Links zur Rezension Vorab eine Klarstellung zur besseren Einschätzung dieser "Gegendarstellung"Ich bin weder pro noch kontra Oldschool-Rollenspiel an sich, daher werde ich mich bemühen, in dieser Rezension das mir vorliegende Grundregelwerk von "Labyrinth Lord" so neutral wie möglich, natürlich im Rahmen meiner eigenen Meinung zu besagtem Produkt, zu begutachten und zu bewerten und zu kommentieren. Mir ist klar, dass die OSR als solche die Rollenspielerschaft einerseits polarisiert, aber auch andererseits eine gewisse Art der Traditionspflege betreibt, die nicht von der Hand zu weisen ist. Im Folgenden werde ich versuchen, meine eigenen Präferenzen, die durch meine Rollenspielervergangenheit geprägt sind, so weit als möglich auszublenden, um das Werk an sich einschätzen zu können.
Was ich tun werde: Das GRW auf seine Tauglichkeit prüfen, jedoch nicht unter der heutzutage vorherrschenden Maxime "Das Spiel wird durch die Regeln festegelegt" sondern "Rulings, not rules".
Die Erste bedeutet heutzutage, dass in vielen "modernen" Rollenspielen fast alle denkbaren Situationen regeltechnisch erfasst werden (müssen?), was dann in besonders bizarren Situationen in echten Stilblüten gipfelt, wie dass zum Beispiel im jüngsten D&D-Regelwerk ("Essentials") der Zustand "Dying" unter anderem mit den Regelbegriffen(!) "unconscious"(bewusstlos) und "prone" (am Boden liegend") beschrieben wird. Man möge sich seinen Teil zur Sinnhaftigkeit solcher "Regeln" und ihrer Anwendung denken. Alles, was irgendwie in Regeln gegossen werden kann, wird Opfer der Regelungswahns moderner Systeme, und so verwundert es nicht, dass in Systemen wie D&D oder artverwandten Systemen wie etwa d20 selbst Themenkomplexe wie Sex ("Book of Erotic Fantasy") nicht verschont bleiben. Egal wie unnütz oder geschmacklos es sein mag, es findet sich immer ein Spieledesigner, der Willens ist, auch noch so unnütze Dinge (wie Folter) mit Regeln zu versehen.
"Rulings, not rules" hingegen besagt, dass es weniger wichtig ist, was die Regeln an sich besagen, sondern was der SL aus ihnen in der jeweiligen Situation daraus macht, um diese zur Anwendung zu bringen. Es gibt gewisse Grundregeln in der Herangehensweise der Oldschool-Rollenspiele, so unter anderem diese, dass es keine Regeln zur Fertigkeitsanwendung gibt, weil davon ausgegangen wird, dass der Spieler seinen eigenen Grips und Hirnschmalz einsetzt, um seinen Charakter zu spielen und ingame Rätsel zu lösen oder bestimmte Dinge zu erspielen. Dieses Vorgehen kann man mögen, muss man aber nicht. Überdies sind OSR-RPGs zumeist sehr restriktiv, was die Nischen der Charakter-Archetypen angeht, was jedoch der Herangehensweise der Vorbilder der Retroklone anzulasten ist, und nicht den OSR-RPGs im Einzelnen.
Zum GrundregelwerkAuf den Inhalt des Buches werde ich nicht en detail eingehen, da "Kollege" Nadir bereits in der anderen Rezension genug zum Thema geschrieben hat, werde hier jedoch ein paar Kommentare zu den einzelnen Kapiteln, vielmehr: Einzelpunkten, die mir (negativ oder positiv) aufgefallen sind, schreiben. Anzumerken ist jedoch, dass das vorliegende Werk nicht die Original-"Labyrinth Lord"-Variante ist, sondern eine "Revised"-Version, was bedeutet dass man die ursprünglichen "Labyrinth Lord"-Regeln mit Elementen aus AD&D 1e aufgepeppt und zu meiner Enttäuschung auch das ehemals charmante farbige violette Cover mit einem hässlichen Dreifarbcover ausgetauscht hat.
Einleitung: Die Tabelle auf Seite 8 ist entweder komplett falsch oder einfach unsinnig. Entweder man legt zur Vereinfachung eine sehr grobe Umrechnung für eine Konvertierung des angloamerikanischen Maßsystems fest, oder man tut es nicht. Aber man schreibt keine Tabelle mit schlicht falschen Maßen, wie es in diesem Fall gegeben ist. Ein Fuß hat 30,48cm, keine 33cm, wie mir die Tabelle auf Seite 8 suggerieren will, ebenso hat die US-amerikanische Landmeile keine 1,5km sondern 1,6km und 1 Zoll sind auch keine 2,8cm, sondern 2,54cm. Ich kann mich irren, aber ich nehme nicht an, dass der Autor von LabLord und die Herren Moldvay, Mentzer und Gygax (als Amerikaner) englische Maße und französischen Fuß verwendet haben dürften...
Charaktere: Ebenso wie "Swords&Wizardry" oder auch die 3. Edition von "Das Schwarze Auge" unterscheidet Labyrinth Lord nicht zwischen Klassen und Völkern. Es gibt gewisse Mindestattributswerte zu erreichen, wenn man bestimmte Klassen spielen möchte. Kann man gut finden, muss man aber angesichts der fast komplett zufallsgesteuerten Attributsermittlung nicht. die Archetypen sind per Konvention sehr stark in der Wahl ihrer Waffen und Rüstungen beschränkt, was man als "Oldschool" bezeichnen kann, oder schlicht als unnötig einschränkend empfinden kann. Ich tendiere zu Zweiterem, weil es zu starr und unflexibel gedacht ist. Was spricht dagegen, dass ein Kleriker eines Gottes des Rechts und der Gerechtigkeit zum Beispiel ein Schwert führt? Was mir aber nicht gefallen hat, und auch absolut keinen Sinn ergibt und auch meines Wissens nicht geklärt wird: Warum können Halblinge nur auf Stufe 8, Elfen maximal auf Stufe 10, und Zwerge auf Stufe 12 kommen? Wo ist der Hintergrund, was ist die Begründung?
