Links zur Rezension InhaltDieser Krieg sagt man, dauert hundert Jahre. Er unterscheidet sich nicht sonderlich von der, der ihm vorausging – nicht mehr, als von dem, der ihm folgte. Wie Hagel oder die Pest stürzt sich der Krieg auf das Land, wenn man ihn am wenigsten erwartet. Vorzugsweise, wenn das Getreide schwer und die Mädchen hübsch sind…
Der namenlose Ritter ohne Gesicht, Anicet und Mariotte sind weiter unterwegs auf ihrer seltsamen Reise, als man sie in der Nähe eines Dorfes, welches erst vor kurzem überfallen wurde, für Plünderer hält. Während sich der Ritter und Anicet vor dem wütenden Pulk retten können, gerät Mariotte in die Fänge der wütenden Meute, welche sie kurzer Hand töten will. Aber es scheint, als meinte es das Schicksal wieder einmal gütig mit Mariotte, die – wenn auch ihrer Kleider beraubt – vor dem Mob fliehen kann und zum Strand rennt. Hier gelangt sie – verfolgt von den Dorfbewohnern – an einen riesigen Felsen, der scheinbar eine Art Heiligtum darstellt und nicht entweiht werden darf. Ihre Verfolger lassen ab von ihr, zumal sich ein seltsamer alter Mann auf dem Felsen befindet
Als Mariotte wieder zu sich kommt, findet sie sich in einer armseligen Hütte wieder und macht Bekanntschaft mit Yuna, einem magisch begabten Mädchen und deren bösartiger Großmutter. Als diese nachts schläft, gibt Yuna Mariotte Drogen und in ihren Träumen erfährt sie mehr über den Anfang des Krieges zwischen den drei Mächten und der Schwarzen Kraft. Aber sie sieht auch ein besonderes Schmuckstück in ihren phantastischen Träumen: Die Blaue Finsternis. Doch auch die gefährlichen Dhuarden bleiben ihr nicht verborgen.
Das Aufwachen von Mariotte ist sehr plötzlich, da die Großmutter das Versteck des Juwels wissen möchte. Fast hätte man Mariotte ertränkt, um ihr dieses Geheimnis zu entlocken. Jedoch stirbt die Großmutter unglücklicherweise in ihrem brennenden Haus und Mariotte und Yuna können entkommen. Yuna ist nicht sonderlich traurig über den Tod ihrer Großmutter, hat sie ihr doch oft genug den Tod gewünscht. Yuna vertraut Mariotte an, das sie eine geheimnisvolle Kraft besitzt und sie furchtbare Angst vor den Dhuarden hat.
Gemeinsam mit Yuna stößt Mariotte wieder auf ihre Begleiter, die sich noch in der Nähe befinden. Zu ihnen gesellt sich auch ein reisender Troubadour an, der von einem Kobold begleitet wird und der Anicet das Leben rettet. Dieser Retter weiß einiges über die Dhuarden zu berichten, die nichts anderes als Diener der Schwarzen Macht sind und Kobolde als Sklaven halten. Die Gefährten beschließen sich auf den Weg in die Blaugrüne Stadt zu machen, welche von den Dhuarden bewohnt wird, um dort deren Königin zu töten und die geheimnisvolle Weiße Frau zu befreien.
Aber der Weg in die Blaugrüne Stadt ist nicht ohne Gefahren, sind die Dhuarden doch äußerst bösartige Ungeheuer. Aber trotz aller Unbill scheint es das Schicksal gut mit ihnen meinen und so befinden sich Yuna und Mariotte bald schon im Reich der Dhuarden, aber der Preis den sie zahlen müssen ist hoch.
Schreibstil & Artwork:Der französische Comiczeichner François Bourgeon wurde am 05.07.1945 in Paris geboren und durchlief eine Ausbildung zum Glasmaler an der Pariser „Ecole des Métiers d'Art“. Bereits 1971 musste er allerdings seinen Beruf aufgeben, da die allgemein schlechte Auftragslage in seinem Metier nicht für seinen Lebensunterhalt reichte. Anfang der 70er Jahre gelangte er, eher zufällig, in Kontakt mit der Jugendzeitschrift „Lisette“, für die er 1972 die Serie „L´Ennemie vient de la mer“ erschuf, die mit ihren stark schematisierten Zeichenformen noch deutlich Bourgeons Prägung durch die Glasmalerei erkennen lässt. Nach dem Konkurs von „Lisette“ folgten weitere kleinere Arbeiten für Magazine wie „Fripunet“, „J2“ und „Pif Gadget“.
