationen unter dem Grauen von Skinner Sweet und dessen Auswirkungen leiden muss. Die Stories sind geschickt miteinander verwoben und immer wieder, wird zwischen den Epochen hin und her gesprungen, ohne das dem Leser der rote Faden verloren geht. Die Zeitwechsel sind gut gemacht und spürbar voneinander getrennt, so dass das Ganze niemals verwirrend wirkt. Das der Comic-Bereich Neuland für Stephen King ist, merkt man seiner Geschichte dabei absolut nicht an. Der renommierte Horrorautor erzählt seine Story mit sicherer Hand und weiß den Leser von Anfang mit geschickt platzierten Elementen zu fesseln. Nicht zuletzt macht aber auch die Idee, die hinter „American Vampire“ steht, viel her, auch wenn Vampire, die Sonnenlicht vertragen, nicht wirklich neu sind. Aber in diesem Fall macht es einfach die Kombination verschiedener Elemente das A und O des Settings aus – allen voran steht aber der zwar böse und brutale, aber irgendwie doch charismatische Skinner Sweet, im Mittelpunkt und ist Dreh- und Angelpunkt des gesamten Plots. Aber nicht nur der Teil von Stephen King weiß zu überzeugen, sondern auch die Seite von Scott Snyder ist wirklich umwerfend gut geworden, vielleicht sogar etwas besser. Der Autor erzeugt eine enorme Spannung und arbeitet oft mit sehr subtilen Mitteln, um den Leser zu fesseln. Das gelingt ihm aber durchweg, und so erhält man eine insgesamt sehr vielschichtige, tiefgängige und charakterstarke Erzählung, die mit dem Stephen King-Part eine perfekte Symbiose eingeht.
Das mag auch daran liegen, das beide Story-Teile von ein und demselben Zeichner realisiert wurden. Rafael Albuquerque liefert hier eine hervorragende und passende Arbeit ab. Die Illustrationen sehen toll aus, bestechen mit klar definierten Konturen und sind in sehr dynamisch wirkenden Panels inszeniert, die den Erzählungen viel Pepp und Schwung geben. Die teils offene, oft aber auch subtile Brutalität, ist prägnant dargestellt und verursacht gerade deswegen gerne eine Gänsehaut. Die dezente, eher zurückhaltende, Kolorierung rundet die Sache gekonnt ab und so sieht die Optik des Comics einfach umwerfend gut aus und passt quasi perfekt zum Setting.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungDer Band kommt als Softcover im US-Format und umfasst die ersten fünf Einzelhefte aus den USA, die einen abgeschlossenen Zyklus bilden. Die Produktion und auch die Übersetzung ist wieder einmal mehr hervorragend geworden. Eine Cover-Galerie rundet die Sache ab.
Fazit:“American Vampire” ist definitiv ein hervorragend gelungenes Comic-Debut von Horrormeister Stephen King. Gut, man muss ehrlich sein, eigentlich hat Mr. King nur einen Teil der Story – nämlich den Wilder Westen-Part – beigesteuert und die grundlegende Idee geht auf Kosten von Scott Snyder, aber für King ist dieser Comic dennoch ein Debut, das enorm gut geworden ist. Die Idee ist klasse und wirkt gut durchdacht. Der Plot ist vielschichtig und tiefgründig und die Charaktere sind fein und säuberlich ausgearbeitet. Dabei werden die verschiedenen Handlungsstränge spannend und actionreich erzählt und auch die richtige Mischung Blut und Brutalität fehlt dem Comic nicht. Die Artworks passen hervorragend zur Erzählung und präsentieren den Comic in einer umwerfend schicken Optik. Alles in Allem hat mich „American Vampire“ sehr überrascht, denn ich hatte eigentlich nichts wirklich Überragendes erwartet, aber nun freue ich mich schon auf mehr und hoffe das die Reihe noch weitergeht. Die Grundsteine dafür sind gelegt und ein passender Cliffhanger, der diesen Band gekonnt beendet, hält die Hoffnung aufrecht. So oder so: „American Vampire“ ist ein tolles Vampir-Werk, das sich von der Teenie-Vampir-Einheitsbrei-Masse der letzten Jahre, erfrischend abhebt und eine ganz eigene Richtung geht. Die Vampir-Königsklasse!
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