Gesinnung: Same business as usual, jedoch finde ich das Konzept einer "Gesinnungssprache" sehr erheiternd und absolut unplausibel. Zwar letztlich eine Geschmacksfrage, für mich wäre das nichts.
Sprüche: Zaubersprüche wie zu AD&D-Zeiten. Been there, done that. Keine Zauberschwemme wie zu Zeiten der 3.X, sondern ein überschaubares Repertoire an bereits bekannten Zaubersprüchen. Selbst Gamebreaker wie "Auflösen", der weder einen Rettungswurf zulässt (WTF?), noch einen Angriffswurf benötigt... man denke sich seinen Teil dazu.
Regeln für das Abenteuer: Hier wird eine der Schwächen des GRW offenbar: Labyrinth Lord verschenkt die Gelegenheit, auf das Spiel ausserhalb von Dungeons einzugehen, und mich beschleicht das dumpfe Gefühl, dass man auch garnicht mehr damit spielen können soll. Schade, denn das macht "Swords&Wizardry" oder "Lamentations of the Flame Princess" definitiv "besser", aber auf jeden Fall etwas "runder" als Labyrinth Lord.
Begegnungen und Kampf: Klare und struktiert erklärte kurze Kampfregeln plus die obligatorischen Monster sant Regeln. Die Regeln zu den Rettungswürfen sind, ebenso wie beim Vorbild AD&D 1e für meinen Geschmack zu verworren und "eigen", als dass sie mir gefallen möchten. Von den mir bekannten Retroklonen hat LabLord das meiner Meinung nach schlechteste Rettungswurfsystem, das können andere Systeme besser, und das ohne dass man seinen Rettungswurf auf einer von sechs(!) unterschiedlichen Tabellen erstmal heraussuchen muss. Eindeutiger Negativpunkt.
Schätze: Auch hier wird wieder die Ähnlichkeit zu AD&D 1e deutlich: Mehr Tabellen! Pluspunkt, denn so sind Schatzhorte schnell generiert, zumindest was die gewöhnlichen Funde betrifft.
Mein etwas ausführlicheres "Gesamt-Fazit" zum deutschen Grundregelwerk der "Labyrinth Lord"-Ausgabe der "Advanced Edition"LabLord war in seiner ersten Originalversion ein Anreiz, mich eingehender mit dem Phänomen der "OSR"(Old-School-Renaissance) und der "Retroklone" zu beschäftigen, unter anderem mit "Swords&Wizardry" (beide Versionen), "Lamentations of the Flame Princess", "Labyrinth Lord" (Die erste Version als auch den "Advanced Edition Companion"), "Mutant Future","Mazes&Minotaurs", "OSRIC" und "Basic Fantasy".
Das vorliegende Labyrinth Lord ist ein Regelwerk, das einem ein Regelgerüst an die Hand gibt, um damit Rollenspiel zu betreiben, wie man es meiner Meinung nach heutzutage (leider) immer seltener findet, da große Teile der Szene immer mehr der Maxime "Mehr Regeln bedeuten mehr Sicherheit für alle im Spiel" folgten, und wie heutzutage an einem Punkt angekommen sind, an dem es uns passieren kann, dass wir uns mit Spielern (a.k.a. "rules lawyer") konfrontiert sehen, die mit dem Regelbuch in der Hand die Umsetzung einer (oder mehrerer) Regel(n) "einklagen", egal ob diese in einer gegebenen Situation im Spiel sinnig ist, oder nicht. Labyrinth Lord ist, ebenso wie der Rest der Retroklone kein Spiel, das man mit dem heutigen "Rollenspielverständnis" betrachten kann oder sollte. Es kann und soll als Nachmodellierung des ursprünglichen D&D keine "Konkurrenz" zu heutigen bestehenden Systemen sein, denn diese verfolgen einen gänzlich anderen Ansatz des Rollenspiels. Während es heute ausreicht, dass ein gespielter Charakter von Regelseite aus kompetent ist, und man sich im Zweifelsfall "den Weg freiwürfelt", musste "damals" in der "guten alten Zeit"(sic!) auch der Spieler eines Charakters etwas auf dem Kasten haben, und mitdenkenderweise aktiv am Spiel teilnehmen.
Was kann ich über LabLord also sagen? LL ist ein Rollenspiel das mir letztlich nicht gefällt, aber: Es ist kein schlechtes Rollenspiel, denn es funktioniert als solches, auch wenn es meinen Ansprüchen nicht gerecht wird und meinem Geschmack nicht entspricht. Die Regeln mögen archaisch und vielleicht auch "altbacken" sein, aber was sagt das über die Qualität des Systemes an sich aus? Muss ein gutes Rollenspielsystem "zeitgemäß" sein? Muss es überhaupt dem Trend des Zeitgeists folgen, dem Diktat des "Es muss soviel geregelt sein als möglich"?
Es geht letztlich nicht um die Frage der Regeln an sich, sondern was man als Rollenspieler aus einer gegebenen Regelbasis macht. Um es etwas überspitzt nach meinem Befinden zu formulieren: Während D&D 3E/4E bei unklaren Regelsituationen zumeist sagt "Schlag es nach, Dummkopf!", sagt Labyrinth Lord "Löse es durch Rollenspiel oder denk dir etwas zur Situation Passendes aus!".
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