Einen ersten, wenngleich auch kurzen, Ausflug ins Mittelalter unternimmt Bourgeon bereits 1973 mit dem Comic „Brunelle et Colin“ (dt. „Britta und Colin“, Carlsen). Die von Robert Génin für das Comicmagazin „Djinn“ geschriebene Serie um eine tollkühne Prinzessin und ihren Pagen gibt er allerdings bereits nach zwei Bänden wieder auf, die Génin dann aber ab 1982 mit dem Zeichner Didier Convard fortsetzt.
Im Jahr 1979 gelingt Bourgeon mit dem historischen Zyklus „Reisende im Wind“ der Durchbruch in der frankobelgischen Comicszene. Dies allerdings nicht unbedingt durch seinen Zeichenstil, sondern vielmehr durch seine Neuerungen auf dem Gebiet der Bilddramaturgie des Comics: Als Bourgeon Anfang der 70er Jahre die Comic-Szene betrat, war die Seitenaufteilung des Mediums noch weitgehend klassisch und konventionell geprägt: Die einzelnen Panels folgten linear aufeinander und bildeten ein starres Gerüst. Bourgeon hob diese Beschränkung einfach auf und wechselte die Panelgröße je nach Verlauf und Absicht seiner Erzählung. So fügt er beispielsweise kleinere Detailbilder in größere Panoramen ein und erzielt so mitunter Effekte, wie sie der Leser aus der Erzählsprache der Filmkunst kennt. Doch nicht nur die visuelle Erzählweise von Bourgeon war für die damalige Comic-Kultur wegweisend, sondern auch die Entwicklung der Charaktere innerhalb einer Comic-Reihe wie in „Reisende im Wind“, die man bislang in dieser Form nicht kannte.
Bourgeon pflegt, ähnlich wie in der Reihe „Reisende im Wind“, auch hier einen insgesamt sehr realistischen und detaillierten Zeichenstil, wobei er oft auf der Grundlage von historischen Studien in seiner Darstellung von Landschaft, Technik und Bauwerken arbeitet. Seine nie geschönten oder idealisierten Figuren basieren auf anatomisch genauen Vorgaben, ohne dabei allerdings ins Photorealistische überzugehen. Noch vor dem Abschluss seiner Erfolgsserie „Reisende im Wind“ begann er bereits sein nächstes Großprojekt und so entstand zwischen 1983 bis 1989 die drei Bände umfassende Reihe „Les compagnons du crépuscule“ (Die Gefährten der Dämmerung), die zunächst bei Carlsen in der „Edition Comic Art“ auf deutsch veröffentlicht wurde.
Rahmenhandlung der Geschichte ist der Hundertjährige Krieg, der zwischen Frankreich und England tobte: Der offizielle Vorwand für die Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England im 13. und 14. Jahrhundert war die Frage der französischen Thronerbe. Nach dem Tod des Königs Karl IV., der keine direkten Nachfolger hatte, erhoben gleichzeitig zwei Kandidaten ihre Ansprüche auf den Thron: Philipp VI. - Cousin des verstorbenen Königs und Neffe Philipps des Schönen so wie Eduard III. - englischer König und mütterlicherseits Enkel Philipps des Schönen Die Streitigkeiten über die Thronfolge, die mit diversen Unterbrechungen über hundert Jahre dauerten und später im französischen Bürgerkrieg der Armagnacs und Bourguignons mündete, bekam in der Geschichtsschreibung die Bezeichnung „Hundertjähriger Krieg".
Bourgeon richtet in seinem Werk „Die Gefährten der Dämmerung“ den Fokus auf drei gesellschaftliche Außenseiter zur Zeit des Hundertjährigen Krieges Frankreich: einen geheimnisvollen Ritter ohne Gesicht, das rothaarige Mädchen Mariotte und den vom Galgen geretteten Anicet. Sind die ersten beiden Bände der Reihe noch eher im Fantasybereich angesiedelt, so zeigt der dritte Band, der mit insgesamt 126 Seiten zugleich auch der umfangreichste der Reihe ist, ein bisher im Comic noch nicht gesehenes einzigartiges Panorama des Mittelalters.
Francois Bourgeon nimmt uns mit auf eine abenteuerliche Reise in dieses dunkle und zugleich authentisch dargestellte Mittelalter in Frankreich und würzt seine Erzählungen mit phantastischen Versatzstücken, die wir heutzutage wohl noch am ehesten im Bereich „Fantasy“ ansiedeln würden, ihren Ursprung aber irgendwo in der französischen Mythologie der Bretagne haben. Allerdings interessiert sich Bourgeon nicht so sehr für den Krieg und seine politischen Geschehnisse, als vielmehr für die Darstellung seiner drei ungleichen Gefährten, die ein seltsames Schicksal zusammen geführt hat. Dabei präsentieren die drei Bände der Reihe „Die Gefährten der Dämmerung" eine sehr intensive Geschichte, die stellenweise fast schon literarische Züge annimmt und sicherlich zu den bemerkenswertesten Erscheinungen der 80er Jahre gehören.
