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Descent - Erweiterung 5 - Schrecken des Blutmeers
Bewertung:
(4.8)
Von: Nico Bracht
Alias: Cut
Am: 31.01.2011
Autor:Kevin Wilson
Übersetzer:F. Köther und Stephan Rothschuh
Typ:Brettspielerweiterung
System:Descent
Setting:Das Inselkönigreich von Torue Albes
VerlagHeidelberger Spieleverlag
ISBN/ASIN:
Inhalt:Siehe Rezensions-Text
Sprache:Deutsch

Vorwort

Descent trifft auf „Fluch der Karibik“.

Jedenfalls fühlt es sich ziemlich genau so an, wenn man die neueste Descent-Erweiterungsbox in die Hände bekommt. Die neue „Schrecken des Blutmeers“ (SdB) Erweiterung (englischer Titel „Sea of Blood“) verspricht eine waghalsige Unternehmung: Die Helden verlassen die stetige Dunkelheit der unterirdischen Verliese und spüren die salzige Meeresluft der fernen Gestade des Inselkönigreiches Torue Albes im Gesicht.

Dort greift einmal mehr ein finsterer Overlord nach der Macht.

Einer Gruppe waghalsiger Helden, ausgerüstet mit einem magischen Schiff, der Revenge, fällt es zu, sich ihm und seinen Plänen in den Weg zu stellen.

 

Basierend auf dem für die „Wege zum Ruhm / Road to Legend (RtL)“ Box entwickelten Descent-Kampagnenmodus, schicken sich die Heldenspieler an, dem Overlord auf hoher See und auch auf (mehrstöckig unterkellerten) Inseln die Stirn zu bieten und Torue Albes Freiheit zu verteidigen.

 

Voraussetzungen, Inhalt der Box und Qualität des Materials

Alles was man grundsätzlich zum Spielen einer SdB-Kampagne braucht, sind das Descent-Basisspiel und die SdB-Erweiterung. Das Kampagnen-Spiel ist aber durchaus darauf ausgelegt und profitiert massiv davon, wenn eine oder mehrere der klassischen Erweiterungsboxen mit eingebunden werden.

 

Wie bei Erweiterungsboxen im Kampagnenmodus üblich, enthält SdB u.a. einen zehnteiligen neuen Würfelsatz (je fünf Silberne und fünf Goldene Machtwürfel), vier Helden-, eine Overlord- und eine Friedhofsschachtel, aber leider keine weiteren Miniaturen.

 

Die Hauptmänner („Lieutenants“) des jeweiligen Overlord-Avatars liegen dem Spiel z.B. wieder nur als Pappmarker bei, können aber als Zinnfiguren zugekauft werden. Allein für die einzige neue Monstersorte, dem Säbelzahnhai, liegen fünf Pappmarker (in Haifischflossenoptik!) und Plastik-Aufsteller bei, die auch noch für den Einsatz der neuen Papptentakel benötigt werden.

 

Dafür gibt es wieder eine Unmenge (weit über 200!) an neuen Spiel- oder Austauschkarten und einen Torue Albes-Übersichts-Spielplan.

Ein erstes Highlight der Box ist aber die riesengroße doppelseitig bedruckte Seekarte, der sog. Meeresspielplan, auf dem sich nunmehr Schiffgefechte und die Inselbegegnungen ausspielen lassen. Der Plan ähnelt einer D&D Miniatures Battlemap, ist aber aus einem leinenartigen Material, wirkt dabei aber haltbarer und ist noch etwas größer!

 

Extrem reizvoll sind aber die Schiffsbodenplatten, mit denen sich zwei Schiffe, (je nach Entwicklungsstand in unterschiedlichen Größen!) erstellen lassen.

Das es für diese Schiffe auch diverse Kanonen (nämlich vier unterschiedliche Typen mit dazugehörigen schicken Pappmarkern) gibt, versteht sich dann wohl auch von selbst!

 

Von der Optik und den Ideen hinter dem Spielmaterial werden alle Wünsche erfüllt und auch bei der fünften Erweiterung wird nicht an der Qualität der Ausstattung gespart. Die Pappmarker und Bodenplatten entsprechen dem gewohnten Stil und sind von der Verarbeitung einmal mehr top.

Leider fehlen auf den Stanzbögen, aus denen man die Pappmarker herausdrückt, zwei von vier im Inhaltsverzeichnis angekündigten „Riff / Seichtes Wasser“ Markern. Nach einem Studium der Queste scheint dies jedoch unproblematisch zu sein, da auf den ersten Blick in keinem Abenteuer alle vier Marker benötigt werden.

Das kombinierte Regel- und Questbuch ist wie zuletzt auch, als Softcoverbuch in der Box enthalten.

 

Die Schrecken des Blutmeers-Kampagne

Schon beim „Road to Legend / Wege zum Ruhm“ - Kampagnenspiel, mit seinen kleineren Dungeon-Leveln wurde der Spielablauf beschleunigt. Dieser Effekt wird bei SdB durch zwei besondere neue Bodenplatten sogar noch verstärkt. Diese ermöglichen, engere „Kurven“ in die Dungeons einzubauen und damit schmalere Dungeons zu entwerfen, so dass das Entstehenlassen von neuen Monstern erschwert wird. Die Spieldauer kann also durchaus gesenkt werden, wenn die Helden wissen was sie tun und zügig voranschreiten. Auch gibt es ein neues grünschimmerndes Portalfeld.

 

Zu den Einzelheiten des Descent-Kampagnenspiels verweise ich auf die hier im Gate erschienene Rezension der „Road to Legend“-Erweiterung. Nur so viel an dieser Stelle: Obwohl das Regelgerüst des Kampagnenspiels beinahe eins zu eins übernommen wird, so sind die beiden Kampagnen-Erweiterungen nicht wirklich kompatibel. Das Kampagnenspiel ist zwar wie gewohnt in drei Level (Kupfer, Silber und Gold) eingeteilt, die durchlaufen werden, aber die Ansätze und Hintergründe der zu spielenden Kampagne sind einfach zu unterschiedlich. Dazu kommen noch einige (kleinere) Anpassungen und Regeländerungen, die teils auf das besondere Setting von SdB eingehen oder aber auf den gewonnenen Erfahrungen mit den „alten“ Kampagnenregeln beruhen.

Eine Änderung besteht etwa darin, dass der Overlord Spieler bei einer SdB-Kampagne nicht sofort zu Beginn der Kampagne einen eigenen Hauptmann im Spiel hat, sondern muss diesen im Spielverlauf erst „anschaffen“. Weiter wird z.B. eine „Bremse“ eingebaut, die verhindert, dass weder die Spieler noch der Overlord einen zu großen Vorsprung aufbauen können und damit die Spielbalance kippt.

 

Einen besonderen Reiz einer jeden SdB-Kampagne (im Vorfeld des Endkampfes) macht sicherlich das erweiterte Spielfeld aus. Der Box liegt eine großformatige beidseitig bedruckte und haltbare Battlemap bei. Diese zeigt auf der einen Seite den Ozean und auf der anderen Seite teils Meer, teils Insel. (Neuerdings ist diese Seekarte auch als stabilere Pappkarte im Handel nachkaufbar). Auf dieser Karte finden viele der Begegnungen statt. Zu Beginn einer jeden Inselerkundung müssen die Helden von der Revenge aus auf der Insel landen und sich den Zugang zu einem Dungeon freispielen, in dem sie etwa auf der Insel vorhandene Rätsel lösen oder dort zunächst bestimmte Gegner zur Strecke bringen!

 

Regeltechnisch wird in SdB neben den bereits erwähnten Änderungen des Kampagnenmodus auch so noch einiges Neues geboten: Da nunmehr Schiffsgefechte auf hoher See oder der Einsatz von Kanonen auch bei der Landung auf einer Insel gang und gäbe sind, weist der Regelteil des Heftes eine Vielzahl durchweg gelungener neuer Spielregeln für diese Fälle auf.

Um das Schiff richtig unter Fahrt zu nehmen, müssen die Helden beispielsweise verschiedene schiffstypische Stationen bemannen. Dabei können sie etwa das Schiff steuern, Segel setzen oder reffen, oder die Kampfstationen besetzen, um mit den Schiffskanonen zu schießen!

 

Daneben werden auch so schön zum Szenario passende Dinge (wie etwa das Herüberschwingen auf andere, langseitig liegende Schiffe per Enterseil) geregelt und es wird naheliegenderweise die Fertigkeit Schwimmen eingeführt.

Helden die beim Kampf oder bei Enterversuchen ins Wasser fallen, müssen sich dort dann oftmals mit den neuen Sabelzahnhaien oder den beweglichen Tentakeln eines Seemonsters herumplagen!

 

Autor Kevin Wilson hat hier ganze Arbeit geleistet und vieler Klischees aus Piratenfilmen gekonnt bedient und interessant spielbar für Descent umgesetzt.

 

Um dem neuen Setting ferner atmosphärisch Sorge zu tragen, werden einige der Monster, aber auch wenige Helden leicht modifiziert. (So erhalten Skelette beispielsweise die neue Fertigkeit „Schwimmen“). Für diese Monster gibt es neue Spielkarten.

Einige weitere Karten des Grundspiels werden ebenfalls inhaltlich an das neue Umfeld angepasst. Die Umsetzung erfolgt durch die, in der SdB-Box enthaltenen, Austauschkarten mit neuem Text oder geänderten Regeln. Für die angepassten Helden gibt es allerdings keine neuen Heldentafeln.