Die Zeichnungen von Bourgeon sind mehr als nur Bilder, die eine Erzählung transportieren, sondern bestechen durch ihre klare und deutliche Linienführung so wie durch ihre hervorragende Kolorierung. Hier merkt man Bourgeon die Erfahrung an, die er bei den ersten Bänden von „Reisende im Wind“ für sich gewinnen konnte. Die Darstellung der Figuren mag für manchen Betrachter vielleicht etwas kantig und hölzern wirken, aber gerade dies – ebenso wie die freizügige Darstellung seiner weiblichen Protagonisten – macht den Stil von Bourgeon aus. Diesen muss man allerdings mögen, um seine Freude an dieser Reihe zu haben.
Qualität, Ausstattung & ÜbersetzungAuch dieser Band der Reihe besticht durch seine Qualität, egal ob es sich um die solide Fadenheftung handelt oder um den optisch sehr gelungenen Einband dieser Hardcoverausgabe. Zudem macht die moderne Drucktechnik und ausgewogene Farbgebung diesen Band zusätzlich zu einem Erlebnis. Wer bislang die Carlsen-Ausgabe sein eigen nennt, dem sei folgender Hinweis gegeben: Mir erscheint der „Kontrast“ in dieser Neuauflage auch im zweiten Band – nicht zuletzt wohl durch den Einsatz moderner Drucktechnik – wesentlich frischer und schärfer zu als sein als die der alten Ausgabe.
Als Extras gibt es im Anhang einige Zeichnungen und Skizzen, als auch den Gesang der „Reihen“ in vollständiger Form zum Nachlesen. Dieser voller Fragen, Antworten und Rätsel steckende Gesang wurde erstmals im 19. Jahrhundert on Théodore Hersat de La Villemarqué aufgezeichnet und aus dem Bretonischen übersetzt, um dann später in seiner Sammlung „Barzaz Breis“ („Bretonische Volkslieder“) veröffentlicht. Der interessierte Leser dürfte in diesem Text sicherlich weitere aufschlussreiche Informationen entdecken. An der gelungenen Übersetzung von Ishel Ute Eichler ist ebenso wie an der Übersetzung des Anhangs von Martin Budde nichts auszusetzen. Als besonderes Extra gibt es noch eine herausnehmbare Graphik von Mariotte.
FazitDie Reihe „Die Gefährten der Dämmerung" kann man sicherlich getrost als Klassiker bezeichnen, der in keinem gut sortierten Comic-Regal fehlen sollte und der eigentlich zu Unrecht im Schatten von „Reisende im Wind“ steht. Während Bourgeon in der Reihe „Reisende im Wind“ einen historisch-authentischen Stil pflegt und man das wechselhafte Schicksal der Protagonistin im Spiegel der Geschichte verfolgt, schlägt er bei „Die Gefährten der Dämmerung“ eine gänzlich andere Art der Erzählung ein. Zwar bleibt Bourgeon in seiner Erzählung immer noch historisch korrekt, aber es ist der Schuss Phantastik, der dieser Geschichte ihren besonderen Reiz verliert und man dank des klugen Aufbaus als Leser das Gefühl vermittelt bekommt, als befinde man sich nicht in einer anderen Welt, sondern als seien Realität und Fiktion zu einer Ebene ganz besonderer Art miteinander verschmolzen. Aber erneut bleibt eine große Frage am Ende offen – war es alles nur ein Traum? Sind die Dinge wirklich alle geschehen?
Als hätte er nach dem ersten Band der Reihe Lust und Gefallen gefunden an seiner eigenen Fabulierkunst gefunden, treibt Bourgeon im zweiten Band diese zu neuen Höhenflügen. Dabei ist diese Geschichte nicht unbedingt leicht nachvollziehbar, sondern in ihrer Handlung überaus komplex. So gibt es selbst in den Phasen, in denen sich die Akteure in ihrer eigenen Fiktion befinden unterschiedliche Erzähler und Zeitebenen. Insgesamt also keine leichte Kost, die dem Leser hier serviert wird und einiges an Konzentration erfordert.
Ich habe die stetige Entwicklung der einzelnen Charaktere als auch der Geschichte sehr genossen, da die traumhaften Passagen und mystischen Hintergründe sich dem Leser zwar niemals richtig erschließen werden, aber Bourgeon mit seinen zum Teil zauberhaften Zeichnungen in Verbindung mit der überaus drastischen und verrohten Darstellung des Mittelalters eine Mixtur kreiert hat, die den Leser einfach gefangen nimmt.
Für mich persönlich ist diese Reihe eine absolute Empfehlung für Freunde des historischen Comics, der allerdings mit einer gehörigen Portion Phantastik daherkommt – also aufgepasst, da dies nicht jedermanns Geschmack sein dürfte..
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