 

An dieser Stelle findet sich eigentlich auch der einzige kleine Schwachpunkt der neuen Erweiterung: Es hätte der Sache unheimlich gut getan, wenn neben den sehr abgefahrenen Overlord-Avataren und –Hauptleuten, den neuen Säbelzahnhaien und angeglichenen Monstern doch noch der eine oder andere neue Seefahrer-Held dazu gekommen wäre. Vier bis sechs neue Helden hätten die Erweiterung sicherlich noch stimmiger gemacht und in sich perfekt abgerundet.

 

Die Übersetzung:

Ich besitze das deutsche Basisspiel, aber alle meine Erweiterungs-Boxen waren bisher Originalversionen. Bei der neuen SdB-Erweiterung wartete ich jedoch das Erscheinen der deutschen Box ab. Da die deutschen Ausgaben meist eine ganze Weile nach der Originalversion der jeweiligen Box erscheinen, können somit vom deutschen Übersetzungsteam einige Verbesserungen vorgenommen werden, wie z.B. die Einarbeitung erster Errata usw. Und ich wurde nicht enttäuscht.

Die beiden Übersetzer Ferdinand Köther und Stephan Rothschuh leisten ganze und gelungene Arbeit. Nach der Lektüre der Karten und Hefte bleibt der angenehme Eindruck zurück, dass die Übersetzer genau wussten, was sie taten als sie die Spielmaterialien übersetzten!

Man kann also mit gutem Gewissen zur Anschaffung der deutschen Boxen raten.

 

Fazit:

Die „Schrecken des Blutmeeres“ Erweiterung ist vielleicht das Beste was Descent aktuell passieren konnte. Nicht nur bringt sie eine völlig neue Spielperspektive und Thematik mit sich, sondern bietet auch eine Neufassung des Kampagnenmodus aus der „Road to Legend / Wege zum Ruhm“ Erweiterung, mit Verbesserungen, die auf den Spielerfahrungen einer loyalen Fangemeinde beruhen.

 

Die Ausrichtung des Spiels hin auf die hohe See, auf Schiffe und Inseln sprengt den Rahmen des Dungeon-Crawls und ist vielleicht geeignet auch andere Spielertypen an den Tisch zu locken oder solche zu einer Proberunde Descent zu animieren, die sich sonst nicht mit einem Fantasy-Brettspiel beschäftigt hätten, aber vielleicht die „Fluch der Karibik“ Filme gerne gesehen haben.

 

Es macht als (erfahrener Descent-)Spieler einfach unglaublich viel Spaß mit den riesengroßen Schiffsteilen die Schiffe zu basteln und damit die noch viel größere Meeresspielplankarte zu befahren, dort Kämpfe gegen feindliche Schiffe zu bestreiten und letztlich an fremden Gestaden zu landen und dann die Inseln zu erforschen, aus denen das Königreich Torue Albes besteht.

 

Dass es die Möglichkeit gibt, das Heldenschiff mehrfach zu vergrößern und im Prinzip wie den fünften Helden der Gruppe weiter zu entwickeln, verstärkt das Gemeinschaftsgefühl der Heldenspieler und führt zu einer Vertiefung der Atmosphäre.

 

Doch auch der Overlord-Spieler kommt nicht zu kurz. Denn er erhält diverse Karten, die Begegnungen ermöglichen, in denen er den Helden mit eigenen Schiffen nachstellen und das Leben schwer machen kann. Mit Captain Bones steht ihm auch ein sehr stimmungsvoller Avatar zur Verfügung, der mit allen Wassern gewaschen ist.

 

„Schrecken des Blutmeers“ ist, egal welche Seite man spielt, eine lohnende Fortentwicklung eines bereits tollen Spiels.

 

Alles in Allem findet man in SdB eine gelungene Weiterentwicklung des Descent-Kampagnenspiels die gleichzeitig extrem viele neue, innovative Regeln bietet, die gerade zu danach schreien, in (langen) Spieleabenden ausprobiert zu werden. Positiv muss erwähnt werden, dass trotz all dieser Neuerungen der Autor erfolgreich eine problemlose Einbindung aller bisherigen (nicht Kampagnenspiel-)Erweiterungsboxen und ihrer Figuren und Regeln ermöglicht hat.

 

Ich empfehle jedem Fan der „Road to Legend“ Erweiterung sich diese Weiterentwicklung anzuschauen. Jedem Descent-Spieler-Team, dass sich bisher noch vor einem Kampagnenspiel gedrückt hat, trage ich auf, so schnell wie möglich in See zu stechen um das Inselkönigreich Torue Albes zu retten.

 

Voller Überschwang bin ich verleitet der SdB-Erweiterung volle fünf Piratenschatz-Münzen zu geben, ziehe aber aufgrund leichter Schwächen (fehlende Riff-Marker, keine neuen Helden) ein wenig von der Gesamtpunktzahl ab. Es muss ja auch noch Spielraum für spätere, noch spannendere Erweiterungen geben.

 

Die fünfte Descent-Erweiterung bekommt von mir insgesamt aber immer noch überragende 4,8 Punkte!